Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.03.1996, Az.: V 356/93
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.03.1996
- Aktenzeichen
- V 356/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 26876
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0328.V356.93.0A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 10. 305 DM festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar. Außerdem betätigt er sich als Komponist und Textdichter. Für das Streitjahr gab er monatlich Umsatzsteuervoranmeldungen ab, in denen er insgesamt 107. 000 DM steuerpflichtige Umsätze und 6.592,89 DM Vorsteuern erklärte. Später reichte er berichtigte Voranmeldungen ein, in denen er die Umsätze als Rechtsanwalt und Notar nicht mehr angab. Entsprechend erklärte er in der Jahreserklärung nur die GEMA-Tantiemen und Lizenzgebühren, die er als Komponist und Textdichter erzielte sowie Vorsteuern.
Der Beklagte schätzte die Besteuerungsgrundlagen anhand der Angaben in den ursprünglichen Voranmeldungen und aufgrund der Gewinnermittlung und setzte im Bescheid vom 19. Juli 1993 die Umsatzsteuer auf 10. 305 DM fest.
Dagegen erhob der Kläger Einspruch, den er wie folgt begründete:
Der Beklagte habe die Besteuerungsgrundlagen zu Unrecht geschätzt. Er hätte seiner Steuererklärung folgen müssen. Der Bescheid verstoße gegen das Gebot der Leistungsfähigkeit. Aus der Rechtsanwaltstätigkeit erziele er Verluste. Deshalb dürfe "darauf" keine Umsatzsteuer erhoben werden.
In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte der Beklagte die Umsätze aus der Komponisten- und Textdichtertätigkeit entsprechend der Steuererklärung. Für die Rechtsanwalts- und Notartätigkeit blieb es bei der ursprünglichen Schätzung. Dadurch ergab sich eine Umsatzsteuer in Höhe von 10. 640 DM.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Klage. Zur Begründung trägt er vor: Die gesetzlichen Anwaltsgebühren seien spätestens seit 1990 nicht mehr kostendeckend. Deshalb mache er als Rechtsanwalt und Notar nur noch Verluste. Es liege insoweit ein verfassungswidriger enteignungsgleicher Eingriff in den Praxisbetrieb vor, der sein Existenzminimum gefährde. Das Existenzminimum dürfe jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht besteuert werden. Das gelte auch für die Umsatzsteuer, die eine Einkommensteuer im weiteren Sinne sei. Jeder Steuerpflichtige dürfe nur nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert werden. Der Gesetzgeber setze voraus, daß die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer auf den Endverbraucher abgewälzt werden könne. Beim staatlich gebundenen Beruf des Rechtsanwalts würden dabei mindestens kostendeckende Gebühren vorausgesetzt. Befinde sich ein Rechtsanwalt wie er,der Kläger, in einer Verlustphase, könne er die Umsatzsteuer nicht mehr abwälzen. Da die anwaltlichen Gebühren nicht mehr kostendeckend seien, finde zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten kein wirtschaftlicher Leistungsaustausch mehr statt. Deshalb fehle es an einem Leistungsaustausch.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer auf minus 611,69 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bleibt bei seiner Ansicht.
wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die unter Steuernummer beim beklagten Finanzamt für den Kläger geführten Umsatzsteuerakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Anwaltliche Leistungen, die der Kläger gegenüber seinen Mandanten erbringt, unterliegen als sonstige Leistungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer. Dasselbe gilt für die Leistungen im Rahmen der Notariats. Der Kläger erbringt beide Leistungen als Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens. Ob die Gebühren für diese Tätigkeiten so niedrig sind, daß sie keine Gewinne gestatten, hat auf die Umsatzsteuerpflicht des Klägers keinen Einfluß. Das ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG. Danach ist zur unternehmerischen Tätigkeit die Erzielung von Einnahmen, nicht aber die Absicht, Gewinn zu erzielen oder gar die Gewinnerzielung selbst erforderlich.
Die Leistungen, die der Kläger als Anwalt und Notar erbringt, sind Leistungen im wirtschaftlichen Sinn, die das Umsatzsteuergesetz erfaßt (vgl. Bunjes/Geist, UStG, § 1 Anm. 4). Wirtschaftlich ist hier nicht i.S. von gewinnbringend gemeint. Vielmehr steht die der Umsatzsteuer unterliegende wirtschaftliche Leistung im Gegensatz zur reinen Geldzahlung als bloßem Entgelt.
Entgegen seiner Ansicht kann der Kläger die Umsatzsteuer auf seinen Mandanten überwälzen. Da er aufgrund der Höhe seiner Umsätze kein sog. Kleinunternehmer i.S.v. § 19 Abs. 1 UStG ist, kann er die gesamte auf seine Vergütung entfallende Umsatzsteuer den Mandanten in Rechnung stellen. Wie er in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, tut er das auch, indem er in den Gebührenrechnungen Umsatzsteuer auf die Gebühren besonders ausweist.
Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vergnügungssteuer (Bundesverfassungsgericht Bd. 31, 8) kann er sich in diesem Zusammenhang nicht berufen. Hierbei handelt es sich um eine Verbrauchsteuer, die im Gegensatz zur Umsatzsteuer nicht offen überwälzt wird, sondern ein Kostenbestandteil ist.
Ebensowenig kann der Kläger seine Ansicht auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Existenzminimum (Bundesverfassungsgericht Bd. 84, 239) und zur Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer (Bundesverfassungsgericht vom 22.6.1995, NJW 1995, 2615 [BVerfG 22.06.1995 - 2 BvL 37/91]) berufen. Beide Steuern sind aus dem Einkommen bzw. dem Vermögen zu bestreiten und können nicht wie die Umsatzsteuer auf den Letztverbraucher abgewälzt werden (vgl. den Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 28. September 1993 V B 90/93, UR 1994, 279 ff).
Erwägungen, auch für die Umsatzsteuer eine Art Existenzminimum zu beachten (vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, 14. Aufl., S. 79 und 181), mögen dahinstehen. Auf jeden Fall kämen sie - wenn überhaupt - nur beim Endverbraucher, nicht aber beim steuerpflichtigen Unternehmer zum Zuge.
Im übrigen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Der Beklagte durfte die Besteuerungsgrundlagen teilweise schätzen, denn der Kläger hat insoweit seine Steuererklärungspflicht nicht erfüllt (§ 162 AO). Daß die Schätzung fehlerhaft ist, hat der Kläger nicht vorgebracht. Auch von Amts wegen kann der Senat keine Fehler feststellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 2, 25 Abs. 2 GKG.