Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.03.1996, Az.: VI 388/92

Übernahme der Gründungskosten durch eine GmbH; Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei einer Kapitalgesellschaft; Verstoß gegen das Vorbelastungsverbot nach § 26 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG); Anspruch auf Einzahlung der Stammeinlage durch Einbindung einer Forderung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.03.1996
Aktenzeichen
VI 388/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16456
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0326.VI388.92.0A

Fundstellen

  • DB 1996, 1953 (amtl. Leitsatz)
  • DB (Beilage) 1997, 5 (Kurzinformation)
  • DStRE 1997, 70-71 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 1996, 1005-1006 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 1996, 947 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Körperschaftsteuer 1990

Amtlicher Leitsatz

Verpflichtet sich eine GmbH im notariellen Gesellschaftsvertrag zur Übernahme der Gründungskosten, ohne diese zu beziffern, so sind die gezahlten Aufwendungen nicht als vGA anzusehen, sondern als Betriebsausgaben abzugsfähig, weil Rechtshandlungen, die unter Verstoß gegen das Vorbelastungsverbot des § 26 Abs. 2 AktG erfolgt sind, gem. § 26 Abs. 3 AktG der Gesellschaft gegenüber unwirksam sind; der Anspruch auf Einzahlung der Stammeinlage, dem durch Einbindung einer Forderung Rechnung zu tragen ist, bleibt insoweit bestehen.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 26. März 1996,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Körperschaftsteuerbescheid 1990 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 15. Juni 1992 wird dahingehend geändert, daß in der Eröffnungsbilanz eine Forderung in Höhe von 1.239,70 DM angesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Behandlung des Gründungsaufwandes der Klägerin.

2

Die Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 25. September 1990 durch Mö (Mö.) und Mo (Mo.) gegründet. Jeder der beiden Gesellschafter übernahm eine Stammeinlage in Höhe von 25.000 DM. Hiervon wurden 25.000 DM geleistet. Zu jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Klägerin wurden - jeweils unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - beide Gesellschafter bestellt. Laut IV des notariellen Gründungsprotokolls vom 25. September 1990 und § 13 des Gesellschaftsvertrags war bestimmt, daß "die Gesellschaft die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung sowie die Gesellschaftssteuer trägt".

3

Im Körperschaftsteuerbescheid 1990 vom 25. März 1992 ließ das Finanzamt (FA) folgende Kosten nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zu:

Beurkundung des Gesellschaftsvertrages489,70 DM
Handelsregistereintragung500,00 DM
Gesellschaftssteuer250,00 DM
1.239,70 DM.
4

Vielmehr rechnete das FA dem erklärten Steuerbilanzgewinn den Betrag von 1.240 DM als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) hinzu.

5

Das verwendbare Eigenkapital stellte das FA wie folgt fest:

EK 501.372 DM.
6

Gegen die Behandlung der Gründungskosten als vGA richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt: Der Gesellschaftsvertrag enthalte eine klare und eindeutige Vereinbarung über die Verpflichtung, daß sie die Kosten des Vertrages und seiner Durchführung zu tragen habe. Daß kein konkreter Betrag genannt worden sei, habe seine Ursache darin, daß dieser nicht bekannt gewesen sei. Damit habe eine hinreichende Konkretisierung vorgelegen. Die Nennung eines geschätzten Betrages hätte auch keine größere Genauigkeit für sich haben können.

7

Die Klägerin beantragt unter Verzicht auf mündliche Verhandlung,

den Körperschaftsteuerbescheid 1990 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 15. Juni 1992 dahingehend zu ändern, daß Kosten in Höhe von 1.239,70 DM zum Abzug zugelassen werden.

8

Der Beklagte beantragt unter Verzicht auf mündliche Verhandlung,

die Klage abzuweisen.

9

Unabhängig davon, daß die Gesellschafter der Klägerin wegen gleichgerichteter Interessen als beherrschende Gesellschafter anzusehen seien und deshalb eine klare und eindeutige Vereinbarung für die Abzugsfähigkeit der Kosten erforderlich sei, sei die Vereinbarung im § 13 des Gesellschaftsvertrages zivilrechtlich unwirksam. Dies habe zur Folge, daß die geleistete Zahlung als vGA zu behandeln sei.

10

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Steuerakten St.Nr.: Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist begründet.

12

Weder die Zahlung der Kosten von 1.239,70 DM noch die bisherige Nichtgeltendmachung der Forderung auf Erstattung des Betrages stellen eine vGA oder eine sonstige andere Ausschüttung im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) dar.

13

Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 KStG bemißt sich die Körperschaftsteuer nach dem zu versteuernden Einkommen, wobei für den Einkommensbegriff und die Ermittlung des Einkommens gemäß § 8 Abs. 1 KStG die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugrundezulegen sind, VGA dürfen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der Körperschaft nicht mindern.

14

Eine vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruht (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - z.B. Urteile des BFH vom 14. März 1990 I R 6/89, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1990, 795; vom 24. Januar 1989 VIII R 74/84, BStBl II 1989, 419).

15

Durch die Zahlung des Betrages von 1.239,70 DM ist das Vermögen der Klägerin nicht gemindert worden, und die Nichtgeltendmachung eines Erstattungsanspruches stellt auch keine verhinderte Vermögensmehrung dar, d.h. die Einkommenssphäre der Klägerin ist nicht berührt. Allenfalls ist durch die Zahlung der Gründungskosten in 1990 das Eigenkapital der Klägerin betroffen.

16

Aber auch eine andere Ausschüttung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG. etwa in der Gestalt der Einlagenrückgewähr an die Gesellschafter wegen der Übernahme nicht bezifferter Gründungskosten, die zu einer Änderung der Körperschaftsteuer führen könnte, ist nicht gegeben.

17

Zwar verlangt § 26 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG), daß der Gesamtaufwand, der zu Lasten der Gesellschaft an Aktionäre oder andere Personen als Entschädigung oder als Belohnung für die Gründung oder ihre Vorbereitung gewährt wird, in der Satzung gesondert festzusetzen ist. § 26 Abs. 2 AktG enthält den Grundsatz, daß Vorbelastungen der Körperschaft für interessierte Dritte aus der Satzung ersichtlich sein muß. Als Ausdruck dieses allgemeinen Rechtsgedankens gilt er nach herrschender Auffassung auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Beschluß des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 20. Februar 1989 II ZB 10/88, Der Betrieb 1989, 871).

18

Ein Verstoß gegen das Vorbelastungsverbot nach § 26 Abs. 2 AktG. der im vorliegenden Fall darin besteht, daß die Klägerin den Gründungsaufwand in der Satzung nicht beziffert hat, auch nicht durch den Ansatz eines geschätzten Betrages, wie dies den Anforderungen zum Schütze der Gläubiger über die Unterrichtung von Vorbelastungen entsprochen hätte (vgl. Beschluß des BGH vom 20. Februar 1989, a.a.O.), stellt jedoch keine Ausschüttung dar.

19

Zu berücksichtigen ist nämlich, daß Rechtshandlungen, die unter Verstoß gegen das Vorbelastungsverbot des § 26 Abs. 2 AktG erfolgt sind, gemäß § 26 Abs. 3 AktG der Gesellschaft gegenüber unwirksam sind. Sie können auch nach der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister nicht durch Satzungsänderung geheilt werden. Daraus folgt, daß die Klägerin hinsichtlich des Betrages von 1.239,70 DM einen Anspruch auf Einzahlung der Stammeinlage behält, dem durch Einbuchung einer entsprechenden Forderung Rechnung zu tragen ist.

20

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Ziff. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das Urteil von dem Urteil des BFH vom 11. Oktober 1989, BStBl II 1990, 89, abweicht.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; der Beklagte ist der unterlegene Beteiligte. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 und Abs. 1 FGO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.