Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.1996, Az.: XIII 135/91
Voraussetzung für das Vorliegen mehrerer Gewerbebetriebe ; Einheitliches Geschäftslokal spricht für einen Gewerbebetrieb ; Einheitlicher Gewerbebetrieb bei getrennter Buchführung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.03.1996
- Aktenzeichen
- XIII 135/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 15550
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0313.XIII135.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG
- § 15 Abs. 2 EStG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ob ein oder mehrere Gewerbebetriebe vorliegen, beurteilt sich danach, ob die Betriebe wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch selbstständig sind.
- 2.
Die Annahme eines selbstständigen Gewerbebetriebs erfordert eine vollkommene Eigenständigkeit. Die Betriebe müssen nebeneinander am Wirtschaftleben teilnehmen. Werden Aktivitäten gebündelt, um eine größere Marktwirksamkeit zu erreichen, ist eine Wirtschaftseinheit gegeben.
- 3.
Bei einer Massagepraxis und einem Saunabetrieb mit nur einem Empfangsraum für beide Geschäftsbereiche, bei dem die Kunden vom Massage- zum Saunabetrieb und umgekehrt wechseln können, ist von einem Gewerbebetrieb auszugehen.
Tatbestand
Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob ein oder zwei Gewerbebetriebe vorliegen.
Am 15. Oktober 1983 wurde von den Klägern R und H die Firma R und H GbR gegründet.
Gegenstand des Unternehmens war eine Massagepraxis und ein Saunabetrieb.
Am 1. August 1985 gründeten die Kläger R und H mit dem Kläger S R die R/H/R GbR. Der Kläger S R wurde mit 10 % Gewinnanteil in diese Gesellschaft aufgenommen. S R ist der Vater des Klägers R. Er ist als unselbständiger Eisenflechter von montags bis freitags auf auswärtigen Montagebaustellen tätig.
Am selben Tage - dem 1. August 1985 - veräußerten die Kläger R und H den Saunabetrieb an die R/H/R GbR.
Die Massagepraxis und der Saunabetrieb wurden seit der Gründung der R/H GbR am 15. Oktober 1983 und auch nach der Veräußerung des Saunabetriebes an die R/H/R GbR auf dem Grundstück U betrieben. Das Geschäftslokal hat einen Eingang und einen Empfangsraum. Rechts vom Empfangsraum liegen die Räume für die Massagebehandlungen, links vom Eingang befindet sich ein Ruheraum für Massagekunden. Geradeaus geht es zu den Räumen des Saunabetriebes. Auf die Grundrißzeichnung Bl. 117 der Finanzgerichtsakte wird Bezug genommen.
Im Streitjahr 1986 lagen für den Saunabetrieb und den Massagebetrieb zwei getrennte Buchführungen vor.
Die Einkünfte aus dem Saunabetrieb wurden als gewerbliche Einkünfte erklärt. Die Einkünfte aus dem Massagebetrieb wurden als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erklärt.
Der Beklagte veranlagte zunächst erklärungsgemäß, hob aber nach einer Außenprüfung u.a. den Feststellungsbescheid 1986 für den Saunabetrieb auf und erließ einen geänderten gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid für Sauna- und Massagebetrieb.
Das Einspruchsverfahren gegen die Aufhebung des Feststellungsbescheids 1986 für den Saunabetrieb blieb erfolglos.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie tragen vor: Eine wirtschaftliche und organisatorische Trennung des Sauna- und des Massagebetriebes hätte vorgelegen. Es bestehe auch keine Unternehmenseinheit.
Die Kläger beantragen,
den Aufhebungsbescheid vom 3. August 1989 betreffend das Jahr 1986 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 1991 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, daß ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliege.
Das Gericht hat Beweis erhoben zu den Feststellungen der Außenprüfung durch Vernehmung des Zeugen J H.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Schriftsätze, das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 23. August 1995 und das Protokoll über die mündliche Verhandlung mit Zeugenvernehmung vom 13. März 1996 und die vorgelegten Steuerakten einschließlich Vertragsakte, Betriebsprüfungs- und Betriebsprüfungsarbeitsakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Sauna- und Massagebetrieb unterliegen als einheitliches Unternehmen der Gewerbesteuer.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuergesetz unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen, § 2 Abs. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz.
Nach § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.
Ob ein Gewerbebetrieb vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob der Betrieb wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch selbständig ist.
Die Annahme eines selbständigen Gewerbebetriebes erfordert eine vollkommene Eigenständigkeit. Der Steuerpflichtige muß die Betriebe nebeneinander am Wirtschaftsleben teilnehmen lassen. Sobald er die Aktivitäten bündelt, um eine größere Marktwirksamkeit zu erreichen, ist eine Wirtschaftseinheit gegeben. Für einen einheitlichen Gewerbebetrieb sprechen gleichartige, in räumlicher Nähe zueinander ausgeübte Betätigungen. Die Betätigungen sind nicht nur dann gleichartig, wenn sie im gleichen Bereich ausgeübt werden, sondern auch dann, wenn sie sich unterscheiden, aber einander ergänzen (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. August 1989 X R 130/87, BStBl II 1989 Seite 901 ff.).
Im vorliegenden Fall spricht das einheitliche Geschäftslokal für einen Gewerbebetrieb. Die räumliche Nähe der Massagepraxis und des Saunabetriebes ist ein Indiz für eine Vermischung der Geschäftskreise, vor allem auch für eine Überschneidung des angesprochenen Kundenkreises. Beide Bereiche ergänzen und unterstützen einander. Das Geschäftslokal hat einen Empfangsraum für beide Geschäftsbereiche. Die Kunden können vom Massage- zum Saunabetrieb und umgekehrt wechseln.
Auch nach der Beweisaufnahme und den eigenen Ausführungen des Klägers R sind die Kasseneinnahmen nicht eindeutig und einwandfrei der Massagepraxis bzw. dem Saunabetrieb zuzuordnen, auch wenn die Erlöse aus der Massagepraxis zum überwiegenden Teil nicht bar bezahlt worden sind.
Die getrennte Buchführung spricht zwar grundsätzlich für getrennte Betriebe, fällt aber im Streitfall nicht entscheidend ins Gewicht, weil aufgrund der genannten Tatsachen eine tatsächliche wirtschaftliche und organisatorische Verflechtung zur Überzeugung des Gerichts feststeht. Eine andere Wertung würde den gegebenen sachlichen Zusammenhängen nicht hinreichend Rechnung tragen.
Etwas anderes folgt auch nicht zwingend aus der Aufnahme des Klägers S R in die GbR. Nach Aussage des Klägers S R ist er in dem Saunabetrieb nicht saunaspezifisch tätig geworden. Er habe Reparaturen durchgeführt und die Blumen besorgt und Inspektionen für die Saunaeinrichtungen durchgeführt. Im übrigen war er wegen seiner auswärtigen Tätigkeit gehindert, am Geschäftsbetrieb des Saunabetriebes teilzunehmen. Das Gericht folgt der Wertung des Beklagten, daß hier ein Vertrag unter nahen Angehörigen geschlossen worden ist, der zwischen fremden Dritten nicht geschlossen worden wäre und die rechtliche Gestaltung nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgängen angemessen war, § 42 Abgabenordnung.
Nach alledem hat der Beklagte die Gewinne zu Recht nur den Klägern R und H zugerechnet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.