Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.12.2000, Az.: 5 K 67/00
Die Leistungen eines Rechtsanwalts und Notars unterliegen der Umsatzsteuer
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.12.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 67/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 35719
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:1214.5K67.00.0A
Rechtsgrundlagen
- UStG § 2 Abs. 1 Satz 1
- UStG § 2 Abs. 1 Satz 3
- UStG § 13 Abs. 2 Nr. 1
Redaktioneller Leitsatz
1. Ein als Rechtsanwalt und Notar tätiger Stpfl. ist Unternehmer i.S.d. UStG .
2. Diese Beurteilung widerspricht weder den Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie noch bestehen dagegen verfassungsmäßige Bedenken.
Tatbestand
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Notar. Außerdem betätigt er sich als Komponist und Textdichter. Für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar erteilte er seinen Mandanten Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer.
In seinen Umsatzsteuererklärungen 1994, 1995, 1996 und seinen Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Dezember 1998 gab der Kläger die Umsätze aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar nicht an. Für 1997 gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärung ab. Der Beklagten schätzte deshalb die Umsätze aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar aufgrund der Angaben in seinen Einkommensteuererklärungen und setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest.
Die dagegen eingelegten Einsprüche waren erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger macht geltend, er sei zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen nicht verpflichtet. Er sei weder Unternehmer noch erhalte er die Gebühren für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar aufgrund eines Leistungsaustausches. Ferner seien die von ihm erhobenen Gebühren verfassungswidrig, da sie nicht kostendeckend seien. Aufgrund der mangelhaften Gebührenstruktur könne er entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers die Umsatzsteuer nicht als Verbrauchssteuer auf den Endverbraucher abwälzen. Als Rechtsanwalt und Notar erwirtschafte er nur noch Verluste. Für den Fall, dass er die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen müsse, liege ein enteignungsgleicher Eingriff vor, der sein Existenzminimum gefährde. Das Existenzminimum dürfe jedoch nicht besteuert werden. Das gelte auch für die Umsatzsteuer, die eine Einkommensteuer im weiteren Sinne sei.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 21. April 1999 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 24. Januar 2000, den Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 7. September 1998 in der Fassung vom 23.11.1998 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 24. Januar 2000, den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 21. April 1999 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 24. Januar 2000 und den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 16. November 1999 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 28. Februar 2000 und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide Januar bis Dezember 1998 vom 3. April 1998, 8. Juni 1998, 18. August 1998, 7. September 1998, 2. Oktober 1998, 6. November 1998, 4. Dezember 1998, 5. Dezember 1999 und 9. März 1999 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 24. Januar 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, der Kläger sei Unternehmer und unterliege auch mit seinen Umsätzen als Rechtsanwalt und Notar der Umsatzsteuer.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Finanzgerichtsakte verwiesen.
Gründe
Der Klage ist unbegründet.
Der Kläger schuldet die Umsatzsteuer auf die von ihm erbrachten Leistungen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG . Denn der Kläger ist als Rechtsanwalt und Notar Unternehmer. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch, wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (vgl. § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 UStG). Der Kläger ist nachhaltig tätig, weil seine anwaltliche und notarielle Tätigkeit auf Wiederholung angelegt ist. Die Tätigkeit dient auch der Erzielung von Einnahmen. Dies ergibt sich aus - § 154 f der Ko stenordnung (KostO), wonach der Kläger als Notar zur Abrechnung seiner Leistungen verpflichtet ist, sowie aus den Rechnungen des Klägers, mit denen er die von ihm erbrachten Leistungen gegenüber seinen Mandanten abgerechnet hat. Auf die Regelung in § 2 Satz 3 BNotO, wonach ein Notar kein Gewerbe ausübt, kommt es danach für die Bestimmung der Unternehmereigenschaft nach dem Umsatzsteuergesetz ebensowenig an wie auf die vom Bundesfinanzhof für bestimmte Fälle entwickelte sogenannte Händlertheorie. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die anwaltlichen und notariellen Leistungen des Klägers damit als sonstige Leistungen der Umsatzsteuer.
Entgegen den Einwendungen des Klägers ist nicht ersichtlich, dass dieser Definition des Unternehmers im deutschen Umsatzsteuerrecht die Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie entgegenstehen. Denn nach Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ist Steuerpflichtiger, wer eine der in Abs. 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Abs. 2 dieser Regelung auch die eines Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Tätigkeiten. Diese Rechtslage entspricht der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil in der Rechtssache Enkler C-230/94, Rdn. 25, EuGHE I 4525 [4545]). Eine Abweichung der Begriffsbestimmung des Unternehmers nach nationalem Recht ist in dem vom Kläger gemeinten Sinn daraus nicht erkennbar.
Die Anwendung des Umsatzsteuergesetzes hängt auch nicht wie vom Kläger vorgetragen davon ab, dass der Unternehmer ertragsteuerrechtlich keine Verluste erzielt hat. Vielmehr unterliegt die Tätigkeit eines Unternehmers der Umsatzsteuer bereits dann, wenn er Einnahmen erzielt; Gewinnerzielung ist nicht erforderlich ( § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Diese Regelung ist ebenfalls gemeinschaftskonform, da die 6. EG-Richtlinie die Steuerpflicht in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich unabhängig von dem Ergebnis der wirtschaftlichen Tätigkeit begründet. Ferner berücksichtigt das Umsatzsteuergesetz wie vom Kläger vorgebrachte persönliche, den Unternehmer betreffende Umstände nur, wenn dies wie z.B. für blinde Unternehmer in § 4 Nr. 19 UStG besonders erwähnt wird. Für Unternehmer mit geringen Umsätzen (sog. Kleinunternehmer) wird Umsatzsteuer nicht erhoben (vgl. § 19 Abs. 1 bis 3 UStG). Somit ergibt sich aus dem Wortlaut und ohne die Notwendigkeit einer Interpretation bereits aus dem Umsatzsteuergesetz , dass die Umsätze eines Rechtsanwalts durch sonstige Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), die er durch Rechtsberatung im Inland (§ 3 a Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 und Abs. 1 UStG) ausgeführt hat, der Umsatzsteuer unterliegen. Dieser auch vom Bundesfinanzhof entschiedenen Rechtsansicht (vgl. BFH, Beschluss vom 15.09.1998 V B 39/98 , BFH/NV 1999, 226 ff) schließt sich der Senat an. Sie gilt auch für die Umsätze des Klägers aus seiner Tätigkeit als Notar. Diese Umsätze sind nach denselben rechtlichen Voraussetzungen steuerbar und mangels einer Befreiungsvorschrift steuerpflichtig. Die Finanzbehörde ist deshalb verpflichtet (§ 85 Satz 1, § 88 Abs. 1, 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -), Umsatzsteuer festzusetzen und zu erheben, wenn die Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer überschritten werden. Dies ist bei dem Kläger der Fall.
Diese Rechtslage entspricht ferner der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 13. Juni 1997 1 BvR 201/97, Umsatzsteuer-Rundschau UR - 1997, 387 , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung HFR - 1997, 771). Danach können die zur Einkommensteuer entwickelten Grundsätze zum Existenzminimum nicht auf die Umsatzsteuer übertragen werden. Der Unternehmer hat die Steuer, die er den Leistungsempfängern für seine Leistungen berechnet hat, nach Abzug von Vorsteuerbeträgen an die Finanzbehörde abzuführen. Das gilt auch für einen Rechtsanwalt und Notar, der die Umsatzsteuer für seine Leistungen auf seine Mandanten überwälzen darf (§ 25 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte). Da die Steuer erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem er sie erhalten hat (bei Ist-Versteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20 Abs. 1 UStG), ist für den Senat auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger nach seiner Behauptung für die Zahlung der Umsatzsteuer Kredite aufnehmen müsste. Wegen der weiteren Begründung verweist der Senat auf die hierzu im Wesentlichen zu gleicher Sachlage ergangenen Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24.11.1994 (Az.: V 205/93 V und V 310/93 V, bestätigt durch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 08.03.1995 (Az.: V B 24/95) und vom 28.03.1996 (Az.: V 356/93 und V 218/95, bestätigt durch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 06.03.1997 (Az.: V B 67, 68/96). Die Frage nach der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch im Bereich der Umsatzsteuer (BVerfG in UR 1997, 387 , [BVerfG 13.06.1997 - 1 BvR 201/97]HFR 1997, 771[BVerfG 13.06.1997 - 1 BvR 201/97]) stellt sich wenn überhaupt - allenfalls bei den Mandanten des Klägers als Leistungsempfänger und damit Endverbrauchern.
Soweit das Finanzamt seiner Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Umsatzsteuer des Klägers geschätzte Umsätze zugrunde gelegt hat, bestehen dagegen weder dem Grunde noch der Höhe nach rechtliche Bedenken. Denn nach § 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlage zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind ( § 162 Abs. 1 Satz 2 AO). Die gewählte Schätzungsmethode muss dem Ziel gerecht werden, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH, Urteile vom 14. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558BStBl II 1986, 226 und vom 10. Oktober 1986 VI R 12/82, BFH/NV 1987, 698 [BFH 10.10.1986 - VI R 12/83]). Diese Voraussetzungen und Anforderungen an eine Schätzung hat der Beklagte beachtet. Da der Kläger für 1997 keine Umsatzsteuererklärung eingereicht hat, ermittelte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen anhand der ertragsteuerlichen Angaben des Klägers. Konkrete Einwände gegen die Höhe dieser Schätzung hat der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen. Sie ergeben sich auch nicht aus den dem Gericht vorliegenden Akten. Die Schätzung des Beklagten ist daher dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig.
Da die Rechtslage eindeutig ist, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vor. Die Voraussetzungen für eine Pflicht zur Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FinanzgerichtsordnungFGO .