Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.03.1996, Az.: I 141/93

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.03.1996
Aktenzeichen
I 141/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 26860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0312.I141.93.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 909-910 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1989

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 12. März 1996, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtliche Richterin . Personalleiterin

ehrenamtliche Richterin . Damenschneiderin

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Umstritten ist bei der Einkommensteuer 1989, ob 1. dem Kläger (Kl.) ein Freibetrag nach § 3 Ziffer 26 Einkommensteuergesetz (EStG) zusteht,

2

2. die Kl. die Steuervergünstigung gem. § 10 e EStG in Anspruch nehmen können.

3

Zu 1.:

4

Der Kl. ist Inhaber des Luftfahrscheins für Verkehrsflugzeugführer (ATPL) mit der Berechtigung für Instrumentenflug (IFR). Im Streitjahr waren in seinem ATPL das Type Rating (= Musterberechtigung) sowie die Einweisungsberechtigung für das Luftfahrzeugmuster "Airbus" eingetragen. Ferner ist er Luftfahrt-Sachverständiger.

5

Der Kl. ist als Trainings- und Checkkapitän bei der Deutschen Lufthansa AG (DLH) beschäftigt. Gem. Ziffer 1.3.1 Nr. 7 des Flight Operation Manuals der DLH haben Trainings- und Checkkapitäne neben ihrem Einsatz als Linienkapitäne die Aufgabe, sicherzustellen, daß Ausbildung und Überprüfung der Flugzeugführer dem fliegerischen Standard entsprechen, der für die sichere Ausübung ihrer Tätigkeit im Flugbetrieb erforderlich ist.

6

Dazu gehören u. a. folgende Teilaufgaben:

7

Ausbildung im Cockpit/Simulator und im Flugzeug zur Erlangung der Musterberechtigung,

8

Durchführung von Checks im Flugzeug und/oder im Simulator nach fest gelegtem Programm mit dem Ziel größtmöglicher Förderung der überprüften Piloten.

9

Entsprechend flog der Kl. einerseits als Flugkapitän im Liniendienst, andererseits war er als Einweisungsberechtigter und Sachverständiger tätig. Als Einweisungsberechtigter hatte er die Aufgabe, bei der Einweisung von Luftfahrzeugführern mitzuwirken, die das Type Rating für den Airbus erwerben wollten. Als Sachverständiger nahm er Überprüfungen von Luftfahrzeugführern (Checks) ab:

10

Solche Checks sind -; insbesondere bei Linienflugzeugführern -; regelmäßig erforderlich. Die luftrechtlichen Vorschriften unterscheiden zwei Arten von Checks: Solche, die von anerkannten Sachverständigen abgenommen werden sowie solche, für die im Einzelfall ein Sachverständiger bestimmt wird. Grundsätzlich ist sowohl für die Anerkennung als auch für die Bestimmung von Sachverständigen die Aufsichtsbehörde (hier: das Luftfahrtbundesamt, LBA) zuständig. Entsprechend hatte das LBA den Kl. als Sachverständigen für das Luftfahrzeugmuster Airbus anerkannt. Diejenigen Piloten der DLH, die als bestimmte Sachverständige eingesetzt werden, beauftragt das LBA im Regelfall jedoch nicht selbst. Sie werden vielmehr im Rahmen einer Verwaltungsvereinfachung von der DLH bestimmt und das LBA erkennt diese Bestimmung als eigene an. Das geschah auch bei dem Kl.

11

Entsprechend nahm er zahlreiche Checks ab, und zwar teilweise als bestimmter Sachverständiger, z. B. gem. § 42 Abs. 3 Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) und § 74 Abs. 3 Prüfordnung für Luftfahrtpersonal (LuftPersV), im übrigen als anerkannter Sachverständiger, z. B. gem. §§ 70 Abs. 2, 75 Abs. 2 LuftPersV. In manchen Fällen ist jedoch eine Trennung dieser beiden Sachverständigenbereiche kaum möglich, weil manche Checks gegenseitig anerkannt werden oder sich ersetzen.

12

Die Einweisungs- und Checktätigkeit des Kl. erfolgte während seiner Dienstzeit und -; zumindest überwiegend -; auf Flugzeugen und Simulatoren der DLH. Hierfür erhielt er von der DLH im Jahre 1989 eine Zulage in Höhe von 17. 400 DM.

13

In seiner Einkommensteuererklärung 1989 beantragte der Kl. den Freibetrag nach § 3 Ziffer 26 EStG in Höhe von 2. 400 DM. Er fügte eine Bestätigung der DLH vom 05.12.1989 bei, in der es heißt:

14

"(Der Kläger) ist neben seiner Tätigkeit als Linienkapitän auch als Einweisungsberechtigter und Sachverständiger des LBA tätig und führt Ausbildung und Einweisung gem. der LuftPersV durch. Die Berechtigung wird in das Beiblatt zur Erlaubnis für Luftfahrzeugführer eingetragen. Zahlungen analog dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen erfolgen im Rahmen einer Verwaltungsvereinfachung nicht durch das LBA, sondern durch Gewährung von Zulagen durch den Konzern. Dieser wiederum zahlt eine gegenüber der Luftkostenverordnung ermäßigte Gebühr an das LBA."

15

Zu 2.:

16

In den Jahren 1984 bis 1988 nahmen die Kl. für ein ihnen gehörendes Haus in L. erhöhte Absetzungen für Abnutzung (AfA) gem. § 7 b EStG in Anspruch. Nach dem 1. Januar 1989 bewohnten sie dieses Haus nicht mehr, sondern verkauften es. Bis zum 18. August 1989 wohnten sie in einem anderen ihnen gehörenden Haus in F.. Sodann zogen sie nach S., wo sie ein Grundstück erworben hatten. In ihrer Einkommensteuererklärung 1989 machten sie für dieses Grundstück in S. -; als "Folgeobjekt" des Hauses in L. -; einen Abzugsbetrag nach § 10 e EStG in Höhe von 12. 252 DM geltend. Der Beklagte (Finanzamt, FA) vertrat den Standpunkt, daß die Steuervergünstigung nach § 10 e EStG für das Folgeobjekt in S. den Kl. erstmals im Kalenderjahr 1990 gewährt werden könne und daß ihnen für 1989 nur erhöhte AfA gem. § 7 b EStG zustand. Entsprechend berücksichtigte das FA 3. 624 DM gem. § 7 b EStG für das Haus in L.

17

Die Kl. tragen vor:

18

Der Freibetrag nach § 3 Ziffer 26 EStG sei zu gewähren, weil der Kl. als Einweisungsberechtigter und Sachverständiger des LBA als Ausbilder oder zumindest in vergleichbarer Funktion im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig war. Das Honorar hierfür habe ihm letztlich das LBA geschuldet und sei nur aus Vereinfachungsgründen von der DLH ausgezahlt worden. Für die Gewährung des Abzugsbetrages für das Einfamilienhaus in S. sei § 10 e EStG maßgebend und nicht § 7 b i.V.m. § 52 Abs. 14 EStG. Denn die Bestimmung des § 10 e gehe der des § 7 b EStG vor.

19

Zur mündlichen Verhandlung am 12. März 1996 ist für die Kl. niemand erschienen.

20

Die Kl. beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

21

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1989 vom 12.11.1990 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 28.04.1993 die Einkommensteuer 1989 auf 66. 942 DM herabzusetzen.

22

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Es meint, dem Kl. stünde der Freibetrag nach § 3 Ziffer 26 EStG aus verschiedenen Gründen nicht zu. Die Steuervergünstigung gem. § 10 e EStG könnten die Kl. erst vom Kalenderjahr 1990 ab in Anspruch nehmen; für 1989 hätten sie nur einen Anspruch auf erhöhte AfA gem. § 7 b EStG.

24

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

25

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat zu Recht weder den Freibetrag nach § 3 Ziffer 26 EStG noch die Steuervergünstigung gem. § 10 e EStG gewährt. Das ergibt sich im einzelnen aus folgendem:

26

1. Nach § 3 Ziffer 26 EStG sind Einnahmen bis zur Höhe von insgesamt 2. 400 DM als steuerfreie Aufwandsentschädigung zu behandeln, wenn sie für nebenberufliche Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder eine unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung gezahlt werden. Im Streitfall geht der Senat davon aus, daß ein Teil der Prüfungstätigkeit des Kl. im Auftrag des LBA erfolgte und von dieser Behörde zu vergüten war. Dabei handelt es sich jedoch nur um jene Überprüfungen, die der Kl. in seiner Eigenschaft als bestimmter Sachverständiger vornahm. Seine übrigen "Nebentätigkeiten", nämlich als anerkannter Sachverständiger sowie als Einweisungsberechtigter, erfolgten weder im Auftrage noch im Interesse des LBA. Die Aufsichtsbehörde hat unmittelbar nichts mit dem zu tun, was ein von ihr anerkannter Sachverständiger macht; sie zahlt hierfür auch kein Honorar. Gleiches gilt für die Tätigkeit als Einweisungsberechtigter: Das LBA hatte dem Kl. zwar die Befugnis zur Einweisung von Luftfahrzeugführern auf dem Flugzeugmuster Airbus in seinen ATPL eingetragen; ob und in welcher Weise er diese Berechtigung ausnutzte, war nicht Sache der Behörde. Die Bestätigung der Lufthansa von 05.12.1989, die teilweise einen anderen Eindruck erweckt, ist zumindest ungenau und mißverständlich.

27

Dem Kl. steht der begehrte Freibetrag jedoch schon deshalb nicht zu, weil seine Einweisungs- und Überprüfungstätigkeit nicht nebenberuflich erfolgte. Beides gehörte vielmehr zu seinem Hauptberuf als Trainings- und Checkkapitän der DLH. Wie sich aus dem Flight Operation Manual der DLH unzweideutig ergibt, haben solche Kapitäne neben ihrem Einsatz als Linienkapitäne u. a. die Aufgabe, andere Piloten im Simulator und im Flugzeug zur Erlangung der Musterberechtigung auszubilden sowie im Flugzeug oder im Simulator Checks abzunehmen. Genau das hat der Kl. getan.

28

Im übrigen diente seine Tätigkeit auch nicht der Förderung gemeinnütziger Zwecke. Gem. § 52 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Gem. § 55 Abs. 1 AO geschieht eine Förderung oder Unterstützung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke -; z. B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke -; verfolgt werden. Davon kann hier nicht die Rede sein. Die Ausbildung, das Training und die Überprüfung von Verkehrsflugzeugführern geschah ganz überwiegend im Interesse der jeweiligen Luftverkehrsgesellschaften, daneben auch im Interesse der betroffenen Piloten. Luftverkehrsgesellschaften wie z. B. die DLH haben nicht die Aufgabe, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern, sondern verfolgen in typischer Weise eigenwirtschaftliche Zwecke. Das LBA ist an der Ausbildung und Überprüfung von Verkehrspiloten nur insoweit interessiert, als sich dies aus seiner Aufgabe ergibt, die Sicherheit des Luftverkehrs zu fördern. Als Aufsichtsbehörde verfolgt es jedoch keine gemeinnützigen Zwecke.

29

2. Den Kl. steht auch die Steuervergünstigung gem. § 10 e EStG nicht zu.

30

Gem. § 10 e Abs. 4 bis 6 EStG kann ein Steuerpflichtiger die Steuervergünstigung des § 10 e für ein Folgeobjekt in Anspruch nehmen, wenn er bei einem Erstobjekt den Begünstigungszeitraum nicht voll ausgenutzt sei. Erstobjekt kann auch ein Grundstück sein, für das ein Steuerpflichtiger erhöhte AfA gem. § 7 b EStG erhalten hat. Voraussetzung ist jedoch, daß die Zurechnung des nach § 7 b begünstigten Objekts endet (ebenso; Der Bundesminister der Finanzen, Schreiben vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, 632; Schmidt/Drenseck, EStG, 14. Aufl. 1995, § 10 e Rdnr. 71). Die Zurechnung des Erstobjekts endet, wenn der Steuerpflichtige das Erstobjekt verkauft, tauscht, verschenkt usw. (Schmidt/Drenseck, EStG, 7. Aufl. 1988, § 7 b Anm. 6 l). Allein die Beendigung der Nutzung zu Wohnungszwecken reicht zur Beendigung der Zurechnung nicht aus.

31

Den Kl. war das Erstobjekt, nämlich ihr Grundstück in L., im Streitjahr noch zuzurechnen. Denn sie haben es erst im Laufe des Jahres 1989 verkauft. Somit steht ihnen die Steuervergünstigung nach § 10 e EStG erst ab 1990 zu, während es im Streitjahr noch bei der erhöhten AfA nach § 7 b bleibt. Entsprechend hat das FA veranlagt. Das ist nicht zu beanstanden.

32

Der angefochtene Bescheid läßt auch im übrigen keine Fehler erkennen. Die Klage mußte somit insgesamt abgewiesen werden. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

33

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Ziffer 1 FGO.