Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.1996, Az.: XIII 114/92

Steuerliche Berücksichtigung eines geltend gemachten Verlustes aus einer Eigentumswohnung ; Rechtsmissbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 Abgabenordnung (AO)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
13.03.1996
Aktenzeichen
XIII 114/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16453
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0313.XIII114.92.0A

Fundstellen

  • DB 1996, 2414 (amtl. Leitsatz)
  • DStRE 1997, 20-21 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 1996, 1164 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

K.Gestaltungsmißbr.b.Mietverh.m.Kind

Einkommensteuer 1990

In dem Rechtsstreit
hat der XIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13. März 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin Landfrau ...
ehrenamtlicher Richter Kaufmann ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 21. Januar 1992 und Änderung des Einkommensteuerbescheids 1990 vom 8. Juli 1991 wird die Einkommensteuer auf 27.802 DM herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des an die Kläger zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Mietverhältnisses der Kläger mit deren Tochter.

2

Der Kläger erzielt als Prokurist Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielen die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Einkünfte aus Kapitalvermögen.

3

Im Streitjahr erwarben die Kläger mit notariellem Vertrag vom 22. Februar 1990 eine Eigentumswohnung. Am 23. Februar 1990 schlössen die Kläger mit ihrer Tochter einen Mietvertrag über diese Eigentumswohnung ab. Das Mietverhältnis begann nach Bezugsfertigkeit der Wohnung am 1. Juni 1990. Die Tochter der Kläger erzielt keine Einkünfte, da sie ein Kleinkind zu betreuen hat. Sie bestreitet ihren und den Lebensunterhalt ihres Kindes aus folgenden Einnahmen:

Sozialhilfeanspruch533,93 DM
Zuschuß Eltern66,07 DM
Wohngeld244,- DM
Zuwendung Großmutter200,- DM
Kindergeld74,- DM
Alimente für den Sohn269,- DM
zusammen1.387,- DM.
4

Nachdem zunächst das Sozialamt für die Unterhaltsaufwendungen der Tochter der Kläger aufgekommen war, das Sozialamt sich diese Beträge aber wegen der Unterhaltspflicht der Kläger gegenüber ihrer Tochter zurückgeholt hatte, zahlen die Kläger ab Juni 1990 den Sozialhilfeanspruch direkt an ihre Tochter.

5

Für die vermietete Eigentumswohnung haben die Kläger mit ihrer Tochter einen monatlichen Mietzins von 450,- DM Kaltmiete vereinbart. Dies entspricht bei einer Wohnungsgröße von 68 qm einem Mietwert von 6,61 DM pro qm.

6

Aus dieser Wohnung erklärten die Kläger für das Jahr 1990 einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 26.247 DM. Der Beklagte ließ den Abzug dieses Verlustes aus der Eigentumswohnung nicht zu, da es in der Vermietung an die unterhaltsberechtigte Tochter eine Unterhaltsgewährung sah.

7

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, die Tochter verfügeüber eigene Mittel, aus denen die Miete unabhängig von der Leistungsfähigkeit der Eltern gezahlt werde. Das vom Beklagten zitierte BFH-Urteil (BStBl II 1988, 604) sei auf den Streitfall nicht anwendbar, da sich der Sohn in dem vom BFH entschiedenen Fall in Ausbildung befunden und den Lebensunterhalt allein aus Unterhaltszahlungen der Eltern bestritten habe. Beim Erwerb der Wohnung hätten nicht Versorgungsgesichtspunkte der Tochter eine Rolle gespielt, sondern die Wohnung wäre ohnehin gekauft worden, um langfristig Vermögen zu bilden.

8

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1990 vom 8. Juli 1991 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 21. Januar 1992 zu ändern und einen weiteren Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 26.247 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 1990 entsprechend niedriger festzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage hat Erfolg.

11

Der von den Klägern geltend gemachte Verlust aus der Eigentumswohnung ist steuerlich zu berücksichtigen.

12

Der Bundesfinanzhof hat im Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BStBl II 1988, 604) und in dem Beschluß vom 14. Juni 1988 IX B 157/87 (BFH/NV 1990, 97) entschieden, daß die Vermietung einer den Eltern gehörenden Wohnung an ihr volljähriges Kind, das die Miete aus den von den Eltern geleisteten Barunterhalt zahlen muß, eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 AO ist. Gegen diese Entscheidungen sind in der Literatur erhebliche Einwände erhoben worden. Im Streitfall ist maßgeblich, daß die Tochter der Kläger die Miete nicht aus den laufenden Unterhaltszahlungen zu finanzieren brauchte. Ihr standen darüber hinaus eigene Gelder zur freien Verfügung, aus denen sie die Miete bezahlen konnte. Insoweit wird auf die Aufstellung der Einnahmen der Tochter der Kläger Bezug genommen. Da der Tochter der Kläger ein Betrag von 1.387 DM monatlich zur Verfügung stand, darin aber nur ein Betrag von 600 DM seitens der Kläger enthalten war, standen der Tochter der Kläger hinreichend Mittel zur Begleichung ihrer Mietzahlungsverpflichtungen gegenüber ihren Eltern - den Klägern - zur Verfügung. Der Fall unterscheidet sich damit in einem wesentlichen Punkt von dem Urteil des BFH IX R 157/84 a.a.O. Der Bundesfinanzhof hat diese Unterschiede in seinem Urteil vom 28. März 1995 IX R 47/93, BStBl II 1996, 59 herausgearbeitet und einer Klage in einem vergleichbaren Fall stattgegeben. Der BFH hebt einerseits darauf ab, daß die Miete, die von den Kindern an die Eltern gezahlt wird, nicht aus den laufenden Unterhaltszahlungen zu finanziert zu werden braucht; auf der anderen Seite stellt der BFH darauf ab, daß insoweit, als den Kindern eigene Mittel zur Zahlung der Miete zur Verfügung ständen, kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern bestehe (Hinweis auf § 1602 Abs. 2 BGB). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung. Der Klage war danach stattzugeben.

13

Die Einkommensteuer errechnet sich danach wie folgt:

zu versteuerndes Einkommen bisher143.270 DM
abzüglich weiterer Verluste aus V+V26.247 DM
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil117.023 DM
darauf entfallende Einkommensteuer lt.
Splittingtabelle
27.802 DM.
14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus§ 151 Abs. 3 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

15

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.

16

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.