Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.02.2013, Az.: 10 UF 12/13
Bekanntgabe des Ergebnisses der Kindesanhörung und Befugnisse des mit dem erweiterten Aufgabenkreis beauftragten Verfahrensbeistandes
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.02.2013
- Aktenzeichen
- 10 UF 12/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 42207
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:0228.10UF12.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 07.12.2012
Rechtsgrundlagen
- FamFG § 159
- FamFG § 158 Abs. 4 S. 3
- FamFG § 158 Abs. 7 S. 3
Fundstellen
- FamRB 2013, 389
- FamRB 2013, 390
- FamRZ 2014, 413
- ZKJ 2013, 461-463
Amtlicher Leitsatz
1. Das wesentliche Ergebnis der persönlichen Anhörung des betroffenen Kindes durch das Familiengericht ist den übrigen Beteiligten in geeigneter Weise zur Kenntnis zu geben. Der Erstellung eines förmlichen Protokolls und dessen Vorlage an die Beteiligten bedarf es insoweit dagegen nicht.
2. Die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises nach § 158 Abs. 4 S. 3, Abs. 7 S. 3 FamFG auf den berufsmäßig tätigen Verfahrensbeistand dient vorrangig der Klärung, daß dieser Anspruch auf die erhöhte Entgeltpauschale von 550 € je Kind hat. Weder bedarf es einer abschließenden gerichtlichen Festlegung, mit welchen konkreten Bezugspersonen der Verfahrensbeistand Gespräche führen soll, noch ist der Verfahrensbeistand im Rahmen seiner eigenständigen Ermittlung der Kindesinteressen auf Gespräche mit in dem Bestellungsbeschluß etwa bezeichneten Bezugspersonen beschränkt.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 7. Dezember 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die beteiligten Kindeseltern sind seit Dezember 2011 getrennt lebende Ehegatten. Aus ihrer Ehe sind die gemeinsamen Kinder M., geb. am ... 2003, sowie C. und A. R., geb. jeweils am ... 2005, hervorgegangen, die seit der Trennung im Haushalt der Kindesmutter leben. Zwischen den Kindeseltern wurden bereits mehrere Verfahren vor dem Familiengericht Hannover geführt, unter anderem auch ein anlässlich der Trennung der Eltern von der Kindesmutter eingeleitetes Verfahren 607 F 5825/11 (EASO). In diesem hatten die Kindeseltern am 11. Januar 2012 einen umfangreichen Vergleich geschlossen, in dem sie unter anderem persönliche Umgangskontakte des Kindesvaters mit den Kindern jeweils montags und dienstags nach Schulende bis 18 Uhr sowie die Aufnahme gemeinsamer Beratungsgespräche beim W.-Institut vereinbarten, in deren Rahmen unter anderem die Frage einer Erweiterung der Umgangskontakte thematisiert werden sollte. In der Folgezeit fanden etliche dieser Beratungsgespräche statt. Während eines solchen Gesprächs fertigte der Kindesvater am 22. Juni 2012 mittels seines Mobiltelefons Lichtbilder von der Kindesmutter ohne deren Wissen und Einverständnis an, die er einige Zeit später den Kindern zeigte. Die Kindesmutter brach daraufhin den Beratungsprozess ab. Im September 2012 leitete sie das vorliegende Verfahren ein, mit dem sie eine vollständige Aussetzung des Umgangs bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe der Kindeseltern erstrebte. Hierzu verwies sie auf die heimlich aufgenommenen Lichtbilder sowie darauf, dass die Kinder beim Kindesvater nicht altersgemäße Fernsehserien zu sehen bekämen und dieser massiv gegen seine Wohlverhaltenspflichten verstoße sowie die Machtstrukturen, die bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hätten, ihr gegenüber auch weiterhin fortsetze.
Das Amtsgericht hat den Kindern - wie bereits in den vergangenen Verfahren - einen Verfahrensbeistand beigeordnet, das Jugendamt beteiligt und sämtliche Beteiligten persönlich angehört. Sodann hat es mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen und auf den Antrag des Kindesvaters den Umgang an Weihnachten 2012 sowie in der zweiten Hälfte der Weihnachtsferien 2012/2013 geregelt. Den weitergehenden Antrag des Kindesvaters, den durch den oben genannten Vergleich geregelten Umgang dahingehend auszuweiten, dass Umgang nunmehr auch bis mittwochs stattfinde, hat es ebenfalls zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung hat die Kindesmutter form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Ziel eines völligen Umgangsausschlusses bis zur rechtskräftigen Ehescheidung weiterverfolgt. Hierzu wendet sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens ein, das Amtsgericht habe die Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlassen und dadurch den Amtsermittlungsgrundsatz verletzt. Hier hätte es der Einholung eines Sachverständigengutachtens insbesondere zur Klärung der Persönlichkeitsstruktur des Kindesvaters bedurft, denn dieser habe, indem er sie unerlaubt fotografiert und die gefertigten Bilder anschließend mit diskreditierenden Bemerkungen den Kindern gezeigt habe, nicht nur eine äußerst geringe Wertschätzung ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht, sondern damit zugleich seine feindliche Einstellung gegenüber den Kindern gezeigt. Dadurch habe der Kindesvater die Kinder in eine Konfliktsituation gebracht, die das Kindeswohl gefährde. Auch habe das Amtsgericht seine Amtsermittlungspflichten verletzt, indem es die Kinder nicht noch weitergehend ausgeforscht habe, bis diese etwaige weitere Details hervorgebracht hätten, die geeignet seien, ihren Antrag zu rechtfertigen; soweit sich das Gericht hierzu nicht in der Lage sehe, sei es eben verpflichtet, sich sachverständiger Hilfe zu bedienen. Darüber hinaus stelle es einen Verfahrensfehler dar, dass das Amtsgericht die Protokolle der Kindesanhörung den Beteiligten nicht zur Kenntnis gegeben habe. Ebenso verfahrensfehlerhaft sei es gewesen, dass das Amtsgericht das Verhalten des Verfahrensbeistandes nicht hinreichend überprüft habe. Dieser habe hier seine ihm durch den Bestellungsbeschluss eingeräumten Kompetenzen überschritten, indem er beim W.-Institut vorstellig geworden sei und auch dort Auskünfte eingeholt habe, ohne dass die Kindeseltern davon Kenntnis gehabt hätten oder gar den dortigen Berater von seiner Schweigepflicht entbunden hätten. Hier hätte das Gericht entweder seinen Bestellungsbeschluss, der allein Gespräche mit den Kindern und den Eltern vorgesehen habe, ändern oder eine Entpflichtung prüfen müssen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Kindesmutter kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der Senat kann in der Sache bereits unmittelbar entscheiden, da von einer Wiederholung der erstinstanzlich umfassend und gut dokumentiert vorgenommenen Verfahrenshandlungen - namentlich einer erneuten Anhörung der Beteiligten - kein entscheidungserheblicher weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist und es auch der Einholung des von der Kindesmutter geforderten Sachverständigengutachtens nicht bedarf (§ 68 Abs. 3 FamFG).
Auf der Grundlage umfassender Ermittlungen, namentlich unter Bestellung eines Verfahrensbeistandes, Einbeziehung des Jugendamtes, persönlicher Anhörung der Beteiligten einschließlich der Kinder hat das Amtsgericht mit überzeugenden Erwägungen, denen der Senat ausdrücklich beitritt, den Antrag der Kindesmutter zu Recht zurückgewiesen, weil die für einen vollständigen Umgangsausschluss über einen - wie von der Kindesmutter erstrebt - längeren Zeitraum notwendigen Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB offenkundig nicht vorliegen.
Nicht einmal ansatzweise sind von der Kindesmutter Anhaltspunkte dafür nachvollziehbar vorgebracht noch sonst zu erkennen, dass bei einer Fortführung der vereinbarten Umgangskontakte eine konkrete Kindeswohlgefährdung vorläge, die allein durch den begehrten Umgangsausschluss abgewendet werden könnte. Die hierfür von der Kindesmutter bemühten Gesichtspunkte, insbesondere die heimliche Aufnahme der Lichtbilder und deren späteres Zeigen gegenüber den Kindern, sind nicht geeignet, eine solche konkrete Gefährdung des Kindeswohls zu belegen. Darauf, dass das Verhalten des Kindesvaters nicht akzeptabel war, ist dieser bereits im erstinstanzlichen Verfahren ausreichend hingewiesen worden. Die aus diesem Verhalten von der Kindesmutter konstruierte Kindeswohlgefährdung vermag der Senat jedoch nicht nachzuvollziehen. Die Erforderlichkeit zur Einholung eines Sachverständigengutachtens besteht daher nicht, da ein Umgangsausschluss auch nicht aus anderen Gründen ernstlich in Betracht kommt.
Ebenso wenig hat das Amtsgericht den Amtsermittlungsgrundsatz etwa dadurch verletzt, dass es die Kinder nicht in ausreichendem Maße angehört hätte. Vielmehr ist die Kindesanhörung in dem gebotenen Ausmaß und mit dem erforderlichen Einfühlungsvermögen erfolgt. Sämtliche von der Kindesmutter hiergegen pauschal vorgebrachten Vorwürfe gehen fehl.
Auch ist das Amtsgericht keineswegs gehalten, eine Kindesanhörung umfassend zu protokollieren und anschließend ein derartiges Protokoll den übrigen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Vielmehr ist es ausreichend, wenn das wesentliche Ergebnis der Kindesanhörung den Beteiligten in geeigneter Weise zur Kenntnis gegeben wird. Dies kann in Gestalt eines Vermerks oder eines Protokolls auch lediglich dadurch geschehen, dass der wesentliche Inhalt der Anhörung in den Gründen der abschließenden Entscheidung wiedergegeben wird, wie es hier der Fall ist. Soweit die Kindesanhörung dort zur Begründung der Entscheidung herangezogen wurde, ist dem Erfordernis der Kenntnisgabe durch die Wiedergabe in den Gründen genügt und wäre eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs im Übrigen durch die hier durch den Senat ausdrücklich eingeräumte Gelegenheit zur Begründung der eingelegten Beschwerde geheilt, zumal die Kindesmutter - wie sie in der Begründung selbst einräumt - ohnehin Kenntnis vom Inhalt der Kindesanhörungsprotokolle erhalten hat. Soweit das Ergebnis der Kindesanhörung dagegen nicht verwertet wurde, ist es rechtlich ohnehin nicht von Belang.
Dass das Amtsgericht seinen Beschluss vom 11. September 2012, mit dem es den Verfahrensbeistand bestellt und diesem den erweiterten Aufgabenkreis nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG übertragen hat, nicht im weiteren Verfahrensverlauf geändert oder gar eine Entpflichtung des Verfahrensbeistandes geprüft hat, stellt ebenfalls keinen Verfahrensfehler dar. Für derartige Maßnahmen bestand vorliegend keinerlei Veranlassung. Weder bedurfte es hier einer Erweiterung des Aufgabenkreises noch hat der Verfahrensbeistand seine Kompetenzen überschritten, als er auch den die Kindeseltern betreuenden Berater des W.-Institutes befragte.
Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die genannte Bestimmung nach der gesetzgeberischen Intention insbesondere vor dem Hintergrund der vergütungsrechtlichen Vorschriften zu sehen ist (BT-Drucks. 16/6308, S. 240). Werden dem berufsmäßig tätigen Verfahrensbeistand die Aufgaben des erweiterten Aufgabenkreises nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG übertragen, erhält er den Anspruch auf die erhöhte Entgeltpauschale von 550 € je Kind (§ 158 Abs. 7 S. 3 FamFG), anderenfalls ist er auf die Geltendmachung der Pauschale von 350 € je Kind nach § 158 Abs. 7 S. 2 FamFG beschränkt. Zwar hat das Gericht im Rahmen der Bestellung des Verfahrensbeistandes Art und Umfang von dessen Beauftragung konkret festzulegen und die Beauftragung zu begründen (§ 158 Abs. 4 S. 4 FamFG). Eine genaue Festlegung derjenigen Personen, mit denen der Verfahrensbeistand zwecks Mitwirkung am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung Gespräche führen soll, ist hierbei jedoch nicht erforderlich, zumal eine derartige Differenzierung auf den Vergütungsanspruch keinerlei Auswirkungen hat.
Darüber hinaus war im vorliegenden Fall das Gespräch mit dem die Kindeseltern betreuenden Berater des W.-Instituts von dem erweiterten Aufgabenkreis auch deshalb gedeckt, weil die dort geführten Beratungsgespräche wesentlicher Bestandteil bereits des Vergleichs vom 11. Januar 2012 waren, deren Abänderung die Kindesmutter hier begehrt, und der hier verfahrensgegenständliche Umgang eines der nach dem Vergleich dort zu bearbeitenden Themen ist. Da die Beauftragung nach § 158 Abs. 4 S. 3 FamFG, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, dem Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung über den Verfahrensgegenstand dienen soll, ist der Verfahrensbeistand im Rahmen dessen auch zur Führung ihm hierfür sachdienlich erscheinender Gespräche befugt, ohne dass eine ausdrückliche Festlegung auf bestimmte, namentlich bereits bezeichnete Personen durch das Familiengericht zuvor erfolgen müsste. Zu diesen Personen gehörte dem genannten Vergleich zufolge auch der die Elterngespräche führende Mitarbeiter des W.-Instituts. Von einer Überschreitung der Kompetenzen des Verfahrensbeistandes kann vor diesem Hintergrund nicht die Rede sein.
Im Übrigen könnte die Beschwerde auf einen Verfahrensfehler des Amtsgerichts nur mit Erfolg gestützt werden, wenn zugleich dargelegt würde, dass die angefochtene Entscheidung auf einem solchen Fehler auch beruht. Auch daran fehlt es hier jedoch, denn das Amtsgericht hat in der Begründung seiner Entscheidung nicht auf Inhalte des Gesprächs des Verfahrensbeistandes mit dem Mitarbeiter M. des W.-Instituts abgestellt. Es daher nicht ersichtlich, dass das dort geführte Gespräch sich auf die Entscheidung überhaupt konkret ausgewirkt hätte.
2. Gemäß § 89 Abs. 2 FamFG weist der Senat ergänzend ausdrücklich darauf hin, dass das Gericht bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die sich aus der Umgangsregelung zu Ziffern 2, 8 und 11 des Vergleichs vom 11. Januar 2012 (607 F 5825/11 (EASO)) ergebenden Verpflichtungen gegenüber dem oder der Verpflichteten Ordnungsgeld bis zur Höhe von 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monate anordnen kann. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, kann das Gericht Ordnungshaft bis zu 6 Monate anordnen. Die Festsetzung des Ordnungsmittels unterbleibt, wenn der oder die Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er oder sie die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.