Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.02.2013, Az.: 17 W 9/12

Eintragungsfähigkeit eines akademischen Grades im Eheregister

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.02.2013
Aktenzeichen
17 W 9/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 34019
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0205.17W9.12.0A

Amtlicher Leitsatz

Akademische Grade sind nach dem seit dem 1.1.2009 geltenden Personenstandsrecht nicht mehr im Eheregister einzutragen (entgegen OLG Nürnberg vom 08.08.2012, StAZ 2012, 374, und vom 17.03.2010, StAZ 2010, 148).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Landkreises V. wird der Beschluss des Amtsgerichts V. vom 3. April 2012 abgeändert.

Die Anträge der Antragsteller auf Berichtigung der Eheurkunde des Standesamtes O. (Register Nr. E 58/2011) vom 28. Dezember 2011 werden abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beläuft sich auf 3.000 €.

Gründe

1

I.

1. Der Antragsteller promovierte im Jahre 1988 (Promotionsurkunde vom 21. Dezember 1988, Bl. 12), die Antragstellerin im Jahre 1998 (Promotionsurkunde vom 8. Mai 1998, Bl. 33). Unter dem 28. Dezember 2011 schlossen Antragsteller und Antragstellerin vor dem Standesbeamten des Standesamtes O. die Ehe. Die akademischen Grade der Antragsteller sind anlässlich der Eheschließung nicht in die Eheurkunde aufgenommen worden.

2

Im vorliegenden Verfahren beantragen beide Antragsteller nunmehr,

3

das Standesamt O. anzuweisen, ihren Doktortitel in das Eheregister und die Eheurkunde zu Registernummer E 58/2011 der am 28. Dezember 2011 geschlossenen Ehe einzutragen.

4

2. Das Amtsgericht hat die Standesbeamtin des Standesamts O. angewiesen, den Eintrag im Eheregister Nr. 58/2011 um die akademischen Grade der Antragsteller (jeweils "Dr. rer. nat.") zu ergänzen.

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Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in das Eheregister Vor- und Familiennamen der Ehegatten einzutragen seien. Zu den Namensbestandteilen gehöre in historischer Hinsicht auch der akademische Grad. Daran habe die Neufassung des Personenstandsgesetzes mit Wirkung zum 01.01.2009 nichts geändert. Auch in der Altfassung der Vorschrift sei der akademische Grad nicht explizit erwähnt gewesen, aber stets als Namensbestandteil - wie auch Künstlernamen oder Herrschaftstitel - eingetragen worden. Namensbestandteile dienen der zweifelsfreien Identifizierung einer Person; ihre Eintragungen in die Personenstandsbücher seien daher hilfreich und geboten.

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3. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Standesamtsaufsicht mit ihrer Beschwerde.

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Damit macht sie geltend, dass das zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Personenstandsgesetz die Aufnahme akademischer Grade gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 PStG nicht (mehr) vorsehe. Gleiches gelte für die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz. Die frühere auf der Dienstanweisung für die Standesbeamtin beruhende Praxis, akademische Grade beim Familiennamen einzutragen, könne aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung nicht mehr vorgenommen werden. Auch sei ein akademischer Grad im elektronischen Register nicht mehr eintragungsfähig, da ein entsprechendes Datenbankfeld dort nicht vorgesehen sei. Werde der akademische Grad in das Feld "Familienname (vor der Eheschließung)" eingetragen, würde er sich im elektronischen Register automatisch auf die Namensführung von gemeinsamen Kindern des Ehepaares übertragen. Mithin sei auch die technische Umsetzung nicht möglich.

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4. Die Antragsteller verteidigen die angefochtene Entscheidung.

9

Am Wortlaut des Personenstandsgesetzes habe sich auch bei der zum 1. Januar 2009 durchgeführten Reform nichts geändert, so dass auf die historische Entwicklung und die gängige Praxis abgestellt werden könne. Allein die Möglichkeit zur technischen Umsetzung dürfe demgegenüber nicht maßgeblich sein.

10

II.

Die Beschwerde der Standesamtsaufsicht ist zulässig (§ 53 Absatz 2 PStG), insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

11

Eine Berichtigung des Eheregisters hat nicht zu erfolgen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Gemäß § 47 Abs. 1 S. 2 können unrichtige oder unvollständige Eintragungen berichtigt werden, wenn der richtige oder vollständige Sachverhalt durch Personenstandsurkunden festgestellt wird. Eine solche unrichtige oder unvollständige Eintragung ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

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1. Die Eintragungen in das Eheregister sind anlässlich der Eheschließung der Antragsteller in der Weise erfolgt, wie sie von § 15 PStG in der ab dem 01.01.2009 gültigen Fassung vorgesehen sind.

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Aus Abs. 1 Nr. 2 der eben genannten Vorschrift ergibt sich, dass die Vornamen und die Familiennamen der Ehegatten im Anschluss an die Eheschließung im Eheregister zu beurkunden sind. Gleiches gilt nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 PStG für die nach der Eheschließung geführten Familiennamen der Ehegatten. Ferner wird zum Eheeintrag hingewiesen auf die Bestimmung eines Ehenamens (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 PStG). Die Eintragung akademischer Grade wird in § 15 PStG hingegen nicht explizit genannt. Sie ergibt sich folglich nicht unmittelbar aus dem Gesetz.

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2. Akademische Grade sind - anders als das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung meint - auch keine Namensbestandteile, so dass sie auch nicht unter die eben genannten Vorschriften fallen (Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1962 - IV ZB 282/62, BGHZ 38, 380, 382; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl. 2012, § 12 BGB, Rn. 7, Säcker, in: Münchener Kommentar zum BGB Band I, 6. Auflage 2012, § 12, Rn. 13, Bamberger/Roth/Bamberger, BGB Band 1, 3. Auflage 2012, § 12 BGB, Rn. 27, noch unter Geltung des PStG in der Fassung vor dem 1.1.2009: Staudinger/Habermann, Neubearbeitung 2004, § 12 BGB, Rn. 43, Soergel/Heinrich, BGB, 13. Auflage 2000, § 12, Rn. 7).

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3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer ergänzenden Auslegung der eben genannten Vorschrift, da nach dem Gesetzgebungsverfahren zur Reformierung des Personenstandsrechts zum 01.01.2009 nicht mehr von einer unbewussten Regelungslücke ausgegangen werden kann (so auch Gaaz FamRZ 2007, 1057, 1060).

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a. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der oben genannten Entscheidung anlässlich der Reform des Personenstandsgesetzes durch Gesetz vom 18. Mai 1957 noch angenommen, dass die Eintragungsfähigkeit akademischer Grade gegeben sei. Letztere seien vor der Gesetzesänderung - obwohl sie weder Bestandteil des Namens gewesen seien, noch dem Beruf haben zugerechnet werden können - in ständiger Übung auch in die Personenstandsbücher und Personenstandsurkunden aufgenommen worden. Dies habe die für den früheren Rechtszustand geltende Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden erkennen lassen, die Bestimmungen für die Eintragung akademischer Grade enthalten hätte. Mithin sei davon auszugehen gewesen, dass dem Gesetzgeber bei der Neufassung des Personenstandsgesetzes die tatsächlich bestehende Übung der Eintragung akademischer Grade bekannt gewesen sei. In Ansehung dessen könne aus dem Schweigen des Gesetzgebers zur Aufnahme akademischer Grade in die Personenstandsurkunden gerade nicht gefolgert werden, dass diese nicht mehr zulässig sein soll. Vielmehr sehe auch die neue Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden vom 10. Januar 1958 die Eintragung akademischer Grade in verschiedenen Bestimmungen vor (BGH aaO., S. 384 - 385).

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b. So verhält es sich aber anlässlich der Reformierung des Personenstandsgesetzes zum 01.01.2009 gerade nicht.

18

aa. Bereits aus der Einleitung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Personenstandsrechts lässt sich entnehmen, dass das geltende Personenstandsrecht mit dem Personenstandsgesetz in der Fassung vom 8. August 1957 grundlegend reformiert werden sollte; dabei seien insbesondere die elektronischen Möglichkeiten der Registerführung und der Kommunikation mit dem Bürger sowie mit Behörden und anderen Stellen zu nutzen. Der Entwurf sieht insbesondere die Ablösung des geltenden Personenstandsgesetzes durch ein neues Personenstandsgesetz vor. Kernstück der Reform war die Einführung elektronischer Personenstandsregister, die spätestens nach Ablauf einer Übergangsfrist zum 31.12.2013 an die Stelle der bisherigen in Papierform geführten Personenstandsbücher treten (Gaaz, aaO., S. 1058). Als Schwerpunkt der Reform wird unter anderem die Reduzierung der Beurkundungsdaten auf das für die Dokumentation des Personenstandes erforderliche Maß genannt (BT-Drucks. 16/1831, S. 1).

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bb. Weiter heißt es in der Begründung, dass der Inhalt der Personenstandsregister im Vergleich zu den heutigen Personenstandseinträgen erheblich gestrafft werden solle. Nur noch das für die Beurkundung des Personenstandes Erforderliche solle danach den künftigen Registern zu entnehmen sein (§§ 15, 17, 21 und 31 PStG-E). Hinsichtlich des Inhalts der Beurkundung sei der Forderung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Rechnung zu tragen, auf die Angabe des Berufs, der keine personenstandsrechtliche Aussagekraft mehr habe, zu verzichten (BT-Drucks. 16/1831, S. 35). Schließlich heißt es in der Begründung zu § 15 PStG (Eintragung in das Eheregister), dass in das Eheregister nur noch die Kerndaten der Eheschließung eingetragen werden sollen (BT-Drucks. 16/1831, S. 45).

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cc. Anders als bei der Reform 1957 hat der Gesetzgeber mithin zum Ausdruck gebracht, dass nur noch die in den jeweiligen Vorschriften genannten Kerndaten in die Register eingetragen werden sollen. Von einer unbewussten Regelungslücke ist danach nicht auszugehen. Dies gilt umso mehr, als weitere Gesetze jüngeren Datums die Eintragung des Doktorgrads in öffentliche Urkunden explizit regeln, so das Melderechtsrahmengesetz, dass Passgesetz und das Personalausweisgesetz. Angesichts dessen hätte die Aufnahme einer vergleichbaren Regelung in das Personenstandsgesetz nahegelegen, wenn eine solche gewollt gewesen wäre (Gaaz, aaO., S. 1060, Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, § 15, Rn. 14).

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dd. Auch aus § 23 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (Personenstandsverordnung) in der ab 1.1.2009 gültigen Fassung vom 22.11.2008 ergibt sich nichts Abweichendes.

22

ee. Zuletzt enthalten auch die Regelungen zur Angabe von Namen in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz vom 29. März 2010 (gültig ab dem 01.08.2010) unter A 1.1. (Angabe von Namen), A 1.2 (Vorname) und A 1.3 (Familienname) keine Hinweise darauf, dass akademische Grade beim Vor- oder Familiennamen eingetragen werden sollen.

23

Damit wurde eine Änderung der Verwaltungspraxis vorgegeben.

24

Mit Inkrafttreten der eben genannten allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz ist zugleich die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden - DA -) vom 27. Juli 2000 (BAnz. Nr. 154a vom 17. August 2000), zuletzt geändert durch die Neunzehnte allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden - DA - (19. DA-ÄndVwV) vom 15. August 2007 (BAnz. S. 7280) aufgehoben worden.

25

Dort wiederum sah § 139 Absatz 1 Nr. 1 im Rahmen der Anmeldung der Eheschließung noch vor, dass neben Vor- und Familiennamen "gegebenenfalls akademische Grade" anzugeben waren.

26

Weiter hieß es in § 189 Absatz 2 Nr. 1:

27

"In das Heiratsbuch werden eingetragen (...) die Vor- und Familiennamen der Eheschließenden; führt ein Eheschließender einen Ehenamen aus einer früheren Ehe oder einen Lebenspartnerschaftsnamen aus einer früheren Lebenspartnerschaft, so ist § 57 Abs. 8 Satz 1 und 2 zu beachten; für die Eintragung akademischer Grade gilt § 63 Abs. 1"

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und in § 63 Absatz 1 Satz 1:

29

"Im Heirats-, Geburten- und Sterbebuch sowie in den Spalten 9 rechts und 10 des Familienbuches werden akademische Grade - soweit die Genehmigung nach Absatz 2 keine andere Reihenfolge vorsieht - vor den Vornamen, sonst vor dem Familiennamen eingetragen."

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Gerade die ersatzlose Aufhebung der eben genannten Regelungen in der Dienstanweisung lässt erkennen, dass in Abweichung der früher zweifelsfrei bestehenden Praxis eine Eintragung akademischer Grade unter Geltung des Rechtszustandes ab dem 1.1.2009 nicht mehr erfolgen soll.

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ff. Schließlich lässt sich das "Kernstück" der Reform des Personenstandsrechts zum 1.1.2009, nämlich die elektronische Registerführung nur realisieren, wenn für akademische Grade ein entsprechendes Datenbankfeld vorgesehen wird. Ansonsten bliebe es dem Zufall (sprich der Eingabe eines jeden Standesbeamten) überlassen, an welcher Stelle der Titel bei der Aufbereitung einer Urkunde aus der Datenbank erscheint. Eine entsprechende Eingabe ist aber in der Anlage 1 zu § 11 der Verordnung zur Ausführung des PersonenstandsgesetzesPersonenstandsverordnung (Datenfelder in den Personenstandsregistern) nicht vorgesehen.

32

III.

Da die Entscheidung des Senats von den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 08.08.2012 (StAZ 2012, 374) und vom 17.03.2010 (StAZ 2010, 148) abweicht und die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (§ 70 Absatz 2 FamFG).

33

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.