Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.02.2013, Az.: 10 UF 20/09

Maßgebliches Recht nach Wiederaufnahme eines ausgesetzten Verfahrens über den Versorgungsausgleich

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.02.2013
Aktenzeichen
10 UF 20/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 31649
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0205.10UF20.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 14.01.2009

Fundstellen

  • FPR 2013, 6
  • FamRZ 2013, 1911

Amtlicher Leitsatz

Hat das Amtsgericht vor dem 1. September 2009 eine Endentscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen, die zulässiger Weise nur teilweise angefochten worden ist, so ist in einem vom Oberlandesgericht ausgesetzten und nach dem 31. August 2009 wiederaufgenommenen Beschwerdeverfahren das bis zum 31. August 2009 geltende frühere Recht anzuwenden.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 14. Januar 2009 im dritten Absatz des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich (II des Tenors) geändert und wie folgt gefasst:

Zu Lasten der Versorgungsanwartschaft der Ehefrau bei der Zusatzversorgungskasse der Stadt Hannover (Geschäftszeichen: ...) wird für den Ehemann auf seinem Versicherungskonto Nr. ...) bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover eine Rentenanwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 28,79 €, bezogen auf den 30. September 2008 und umzurechnen in Entgeltpunkte, begründet.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 1.000 €.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und der Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) heirateten am 30. September 1989 und wurden auf den am 14. Oktober 2008 zugestellten Antrag der Ehefrau durch das angefochtene Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover geschieden. Zugleich führte das Amtsgericht - noch auf der Grundlage des bis zum 31. August 2009 geltenden Rechts - den Versorgungsausgleich durch. Dabei übertrug es zum Ausgleich der beiderseitigen gesetzlichen Rentenanwartschaften der Ehegatten eine regeldynamische Anwartschaft von monatlich 12,74 € und eine angleichungsdynamische Anwartschaft von monatlich 3,87 €, jeweils bezogen auf das Ende der Ehezeit (30. September 2008; § 1587 Abs. 2 BGB a.F.), von der Ehefrau auf den Ehemann. Ferner wurde zu Lasten des von der Ehefrau bei der Beteiligten zu 1 erworbenen Anrechts in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes für den Ehemann gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG eine gesetzliche Rentenanwartschaft von monatlich 100,14 €, ebenfalls bezogen auf das Ende der Ehezeit, begründet.

2

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich hat (nur) die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, mit der gerügt wird, das Amtsgericht habe die Anwartschaft der Ehefrau bei der Beteiligten zu 1 zu Unrecht als volldynamisch angesehen und deshalb nicht nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB a.F. in eine volldynamische Anwartschaft umgewertet.

3

Der Senat hat das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 16. März 2009 bis zur Neuregelung der Übergangsbestimmungen für die Berechnung der Startgutschrift von Versicherten der rentenfernen Jahrgänge in der Satzung der Zusatzversorgungskasse ausgesetzt. Nachdem die Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 1. Juni 2012 mitgeteilt hatte, dass die Neuberechnung der Startgutschrift keine Änderung der von der Ehefrau erworbenen Anwartschaft ergeben hatte, hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 7. Juni 2012 wieder aufgenommen.

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II. Die Beschwerde, über die nach Aussetzung und Wiederaufnahme des Verfahrens nunmehr entschieden werden kann, ist zulässiger Weise auf den Ausgleich des bei der Beschwerdeführerin erworbenen Anrechts beschränkt worden, der nach der hier gegebenen Sachlage durch den Ausgleich im Übrigen nicht beeinflusst werden konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2009).

5

Nach Auffassung des Senats ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG und § 48 Abs. 1 VersAusglG auch nach der Wiederaufnahme weiter das bis zum 31. August 2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren beim Amtsgericht vor Inkrafttreten des FGG-RG und des VersAusglG eingeleitet und abgeschlossen worden ist. Zwar bestimmen Art. 111 Abs. 3 FGG-RG und § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG, dass in Verfahren, die - wie vorliegend - am 1. September 2009 ausgesetzt waren, das ab dem 1. September 2009 geltende Recht anzuwenden ist. Diese Vorschriften sind jedoch im Wege teleologischer Reduktion dahin auszulegen, dass sie sich nicht auf solche Verfahren beziehen, in denen das Amtsgericht vor dem 1. September 2009 eine Endentscheidung getroffen hat, die zulässiger Weise nur teilweise angefochten worden ist und die das Oberlandesgericht daher auch nur noch in dem angefochtenen Umfang überprüfen kann. Nur auf diese Weise kann dem Prinzip des Gesamtausgleichs Rechnung getragen werden, der dem früheren Recht zugrunde lag. Der Versorgungsausgleich muss auch deshalb insgesamt auf der Grundlage eines einheitlichen materiellen Rechts durchgeführt werden, weil die Zulässigkeit einer Abänderung an das im Erstverfahren angewandte materielle Recht anknüpft (§§ 51, 52 VersAusglG einerseits, §§ 225, 226 FamFG andererseits). Der Senat sieht sich im Übrigen auch im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der mit Beschluss vom 14. März 2012 (FamRZ 2012, 856) entschieden hat, dass auch die Vorschriften des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG und des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG teleologisch zu reduzieren sind und im Beschwerdeverfahren das frühere Recht anwendbar bleibt, wenn in einem vom Scheidungsverbund abgetrennten Verfahren in erster Instanz noch vor dem 1. September 2009 über den Versorgungsausgleich entschieden worden ist.

6

III. Die Beschwerde ist begründet.

7

Wie sich aus der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 13. Dezember 2012 ergibt, wirkt sich die zwischenzeitliche Neufassung ihrer Satzungsbestimmung über die Berechnung der sog. Startgutschrift auf die mit Auskunft vom 10. November 2008 vorgenommene Berechnung der ehezeitlichen Anwartschaft nicht aus. Es bleibt daher dabei, dass die Ehefrau in der Ehezeit eine Anwartschaft in Höhe von monatlich 200,28 € erworben hat.

8

Diese Anwartschaft steigt in ihrem Wert, wie die Beteiligte zu 1 zu Recht geltend macht, zwar im Leistungsstadium, aber nicht im Anwartschaftsstadium in (nahezu) gleicher Weise wie Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Anrecht ist daher zwar teildynamisch, aber nicht volldynamisch. Deshalb muss es gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB a.F. in Verbindung mit der BarwertVO in eine volldynamische Anwartschaft umgerechnet werden.

9

Dabei ist zunächst der Barwert der Anwartschaft zu ermitteln, indem der Jahresbetrag der Rentenanwartschaft von (12 x 200,28 € =) 2.403,36 € mit dem maßgeblichen Umrechnungsfaktor aus Tabelle 1 der BarwertVO vervielfältigt wird. Da die Ehefrau bei Ehezeitende 41 Jahre alt war, ist ein Vervielfacher von 4,0 maßgeblich. Dieser ist gemäß Anmerkung 1 zur Tabelle 1 für jedes Jahr, um das der Beginn der Altersrente nach der Vollendung des 65. Lebensjahres liegt, um 5 % zu kürzen. Nach § 31 Abs. 1 S. 1 der geltenden ZVK-Satzung (www.zvk-hannover.de) tritt der Versicherungsfall am Ersten des Monats ein, von dem ein Anspruch auf gesetzliche Rente als Vollrente entsteht. Für die Ehefrau gilt seit der Neuregelung durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersgrenze von 67 Jahren (§ 35 S. 2 SGB VI). Somit ist der Umrechnungsfaktor um 10 % zu kürzen. Ferner ist der Umrechnungsfaktor nach Anmerkung 2 zur Tabelle 1 im Hinblick auf die Volldynamik in der Leistungsphase um 50 % zu erhöhen. Damit ergibt sich ein maßgeblicher Umrechnungsfaktor von (4,0 x 0,9 x 1,5 =) 5,4.Der Barwert errechnet sich danach wie folgt: 2.403,36 € x 5,4 = 12.978,14 €.

10

Dieser Barwert ist unter Anwendung der Rechengrößen für den Versorgungsausgleich (vgl. FamRZ 2012, 170) wie folgt in eine volldynamische Rente umzurechnen: 12.978,14 € x 0,0001670365 = 2,1678 (Entgeltpunkte) x 26,56 (aktueller Rentenwert bei Ehezeitende) = 57,58 €.

11

Ausgleichswert: 57,58 € : 2 = 28,79 €.

12

In Höhe dieses Monatsbetrages - bezogen auf das Ehezeitende - ist eine gesetzliche Rentenanwartschaft, umzurechnen in Entgeltpunkte (§ 1587 b Abs. 6 BGB a.F.), für den Ehemann zu begründen.

13

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 21 Abs. 1 GKG a.F., 93 a ZPO a.F., die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 49 Nr. 2 GKG a.F.