Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.03.1989, Az.: 17 OVG B 22/87

Erstattungsfähigkeit von Schulungskosten eines Personalratsmitglieds seitens der Dienststelle; Entsendungsbeschluss des Personalrats als Grundvoraussetzung für einen Kosteneerstattungsanspruch nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz; Kostenerstattungspflicht einer Dienstelle bei einem sog. "Bildungsurlaub" ohne Entsendebeschluss des Personalrates

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.03.1989
Aktenzeichen
17 OVG B 22/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16881
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0301.17OVG.B22.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 09.07.1987 - AZ: PB VG 8/86

Verfahrensgegenstand

Reise- und Schulungskosten für die Seminarteilnahme eines Personalratsmitgliedes (§44 Abs. 1 BPersVG)

In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
ohne mündliche Anhörung am 1. März 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Polizeihauptmeister im BGS Bockelmann,
Technischer Bundesbahnbetriebsinspektor Bretthorst,
wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Esser und
Oberpostdirektor Gaffke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 9. Juli 1987 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Erstattung von Schulungskosten.

2

Er wurde erstmalig im Jahre 1985 in den Beteiligten zu 2) gewählt und ist seitdem dessen Mitglied. Da er vom ... bis zum ... 1985 an dem Seminar "Arbeitsrecht für Betriebsräte" des Bildungswerkes der ... im Lande Niedersachsen teilnehmen wollte, beantragte er für diese Zeit seine Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung der Bezüge. Nach zunächst erfolgter Ablehnung gab die Standortverwaltung ... dem Antrag gemäß § 46 Abs. 7 BPersVG am 29. Oktober 1985 statt, nachdem der Anerkennungsbescheid der Bundeszentrale für politische Bildung über die Eignung des Seminars gemäß § 46 Abs. 7 BPersVG vom 1. Oktober 1985 vorgelebt worden war. Den Antrag auf Kostenerstattung nach den §§ 44 und 46 Abs. 6 BPersVG lehnte der Beteiligte zu 1) durch Bescheid vom 3. Juli 1986 mit der Begründung ab, daß der Antragsteller lediglich eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung im Sinne von § 46 Abs. 7 BPersVG besucht habe.

3

Am 25. Juli 1986 hat der Antragsteller das Verwaltungsgericht angerufen und vorgetragen: Bei der Veranstaltung handele es sich um eine erforderliche Schulungsmaßnahme im Sinne des § 46 Abs. 6 BPersVG. Auf den formalen Aspekt, ob er von sich aus die Freistellung beantragt habe oder ob sie durch Personalratsbeschluß erfolgt sei, komme es dabei nicht an. Wegen der Vermittlung notwendiger Kenntnisse sei es auch unerheblich, ob die Veranstaltung als geeignet im Sinne von § 46 Abs. 7 BPersVG anerkannt worden sei; maßgebend sei vielmehr, daß er innerhalb des Beteiligten zu 2) als Beauftragter für Fragen des Arbeits- und Sozialrechts bestellt worden sei. Um eine ordnungsgemäße Wahrnehmung des ihm zugewiesenen personalvertretungsrechtlichen Aufgabenbereichs gewährleisten zu können, sei seine Teilnahme an dem arbeitsrechtlichen Seminar notwendig gewesen.

4

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß der Beteiligte zu 1) verpflichtet ist, an ihn 157,72 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit für seine Teilnahme an dem Seminar der ... "Arbeitsrecht für Betriebsräte" vom ... bis zum ... 1985 zu zahlen.

5

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt, den Antrag abzulehnen, und ist ihm entgegengetreten.

6

Der Beteiligte zu 2) hat keinen Antrag gestellt, aber den Standpunkt des Antragstellers unterstützt.

7

Mit Beschluß vom 9. Juli 1987 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers ablehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

8

Voraussetzung der Kostenerstattung sei, daß der Personalrat einen Beschluß darüber getroffen habe, welches Mitglied zu welcher Schulungsveranstaltung zu entsenden sei. Bereits an einem wirksamen Entsendungsbeschluß des Beteiligten zu 2) fehle es hier unstreitig. Grundlage für den Kostenerstattungsanspruch nach den §§ 44 Abs. 1 S. 1, 46 Abs. 6 BPersVG sei der Entsendungsbeschluß des Personalrats und nicht die Teilnahme des einzelnen Mitgliedes an der Veranstaltung. Im übrigen fehle es aber auch daran, daß das vom Antragsteller besuchte Seminar ihm Kenntnisse vermittelt habe, die für die Tätigkeit im Personalrat erforderlich seien. Da er zur Zelt der Teilnahme an dem Seminar erst wenige Monate Personalratsmitglied gewesen sei, wäre für ihn in erster Linie die Vermittlung von Grundkenntnissen notwendig gewesen. Insbesondere sei aber die objektive Erforderlichkeit der durch das Seminar vermittelten Kenntnisse für die Tätigkeit des Antragstellers im Personalrat zu verneinen. Detaillierte Kenntnisse des Arbeitsrechts, über sein Wesen und seine Funktion, über die geschichtliche Entwicklung, seine Rechtsquellen und Rechtsformen seien für die Arbeit im Personalrat nicht erforderlich. Hier seien in dem Seminar nach den Einzelthemen des Pogramms solche detaillierten Fragen des Arbeitsrechts erörtert worden, deren Kenntnis zwar geeignet im Sinne von § 46 Abs. 7 BPersVG gewesen sein möge, jedoch nicht für die Personalratstätigkeit als erforderlich anzusehen sei.

9

Gegen den ihm am 30. Juli 1987 zugestellten Beschluß richtet sich die am 31. August (Montag) eingelegte und am 14. September 1987 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen zur Erforderlichkeit der Schulung vertieft und zur Unerheblichkeit eines Entsendungsbeschlusses des Personalrats auf die Entscheidung des OVG Bremen vom 6. August 1985 - OVG PV - B 8/85 - verweist.

10

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

11

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

12

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beteiligten zu 1) vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

14

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

15

II.

Die zulässige Beschwerde, über die gemäß §§ 83 Abs. 4 Satz 3, 90 Abs. 2 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte. Ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

16

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist Grundvoraussetzung für eine Erstattungsfähigkeit von Schulungskosten eines Personalratsmitglieds seitens der Dienststelle ein wirksamer Entsendungsbeschluß des Personalrats.

17

Denn die kostenverursachende Tätigkeit ist nicht die Teilnahme des Personalratsmitglieds an der Schulungsveranstaltung, sondern eben dieser Entsendungsbeschluß, der erst einen Erstattungsanspruch des entsandten Mitglieds auslöst (BVerwGE 58, 57 ff [BVerwG 27.04.1979 - 6 P 45/78] = PersV 1980, 19). Dieser Beschluß muß sich nicht nur auf ein konkretes Mitglied, sondern auch auf eine ganz bestimmte Veranstaltung beziehen. Er muß ferner das Ergebnis der dem Personalrat - unter Beachtung des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel - aufgegebenen rechtlichen Prüfung sein, ob die Schulung objektiv und subjektiv erforderlich ist, also objektiv von ihrer Thematik her Sachgebiete betrifft, die zu den Aufgaben dieses Personalrats gehören und subjektiv gerade für das zu entsendende Mitglied notwendig ist. Denn nur unter diesen Voraussetzungen handelt es sich um notwendige Kosten im Sinne des § 44 Abs. 1 BPersVG, die von der Dienststelle zu tragen sind. Die Prüfung dieser objektiven und subjektiven Erforderlichkeit ist Gegenstand des Entsendungsbeschlusses des Personalrats, der die ihm aufgegebene rechtliche Prüfung weder ganz noch in Teilen auf das zu entsendende Mitglied übertragen und diesem grundsätzlich keinen Spielraum bei der Auswahl der Veranstaltung überlassen darf (BayVGH, Beschl. v. 13.4.1978, PersV 1980, 331; Beschl. v. 31.7.1985 - 17 C 85 A. 1538; OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.12.1983 - 17 OVG B 9/83 - u. v. 3.9.1986 - 17 OVG B 24/85 -). An einem solchen Entsendungsbeschluß fehlt es indessen hier, so daß der geltend gemachte Erstattungsanspruch schon aus diesem Grunde nicht gegeben ist.

18

Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller demgegenüber auf den Beschluß des OVG Bremen vom 6. August 1985 - PV - B 8/85, der für das bremische Personal Vertretungsrecht einen Entsendungsbeschluß des Personalrats als nicht erforderlich angesehen hat. Denn insoweit handelt es sich, wie das BVerwG in seinem die Entscheidung des OVG Bremen bestätigenden Beschluß vom 4. Februar 1988 (6 P 23.85 = PersV 1988, 501) klar ausgesprochen hat, um eine vom Bundesrecht ausdrücklich abweichende gesetzliche Regelung in Bremen. Danach hat allerdings die Dienststelle auch die Kosten einer Schulungsveranstaltung zu tragen, an der ein Personalratsmitglied ohne Entsendung seitens des Personalrats aus eigenem Entschluß im Rahmen seines "Bildungsurlaubs" teilnimmt, sofern die dabei vermittelten Kenntnisse nur für die Personalratsarbeit nützlich und förderlich sind (§ 39 Abs. 6 BremPersVG). Das BVerwG hat aber ebenso klar festgestellt, daß die Rechtslage nach dem Bundesrecht anders ist und ein Kostenerstattungsanspruch gemäß §§ 46 Abs. 6, 44 Abs. 1 BPersVG nur besteht, wenn der Personalrat ein Mitglied zu einer erforderlichen Schulung entsendet, nicht dagegen bei einer Inanspruchnahme von "Bildungsurlaub" im Rahmen von § 46 Abs. 7 BPersVG aufgrund individuellen Entschlusses des Mitglieds, wie es hier der Fall war.

19

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

20

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski,
Bockelmann,
Bretthorst,
Dr. Esser,
Gaffke