Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.03.1989, Az.: 9 L 19/89

"Besondere Fälle" i.S.v. § 4 Abs. 3 AbfGebS sind nicht nur atypische Sachverhalte sondern alle von dem Grundsatz des § 4 S. 2 AbfGebS abweichenden Fallgestaltungen; Festgesetzte Abfallbeseitigungsgebühren sind im Falle einer Bebauung mit einem Wochenendhaus oder einer Inanspruchnahme als Nebenwohnsitz nicht geringer festzusetzen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.03.1989
Aktenzeichen
9 L 19/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 20831
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0320.9L19.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 11.11.1986 - AZ: 4 VG A 131/85

Verfahrensgegenstand

Abfallbeseitigungsgebühr

Der 9. Senat des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Schmaltz,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Berthold und
den Richter am Verwaltungsgericht Siebert sowie
den ehrenamtlichen Richter xxx und
die ehrenamtliche Richterin xxx
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Berufungsverfahren wird eingestellt, soweit die Rechtsvorgängerin der Kläger für die Jahre 1980 bis 1982 für das Grundstück Dxxx zu Müllabfuhrgebühren in Höhe von 336,-- DM herangezogen worden ist.

Im übrigen wird auf die Berufung des Beklagten der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer Lüneburg - vom 11. November 1986 geändert.

Die Klage wird hinsichtlich der Müllabfuhrgebühren für die Jahre 1983 und 1984 abgewiesen.

Die Kläger und der Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren als Eigentümer des Grundstücks "Dxxx (Flurstück xxx9 der Flur xxx in xxx, Ort steil xxx. Das Grundstück grenzt an das ebenfalls den Klägern gehörende Flurstück xxx8 der Flur xxx das von der Straße "Ixxx" angefahren werden kann und ebenfalls die Hausnummer xxx2 trägt; beide Flurstücke sind im Grundbuch von Steinbeck (Bd. xxx, Bl. xxx) unter zwei verschiedenen Nummern eingetragen.

2

Im Dezember 1984 teilte der Prozeßbevollmächtigte der (Rechtsvorgängerin der Kläger und der) Kläger dem Beklagten mit, daß das Grundstück Dxxx seit ca. 1976 an die öffentliche Müllabfuhr angeschlossen sei und daß ein fahrbarer 120-l-Großbehälter zur Verfügung stehe. Daraufhin veranlagte der Beklagte mit Bescheid vom 18. Dezember 1984 die Rechtsvorgängerin der Kläger zu Müllabfuhrgebühren für die Jahre 1980 bis 1984 in Höhe von insgesamt 681,-- DM; die Gebührenfestsetzung wurde ausdrücklich auf den gesetzlichen Verjährungszeitraum erstreckt. Im Widerspruchsverfahren betonte die Rechtsvorgängerin der Kläger, daß die Mülltonne nicht auf dem Grundstück Dxxx, sondern stets auf dem Grundstück xxx Bxxx gestanden habe; dort sei sie von den Bewohnern beider Grundstücke (mit-)benutzt worden. Auf dem Grundstück Dxxx stehe auch nur ein Wochenendhaus, in dem nur wenig Abfall anfalle. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 1. April 1985 zurückgewiesen.

3

Mit der am 25. April 1985 erhobenen Klage hat die Rechtsvorgängerin der Kläger erläutert, daß die Mitteilung vom Dezember 1984 auf dem Irrtum beruhe, daß es sich bei den Flurstücken xxx9 und xxx8 um ein einheitliches Grundstück handele. Eine Mülltonne habe aber stets nur auf dem - rechtlich selbständigen - Grundstück xxx Bxxx gestanden, hierfür seien Abfallbeseitigungsgebühren auch bezahlt worden.

4

Die Rechtsvorgängerin der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 1984 und dessen Widerspruchsbescheid vom 1. April 1985 aufzuheben.

5

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Er hat erwidert: Ob auf dem Grundstück Dxxx eine Mülltonne stehe, könne dahinstehen; jedenfalls sei - auch nach dem Klägervortrag - die Abfallbeseitigung des Beklagten auch von jenem Grundstück aus in Anspruch genommen worden, indem der anfallende Müll in die Mülltonne auf dem anderen Grundstück eingeworfen worden sei. Ob es sich dabei tatsächlich nur um geringe Müllmengen gehandelt habe, sei schwierig festzustellen und deshalb nach der Abfallbeseitigungsgebührensatzung auch unerheblich.

7

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Gerichtsbescheid vom 11. November 1986, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, stattgegeben.

8

Gegen diesen, dem Beklagten am 1. Dezember 1986 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 18. Dezember 1986 Berufung eingelegt. Er meint, die Gebührenpflicht sei entstanden, weil ein "besonderer Fall" vorliege: Zum einen sei mit dieser Wendung jede vom Regelfall - der Zuweisung eines Müllgefäßes - abweichende Ausnahme gemeint, zum anderen sei auch das ständige Verbringen von Abfall in ein fremdes Müllgefäß ein recht ungewöhnlicher, atypischer Fall.

9

Der Beklagte beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Gerichtsbescheides die Klage insoweit abzuweisen, als sie die Abfallbeseitigungsgebühren für 1983 und 1984 betrifft (Gebührensumme 345,-- DM).

10

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

12

II.

Soweit der Beklagte seine Berufung durch Einschränkung seines Berufungsantrages zurückgenommen hat, war das Verfahren mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen. Die danach aufrechterhaltenene Berufung ist zulässig und begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 18. Dezember 1984 - soweit er auf die Berufung noch zu überprüfen ist: betreffend die Jahre 1983 und 1984 - ist rechtmäßig.

13

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Abfallbeseitigung in den Jahren 1983 und 1984 sind § 14 der Satzung über die Abfallbeseitigung im Landkreis Harburg vom 13. Juni 1977 (ABl f. d. Landkreis Harburg 1977, S. 522), (mit Wirkung vom 1. Januar 1983), geändert durch Satzung vom 7. Juni 1982 (ABl f. d. Landkreis Harburg 1982, S. 245) - AbfS - und § 1 der Satzung über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Abfallbeseitigung im Landkreis Harburg vom 16. Dezember 1982 (ABl f. d. Landkreis Harburg 1982, 571) - AbfGebS -. Ermächtigungsgrundlage für die Gebührensatzung sind § 2 Abs. 1 und § 5 NKAG, § 7 Abs. 1 Satz 1 NLO, weil der Beklagte die Abfallbeseitigung als öffentliche Einrichtung betreibt (§ 2 Abs. 1 AbfS).

14

Die Rechtsvorgängerin der Kläger bzw. diese selbst waren/sind gebührenpflichtig. Denn sie sind Eigentümer eines bewohnten und bebauten Grundstücks (vgl. § 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 AbfGebS 1982) - nämlich des Grundstücks Deilsbarg 12. Dieses Grundstück war zwar - in den fraglichen Jahren 1983 und 1984 - an die öffentliche Abfallbeseitigung des Beklagten nicht "angeschlossen", doch sind die Kläger auch ohne dies gebührenpflichtig.

15

Das Grundstück der Klägerin ist nicht "angeschlossen" i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 AbfGebS 1982. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AbfGebS 1982 erfolgt der Anschluß grundsätzlich mit Ausgabe des Müllgefäßes. Hinsichtlich der Abfallbehältnisse auf angeschlossenen Grundstücken bestimmt § 8 Abs. 2 Satz 1 AbfS, daß der Beklagte die (vorgeschriebenen festen) Abfallbehältnisse zur Verfügung stellt. Daran fehlt es hinsichtlich des Grundstücks Dxxx. Im übrigen können Abfallbehältnisse nach § 8 Abs. 4 Satz 1 AbfS auch bei den Gemeinden angefordert werden. Aber dies ist lediglich ein Recht des Benutzers der Abfallbeseitigung, das eine Ausgabe des Müllgefäßes und damit einen "Anschluß" des Grundstücks i.S. von § 4 Satz 1 AbfGebS nicht ersetzen kann. Das Grundstück Deilsbarg 12 - auf dem ein Abfallbehälter nicht zur Verfügung stand - war auch nicht deshalb "angeschlossen", weil es (trotz besonderer Eintragung im Grundbuch) mit dem Grundstück xxxBxxx - auf dem ein Behälter stand - als "wirtschaftliche Einheit" i.S. von § 4 Abs. 2 AbfS zu behandeln wäre. Nach dieser Bestimmung ist Grundstück i.S. dieser Satzung ohne Rücksicht auf die Grundbuchbezeichnung jeder zusammenhängende Grundbesitz, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet. Die beiden Grundstücke xxx Bxxx und Dxxx sind zwar (über eine gemeinsame Grundstücksgrenze) zusammenhängend und gehörten seinerzeit beide der Rechtsvorgängerin der Kläger; es gibt aber keinen sachlichen Grund, sie als "selbständige wirtschaftliche Einheit" zusammenzufassen, der Beklagte hat dies auch nicht erklärt. Beide Grundstücke sind vielmehr rechtlich selbständige (Buch-)Grundstücke, nur das Grundstück xxx Bxxx ist "angeschlossen". Der auf diesem Grundstück zur Verfügung stehende Abfallbehälter kann schließlich auch nicht nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AbfS als "gemeinsamer Behälter mit entsprechend größerer Kapazität" angesehen und demzufolge beide Grundstücke als "angeschlossen" i.S. von § 4 S. 1 und 2 AbfGebS behandelt werden. Denn es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte diesen Behälter als "gemeinsamen Behälter" bestimmt oder daß die Rechtsvorgängerin der Kläger dies gewünscht hätte; die bloße nachträgliche Äußerung des Beklagten auf Anfrage des Gerichts kann nicht ausreichen.

16

Die Gebührenpflicht der (Rechtsvorgängerin) der Kläger ist aber nach § 4 Satz 3 AbfGebS entstanden. Diese Vorschrift ist anwendbar, weil der zu beurteilende Fall als "besonderer Fall" zu bewerten ist. Als "besondere Fälle" i.S. von § 4 Abs. 3 AbfGebS sind - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht nur atypische Sachverhalte gemeint, sondern alle von dem Grundsatz des § 4 Satz 2 AbfGebS abweichenden Fallgestaltungen. Dieses Verständnis wird zum einen durch die Stellung der Vorschrift nahegelegt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelbestimmung - Anschluß eines Grundstücks mit Ausgabe des Müllgefäßes - alle davon abweichenden Ausnahmefälle erfassen will. Es wird zum anderen inhaltlich dadurch bestätigt, daß die Pflicht, Gebühren für die Benutzung der Abfallbeseitigung des Beklagten zu entrichten, nicht nur als Folge der üblichen, "regelgerechten" Benutzung entstehen soll, sondern auch in allen anderen Fällen nachgewiesener - atypischer, möglicherweise vorschriftswidriger - Benutzung. Dieses weite Verständnis steht im Einklang mit § 5 Abs. 1 NKAG, wonach die Benutzungsgebühren als Gegenleistung erhoben werden für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen. Die Anwendung der so verstandenen Ausnahmeregelung in § 4 Satz 3 AbfGebS auf den vorliegenden Fall setzt allerdings die vom Senat ebenfalls für richtig gehaltene Auslegung voraus, daß die ausnahmsweise entstehende Gebührenpflicht (des Eigentümers oder dinglich Berechtigten, vgl. § 3 Abs. 1 AbfGebS) auch als Folge der nachgewiesenen Benutzung der Abfallbeseitigung durch andere zur Nutzung des Grundstücks "Berechtigte" (vgl. § 3 Abs. 4 AbfGebS) entsteht. Die Voraussetzungen der so verstandenen Regelung in § 4 Satz 3 AbfGebS sind erfüllt: Die Benutzung der öffentlichen Abfallbeseitigung des Beklagten durch die Bewohner des Grundstücks Dxxx, dadurch, daß sie den anfallenden Müll in dem Behälter auf dem Grundstück xxx Bxxx warfen, ist unstreitig.

17

Auch die Höhe der festgesetzten Abfallbeseitigungsgebühren (für die Jahre 1983 und 1984 insgesamt 345,-- DM) ist nicht zu beanstanden. Entsprechend § 1 Abs. 2 AbfGebS ist für jeden auf dem Grundstück Dxxx gemeldeten Bewohner ein Jahresbetrag von 33,-- DM (für 1983) bzw. 36,-- DM (für 1984) angesetzt; diese Einzelbeträge waren nicht zu vermindern, weil von der auf dem Grunstück Dxxx wohnenden Familie xxx in den Jahren 1983 und 1984 nicht mehr als zwei Kinder unter 18 Jahre alt waren (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 3 AbfGebS) und weil ein Antrag gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AbfGebS nicht gestellt wurde.

18

Die festgesetzten Gebühren waren auch nicht deshalb geringer festzusetzen, weil das Grundstück nur mit einem Wochenendhaus bebaut war/ist oder weil seine Bewohner nur mit Nebenwohnsitz gemeldet waren. Denn auch Grundstücke, die nur mit - möglicherweise leichter gebauten, nur eingeschränkt nutzbaren - Wochenendhäusern bebaut sind und/oder deren Bewohner nur mit einem Nebenwohnsitz gemeldet sind, sind reine Wohngrundstücke i.S. von § 1 Abs. 2 AbfGebS. Eine andere Auslegung dieser Bestimmung scheidet aus, weil in § 1 AbfGebS außer reinen Wohngrundstücken nur gewerblich (und vergleichbar) genutzte und solche Grundstücke angesprochen sind, für die keine Personen gemeldet sind. Die folglich undifferenzierte Gleichbehandlung aller (reinen) Wohngrundstücke - unabhängig von ihrer Bebauung mit zum Dauerwohnen bestimmten oder nur eingeschränkt nutzbaren Gebäuden und unabhängig von ihrer ständigen oder nur zeitweisen Benutzung - verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

19

Benutzungsgebühren sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen zu erheben. Für die Bemessung der Benutzungsgebühren gilt daher - wie im Gebührenrecht allgemein - das sog. Äquivalenzprinzip, das - als besondere Ausprägung des allgemeinen Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit - erfordert, daß ein angemessenes Verhältnis zwischen der in Anspruch genommen Leistung und der erhobenen Gegenleistung (Gebühr) bestehen muß (BVerwG, Urt. v. 14.4.1967 - IV C 179.65 -, DVBl 1967, 578; Dahmen, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Grundwerk, § 6 RN 205, m.w.N.). Der für die Bemessung einer Benutzungsgebühr grundsätzlich vorgeschriebene "Wirklichkeitsmaßstab" (§ 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG) ist für die Kalkulation von Abfallbeseitigungsgebühren regelmäßig ausgeschlossen (vgl. Urt. d. 3. Sen. v. 17.8.1977 - III C 4/77 -; Dahmen, a.a.O., § 6 RN 307 f.). Gesetzlich zugelassen (§ 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG) und allgemein üblich sind daher "Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe". Sie sind zulässig, wenn die Anwendung eines Wirklichkeitsmaßstabes schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist - was für Abfallbeseitigungsgebühren regelmäßig zutrifft -, und dürfen nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen. Bis zu dieser Grenze steht dem Gebührengläubiger ein Gestaltungsermessen bzw. dem Satzungsgeber (vgl. § 2 NKAG) ein Satzungsermessen zu; die Gerichte haben insoweit daher nicht zu überprüfen, ob die vernünftigste, gerechteste Lösung gefunden wurde, sondern nur, ob das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde (Beschl. d. 3. Sen. v. 23.2.1984 - 3 C 6/81 ; Dahmen, a.a.O., § 4 RN 79, 82). Bei der Wahl eines (Wahrscheinlichkeits-)Maßstabes für die Bemessung von Benutzungsgebühren kann der Satzungsgeber auch Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität berücksichtigen, zumal wenn es nur um niedrige Beträge geht (vgl. Urt. d. 3. Sen. v. 17.8.1977 - 3 C 4/77 -). Im übrigen ist der Satzungsgeber aber zu möglichst weitgehender materieller Gerechtigkeit verpflichtet, insbesondere zur Wahrung des Gleichbehandlungsgebots bzw. des Willkürverbots (Dahmen/Driehaus/Küffmann/Wiese, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 1981, § 2 RN 128).

20

Der von dem Beklagten in § 1 Abs. 2 AbfGebS gewählte "Personenmaßstab" ist ein allgemein anerkannter Wahrscheinlichkeitsmaßstab (Dahmen, a.a.O., § 6 RN 314 ff.). Er geht von der Erkenntnis aus, daß die auf einemWohngrundstück anfallende Müllmenge mit der Zahl der dort wohnenden Personen ansteigt, und setzt die auf anderen Grundstücken anfallenden Müllmengen ins Verhältnis hierzu ("Einwohnergleichwerte"). Dabei berücksichtigt dieser Maßstab, daß ein beträchtlicher Teil der für den Betrieb der öffentlichen Abfallbeseitigung entstehenden Kosten von der Menge des entsorgten Mülls abhängig ist (insbesondere für den Abtransport und die Ablagerung bzw. Verbrennung des Mülls). Dabei sind die übrigen Kosten der Abfallentsorgung (Anfahren der Grundstücke, Entleeren der Müllbehälter, Kosten des Vorhaltens der Behälter, Fahrzeuge, usw. sowie der Veranlagung der "Gebührenpflichtigen") mit hinreichender Genauigkeit miterfaßt, obwohl sie im einzelnen von der anfallenden Müllmenge durchaus unabhängig mehr oder weniger hoch anfallen können (vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.11.1978 - II A 694/76 -; BayVGH, Urt. v. 30.11.1983 - Nr. 4 B 81.1904, BayVBl 1984, 496). Diese Form der Bemessung der Gebühren für die Inanspruchnahme der Abfallbeseitigung genügt daher den Erfordernissen eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes i.S. von § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG. Ein offensichtliches Mißverhältnis der Gebühren zu dem Umfang der Inanspruchnahme besteht nicht.

21

Nach dem Gesagten ist der vom Beklagten gewählte Maßstab zur Bemessung der Müllgebühren nach der Zahl der Bewohner eines Wohngrundstückes rechtlich nicht zu beanstanden. Eine weitere Differenzierung nach solchen Bewohnern, die auf dem Grundstück mit Haupt- oder Nebenwohnsitz gemeldet sind oder die das Grundstück sonst dauernd oder nur zeitweise (beispielsweise nur an Wochenenden oder während der Ferien) bewohnen, ist nicht geboten. Nicht ganz zweifelsfrei ist allerdings die Argumentation des Beklagten, die für die Müllabfuhrgebühren maßgebenden Kosten würden nur zum geringsten Teil durch die Menge des anfallenden Mülls beeinflußt, wichtiger seien demgegenüber die Vorhaltekosten für Müllbehälter, Müllfahrzeuge und Deponien. Denn diese Argumentation läßt sich nicht ohne weiteres mit der grundsätzlichen Annahme des Beklagten vereinbaren, daß die (von der Personenzahl abhängige) Müllmenge auf jedem Grundstück ein passender Maßstab für die Gebührenbemessung sei. Sie wäre eher zur Begründug eines "Gefäßmaßstabes" geeignet, der sich am Volumen der auf jedem Grundstück bereitstehenden Behälter orientiert und der als Wahrscheinlichkeitsmaßstab ebenfalls allgemein anerkannt ist (Dahmen, a.a.O., § 6 RN 323 ff.). Die vom Beklagten betonten Vorhaltekosten sind aber - wie dargelegt - ebenso wie die Kosten für das Anfahren eines jeden Grundstücks und Kontrollieren und/oder Entleeren der dort bereitstehenden Abfallbehälter als Teil der Kosten der gesamten öffentlichen Einrichtung "Abfallbeseitigung" miterfaßt, die über das nach der wahrscheinlichen Müllmenge errechnete Gebührenaufkommen gedeckt werden. Der Anerkennung eines derartigen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes kann schließlich auch nicht entgegenstehen, daß der Bewohner einer Hauptwohnung und einer Nebenwohnung, die beide im Bereich des Beklagten liegen und die zusammengenommen nicht mehr als "einfach" bewohnt werden können, durch die Belastung mit zwei nach § 1 Abs. 2 AbfGebS ermittelten Gebühren gleichheitswidrig doppelt so hoch belastet wird wie der Bewohner eines anderen Grundstücks, auf dem dieser ständig wohnt und dieselbe Gesamtmüllmenge produziert. Denn diese Erwägung läßt außer acht, daß derjenige, der abwechselnd zwei Grundstücke bewohnt, jedenfalls deshalb mehr Kosten für seine Müllentsorgung verursacht als der (ständige) Bewohner eines einzigen Grundstücks, weil für das Anfahren zweier Grundstücke und das Kontrollieren/Entleeren zweier (möglicherweise nur halb gefüllter) Abfallbehälter mehr Kosten entstehen, als wenn dieselbe Abfallmenge auf nur einem Grundstück anfällt und in nur einem Behälter gesammelt wird.

22

Nach alledem ist der vom Beklagten gewählte, in § 1 Abs. 2 AbfGebS normierte Personenmaßstab ein hinreichend genauer Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Bemessung der Abfallbeseitigungsgebühren. Seine weitere Differenzierung mag sachgerecht, vernünftig sein, aus Rechtsgründen geboten ist sie indessen nicht. Die Gerichte sind jedenfalls darauf beschränkt, die Ausübung des Gestaltungsermessens des Satzungsgebers auf Ermessensfehler zu überprüfen; unerheblich ist es, ob der in der Satzung festgelegte Maßstab auch aus der Sicht des Gerichts die vernünftigste, gerechteste Lösung darstellt (Beschl. d. 3. Sen. v. 23.2.1984 - 3 C 6/81 -; Dahmen, a.a.O., § 4 RN 79, 82). In Anwendung des vom Beklagten gewählten Maßstabes ist es für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Auswirkung, ob auf dem Grundstück Dxxx ständig oder nur zeitweise gewohnt wird und ob der dort anfallende Müll in einem gesonderten Müllbehälter gesammelt oder - unberechtigterweise - in denjenigen auf dem Grundstück xxx Bxxx eingeworfen wird.

23

Danach ist die Berufung, soweit sie aufrechterhalten worden ist, erfolgreich. Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 154 Abs. 1 VwGO, im übrigen auf § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

24

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.

25

Rechtsmittelbelehrung

26

Die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule (§ 67 Abs. 1 VwGO) beim Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein 2120 Lüneburg, Uelzener Straße 40, durch eine noch innerhalb derselben Frist zu begründende Beschwerde angefochten werden (§ 132 VwGO).

27

...

Schmaltz
Berthold
Richter am Verwaltungsgericht Siebert ist beurlaubt und daher an der Beifügung seiner Unterschrift gehindert. - Schmaltz