Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.03.1989, Az.: 17 OVG B 15/87

Mitbestimmungspflichtigkeit der Änderung einer Vertretungsregelung; Umfang der Mitbestimmungsrechte des Personalrats; Änderung der in der Geschäftsordnung enthaltenen Vertretungsregelung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
01.03.1989
Aktenzeichen
17 OVG B 15/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 20352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0301.17OVG.B15.87.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 06.04.1987 - AZ: PB VG 3/86

Verfahrensgegenstand

Änderung der Vertretungsregelung als der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme (§ 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG)

In der Personalvertretungssache
hat der 17. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Bundes - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 1. März 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski sowie
die ehrenamtlichen Richter Polizeihauptmeister im BGS Bockelmann,
Technischer Bundesbahnbetriebsinspektor Bretthorst,
wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Esser und
Oberpostdirektor Gaffke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 6. April 1987 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung, daß die Änderung einer Vertretungsregelung seiner Mitbestimmung unterliegt.

2

Die vom Bundesministerium der Verteidigung erlassene Geschäftsordnung für die Wehrbereichsgebührnisämter - GO - WBGA - bestimmt unter II § 1 Abs. 5:

Die Verteilung der einzelnen Dienstgeschäfte auf die Abschnitte, Hauptsachgebiete und Sachgebiete regelt der Geschäftsverteilungsplan des WBGA auf der Grundlage des Rahmengeschäftsverteilungsplanes. Der Geschäftsverteilungsplan grenzt die Arbeitsgebiete so ab, daß Zuständigkeitsüberschneidungen vermieden, gleichartige Aufgaben nur von einer Stelle bearbeitet werden. Er hat ferner das Arbeitsgebiet jedes Mitarbeiters - sowie dessen Vertretung - festzulegen.

3

Mit Schreiben vom 20. März 1985 beantragte der Antragsteller beim Beteiligten eine Änderung der in der Geschäftsordnung enthaltenen Vertretungsregelung. Der Grundsatz, daß die Vertretung jedes Mitarbeiters sich aus dem Geschäftsverteilungsplan ergab, wobei in bestimmten Fällen (z.B. Abwesenheit wegen Krankheit, Kur oder Mutterschaftsurlaub) eine Ausnahmeregelung dahin galt, daß in diesen Fällen die Karteiplätze auf die übrigen Bezügerechner aufzuteilen waren, sollte nach den Vorstellungen des Antragstellers durch bestimmte Regelungen ergänzt werden. Daraufhin änderte der Beteiligte durch Verfügung vom 21. März 1986 den Zusatz des Amtes zu II § 1 Abs. 5 der Geschäftsordnung ohne Beteiligung des Antragstellers folgendermaßen ab:

Die Vertretung jedes Mitarbeiters ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan.

Bei Abwesenheit wegen Krankheit, Kur, Mutterschaftsfrist bzw. Erziehungsurlaub oder Teilnahme an Lehrgängen sind die Karteiplätze auf die übrigen Bezügerechner aufzuteilen.

Dies gilt bei kurzfristigen Erkrankungen nur, wenn die Abwesenheit länger als drei Tage andauert.

Ansprechpartner für den Karteiplatz bleibt der geschäftsplanmäßige Vertreter.

Die Sachgebietsleiter können die Vertretung hiervon abweichend regeln, wenn dies aus Gründen einer gerechteren Arbeitsverteilung unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall geboten ist. Auf die besonderen Belange Schwerbehinderter ist Rücksicht zu nehmen.

Die Weisung zur Aufteilung der Karteiplätze im Vertretungsfall hat schriftlich zu erfolgen.

4

Der Antragsteller hat daraufhin am 11. April 1986 das Verwaltungsgericht angerufen und geltend gemacht: Bei der Regelung der Abwesenheitsvertretung handele es sich um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG. Sie diene dem reibungslosen Arbeitsablauf in der Dienststelle und betreffe das allgemeine Verhalten der Beschäftigten in ihrer Gesamtheit. Es gehe weder um eine Anweisung zur dienstlichen Tätigkeit im engeren fachbezogenen Sinne noch um eine Maßnahme, die sich auf die von einem einzelnen Beschäftigten zu erbringende Dienstleistung beziehe.

5

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß die Änderung des Zusatzes des Beteiligten vom 21. März 1986 zu II § 1 Abs. 5 der Geschäftsordnung für die Wehrbereichsgebührnisämter seiner Mitbestimmung unterlag.

6

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

7

und geltend gemacht:

8

Die von ihm erlassene Ergänzung der Vertretungsregelung habe die Erfüllung der Aufgaben der Dienststelle zum Inhalt. Um die dem Amt übertragenen dienstlichen Funktionen ausüben zu können, sei eine Vertretungsregelung erforderlich, die gemäß II § 1 Nr. 5 der Geschäftsordnung für die Wehrbereichsgebührnisämter im Geschäftsverteilungsplan festzulegen sei. Die Verfügung vom 21. März 1986 ergänze die Vertretungsregelung und berühre ausschließlich innerbetriebliche Verwaltungsabläufe.

9

Mit Beschluß vom 6. April 1987 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

10

Die vom Beteiligten verfügte Änderung der Bestimmung zu II § 1 Abs. 5 GO-WBGA und der im Geschäftsverteilungsplan des Amtes enthaltenen Vertretungsregelung stelle keine mitbestimmungsdürftige Maßnahme im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG dar. Nach dieser Vorschrift habe der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigen. Dazu gehörten nicht Regelungen, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die dienstliche Tätigkeit bezögen; sie seien nicht mitbestimmungspflichtig.

11

Die hier streitige Regelung, die im Ergebnis eine Änderung des Geschäftsverteilungsplanes darstelle, habe aber einen eindeutig dienstlichen Bezug. Wenn eine Vertretungsregelung nicht getroffen oder unzureichend sei, habe das zur Folge, daß dienstliche Aufgaben unerledigt blieben. Daher werde auch der Geschäftsverteilungsplan in seiner Gesamtheit als eine fachbezogene Maßnahme zur Erfüllung der Aufgaben der Dienststelle angesehen. Es sei deshalb rechtlich unerheblich, daß der Geschäftsverteilungsplan neben einer sachgerechten Erledigung der dienstlichen Angelegenheiten auch ihre gerechte Verteilung auf die Bediensteten zum Inhalt haben sollte. Während bestimmter dienstlicher Verhinderungen von Mitarbeitern würden die sogenannten Karteiplätze auf die im Dienst befindlichen Bezügerechner anders aufgeteilt; insbesondere dieser Regelungsinhalt der Maßnahme lasse den dienstlichen Bezug unzweifelhaft erkennen.

12

Gegen den ihm am 28. April 1987 zugestellten Beschluß richtet sich die am 27. Mai 1987 eingelegte und am 18. Juni 1987 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht, es gehe hier nicht um spezifische Regelungen zur Konkretisierung der Dienstpflicht, sondern in erster Linie um die sozialen Belange der Bediensteten beim Ausgleich längerer Fehlzeiten von Kollegen.

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Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

14

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

15

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

17

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

18

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Der hier allein in Betracht kommende Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG ist nicht erfüllt.

19

Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über die Regelung der Ordnung in der Dienststelle und das Verhalten der Beschäftigten. Wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt hat, handelt es sich um einen einheitlichen Tatbestand, der die Gesamtheit der Regelungen umfaßt, die den störungsfreien, reibungslosen Ablauf des Lebens in der Dienststelle sichern sollen (BVerwGE 67, 61, 83). Denn das Zusammenwirken und -leben in einer Dienststelle erfordert Verhaltensregeln, die das Miteinander und den Gebrauch der zur Verfügung stehenden Sachen ordnen. Gegenstand der Mitbestimmung ist also die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Beschäftigen in der Dienststelle; Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gestaltung dieses dienstlichen Zusammenlebens zu gewähren.

20

Aus dieser Zweckbestimmung folgt jedoch zugleich, daß nur die Maßnahmen der Mitbestimmung unterliegen, die das Ordnungsverhalten der Bediensteten zum Gegenstand haben, nicht dagegen diejenigen Maßnahmen, die ihr Arbeitsverhalten zum Gegenstand haben oder in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis der Bediensteten zum Dienstherrn und Arbeitgeber betreffen. Diese grundlegende Unterscheidung hat das BAG zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG entwickelt, der Vorbild für die Regelung des § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG war und daran auch gegenüber kritischen Einwänden aufgrund sorgfältiger Prüfung festgehalten (BAGE 47, 96). Entsprechend ist dann auch zu § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG allgemein anerkannt, daß diesem Mitbestimmungstatbestand nicht solche Ordnungsregelungen unterfallen, die sich auf die dienstliche Tätigkeit im engeren fachbezogenen Sinne beziehen und spezifisch die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben betreffen oder einen störungsfreien Dienstablauf sichern sollen (Fischer/Goeres, GKÖD Bd. V § 75 RN 107 a m. Nachw.; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, 4. Aufl., § 75 RN 186 f. m.Nachw.). Sie regeln zwar auch das Verhalten der Mitarbeiter, haben aber keinen Bezug zur innerdienstlichen Ordnung, sondern beziehen sich auf die Arbeitsleistung als solche oder betreffen in sonstiger Weise das Verhältnis zwischen Dienststelle und Mitarbeiter. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat noch einmal bestätigt, daß Anordnungen, die die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben regeln, also mit ihrer Arbeitsleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, oder diensttechnische Regelungen, die den Ablauf des Dienstes gestalten, nach dem Sinn und Zweck der personalvertretungsrechtlichen Beteiligung nicht der Mitbestimmung unterliegen(Beschl. v. 30.12.1987 - 6 P 20.82 -, PersV 1989, 71 f). Zu diesen Anordnungen, bei denen eindeutig die Regelung des Arbeits- und Leistungsverhaltens der Beschäftigten im Vordergrund steht und nicht ihr für das Zusammenleben in der Dienststelle bedeutsames Ordnungsverhalten, werden gerade auch organisatorische oder geschäftsverteilende Maßnahmen, insbesondere die Aufstellung von Geschäftsverteilungsplänen gerechnet (Fischer/Goeres/aaO; Lorenzen/Haas/Schmitt aaO).

21

Nach diesen Maßstäben handelte es sich aber auch bei der hier strittigen Änderung der Vertretungsregelung um eine arbeitsbezogene Maßnahme. Der Sache nach war sie eine Regelung der Geschäftsverteilung. Das ergibt sich schon daraus, daß sie eine konkretisierende Ausführungsregelung zur GO-WBGA darstellte. Die GO-WBGA enthält für die Organisation, den Geschäftsgang, und den allgemeinen Dienstbetrieb der Wehrbereichsgebührnisämter verbindliche Grundsätze und befaßt sich in § 1 Abs. 5 insbesondere mit der Verteilung der Dienstgeschäfte auf die Abschnitte, Hauptsachgebiete und Sachgebiete sowie der Vertretung der Mitarbeiter. Dazu hatte das Amt eine konkretisierende Zusatzregelung getroffen, die hier durch die Verfügung des Beteiligten vom 21. März 1986 in der dargestellten Weise geändert wurde. Eine derartige Vertretungsregelung bildet den typischen Bestandteil jeder Geschäftsverteilung. Gegen ihre Zurechnung zum mitbestimmungsfreien Bereich der Anordnungen hinsichtlich des Arbeitsverhaltens läßt sich auch nicht einwenden, es gehe hier nicht um spezifische Regelungen zur Konkretisierung der Dienstpflicht, sondern um die sozialen Belange der Bediensteten. Der Antragsteller geht von einem zu engen Verständnis der das Arbeitsverhalten betreffenden Maßnahmen aus, wenn er darunter nur fachlich-inhaltiche Weisungen bezüglich der Arbeitsleistung begreift. Auch rein organisatorische Regelungen wie z.B. über die Führung von Abwesenheitslisten (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 2.12.1986 - 5 A 8/86 -) oder wie im vorliegenden Fall über die Geschäftsverteilung und Vertretung fallen darunter. Daß auch eine solche organisatorische Maßnahme die Belange der betroffenen Mitarbeiter möglichst gerecht und ausgewogen berücksichtigen sollte, ist selbstverständlich, gilt aber für jede Regelung der Geschäftsverteilung und Vertretung und kann nicht dazu führen, derartige geschäftsverteilende Maßnahmen generell der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG zu unterwerfen. Zwar dürfen, wie Fischer/Goeres (aaO) mit Recht betonen, nicht beliebige Ordnungs- und Verhaltensregelungen künstlich unter das Vorzeichen "Bezug zur Arbeitsleistung und Aufgabenstellung" gestellt werden, um sie so der Mitbestimmung zu entziehen, weil sich ein solcher - sei es auch entfernter oder mittelbarer - Bezug nahezu immer herstellen ließe. Mitbestimmungsfrei gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG haben aber solche Regelungen zu bleiben, bei denen aus der Natur der Sache die Diensterfüllung eindeutig im Vordergrund steht und die mit ihnen verbundenen Verhaltens- und Ordnungsmaßnahmen nur eine zwangsläufige Nebenfolge sind (Fischer/Goeres aaO). Dazu gehörte auch die hier streitige Änderung der Vertretungsregelung.

22

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

23

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Bockelmann
Bretthorst
Dr. Esser
Gaffke