Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.03.1989, Az.: 7 A 84/88

Einkommenssteuer; Abschreibungen; Erhöhte Abschreibung; Umweltschutz; Abfallbeseitigung; Steuerbegünstigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.03.1989
Aktenzeichen
7 A 84/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 12792
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:0315.7A84.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 20.06.1988 - AZ: 6 A 32/87
nachfolgend
BVerwG - 12.05.1993 - AZ: BVerwG 11 C 31.92

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer Hannover - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger betreibt im Landkreis Peine eine Firma, die sich vor allem mit der Entsorgung fremder Betriebe von umweltgefährdenden Abfallstoffen, wie Fetten, Altölen und ähnlichem, befaßt. Er stellt den von ihm entsorgten Unternehmen gegen Entgelt Sondercontainer sowie andere ähnliche Behältnisse zur Verfügung, die er gefüllt auf ihm gehörenden Lastwagen abholt und zu einer Abfallbeseitigungsanlage transportiert.

2

Von April bis Juni 1984 führte der Kläger betriebliche Investitionen durch. Er beantragte am 26. August 1985 beim Landkreis Peine die Erteilung einer Bescheinigung nach § 7 d Abs. 2 Nr. 2 EStG für das Jahr 1984, und zwar für folgendes Anlagevermögen:

3

1. Unbewegliches, abnutzbares Anlagevermögen Lkw-Halle 17.739,94 DM

4

2. Bewegliches, abnutzbares Anlagevermögen

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a) 1 Lkw DAF, einschließlich Saugwagenaufbau 198.448,15 DM

6

b) 1 Hüttermann-Anhänger 28.237,75 DM

7

c) 2 Normcontainer 9,8 m³ 7.566,00 DM

8

d) 5 Sondermüllbehälter ASP 800 4.925,00 DM

9

e) 1 Sondercontainer 14 m³ 5.694,74 DM

10

f) 2 Normcontainer 8.346,00 DM

11

g) 10 Sondermüllbehälter ASP 800 1 9.850,00 DM

12

h) 10 Sondermüllbehälter 800 1 9.065,70 DM

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Das Investitionsvolumen betrug insgesamt 289.873,28 DM.

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Diese vom Kläger beantragte Bescheinigung ist Voraussetzung für die Gewährung bevorzugtes Abschreibemöglichkeiten durch das Finanzamt. In ihr wird bestätigt, daß bestimmte bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter unmittelbar und zu mehr als 70 % dem Umweltschutz dienen. In der Begründung seines Antrages trug der Kläger vor - ohne allerdings auf Einzelheiten einzugehen -, daß die von ihm erworbenen Wirtschaftsgüter diese Voraussetzungen erfüllten, sie seien nämlich bestimmt und geeignet, umweltgefährdende Stoffe nach den Grundsätzen des Abfallgesetzes zu beseitigen. Außerdem liege ihre Anschaffung im öffentlichen Interesse, da auf diese Weise eine Umweltverschmutzung verhindert werde. Dieser Antrag wurde am 5. Juni 1986 von dem zuständigen Beklagten abgelehnt. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, daß die betreffenden Wirtschaftsgüter nicht unmittelbar dem Umweltschutz dienten. Hiergegen legte der Kläger am 3. Juli 1986 Widerspruch ein, den er am 6. November 1986 begründete. Er verwies darauf, daß die erworbenen Wirtschaftsgüter schon deshalb dem Umweltschutz dienten, weil sie zur Abfallbeseitigung eingesetzt würden. Die Bezirksregierung Hannover wies den Widerspruch durch Bescheid vom 4. März 1987, zugestellt am 9. März 1987, zurück. Der Kläger hat am 6. April 1987 Klage erhoben. Seiner Meinung nach dienen die Container und anderen Wirtschaftsgüter unmittelbar dem Umweltschutz. Der Unmittelbarkeit stehe es auch nicht entgegen, daß die Container vermietet würden. Denn mit den abfallproduzierenden Firmen würden sog. Entsorgungsverträge und getrennt dazu Abfuhrverträge geschlossen.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 1986 sowie den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 4. März 1987 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die von ihm begehrte Bescheinigung nach § 7 d Abs. 2 Nr. 2 EStGB zu erteilen.

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Der Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

In seiner Begründung bezieht er sich auf die angefochtenen Bescheide.

20

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 1988 - Az. 6 VG A 32/87 - die Klage abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, daß die von dem Kläger angeschafften Wirtschaftsgüter die Voraussetzungen von § 7 d Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht erfüllten. Sie dienten nicht zur Beseitigung von umweltgefährdenden Stoffen, die im eigenen Betrieb des Klägers anfielen. Abtransportiert bzw. entsorgt würden nur Abfälle aus Drittunternehmen. Durch das Erfordernis, daß das in Frage stehende Wirtschaftsgut im Betrieb des Steuerpflichtigen dem Umweltschutz zu dienen bestimmt und geeignet sein muß, hätte das Gesetz solche Gegenstände von der erhöhten Abschreibung ausgeschlossen, die an einen Dritten vermietet oder verpachtet worden seien, um in dessen Betrieb zu Umweltschutzzwecken eingesetzt zu werden. Das Verwaltungsgericht verwies dabei auf Nr. 3.8. der Richtlinie für die Erteilung von Bescheinigungen nach § 7 d EStG vom 6. 9. 1982 (Ministerialblatt S. 1738).

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Gegen den dem Kläger am 28. Juni 1988 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 28. Juli 1988 Berufung eingelegt.

22

Er hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Voraussetzungen von § 7 d EStG seien erfüllt. Unternehmen könnten nicht deshalb von der Steuervergünstigung ausgeschlossen werden, weil sie Fremdentsorgung und nicht Eigenentsorgung betrieben. § 7 d EStG diene ganz allgemein der Förderung des Umweltschutzes. Umweltschutzrechtlich von Bedeutung sei auch der Transport von Abfällen, wie sich aus der Genehmigungspflicht der Abfallbeförderung gem. § 12 AbfG ergebe.

23

Der Kläger beantragt,

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den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

25

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verweist zur Begründung seines Antrages auf seinen ablehnenden Bescheid.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben; denn das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

30

Der Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 1986 sowie der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 4. März 1987, mit denen der Antrag des Klägers, ihm für die im einzelnen benannten Investitionen eine Bescheinigung nach § 7 d Abs. 2 Nr. 2 EStG für das Jahr 1984 zu erteilen, abgelehnt wurde, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der genannten Bescheinigung nicht zu.

31

Voraussetzung für die erhöhte Abschreibung (gem. § 7 d Abs. 1 EStG) ist nach § 7 d Abs. 2 Nr. 2 EStG, daß das Wirtschaftsgut, für das die erhöhte Abschreibung in Anspruch genommen werden soll, bestimmt und geeignet ist, in einem im Inland gelegenen Betrieb des Steuerpflichtigen unmittelbar und zu mehr als 70 % dem Umweltschutz zu dienen. Diese Voraussetzungen erfüllen die klägerischen Investitionen nicht.

32

Die Aufwendungen für die LKW-Halle in Höhe von 17.739,94 DM dienen nicht unmittelbar dem Umweltschutz. Der Kläger hat in seiner Widerspruchsbegründung vom 6. 11. 1986 hierzu lediglich vorgetragen, daß es "üblich sei", Lastwagen der von ihm eingesetzten Art in Hallen abzustellen und zu warten. Hierin liegt kein unmittelbarer Bezug zum Umweltschutz.

33

Hinsichtlich der Normcontainer, Sondercontainer und Sondermüllbehälter mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 45.447,44 DM ist festzustellen, daß sie dem Begünstigungszweck, also dem unmittelbaren Einsatz zum Zweck der Abfallbeseitigung (vgl. § 7 d Abs. 3 EStG), gerade nicht im Betrieb des Klägers, sondern erst in den Betrieben der Kunden dienen. Entgegen der Meinung des Klägers erfüllen diese Investitionsgüter daher nicht die Voraussetzungen von § 7 d Abs. 2 EStG. Der Kläger hat sich zwar in der mündlichen Verhandlung zu Recht gegen eine generelle Beschränkung des Anwendungsbereichs der in Rede stehenden Vorschrift auf die Beseitigung eigener Umweltbeeinträchtigungen gewandt (vgl. dazu Urteile des BVerwG vom 6. Juli 1984 - 7 C 3.82 sowie vom 4. Juni 1986 - 7 C 68.84 -, abgedruckt in Buchholz 401.1 § 7 d EStG Nr. 2 und 3). Das ändert aber nichts daran, daß der Kläger durch die entgeltliche Überlassung der verschiedenen Container und Sammelbehälter Abfall nicht beseitigt, sondern seinen Kunden nur die Mittel zur Verfügung stellt, damit diese ihrer Beseitigungspflicht genügen können. Die Container und Behälter dienen nämlich dazu, den Kunden des Klägers das Sammeln und Bereitstellen der Abfälle zu erleichtern, wobei diese Abfälle in den Betriebsbereich des Klägers erst durch den Abtransport gelangen. Daraus folgt, - und insoweit schließt sich der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an (vgl. Urteil vom 4. Juni 1986) -, daß ein solches Zurverfügungstellen weder unmittelbar dem Umweltschutz dient noch der unmittelbare Bezug zum "Betrieb des Steuerpflichtigen" (§ 7 d Abs. 2 Nr. 1 EStG) gegeben ist.

34

In bezug auf den LKW DAF einschließlich Saugwagenaufbau und Hüttermann-Anhänger mit einem Investitionsvolumen von 226.685,90 DM gilt im Prinzip nichts anderes. Auch diese Wirtschaftsgüter dienen nicht der Beseitigung von Abfällen nach den Grundsätzen des Abfallbeseitigungsgesetzes (§ 7 d Abs. 3 Zif. 2 EStG). Vielmehr stellte auch insoweit der Kläger seinen Kunden lediglich die Mittel zur Verfügung, damit diese ihrer Beseitigungspflicht genügen können.

35

Würde man der erweiternden Auslegung des § 7 d Abs. 2 EStG folgen, wie sie von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, so bestünden gegen diese Vorschrift Bedenken aus europarechtlicher Sicht. Der Abgeordnete Dr. Wagner (Trier) hat bei der Beratung des Dritten Steuerreformgesetzes (BT Drucks 7/3194) darauf hingewiesen, daß die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in der Steuerbegünstigung eine allgemeine Beihilfe gesehen habe, die zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes führen könne. Solche Beihilfen sind nur dann zulässig, wenn sie einen Ausgleich der Wettbewerbsnachteile bewirken, die den Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland aus den im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten strengeren Umweltschutznormen entstehen. Im vorliegenden Fall betreffen aber die Vorschriften des Abfallgesetzes zur Entsorgung die Kunden des Klägers bzw. die Beseitigungsanlage, zu der der Kläger die Abfälle verbringt. Daher könnte § 7 d Abs. 2 EStG allenfalls bei diesen, nicht aber bei dem Kläger, Anwendung finden.

36

Die nach alledem erfolglose Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten des Berufungsverfahrens ergibt sich aus § 167 VwGO.

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Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

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Schilling

39

Kalz

40

Wolfrum