Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.06.2004, Az.: 5 K 156/03
Gleichstellung der Kinder gleichgeschlechtlicher Lebenspartner mit den Kindern des Ehegatten; Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mit der Ehe; Anspruch auf Kindergeld für ein in den Haushalt aufgenommenes Kind des Lebenspartners; Wirkungen einer im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.06.2004
- Aktenzeichen
- 5 K 156/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 20681
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0610.5K156.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.11.2004 - AZ: VIII R 61/04
Rechtsgrundlagen
- § 62 Abs. 1 Nr. 2b EStG
- § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG
- Art. 3 GG
- Art. 17b Abs. 4 EGBGB
Fundstelle
- EFG 2005, 308-309 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Kinder der Lebenspartnerin sind für das Kindergeld nicht zu berücksichtigen, denn die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin sind keine Kinder ihres Ehegatten im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus.
- 2.
Der Gesetzgeber hat die gleichgeschlechtliche Partnerschaft zwar in Teilbereichen den rechtlichen Regeln einer Ehe unterworfen. Er hat sie rechtlich aber nicht insgesamt einer Ehe gleichgestellt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für die Kinder ihrer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin zusteht.
Die Klägerin ist niederländische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in O. in den Niederlanden. Sie arbeitet als Physiotherapeutin in S. in der Bundesrepublik.
Die Klägerin lebt mit Frau L. in einer Lebensgemeinschaft. Am ..... ließen sich die Klägerin und Frau L. in O. in ein Partnerschaftsregister (Partnerschaps Registratie) eintragen. Dieser Status entspricht weitgehend dem Eintrag als eingetragener Lebenspartnerschaft ins Partnerschaftsregister in der Bundesrepublik Deutschland. Am ............ schlossen sie die Ehe nach niederländischem Recht, die gleichgeschlechtlichen Paaren dieselben Rechte und Pflichten wie verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren gewährt.
Frau L. ist Mutter der in 1997 geborenen Zwillinge W. und J. sowie des in 1999 geborenen Sohnes M.
Einen Antrag der Klägerin, ihr für die Zwillinge Kindergeld zu zahlen, lehnte die Familienkasse ab; der hiergegen erhobene Einspruch wurde zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage wies der 6. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts mit Urteil vom 4. Juni 2002 als unbegründet ab (6 K 525/98 Ki).
Einen Antrag vom 1. März 2000 für den Sohn M. Kindergeld zu gewähren, lehnte die Familienkasse ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse als unbegründet zurück.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beseitigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften gewährte die Familienkasse der Klägerin Kindergeld ab August 2001 in Höhe der Differenz zwischen deutschem und niederländischem Kindergeld. Mit Bescheid vom ........ 2002 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes gegenüber der Klägerin gemäß § 70 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Wirkung ab März 2002 auf.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Festsetzung von Kindergeld für W. und J. ab März 2002 und für M. ab März 2000. Zur Begründung der Klage bringt sie vor, dass sie nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld habe, weil sie in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Der Anspruch auf Zahlung des Kindergeldes ergebe sich aus § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die Kinder der Lebenspartnerin seien wie Kinder des Ehegatten zu behandeln. Die Auslegung der Vorschrift in diesem Sinne sei insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Jedenfalls sei eine analoge Anwendung der Vorschrift für die Kinder des Partners einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft zur Füllung einer planwidrigen Gesetzeslücke geboten. Denn durch das Lebenspartnerschaftsgesetz (LpartG) sollten die Partner einer solchen Lebensgemeinschaft Rechte und Pflichten erhalten, die denen von Eheleuten nachgebildet seien.
Die Klägerin beantragte,
Unter Aufhebung des Bescheides vom ...... 2002 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom ..........2003 für die Kinder W., J. und M. ab März 2002 Kindergeld zu gewähren und
unter Aufhebung des Bescheides vom ......... 2000 und des Einspruchsbescheides vom ........ 2003 für M. Kindergeld ab dem 01.03.2000 bis Februar 2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft, auch in Form der in den Niederlanden geschlossenen Ehe, einer Ehe im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht gleichgestellt werden könne und es sich demzufolge bei W., J. und M. nicht um Kinder des Ehegatten im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handele.
Der Senat hat die Akten 6 K 525/98 Ki des Niedersächsischen Finanzgerichts beigezogen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch den Aufhebungsbescheid vom 24. Oktober 2001 und durch den Ablehnungsbescheid vom 15. März 2000 nicht in ihren Rechten verletzt.
Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 b EStG hat. Die Kinder der Lebenspartnerin sind aber nach § 63 EStG für das Kindergeld nicht zu berücksichtigen. Denn die Kinder der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin sind keine Kinder ihres Ehegatten im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus.
Die von der Klägerin und Frau L. am 1. Mai 2001 geschlossene Ehe nach niederländischem Recht führt nicht dazu, dass die Klägerin und Frau L. als Ehegatten im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen sind. Der Ehegattenbegriff des deutschen Steuerrechts bestimmt sich nach dem bürgerlichen Recht (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1985 VI R 102/83, BFH-NV 1986, 394). Der Begriff der Ehe ist im deutschen Recht weder im Grundgesetz noch im Bürgerlichen Gesetzbuch definiert. Nach allgemeiner Auffassung ist unter einer Ehe nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau zu verstehen (Brudermüller in Palandt Kommentar zum BGB, Einleitung vor § 1297 Rnr. 1). Die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten ist ein die Ehe prägendes Wesensmerkmal (vgl. Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 4. Oktober 1993 1 BvR 640/93, NJW 1993, 3058). Dieses Merkmal wird von den deutschen Gesetzen und in der bisherigen Rechtsprechung stets unausgesprochen vorausgesetzt. Bestätigt wird diese den deutschen Gesetzen zu Grunde liegende Vorstellung durch den Inhalt und die Formulierung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, das bewusst den Terminus "Ehe" nicht verwendet, um die Institution der Ehe klar und deutlich von dem der Lebenspartnerschaft abzugrenzen.
Diese Auslegung des Ehegattenbegriffs ist verfassungskonform. Der in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) aufgestellte Gleichheitsgrundsatz führt nicht dazu, dass gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit der Ehe gleichgestellt werden müssen. Der Gesetzgeber wird durch Art. 3 GG verpflichtet, wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich zu regeln. Ihm kommt bei der Frage, welche Lebenssachverhalte er als gleich oder ungleich ansehen will ein weiter Ermessensspielraum zu. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, welche Sachverhaltselemente so gewichtig sind, dass ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigen (Bundesverfassungsgericht vom 27.09.1978 1 BvL 31/76 und 4/77, BVerfGE 49, 192). Der Unterschied im Adressatenkreis, Mann und Frau bei der Ehe, zwei gleichgeschlechtliche Personen bei der Lebenspartnerschaft, sind ein hinreichender Unterschied für diese Ungleichbehandlung (vgl. FG Hamburg vom 3. Mai 2000 VI 135/99, EFG 2000, 942 und FG Nürnberg vom 14. März 2002 IV 258/01), Juris STRE 200270666).
Eine analoge Anwendung des § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften scheidet aus. Denn es fehlt an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber hat die gleichgeschlechtliche Partnerschaft zwar in Teilbereichen den rechtlichen Regeln einer Ehe unterworfen. Er hat sie rechtlich aber nicht insgesamt einer Ehe gleichgestellt. Sofern § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG ein Kindergeldanspruch für ein in den Haushalt aufgenommenes Kind des Ehegatten eines Berechtigten begründet, liegt darin eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für die Kinder eines Lebenspartners einen Kindergeldanspruch nicht zu begründen. Eine unbewusste Regelungslücke liegt danach nicht vor.
Nichts anderes folgt daraus, dass die Klägerin nach niederländischen Recht eine gleichgeschlechtliche Ehe geschlossen hat, denn Art. 17 b Abs. 4 EGBGB bestimmt, dass die Wirkungen einer im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht weitergehen, als nach den Vorschriften des BGB und des Lebenspartnerschaftsgesetzes. Da die niederländische Ehe Gleichgeschlechtlicher trotz ihrer anderen Bezeichnung ihrem Wesen nach einer im Ausland eingetragenen Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht entspricht, erstreckt sich der Regelungsgedanke des Art. 17 b Abs. 4 EGBGB auch auf diese.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob und inwieweit eine in den Niederlanden geschlossene Ehe Gleichgeschlechtlicher einer Ehe im Sinne des deutschen Steuerrechts entspricht hat grundsätzliche Bedeutung.