Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.06.2004, Az.: 11 K 358/03

Formelle Anforderungen an eine richterliche Verfügung; Voraussetzungen für die Verlängerung einer Ausschlussfrist; Zulässigkeit einer Klage wegen ausschließender Wirkung einer Fristsetzung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.06.2004
Aktenzeichen
11 K 358/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 14868
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0624.11K358.03.0A

Fundstellen

  • DStR 2004, X Heft 43 (Kurzinformation)
  • DStRE 2004, 1381-1382 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2004, 1382-1383

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die richterliche Verfügung, die eine Ausschlussfrist in Lauf setzt, muss unterschrieben und zugestellt sein.

  2. 2.

    Das gilt jedoch nicht für die Verlängerung einer Ausschlussfrist. Diese kann auch formlos und damit mündlich erfolgen. Es ist daher ausreichend, wenn die entsprechende richterliche Verfügung nur mit einer Paraphe unterzeichnet ist.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klage wegen ausschließender Wirkung einer Fristsetzung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig ist.

2

Der Kläger begründete zunächst die im Juni 2003 erhobene Klage nicht. Die Klage richtete sich gegen den Haftungsbescheid vom 13. Mai 2002 in Form der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2003, mit der Steuerrückstände der Spielgemeinschaft...in Höhe von ... DM im Wege der Haftung beim Kläger geltend gemacht wurden.

3

Mit Eingangsverfügung vom 3. Juli 2003 wurde er aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 30. August 2003 zu bezeichnen. Aufgrund eines Fristverlängerungsantrages des Prozessbevollmächtigten wurde diese Frist bis zum 12. Oktober 2003 verlängert. Durch richterliche Verfügung vom 13. Oktober 2003 war dem Kläger gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben worden, bis zum 13. Dezember 2003 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen.

4

Am 2. Dezember 2003 teilte der weitere Prozessbevollmächtigte Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigte...dem Finanzgericht mit, dass nach Mitteilung des Klägers der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte...aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage sei, die Klagebegründung zu fertigen und er, Steuerberater ..., den Kläger vertrete. Eine Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwälte...wurde dem Gericht bis dahin nicht mitgeteilt.

5

Der Berichterstatter verlängerte daraufhin schriftlich gegenüber dem weiteren Bevollmächtigten die Ausschlussfrist vom 13. Oktober 2003 bis zum 10. Februar 2004. Den Gegenstand des Klagebegehrens hat der Kläger bis zum Fristablauf nicht bezeichnet.

6

Es erging sodann ein Gerichtsbescheid des Berichterstatters. Gegen diesen Gerichtsbescheid beantragte der Prozessbevollmächtigte...mündliche Verhandlung. Der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte...hatte zuvor sein Mandat niedergelegt.

7

In der mündlichen Verhandlung stellte der Prozessbevollmächtigte keinen Antrag.

8

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Gründe

9

I.

Die Klage ist unzulässig. Das Klagebegehren wurde nicht innerhalb der Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO bezeichnet.

10

1.

Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Kläger den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dazu gehört, dass auch das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird (BFH-Beschluss vom 26. November 1979 GrS 1/78, BStBl II 1980, 99); denn das Gericht kann dem aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO sich ergebenden Verbot, über das Klagebegehren hinauszugehen, nur entsprechen, wenn der Kläger den Umfang des begehrten Rechtsschutzes bestimmt hat. Für eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstandes ist es daher erforderlich, dass der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze.

11

2.

Der Kläger hat nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist den Klagegegenstand in diesem Sinne bezeichnet. Ihm wurde eine Ausschlussfrist bis zum 13. Dezember 2003 gesetzt. Auf die Folgen eines Fristversäumnisses ist ausdrücklich hingewiesen worden. Weder diese Ausschlussfrist, noch die gegenüber dem weiteren Bevollmächtigten gewährte Fristverlängerung bis zum 10. Februar 2004 wurde eingehalten. Dass im Rahmen der Fristverlängerung nicht mehr ausdrücklich auf die ausschließende Wirkung hingewiesen wurde, ist dabei unerheblich (siehe Koch in Gräber, FGO, 5. Aufl. 2002, § 62 Tz. 72).

12

3.

Die Ausschlussfrist war auch nicht durch ein Erlöschen der Prozessvollmacht des ursprünglich Bevollmächtigten unwirksam geworden. Eine Prozessvollmacht endet nicht ohne weiteres von selbst durch Bestellung eines anderen Bevollmächtigten. Der Vollmachtgeber muss vielmehr dem Prozessbevollmächtigten das Mandat entziehen und dem Gericht hiervon Kenntnis geben. Es muss gegenüber dem Gericht eindeutig angezeigt werden, dass die Prozessvollmacht erloschen ist, da das Prozessrecht klare Verhältnisse verlangt (BGH-Beschluss vom 21. Mai 1980 IVb Z. B. 567/80, NJW 1980, 2309; BSG-Beschluss vom 1. Februar 2000 B 10 LW 18/99 B, nv). Dass der Prozessbevollmächtigte Steuerberater...am 2. Dezember 2003 mitteilt, "in beiderseitigem Einvernehmen werde ich daher ab sofort Herrn...in den o. g. Angelegenheiten vertreten" reicht nicht aus, um von einem Erlöschen der bisherigen Vollmacht auszugehen (vgl. BSG-Beschluss vom 1. Februar 2000 B 10 LW 18/99 B, nv). Überdies erweckt das genannte Schreiben den Eindruck, dass der ursprüngliche Bevollmächtigte nur die Klagebegründung aus zeitlichen Gründen nicht fertigen konnte bzw. wollte. Es ist nicht eindeutig zu erkennen, das auch eine Mandatsniederlegung beabsichtigt gewesen war.

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4.

Die Ausschlussfrist war auch weiterhin nicht deshalb unwirksam, weil die vom Berichterstatter gewährte Fristverlängerung bis zum 10. Februar 2004 nur schriftlich dem neuen Bevollmächtigten bekannt gegeben wurde und auch die entsprechende Verfügung nur mit einer Paraphe des Berichterstatters unterzeichnet war. Zwar muss die richterliche Verfügung, die eine Ausschlussfrist in Lauf setzt, unterschrieben sein und zugestellt werden (siehe BFH-Urteil vom 14. April 1983 V R 4/80, BStBl II 1983, 421; Urteil vom 26. August 1982 IV R 31/82, BStBl II 1983, 23; Beschluss vom 12. Februar 1999 III B 29/98, BFH/NV 1999, 1109; Beschluss vom 17. November 2003 XI B 213/01, nv). Dieses gilt jedoch nicht für die Verlängerung einer Ausschlussfrist. Sie kann auch gemäß § 155 FGO in Verbindung mit § 329 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung formlos (BFH-Beschluss vom 1. August 1996 XI B 149-150/95, BFH/NV 1997, 131) und damit mündlich (BFH-Beschluss vom 11. März 1996 V B 106/95, BFH/NV 1996, 756; Stöcker in Beermann, FGO (Loseblatt), § 65 Tz. 131.1; a.A. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO (Loseblatt), § 54 Tz. 44) erfolgen, sodass es auch ausreichend ist, wenn die entsprechende richterliche Verfügung nur mit einer Paraphe unterzeichnet ist. Das Unterschriftserfordernis, soll den Richter darauf aufmerksam machen, dass es sich bei der Verfügung der Ausschlussfrist um eine Verfügung mit weit reichenden Folgen handelt. Bei der Verlängerung einer solchen Ausschlussfrist ist aber diese Warnfunktion nicht mehr erforderlich. Die Gefahr des Ausschlusses war bereits mit der Setzung der Ausschlussfrist begründet worden.

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5.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Weder ist sie bisher beantragt worden, noch ist sie aufgrund des Zeitablaufs noch zulässig. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Spätestens mit Zustellung des Gerichtsbescheides an den Prozessbevollmächtigten am 6. April 2004 begann diese Frist zu laufen, denn der Prozessbevollmächtigte hätte spätestens mit Erhalt des Gerichtsbescheides erkennen können, dass es sich bei der Fristsetzung vom 13. Oktober 2003 um eine Ausschlussfrist handelte. Damit war ein Wiedereinsetzungsantrag nach dem 20. April 2004 nicht mehr zulässig. Auch ist die Klagebegründung erst am 4. Mai 2004 nach Ablauf der Zweiwochenfrist eingereicht worden, sodass auch eine Wiedereinsetzung ohne Antrag nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO nicht in Betracht kommt.

15

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.