Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.06.2004, Az.: 3 K 85/00

Abschreibungsmöglichkeiten von Geschäftsbeziehungen eines Handelsvertreters im Falle des Erwerbs der Beziehungen durch Ablösung eines Ausgleichsanspruches eines Vorgängers einer Handelsvertretung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.06.2004
Aktenzeichen
3 K 85/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 31610
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0609.3K85.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 12.07.2007 - AZ: X R 5/05

Fundstellen

  • DStR 2005, VI Heft 36 (Kurzinformation)
  • DStRE 2005, 1180-1181
  • WPg 2006, 393

Tatbestand

1

Gegenstand der Klage ist der Einkommensteuerbescheid 1994 vom X, bestätigt durch Einspruchsbescheid vom X, in der Fassung des während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheids vom X.

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Strittig ist, über welchen Zeitraum Geschäftsbeziehungen eines Handelsvertreters, die dieser durch Ablösung eines Ausgleichsanspruches eines Vorgängers einer Handelsvertretung von der zu vertretenen Firma entgeltlich erworben hat, abgeschrieben werden können.

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Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hat sich 1993 selbstständig gemacht und Handelsvertretungen für Baubeschläge und Türelemente übernommen. Im Jahre 1993 übernahm er von drei verschiedenen Firmen den Vertreterbezirk seines Vorgängers, der von den Firmen ausbezahlt worden war (Ausgleichsanspruch), entgeltlich gegen Zahlung von 137.000 DM (X), 51.418 DM (X) sowie von 9.000 DM (X). Die Ausgleichssummen wurden von den vertretenen Firmen vorfinanziert und waren vom Kläger zu verzinsen. Die Rückzahlung der Ausgleichssummen durch den Kläger erfolgte durch Verrechnung mit seinen Provisionsansprüchen gegen die vertretenen Firmen. Die Ansprüche der vertretenen Firmen auf Ausgleichszahlungen wurden vom Kläger im Jahre 1993 aktiviert und auf eine Nutzungsdauer von fünf Jahren verteilt.

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In dem Zeitraum März/August 1999 führte der Beklagte beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 1995 bis 1997 durch, auf Grund der der Beklagte zu der Auffassung gelangte, dass die beim Kläger aktivierten Ausgleichszahlungen als geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut zu beurteilen seien und deshalb gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) in der ab 1987 geltenden Fassung auf 15 Jahre abzuschreiben seien. Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfungänderte der Beklagte auch den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) stehenden Einkommensteuerbescheid 1994 vom X durch Einkommensteuerbescheid 1994 vom X in der Weise, dass die Absetzung für Abnutzung (AfA) für die vom Kläger entgeltlich erworbenen so genannten Vertreterrechte mit geringeren Beträgen berücksichtigt und die Einkommensteuer mit X DM höher festgesetzt wurde.

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Hiergegen wenden sich die Kläger nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren mit der Klage, während der aus anderweitigen Gründen die Einkommensteuer 1994 durch Änderungsbescheid vom X auf X DM herabgesetzt wurde.

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Die Kläger tragen vor:

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Zu Unrecht habe der Beklagte im Rahmen einer Außenprüfung die Nutzungsdauer von so genannten Vertreterrechten verlängert und dementsprechend die Betriebsausgaben verkürzt. Bis zur Änderung des § 7 Abs. 1 EStG durch das Bilanzrichtliniengesetz mit Wirkung ab 1987 habe weitgehend Einigkeit darüber bestanden, dass ein Handelsvertreter, der bei Übernahme einer Vertretung eines anderen, ausscheidenden Handelsvertreters an die vertretene Firma eine Zahlung zu erbringen habe, diesen Betrag zu aktivieren und auf einen Zeitraum von maximal fünf Jahre verteilt abzuschreiben habe. Dabei habe sich die Rechtsprechung hinsichtlich der Dauer des Abschreibungszeitraumes gedanklich immer an die zum Praxiswert eines Freiberuflers entwickelten steuerlichen Grundsätze angelehnt. Vertreterrechte seien wie der entgeltlich erworbene Wert eines freiberuflichen Unternehmers (Praxiswert) behandelt worden. Hieran habe sich auch durch das Bilanzrichtliniengesetz nichts geändert. Der Betrieb eines Handelsvertreters habe in der Regel gerade keinen objektiv feststellbaren Geschäftswert, da der Erfolg der gewerblichen Betätigung vom Vertrauen des einzelnen Kunden zum bisherigen Betriebsinhaber und zu dessen persönlichem Arbeitseinsatz geprägt worden sei. Da der Erwerber einer Handelsvertretung gerade keinen personenbezogenen Geschäftswert erworben habe, könne ein solcher auch nicht Gegenstand der AfA sein. Eine verbindliche Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) über den Erwerb von Vertreterrechten eines Handelsvertreters, insbesondere dazu, dass dieses Wirtschaftsgut entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1986 abzuschreiben sei, liege nicht vor. Dann sei immer noch ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren, nicht aber von 15 Jahren maßgeblich. Im Übrigen habe der BFH auch ausgeführt, dass beim entgeltlichen Erwerb eines Geschäfts- oder Firmenwerts eine Ausnahme von der 15-jährigen Nutzungsdauer dann gelte, wenn diese Abschreibungsdauer zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe. Nach entsprechenden Statistiken sei dies aber der Fall, da 60% der Handelsvertreterverträge längstens zehn Jahre aufrecht erhalten würden, wobei mehr als 1/3 der Gesamtzahl bereits vor Ablauf von fünf Jahren beendet würde.

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Schließlich müsse richtigerweise für jede Vertretung gesondert ermittelt werden, welcher Nutzungszeitraum für das betreffende Vertretungsrecht anzusetzen sei.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom X den Einkommensteuerbescheid 1994 vom X in der Fassung des während des Klageverfahrens ergangenenÄnderungsbescheides vom X in der Weise zu ändern, dass entsprechend der vorgelegten Bilanz die Abschreibung der so genannten Vertreterrechte über einen Zeitraum von fünf Jahren erfolgt und die Einkommensteuer 1994 dementsprechend herabgesetzt wird.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem entgeltlichen Erwerb so genannter Vertreterrechte durch den Kläger, die nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten zu aktivieren seien, um ein geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut handele, für das die mit Wirkung ab 1987 eingeführte gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG gelte, wonach der entgeltlich erworbene Geschäftswert eines Gewerbebetriebes über einen Zeitraum von 15 Jahren abzuschreiben sei. Die frühere Praxis, nach der so genannte Vertreterrechteüber fünf Jahre hätten abgeschrieben werden können, sei durch die Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStGüberholt. Die Grundsätze für die Abschreibung freiberuflicher Praxiswerte könnten im Streitfall nicht angewandt werden, da es sich hier um einen gewerblichen Geschäftswert handele.

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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Steuerakten (X) Bezug genommen.

Gründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Zu Recht hat der Beklagte für die vom Kläger im Jahre 1993 entgeltlich erworbenen Vertreterrechte eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 15 Jahren angenommen und dementsprechend den Gewinn des Klägers aus seiner Handelsvertretung im Streitjahr 1994 erhöht.

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Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG in der ab dem Jahre 1987 geltenden Fassung gilt als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwertes eines Gewerbebetriebs oder eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ein Zeitraum von 15 Jahren. Durch diese Regelung durch das Bilanzrichtliniengesetz wurde die bisherige Rechtslage, nach der der im Falle eines entgeltlichen Erwerbs zu aktivierende Geschäfts- oder Firmenwert zu den nichtabnutzbaren Wirtschaftsgütern zählte, für die keine AfA zulässig war, geändert. Zur neuen Rechtslage ab 1987 hat der BFH in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass im Falle eines gewerblichen Geschäfts- oder Firmenwertes nach dem klaren Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1986 der Bemessungszeitraum für die AfA grundsätzlich zwingend vorgeschrieben sei, d.h. dass die AfA auch dann nicht nach einer kürzeren Nutzungsdauer bemessen werden dürfe, wenn im Einzelfall, etwa bei personenbezogenen Betrieben, Erkenntnisse dafür vorlägen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer kürzer als 15 Jahre sei. Demgemäß sei auch ohne Bedeutung, ob die gewerbliche Tätigkeit besonders auf die Person des Unternehmers zugeschnitten sei. Eine Ausnahme hiervon komme allenfalls dann in Betracht, wenn die Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts über den vorgeschriebenen 15-Jahres-Zeitraum zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Eine Ausnahme von dem 15-jährigen Abschreibungszeitraum gelte nur für den Praxiswert eines Freiberuflers (vgl. Urteil des BFH vom 28. September 1993, VIII R 67/92, BStBl II 1994, 449; Urteil des BFH vom 15. Mai 1997, IV R 33/95, BFH/NV 1997, S. 751; Beschluss des BFH vom 22. April 1998, IV B 24/97, BFH/NV 1998, S. 1467).

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Während der BFH es in seinem Urteil vom 28. September 1993 (VIII R 67/92, a.a.O.; vgl. auch Urteil des BFH vom 29. Juli 1982 IV R 49/78, BStBl II 1982, 650) noch offen gelassen hat, ob die frühere Rechtsprechung, nach der Zahlungen des Erwerbers eines Handelsvertreterbetriebes regelmäßig nicht als Anschaffungskosten eines Geschäftswerts, sondern eines Wirtschaftsguts "Geschäftsbeziehungen des Handelsvertreters" anzusehen seien, auch nach In-Kraft-Treten des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1986 weiter anzuwenden sei, hat er in seiner neueren Rechtsprechung betont, dass für den Erwerb eines geschäftswertähnlichen (immateriellen) Wirtschaftsgutes, etwa eines Kundenstammes, für dessen steuerliche Behandlung die gleichen Grundsätze wie für die Abschreibung eines allgemeinen Geschäftswertes Anwendung finden würden. Dies gelte auch für die Rechtslage nach In-Kraft-Treten des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG ab 1987 (vgl. Beschluss des BFH vom 22. April 1998, IV B 24/97, BFH/NV 1998, S. 1467; Urteil des BFH vom 26. Juli 1989, I R 49/85, BFH/NV 1990, S. 442).

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Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Kläger durch den entgeltlichen Erwerb der Vertreterrechte ein geschäftswertähnliches (immaterielles) Wirtschaftsgut nach Art eines Kundenstammes erlangt hat, für das die 15-jährige Abschreibungsdauer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG gilt. Die kürzere Abschreibungsdauer, die für den Erwerb eines freiberuflichen Praxiswertes Anwendung findet, kann der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen, da er ein gewerbliches Unternehmen betreibt. Der Umstand, dass die gewerbliche Betätigung des Klägers vom Vertrauen des einzelnen Kunden zu ihm und durch seinen persönlichen Arbeitseinsatz geprägt ist, vermag hieran - wie zuvor schon ausgeführt - nichts zu ändern.

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Es sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Ansatz eines 15-jährigen Abschreibungszeitraumes beim Kläger zu einer unzutreffenden Besteuerung führt. Nach seinen eigenen Angaben werden 60% der Handelsvertreterverträge bis zu einem Zeitraum von zehn Jahren aufrechterhalten und lediglich ca. 1/3 der Verträge bereits vor Ablauf von fünf Jahren beendet. Dann liegt aber der Abschreibungszeitraum von 15 Jahren im Rahmen der vom Gesetzgeber gewollten typisierenden Regelung. Den typisierenden Charakter der Gesetzbestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG steht auch entgegen, den Abschreibungszeitraum - wie der Kläger begehrt - nach der tatsächlichen Vertragsdauer der einzelnen Handelsvertretungsverträge zu bestimmen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).