Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.02.2007, Az.: 16 K 10591/03

Vorsteuerberichtigungsanspruch bei Fertigstellung eines landwirtschaftlichen Gebäudes nach Einbringung des bisherigen landwirtschaftlichen Betriebs in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR); Maßgebliche Verhältnisse für einen umsatzsteuerrechtlichen Vorsteuerabzug; Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen eines umsatzsteuerrechtlichen Vorsteuerberichtigungsanspruchs; Voraussetzung für die Annahme eines neben der Durchschnittsbesteuerung bestehenden, der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmensteils

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
01.02.2007
Aktenzeichen
16 K 10591/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 11898
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2007:0201.16K10591.03.0A

Fundstellen

  • DStR 2007, X Heft 24 (Kurzinformation)
  • DStRE 2007, 1039-1042 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2007, 1120-1123 (Volltext mit red. LS)
  • NWB direkt 2007, 9

Verfahrensgegenstand

Umsatzsteuer 1996 - 1998

Tatbestand

1

Der Kläger betrieb bis zum 30.06.1998 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Seine Umsätze unterlagen gem. § 24 UStG der Besteuerung nach Durchschnittsätzen.

2

Am 23.06.1998 schlossen der Kläger und seine Ehefrau einen Vertrag mit dem Zweck, ihre landwirtschaftlichen Betriebe gemeinsam in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Kurzbezeichnung "F-GbR" zu bewirtschaften. Hierzu brachte der Kläger "die Nutzung seines bisher als Einzelunternehmen selbst bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mit allen Bestandteilen und dem gesamten Zubehör, wie sich alles bei Vertragsabschluss befindet, in die Gesellschaft ein". In einer auf den 26.06.1998 datierten "Ergänzung zum Gesellschaftsvertrag" wurde die Vereinbarung über den Gesellschaftsbeitrag des Klägers dahingehend modifiziert, dass die Einbringung der Nutzung des bisherigen Einzelunternehmens "mit Ausnahme des sich im Bau befindlichen Milchstalles" erfolgt und klargestellt, dass dieser zzgl. des dazugehörigen Grund und Bodens nicht in die GbR eingebracht wird.

3

Der Milchviehstall wurde am 30.09.1998 fertiggestellt. Mit Vertrag vom 03.09.1998 hatte der Kläger den Milchviehstall mit 70 Plätzen, den Melkstand, den Güllesilo und die Maschinenhalle ab 01.10.1998 an die F-GbR zur Nutzung vermietet. Der Mietzins in Höhe von monatlich 2.500 DM zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer in Höhe von seinerzeit 16% = 400 DM war nachträglich halbjährlich zum Monatsende zu entrichten. Er wurde erstmals in 1999 gezahlt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge verwiesen. Hinsichtlich der Umsätze aus der Vermietung optierte der Kläger gem. § 9 i.V.m. § 4 Nr. 12 a UStG zur Regelbesteuerung.

4

Der Kläger versteuert seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. In seinen Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997, die jeweils am 26.11.1998 beim Beklagten eingingen und der Umsatzsteuererklärung 1998, eingegangen beim Beklagten am 10.05.1999, machte der Kläger Vorsteuern aus der Errichtung des Milchviehstalles in 1996 in Höhe von 8.010,67 DM, in 1997 in Höhe von 64.676,11 DM und in 1998 in Höhe von 20.654,39 DM geltend. Umsätze wurden nicht erklärt. Den Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997 stimmte der Beklagte am 15.02.1999 und der Umsatzsteuererklärung 1998 am 24.08.2000 zu. Nach einer in der Zeit vom 17.04. - 13.06.2002 für die Jahre 1996 - 1998 durchgeführten Betriebsprüfung versagte der Beklagte den Abzug der in 1996 und 1997 angefallenen Vorsteuerbeträge und setzte die Umsatzsteuer 1996 - 1997 mit Änderungsbescheiden vom 01.08.2002 jeweils auf 0 DM fest. Für 1998 erkannte er nur den Abzug der ab 01.07.1998 angefallenen Vorsteuern an und setzte die Umsatzsteuer 1998 auf minus 6.775 DM fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

5

Der Kläger ist der Auffassung, die Vorsteuerbeträge für die Errichtung des Milchviehstalls seien in voller Höhe abzugsfähig.

6

Ein Unternehmer könne neben einem der Durchschnittsbesteuerung unterliegenden landwirtschaftlichen Betrieb einen gesonderten, der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmensteil haben. In diesem Fall seien die Vorsteuerbeträge aufzuteilen. Diese Voraussetzungen lägen hinsichtlich des Milchviehstalls vor, da er von Anfang an die Absicht gehabt habe, diesen umsatzsteuerpflichtig zu verpachten. Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Verpachtung aus dem landwirtschaftlichen Betrieb heraus hätte erfolgen sollen, müsse berücksichtigt werden, dass streitig sei, unter welchen Voraussetzungen die Vermietung eines Viehstalls an einen anderen Landwirt der Durchschnitts- oder der Regelbesteuerung des Vermieters zuzurechnen sei (vgl. BFH, V R 60/01; Nds. FG, Urteil vom 14.12.2000, 5 K 558/99).

7

Unabhängig davon hätten mit dem Milchviehstall in keinem Fall landwirtschaftliche Umsätze erzielt werden können. Wäre der Milchviehstall fertiggestellt und von ihm selbst genutzt worden, hätten die damit erzielten Umsätze der Regelbesteuerung unterlegen, weil er wegen Überschreitens der Tierhaltungsgrenzen im Sinne von § 51 Bewertungsgesetz mit der Milchviehhaltung gewerblich geworden wäre. Da in diesem Fall für die Zuordnung der Vorsteuerbeträge die Verwendungsumsätze und nicht der Zeitpunkt des Leistungsbezuges maßgebend seien, seien die Vorsteuern nicht mit der Vorsteuerpauschale des § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG abgegolten. Gleiches gelte, soweit er im Zeitpunkt der Fertigstellung des Milchviehstalls den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb durch Verpachtung bzw. Einbringung in eine GbR aufgegeben gehabt habe. Damit habe bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Viehstalls festgestanden, dass auf ihn die Durchschnittsbesteuerung nicht würde angewendet werden können.

8

Die Vorsteuern seien ab 1. Oktober 1998 zumindest anteilig gem. § 15 a Abs. 1 UStG zu gewähren. Ab 01.07.1998 sei durch den Wechsel von der Durchschnittsbesteuerung zur Regelbesteuerung ein Wechsel der Besteuerungsform eingetreten, der ein Anwendungsfall des § 15 a UStG sei. Nach dem Wortlaut der bis zum 31.12.2001 geltenden Regelung des § 15 a UStG lägen die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung zwar nicht vor, da der Wechsel der Besteuerungsform vor der erstmaligen Verwendung eingetreten sei. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach es beim Vorsteuerabzug nicht mehr auf die tatsächliche erstmalige Verwendung des Investitionsguts, sondern auf die Verwendungsabsicht ankomme, sei die Regelung des § 15 a Abs. 1 UStG aber entsprechend auszulegen.

9

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 1996 auf ./. 8.010,67 DM, die Umsatzsteuer 1997 auf ./. 63.778,46 DM und die Umsatzsteuer 1998 auf ./. 20.654,39 DM festzusetzen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte ist der Auffassung, der Milchviehstall habe keinen von der Landwirtschaft gesonderten Betrieb des Klägers dargestellt. Da der Milchviehstall im Rahmen seines land- und forstwirtschaftlichen Unternehmens errichtet worden sei, seien die Vorsteuern im Rahmen des pauschalen Vorsteuerabzugs abgegolten. Eine Vorsteuerberichtigung gem. § 15 a UStG komme nicht in Betracht, da der Milchviehstall nicht bereits vor Änderung der Verhältnisse verwendet worden sei.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise begründet. Dem Kläger stehen gem. § 15 a Abs. 1 (a.F.) UStG in 1998 weitere Vorsteuern in Höhe von 2.896,13 DM zu. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

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1.

Dem Kläger steht der Vorsteuerabzug aus der Errichtung des Milchviehstalles gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nur aus Leistungsbezügen ab 01.07.1998 zu. Diese betragen unstreitig 6.775 DM und sind in dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 1998 berücksichtigt. Für Leistungsbezüge bis zum 30.06.1998 liegen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht vor.

14

a)

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden ist, als Vorsteuerbeträge abziehen. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass die bezogene Leistung für das Unternehmen erfolgt ist. Diese Voraussetzungen liegen ab 01.07.1998 vor. Zu diesem Zeitpunkt betrieb der Kläger ausschließlich ein Unternehmen, das die Vermietung eines Milchviehstalls zum Gegenstand hatte. Die weitere Errichtung des Milchviehstalles ab 01.07.1998 führte der Kläger nicht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne von § 24 UStG aus. Vielmehr bezog er die Bauleistungen ausschließlich zur Vorbereitung der Grundstücksvermietung. Da er seiner Absicht entsprechend hinsichtlich der Grundstücksvermietung zur Regelbesteuerung optierte, liegen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG insofern vor.

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b)

Dagegen steht dem Kläger der Vorsteuerabzug aus den Leistungsbezügen zur Errichtung des Milchviehstalles von 1996 bis zum 30.06.1998 nicht gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu.

16

aa)

Grundsätzlich kann der Unternehmer neben einem der Durchschnittsbesteuerung unterliegenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einen Unternehmensteil betreiben, der nicht der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegt (vgl. § 24 Abs. 3 UStG). In diesem Fall sind die Vorsteuern aufzuteilen (vgl. Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 24 Rz. 271). Voraussetzung für die Annahme eines neben der Durchschnittsbesteuerung bestehenden, der Regelbesteuerung unterliegenden Unternehmensteils wäre, dass der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb behandelt wird. Dies ist vom Kläger weder dargelegt, noch ergeben sich entsprechende Hinweise aus den Akten. Nach den objektiv vorliegenden Anhaltspunkten wurde der Milchviehstall vielmehr im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erstellt. Der Milchviehstall wurde auf Flächen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers errichtet. Dies allein spricht zwar nicht grundsätzlich gegen einen neben der Landwirtschaft gesondert bestehenden Unternehmensteil (vgl. BFH, Urteil vom 03.12.1998, V R 48/98, BStBl II 1999, 150). Der Kläger hat jedoch in keiner Form zum Ausdruck gebracht, dass er den Milchviehstall als einen gegenüber der Landwirtschaft gesonderten Unternehmensteil betreiben wollte. Dahingehende Aufzeichnungen gem. § 22 UStG liegen nicht vor. Die Leistungsbezüge zur Errichtung des Milchviehstalls wurden vielmehr in der vom Kläger geführten Buchführung einheitlich erfasst. Der Kläger hat z.B. auch nicht dadurch, dass er in seinen Umsatzsteuervoranmeldungen die ihm berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abzog zum Ausdruck gebracht, dass er die Bauleistungen für Zwecke einer von vornherein geplanten umsatzsteuerpflichtigen Vermietung des Milchviehstalls bezog. Weitere Anhaltspunkte, die auf einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb schließen ließen, sind weder dargelegt noch sonst aus den Akten ersichtlich. Objektive Anhaltspunkte auf die sich die Behauptung des Klägers stützt, er habe von vornherein geplant, den Milchviehstall als gesonderten Betrieb außerhalb der Landwirtschaft zu vermieten, liegen daher nicht vor. Der Milchviehstall wurde daher im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erstellt.

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bb)

Selbst wenn der Kläger die Absicht gehabt hätte, einen gesonderten Betrieb mit der Vermietung des Milchviehstalles zu gründen, lägen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nicht vor, da der Kläger auch insofern nicht anhand objektiver Umstände dargelegt hat, dass er die Bauleistungen für Zwecke der von vornherein geplanten steuerpflichtigen Vermietung des Stalls bezog. Eine entsprechende Zuordnung", wie sie der BFH in seiner Entscheidung vom 03.12.1998 (V R 48/98, BFHE 187, 352, BStBl II 1999, 150) zum Ausdruck brachte, liegt nicht vor. Nach Auffassung des Senats bedarf es für den Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG grundsätzlich einer solchen Zuordnung des Unternehmers, die spätestens im Zeitpunkt des Leistungsbezuges zu treffen ist. Der BFH hat dies im Urteil vom 31.01.2002 (V R 61/96, BStBl II 2003, 813) grundsätzlich für den Fall einer möglichen unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Nutzung eines Wirtschaftsguts entschieden. Eine vergleichbare Willensentscheidung muss nach Auffassung des Senats gelten, wenn ein Gegenstand, wie im Streitfall der vom Kläger errichtete Milchviehstall, sowohl einer möglichen landwirtschaftlichen als auch einer der Regelbesteuerung unterliegenden Nutzung unterliegen könnte. Insofern sind die vom BFH aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall vom Grundgedanken her übertragbar. Danach hätte der Kläger bereits im Zeitpunkt jedes Leistungsbezuges eine entsprechende Zuordnung treffen müssen. Eine solche Zuordnung wird regelmäßig durch die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs in entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldungen anerkannt (vgl. BFH, Urteil vom 03.12.1998, a.a.O.). Im Streitfall hat der Kläger frühestens mit Abgabe der Umsatzsteuererklärungen 1997 und 1998 im November 1998 und damit nicht zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs nach außen hin nachvollziehbar dargelegt, dass er den Milchviehstall einer nicht landwirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen wollte. Es kann auch nicht von einer stillschweigenden Zuordnung ausgegangen werden. Entgegen einer derartigen Rechtsauffassung (vgl. im Ansatz FG München, Urteil vom 14.07.2004, 14 K 55/04, EFG 2004, 1722) bedarf es nach Auffassung des erkennenden Senats bezüglich der Zuordnungsentscheidung einer aktiven und nachvollziehbaren Erklärung des Unternehmers (vgl. Nds. FG, Urteil vom 12.05.2005, 16 K 537/04, DStRE 2006, 283, Revision eingelegt, Az. des BFH: V R 45/05). Danach stünde dem Kläger auch mangels rechtzeitiger Zuordnung der Vorsteuerabzug nicht zu.

18

cc)

Nach diesen Grundsätzen kann dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen die Vermietung eines Milchviehstalles an einen anderen Landwirt der Durchschnitts- oder Regelbesteuerung des Vermieters zuzurechen ist (vgl. anhängiges Revisionsverfahren beim BFH, V R 60/01). Denn selbst wenn man davon ausginge, dass die Vermietung eines Milchviehstalles durch einen landwirtschaftlichen Unternehmer an einen anderen landwirtschaftlichen Unternehmer der Regelbesteuerung unterläge, hätte der Kläger nicht anhand objektiver, für das Gericht nachvollziehbarer Indizien dargelegt, dass eine entsprechende Verwendungsabsicht bestand.

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Danach sind bis 30.06.1998 angefallene Vorsteuern aus der Errichtung des Milchviehstalls gem. § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG mit der Vorsteuerpauschale abgegolten. Ein weiterer Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist nicht möglich.

20

2.

Dem Kläger stehen jedoch anteilig weitere Vorsteuern gem. § 15 a Abs. 1 UStG (a.F.) in Höhe von 2.896,13 DM zu.

21

§ 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. besagt, dass wenn sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, seit dem Beginn der Verwendung ändern, für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzuges der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenen Vorsteuerbeträge vorzunehmen ist. Für Grundstücke einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile beträgt der Berichtigungszeitraum 10 Jahre (§ 15 a Abs. 1 Satz 2 UStG). Bei der Berichtigung ist für jedes Kalenderjahr der Änderung von 1/5 bzw. 1/10 der auf das Wirtschaftsgut entfallenen Vorsteuerbeträge auszugehen (§ 15 a Abs. 2 Satz 1 UStG).

22

Der Wechsel von der Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG ist eine Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BFH, Urteile vom 16.12.1993, V R 79/91, BFHE 173, 265, BStBl II 1994, 339 und 06.12.2001, V R 6/01, BFHE 197, 338, BStBl II 2002, 555). Seinem weiteren Wortlaut nach ist § 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. im Streitfall allerdings nicht erfüllt, soweit gefordert ist, dass das Wirtschaftsgut bereits vor dem Eintritt einer Änderung der Verhältnisse durch den Steuerpflichtigen im Sinne des Gebrauchs bzw. der tatsächlichen Nutzung für Zwecke des Unternehmens verwendet wurde. Denn zum Zeitpunkt der erstmaligen Nutzung des Milchviehstalls im Oktober 1998 war die "Änderung der Verhältnisse" bereits zum 01.07.1998 in Gestalt des Übergangs von der Durchschnitts- zur Regelbesteuerung eingetreten.

23

Die im Wortlaut eindeutige Regelung beruht ersichtlich auf der Auffassung, der ursprüngliche Vorsteuerabzug für den Leistungsbezug gem. § 15 UStG bestimme sich nach den Verhältnissen im Kalenderjahr der tatsächlichen erstmaligen Verwendung. Daran kann aufgrund der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 8. Juni 2000, Rs C-396/98 - Schloßstraße, UR 2000, 336) und der nachfolgenden BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteile vom 8. März 2001, V R 24/98, BFH/NV 2001, 876, BFHE 194, 522 und 22.02.2001, V R 77/96, BFH/NV 2001, 994, BFHE 194, 498) zur abschließenden Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug im Jahr des Leistungsbezuges anhand der Verhältnisse der dabei beabsichtigten Verwendung nicht festgehalten werden. Denn das bis zur Änderung der Rechtsprechung aufeinander abgestimmte System der §§ 15 und 15a UStG ist durch die neueren Erkenntnisse der Rechtslage durch den EuGH und den BFH derart verschoben worden, dass keine der Umsatzsteuersystematik und dem Neutralitätsgrundsatz entsprechenden Ergebnisse mehr zustande kommen. Soweit also der Bezugspunkt des Rechts auf Vorsteuerabzug vom BFH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung der 6. EG-Richtlinie angepasst wurde, hat wegen des korrespondierenden Bezugs aufeinander eine entsprechende Anpassung der Voraussetzungen der Berichtigungsvorschrift des § 15 a UStG a.F. zu erfolgen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies rechtstechnisch durch Analogie (vgl. FG Berlin, Urteil vom 11.07.2002, 7 B 7141/02, EFG 2002, 1338) zu erfolgen hat. Denn nach Art. 20 der 6. EG-Richtlinie ist die Vorsteuerberichtigung in allen Fällen geboten, in denen sich bei Investitionsgütern die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern (vgl. BFH, Beschluss vom 27.02.2003, V B 166/02, BFHE 201, 561, BFH/NV 2003, 874 ).

24

Eine der Änderung der Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug entsprechende richtlinienkonforme Auslegung des § 15 a Abs. 1 UStG a.F. ist dahingehend vorzunehmen, dass hinsichtlich der Änderung der Verwendungsverhältnisse nicht auf das Erstjahr der tatsächlichen Verwendung, sondern auf den konkreten Zeitpunkt des ursprünglichen Vorsteuerabzugs Bezug genommen wird, § 15 a UStG a.F. also folgende Lesart hätte: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren (bei Grundstücken innerhalb von zehn Jahren) die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist....". Ob eine solche Auslegung zulässig wäre, hatte der BFH in seiner Entscheidung vom 25.04.2002 (V R 58/00, BFHE 200, 434; BStBl II 2003, 435) ausdrücklich offen gelassen, in seinem Beschluss vom 27.02.2003 (a.a.O. ) aber wohl nicht ausgeschlossen.

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Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 15 a UStG. Zweck des § 15 a UStG ist es, den Abzug der Vorsteuerbeträge aus dem Bezug von Leistungen für das Unternehmen so auszugleichen, dass er den Verwendungsverhältnissen im Berichtigungszeitraum entspricht. Dabei ist als Sinn der Regelung zu berücksichtigen, dass der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll. Denn das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet insofern völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 27.09.2001, Rs C - 16/2000, Cibo Particifations Slg. 2001, I - 6663, UR 2001, 500, Rdn. 27, m.w.N.).

26

Durch die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung bzw. Anpassung des § 15 a UStG an die geänderte Rechtsprechung wird der Unternehmer ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung vollständig von der Vorsteuer der Eingangsumsätze entlastet. Dies entspricht ausdrücklich sowohl dem System der Mehrwertsteuer wie dem Neutralitätsgrundsatz. Der einzige Unterschied zum Sofortabzug besteht darin, dass keine sofortige Entlastung in voller Höhe, sondern eine zeitlich auf fünf bzw. zehn Jahre gestreckte Entlastung eintritt.

27

Darüber hinaus wäre die Vorsteuerberichtigung dem Grunde nach auch gem. § 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG n.F. (neu gefasst mit Wirkung vom 1. Januar 2002, vgl. Artikel 18 Nr. 9 Buchstabe a des Steueränderungsgesetzes - StÄndG - 2001 vom 20. Dezember 2001, BGBl. I, 3794) begründet, mit dem die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wurden. Die Änderung hat folgenden Wortlaut:

"Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von 5 Jahren" (bzw. 10 Jahren bei Grundstücken) "ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenen Vorsteuerbeträge vorzunehmen."

28

Dieser Gesetzesfassung hat der Gesetzgeber durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2645) Rückwirkung beigemessen. Danach ist § 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezuges aufgrund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit dem für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt. Die Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 8 UStG 1999 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2003 enthält nach Auffassung des BFH keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung (vgl. BFH, Urteil vom 07.07.2005 V R 32/04, BStBl II 2005, 507).

29

Zwar liegen auch nach § 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung insofern nicht vor, dass sich die maßgebenden Verhältnisse nicht ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung im Oktober 1998, sondern bereits davor, beim Übergang von der Durchschnitts- zur Regelbesteuerung am 01.07.1998 geändert haben. Die Regelung ist jedoch ebenfalls richtlinienkonform entsprechend der oben genannten Begründung auszulegen, wonach nach Artikel 20 der 6. EG-Richtlinie die Vorsteuerberichtigung in all den Fällen geboten ist, in denen sich bei Investitionsgütern die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern (vgl. BFH, Beschluss vom 27. Februar 2003, a.a.O.; Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 a UStG, Rdn. 27, 86 ff.). Insofern kann es nur darauf ankommen, dass der vor Ablauf des nach § 15 a Abs. 1 - 3 UStG maßgeblichen Berichtigungszeitraumes mit dem verwendungsfähigen Wirtschaftsgut getätigte Umsatz anders zu beurteilen ist, als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendungsabsicht (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 16.02.2006, 16 K 532/03, EFG 2007, 152 , Revision eingelegt BFH, Az.: V R 22/06).

30

Die gemäß § 15 a UStG zu berücksichtigenden Vorsteuern berechnen sich wie folgt:

Anschaffung/ FertigstellungErstmalige VerwendungVorsteuerBerichtigung§ 15 a 1998/DM
Gebäude01.10.199801.10.199853.527,103/1201.338,18
Betriebsvorrichtungen01.10.199801.10.199822.452,413/1201.122,62
Güllefass20.08.199701.10.19983.456,523/60172,83
Futtermischwagen09.09.199701.10.19985.250,003/60262,50
Summe:2.896,13
31

Die Steuer war daher wie folgt herabzusetzen:

32

Umsatzsteuer 1998 lt Bescheid vom 01.08.2002 ./. 6.775,00 DM

33

Weitere Vorsteuern gem. § 15 a UStG a.F. 2.896,13 DM

34

Umsatzsteuer 1998 ./. 9.671,13 DM

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 710 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

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Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.