Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2007, Az.: 5 K 163/04

Umsatzsteuerfreie Verwertung von Grundstücken i.R.d. Zwangsversteigerungsverfahrens als Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse; Einstufung eines Vorsteuerrückforderungsanspruchs als Masseverbindlichkeit

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.02.2007
Aktenzeichen
5 K 163/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 55993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2007:0214.5K163.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 15.02.2008 - AZ: XI B 179/07

Die umsatzsteuerfreie Verwertung der Grundstücke im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens (Zuschlagserteilung) stellt eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse dar (§ 15 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG

Tatbestand

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Streitig ist, ob ein Vorsteuerrückforderungsanspruch nach § 15 a UStG als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren ist.

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Über das Vermögen der Frau R. (nachfolgend: Schuldnerin) wurde mit Beschluss vom 26.10.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Treuhänder bestellt.

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Die gewerblich vermieteten Objekte der Schuldnerin in X-Stadt bzw. Y-Stadt wurden am 29.09.2002 bzw. am 04.10.2002 auf Betreiben der Grundpfandgläubigerin zwangsversteigert. Die Vorgänge wurden als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt. Für beide Objekte wurde in den Jahren 1996 bzw. 1997 ein voller Vorsteuerabzug gewährt. In der streitbefangenen Umsatzsteuerfestsetzung für 2002 hat der Beklagte die Vorsteuer gem. § 15 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG in Höhe von 20.264,-- EUR bzw. 73.280,-- EUR berichtigt und gegen den Kläger festgesetzt.

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Hiergegen wendet sich dieser nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Er trägt vor, der Rückforderungsanspruch nach § 15 a UStG stelle keine Masseverbindlichkeit dar, weil sich die Verwertung der Grundstücke im Rahmen der Zwangsversteigerung und damit außerhalb des Insolvenzverfahrens vollzogen habe.

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Die Umsatzsteuernachforderung könne ihn (Kläger) schon deshalb nicht treffen, weil er in seiner Eigenschaft als Treuhänder gem. § 313 Abs. 3 InsO hinsichtlich der Grundstücke nicht verfügungs- und verwertungsberechtigt sei. Er könne deshalb auch nicht als Veräußerer angesehen werden. Selbst wenn der Zuschlag im Rahmen der Zwangsversteigerung unter bestimmten Voraussetzungen eine gegen den Insolvenzverwalter zu richtende Umsatzsteuerforderung auszulösen vermag, könne dies nicht gegenüber dem Treuhänder mit entsprechend eingeschränkten Befugnissen im Verbraucherinsolvenzverfahren gelten.

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Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 19.06.2003 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 12.03.2003 aufzuheben

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, dass der Kläger als Treuhänder trotz der Einschränkung nach § 313 Abs. 3 InsO als Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 3 AO mit allen sich aus dieser Rechtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten anzusehen sei.

9

Unter Bezugnahme auf das Urteil des FG München vom 15. April 1999 (14 K 5297/97, EFG 1999, 863) sei zu unterscheiden zwischen dem Vorsteuerberichtigungsanspruch gem. § 15 a Abs. 1 UStG wegen umsatzsteuerfreier Vermietung (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) während der Dauer der Zwangsverwaltung und dem Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15 a Abs. 4 UStG wegen steuerfreier Veräußerung der Grundstücke. Während sich der zuerst genannte Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15 a Abs. 1 UStG gegen den Zwangsverwalter richte, sei der - hier geltend gemachte - Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15 Abs. 4 UStG wegen (steuerfreier) Veräußerung von Grundstücken gegen den bisherigen Eigentümer (hier: den Kläger und Treuhänder) geltend zu machen.

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Beide Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter und den Verzicht auf mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Die Berichtigung der Vorsteuer ist zu Recht erfolgt. Die umsatzsteuerfreie Verwertung der Grundstücke im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens (Zuschlagserteilung) stellt eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse dar (§ 15 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG).

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Der Vorsteuerberichtigungsanspruch ist eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Nach dieser Vorschrift sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden.

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Entgegen der Auffassung des Klägers kann diese Vorschrift nicht dahin verstanden werden, dass die von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfassten Verbindlichkeiten nur durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet werden können. Sie können vielmehr auch "in anderer Weise" begründet werden. Bereits zu § 58 Nr. 2 der Konkursordnung (KO) ist der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Massekosten für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse nicht nur solche Ausgaben sind, die durch die Amtstätigkeit des Konkursverwalters ausgelöst werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 07. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848 unter II 2 a; vom 24. Juni 1992 V R 130/89, BFH/NV 1993, 201; vom 7. November 1995 VII R 26/95, BFH/NV 1996, 379, unter 5; und vom 16. August 2001 V R 59/99, BStBl II 2003, 208, unter 3. c).

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Zu den Masseverbindlichkeiten gehört deshalb auch die Umsatzsteuer, die dadurch entsteht, dass ein absonderungsberechtigte Grundschuldgläubiger - wie vorliegend - die zur Insolvenzmasse gehörende Grundstücke versteigern lässt.

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Die versteigerten Grundstücke einschließlich der Zubehörstücke gehörten zur Insolvenzmasse. Nach § 35 InsO umfasst das Insolvenzverfahren das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners, welches ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört. Das Absonderungsrecht der Grundschuldgläubiger hindert die Zugehörigkeit der Grundstücke zur Insolvenzmasse nicht (BFH-Urteil vom 24. Juni 1992 V R 130/89, BFH/NV 1993, 201 zum Konkursverfahren). Entsprechendes gilt für Einschränkung der Rechte eines Treuhänders nach § 313 Abs. 3 InsO. Auch dadurch bleibt die Insolvenzmasse unberührt.

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Unerheblich ist, ob der Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger das Grundstück verwertet. Deshalb kommt es z.B. auch in den Fällen der sog. echten Freigabe zur Belastung der Insolvenzmasse mit der Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit. Entscheidend ist allein, dass mit der vorsteuerabzugsschädlichen Verwertung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücks der Tatbestand des § 15 a Abs. 4 UStG verwirklicht worden ist.

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Bei der vom Kläger vertretenen Auffassung wäre der Fiskus im Falle der Verbraucherinsolvenz schlechter gestellt als im Fall der Konkurses oder der Regelinsolvenz. Eine solche Schlechterstellung war mit der Regelung des § 313 Abs. 3 InsO sicherlich nicht intendiert.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.