Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.03.2010, Az.: 10 K 259/08
Anspruch auf Freistellung der Einkünfte aus der Veräußerung einer Wohnung in Spanien von der Besteuerung; Annahme der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Falle der unentgeltlichen Überlassung der Wohnung an Dritte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2010
- Aktenzeichen
- 10 K 259/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 14016
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:0304.10K259.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG
- Art. 13 DBA-Spanien
- Art. 23 Abs. 1 DBA-Spanien
Fundstellen
- DStRE 2010, 1241-1242
- EFG 2010, 1133-1135
- EStB 2010, 462
- IWB 2010, 706
- KÖSDI 2010, 17231-17232
- VP 2010, 189
Tenor:
Revision zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Veräußerungsgewinn aus einer in Spanien gelegenen Eigentumswohnung der deutschen Besteuerung im Anrechnungsverfahren unterliegt.
Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erwarb im Jahr 2004 eine Eigentumswohnung in Spanien. Die Anschaffungskosten betrugen rund 422.000 EUR. Die Eigentumswohnung wurde von den Klägern mehrmals im Jahr selbst genutzt und stand in der übrigen Zeit zu ihrer Verfügung. Sie wurde nicht vermietet. Lediglich der erwachsene Sohn der Kläger nutzte diese Wohnung ab und zu unentgeltlich. In 2006 veräußerte die Klägerin diese Wohnung zu einem Preis von 500.000 EUR. Nach Abzug der Veräußerungskosten verblieb ein Veräußerungsgewinn i.H.v. 56.943 EUR. Anlässlich der Veräußerung der Eigentumswohnung entrichteten die Kläger in Spanien eine der deutschen Einkommensteuer entsprechende Steuer von 25.000 EUR (5% des Veräußerungspreises).
Bereits im Jahr 2004 hatten die Kläger gemeinsam eine in 1999 angeschaffte Wohnung in Spanien veräußert und dabei einen Veräußerungsgewinn i.H.v. rund 85.000 EUR erzielt. Im Jahr 2007 erzielte die Klägerin aus dem Verkauf einer in 2006 angeschafften Eigentumswohnung in Spanien einen Veräußerungsgewinn i.H.v. rund 640.000 EUR und im Jahr 2009 erzielten die Kläger gemeinsam aus einer in 2008 angeschafften Immobilie einen Veräußerungsgewinn i.H.v. rund 690.000 EUR.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2006 gaben die Kläger den Gewinn aus der Veräußerung der Eigentumswohnung in Spanien nicht an. Im Rahmen einer im Anschluss an die Veranlagung durchgeführten Außenprüfung offenbarten die Kläger den vorgenannten Sachverhalt. Sie gaben an, dass sie aufgrund der zeitweisen Selbstnutzung davon ausgingen, dass die Veräußerung der Wohnung nach§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führe.
Dieser Auffassung schloss sich der Beklagte (das Finanzamt - FA -) nicht an. Vielmehr erließ es einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006, in dem der Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG angesetzt wurde. Die in Spanien entrichtete Steuer von 25.000 EUR wurde im Rahmen der Höchstbeträge gem.§ 34 c Abs. 1 EStG i.H.v. 22.036 EUR angerechnet.
Gegen diesen Änderungsbescheid wenden sich die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie sind der Ansicht, die Einkünfte aus der Wohnungsveräußerung seien in Deutschland freizustellen, da das Besteuerungsrecht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien (DBA-Spanien) bei Spanien liege. Insoweit habe nach Art. 23 DBA-Spanien eine Freistellung mit Progressionsvorbehalt in Deutschland zu erfolgen. Ihre Ansicht, dass die Veräußerung aufgrund der Selbstnutzung der Wohnung im Inland nicht steuerbar sei, haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgegeben und ihren Klageantrag insoweit eingeschränkt.
Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten Steuerbescheid. Die Änderung basiert auf hier nicht streitigen Umständen.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid über Einkommensteuer für 2006 vom 28. Januar 2010 dahingehend zu ändern, dass die Steuer um 804 EUR herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Der Veräußerungsgewinn sei in Deutschland steuerpflichtig. Eine Freistellung der Einkünfte aus der Veräußerung der Wohnung in Spanien komme nicht in Betracht, da Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b Buchstabe (ee) DBA-Spanien für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen oder diesem Vermögen selbst lediglich die Anrechnung vorsehe, sofern dieses Vermögen nicht zu einer in Spanien gelegenen Betriebsstätte gehöre. Insoweit falle unter der Bezeichnung der Einkünfte aus dem Vermögen selbst auch die Veräußerung des Vermögens.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA hat die Einkünfte aus der Veräußerung der Wohnung in Spanien zu Unrecht nicht von der Besteuerung freigestellt.
1.
Die Veräußerung der in Spanien gelegenen Wohnung ist als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Deutschland steuerpflichtig, da zwischen der Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre lagen.
Eine der Besteuerung entgegen stehende ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt nicht vor. Insoweit ist die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne dieser Norm so zu verstehen wie in § 10 e EStG und in § 4 des Eigenheimzulagegesetzes (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 2006 IX R 18/03, BFH/NV 2006, 936). Danach dient eine Wohnung eigenen Wohnzwecken, wenn sie vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2002 IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284 [BFH 28.05.2002 - IX B 208/01]). In dem erstgenannten Urteil hat es der BFH ausdrücklich offen gelassen, ob es dem Zweck des§ 23 EStG widerspräche, wenn die Veräußerung einer vom Steuerpflichtigen nur zeitweise, auch kurzfristig eigen genutzten Zweitwohnung freigestellt würde.
Die Verwaltung nimmt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken jedenfalls dann nicht mehr an, wenn die Wohnung (teilweise) unentgeltlich an Dritte überlassen wird. Dritte in diesem Sinne sind auch Kinder, sofern für diese kein Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag mehr besteht. Dieser Ansicht hat sich die Kommentarliteratur weitgehend angeschlossen (vgl. Kube in Kirchhoff, EStG Kompakt Kommentar, § 23, Rdn. 6; Jakobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, § 23, Rdn. 37; Hensel in Lademann, Kommentar zum EStG, § 23 Rdn. 94a; Lindberg in Frotscher, EStG-Kommentar, § 23 Rdn. 38 ff.; Wernsmann in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 23 Rdn. B 43 ff., B 50; Glenk in Blümich, EStG, § 23 Rdn. 49 ff.; weitergehend Weber-Grellet in Schmidt, Kommentar zum EStG, § 23 Rdz. 18).
Der Senat folgt dieser Auffassung. Danach führt die teilweise unentgeltliche Überlassung der Wohnung an den volljährigen und nicht mehr zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Sohn bereits dazu, dass keine Selbstnutzung i.S.d. Vorschrift vorliegt. Dieser Ansicht haben sich auch die Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung angeschlossen.
Demgegenüber kann der Senat offenlassen, ob die Veräußerung der Wohnung im Zusammenhang mit den anderen von den Klägern erworbenen und veräußerten Objekten in Spanien zu einem gewerblichen Grundstückshandel führt, da diese anderweitige Qualifizierung der Einkünfte keinen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage hätte.
2.
Der Gewinn aus der Veräußerung der Wohnung ist gem. Art. 13 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 DBA-Spanien in der Bundesrepublik Deutschland von der Besteuerung auszunehmen.
a)
Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Spanien können Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S.d.Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt. Bei der von der Klägerin veräußerten Ferienwohnung handelt es sich unstreitig um unbewegliches Vermögen i.S.d. Art. 6 Abs. 2 DBA-Spanien. Nach dem Vertrag sind auch keine beweglichen Wirtschaftsgüter (Möbel) mit veräußert worden, so dass der Veräußerungsgewinn ausschließlich auf die Immobilie entfällt. DaArt. 13 DBA-Spanien lex spezialis zu Art. 6 (Einkünfte aus der Nutzung von unbeweglichem Vermögen) und Art. 7 (unternehmerische Gewinne) des DBA ist, (vgl. hierzu Wassermeyer in Wassermeyer/Debatin, Kommentar zu Doppelbesteuerungsabkommen, zu Art. 13 des Musterabkommens, der insoweit inhaltsgleich mit dem DBA-Spanien ist; siehe insbesondere Art. 13 Rdz. 1 und 7; Suchanek, EStR 2007, 654, 657 m.w.N.) kommt es für die Frage des Besteuerungsrechts und der sich daraus ergebenden Konsequenzen auf die Zuordnung nach deutschem Recht (gewerblicher Grundstückshandel oder Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG) auch hier nicht an.
Weiterhin ist es für die Anwendung von Art. 13 DBA-Spanien unschädlich, dass aus der veräußerten Wohnung zuvor keine Einkünfte i.S.d.Art. 6 DBA-Spanien erzielt wurden (Wassermeyer in Wassermeyer/Debatin, a.a.O., Art. 13 MA, Rdn. 42).
b)
Die Einkünfte aus der Veräußerung der spanischen Wohnung sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Spanien auszunehmen (Freistellung). Da das Besteuerungsrecht für den Veräußerungsgewinn bei Spanien liegt, richtet sich die Besteuerung in Deutschland nach Art. 23 DBA-Spanien. Nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Spanien hat die Bundesrepublik Deutschland die Einkünfte aus Quellen innerhalb Spaniens, für die Spanien das Besteuerungsrecht hat, grundsätzlich freizustellen. Ausnahmen hierfür gelten nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b nur für die dort enumerativ aufgezählten Einkünfte und Vermögen.
Der Freistellung dieses Gewinns steht die Regelung in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b (ee) DBA-Spanien nicht entgegen; denn diese Vorschrift ist auf Veräußerungsgewinne i.S.d.Art. 13 DBA-Spanien nicht anwendbar.
Nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b (ee) DBA-Spanien findet die Anrechnungsmethode nur Anwendung auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen oder auf das Vermögen selbst, sofern es nicht tatsächlich zu einer in Spanien gelegenen Betriebsstätte gehört.
Die Wohnung stellt keine Betriebsstätte i.S. von Art. 5 Abs. 1 DBA-Spanien dar, da es sich nicht um eine feste Geschäftseinrichtung handelt, in der eine Tätigkeit des Unternehmens der Klägerin ganz oder teilweise ausgeübt würde. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Soweit das FA davon ausgeht, dass die Formulierung des Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b (ee) DBA-Spanien "Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen oder diesem Vermögen selbst" auch Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens umfasse, folgt der erkennende Senat dem nicht. Vielmehr erstreckt sich die genannte Formulierung unter Einbeziehung des Einleitungssatzes ("auf die deutsche Steuer von den nachstehenden aus Spanien stammenden Einkünften oder von dem in Spanien gelegenen Vermögen wird die spanische Steuer angerechnet") nur auf Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen i.S.d.Art. 6 DBA-Spanien und auf Steuer, die auf in Spanien gelegenes unbewegliches Vermögen i.S.d. Art. 22 DBA-Spanien entfällt (vgl. Herlinghaus in Wassermeyer/Debatin, Kommentar zum DBA-Spanien, Art. 23, Rdn. 25; Suchanek, EStR 2007, 654, 657, FG Münster, Urteil vom 16. Februar 2009, 9 K 463/04 K, F, EFG 2009, 1222 m.w.N.). Dementsprechend sind die Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens i.S.d.Art. 13 DBA-Spanien nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Spanien freizustellen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Insoweit war zu berücksichtigen, dass die Kläger ihr Klagebegehren erst in der mündlichen Verhandlung eingeschränkt haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung in entsprechender Anwendung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage, ob die Freistellungsmethode auch auf Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen in Spanien gelegenen Vermögens anzuwenden ist, hat grundsätzliche Bedeutung. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt.