Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.03.2010, Az.: 15 K 14414/09

Beachtlichkeit der Ländergruppeneinteilung für die Kürzung der abzugsfähigen Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 S. 5 Einkommensteuergesetz (EStG); Vergleich der Lebensverhältnisse der Hauptstadt bzw. ausgesuchter Großstädte des Heimatlandes mit denen von Berlin i.R.d. Beurteilung der Kürzung der abzugsfähigen Unterhaltsleistungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.03.2010
Aktenzeichen
15 K 14414/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 23208
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:0316.15K14414.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 25.11.2010 - AZ: VI R 29/10

Amtlicher Leitsatz

Einkommensteuer 2007, 2008

Die Ländergruppeneinteilung gemäß den BMF-Schreiben vom 11. November 2003, vom 9. Februar 2005 und vom 9. September 2008 (BStBl. I 2003, 637, 2005, 369 und 2008, 936) ist für die Kürzung der abzugsfähigen Unterhaltsleistungen nach § 33 a Abs. 1 Satz 5 EStG grundsätzlich zu beachten. Ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis kann nicht mit einem Vergleich der Lebensverhältnisse der Hauptstadt bzw. ausgesuchter Großstädte des Heimatlandes mit denen von Berlin begründet werden.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, inwieweit Unterhaltsleistungen an die Mutter der Klägerin, die im Streitjahren 2007 und 2008 in St. Petersburg in der Russischen Föderation lebte, als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 und 5 Einkommensteuergesetz (EStG) bei der Einkommensteuerfestsetzung steuermindernd zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2007 zur Einkommensteuer zusammen, im Streitjahr 2008 getrennt veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren in erster Linie als Angestellter bzw. Professor des Landes Nordrhein-Westfalen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Klägerin war in diesen Jahren ebenfalls unselbständig beschäftigt.

3

In ihren Einkommensteuererklärungen 2007 und 2008 machten die Kläger u.a. Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen als außergewöhnliche Belastungen geltend. Gezahlt wurde an V, die Mutter der Klägerin. Diese hatte ihren Wohnsitz in der Russischen Föderation, St. Petersburg, A-Straße. Sie bezog im Streitjahr eine Rente in Höhe von insgesamt umgerechnet 1.096 EUR bzw. 1.424,22 EUR. Als Unterhaltszahlungen machten die Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2007 insgesamt 6.201,03 EUR geltend, die Unterhaltszahlungen in 2008 beliefen sich auf 4.982,39 EUR.

4

Das damals zuständige Finanzamt G führte die Einkommensteuerveranlagung 2007 durch und berücksichtigte die geltend gemachten Unterhaltszahlungen nicht, weil keine ausreichenden Unterlagen vorgelegt worden waren. Der Einkommensteuerbescheid vom 20. August 2008 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach dem Wechsel der Zuständigkeit kannte der Beklagte bei der Veranlagung für die Klägerin die geltend gemachten Unterstützungszahlungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen an, kürzte den Höchstbetrag nach § 33 a Abs. 1 Sätze 1 und 5 EStG aber auf die Hälfte.

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Gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 erhoben die Kläger Einspruch. Die erforderlichen Unterlagen würden nunmehr eingereicht. Im Übrigen verwiesen die Kläger zur Begründung auf ein Parallelverfahren zur Einkommensteuer 2006. Dort hatten sie vorgetragen, dass entgegen der mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums - BMF - vom 17. November 2003 IV C 4 -S2285 - 54/03 (BStBl. I S. 637) angeordneten Kürzung der im Rahmen des § 33 a Abs. 1 EStG anzuerkennenden Unterhaltsleistungen an bedürftige Personen auf 1/4 diese in voller Höhe zu berücksichtigen seien. Die Festlegung der Quote datiere aus dem Jahr 2003. Zwischenzeitlich seien die Lebenshaltungskosten in der Russischen Föderation und insbesondere in St. Petersburg erheblich angestiegen. Als Nachweis hatten die Kläger dort eine Zusammenstellung verschiedener Lebenskostenindices übersandt, die von der Schweizerischen Eidgenossenschaft erstellt worden war ( www.swissemigration.ch ). Der Index "EDA" wies danach im Verhältnis zur Schweiz für die Russische Föderation einen Wert von 111.7 aus, während der Wert für die Bundesrepublik Deutschland bei 87.1 lag. Sie beantragten, das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsbehelf zur Einkommensteuer 2006 offen zu halten.

6

Auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 wurde von der Klägerin ein Einspruch eingelegt, wobei sie zur Begründung wiederum auf das Einspruchsverfahren zur Einkommensteuer 2006 hinwies.

7

Nachdem der Beklagte die eingereichten Unterlagen zur Einkommensteuer 2007 geprüft hatte, erließ er am 19. November 2009 einen Teilabhilfebescheid, in dem die Unterhaltsleistungen mit 1.270 EUR berücksichtigt wurden. Im Übrigen wurden die Einsprüche zurückgewiesen. In den beiden Einspruchsbescheiden vom 25. November 2009 führte der Beklagte aus, er sei an das BMF-Schreiben vom 17. November 2003 gebunden. Anzuerkennen seien daher für 2007 1.920 EUR abzüglich der eigenen Einkünfte und Bezüge der Mutter der Klägerin, somit ein Betrag in Höhe von 1.270 EUR. Für 2008 ergäben sich unter Beachtung der Kürzung des Höchstbetrages nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf 1/2 und der Gegenrechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge der Mutter außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.010 EUR.

8

Mit ihren Klagen verfolgen die Kläger bzw. die Klägerin ihr Begehren weiter. Zwar sei die im fraglichen BMF-Schreiben nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - ein im Regelfall zu beachtender Maßstab. Dies gelte aber nicht, wenn dieser Maßstab im Einzelfall zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe.

9

Ein solcher Ausnahmefall liege hier vor. Zum Einen sei die Quote bereits im Jahr 2003 festgelegt worden und zwischenzeitlich mit Wirkung für das Jahr 2008 auf 1/2 erhöht worden, sodass davon auszugehen sei, dass die Festlegung im Streitjahr bereits überholt gewesen sei. Zum Zweiten seien die Lebenshaltungskosten in Deutschland und in der Russischen Föderation annähernd gleich hoch. Aus der bereits während des Einspruchsverfahrens vorgelegten Zusammenstellung der Schweizerischen Eidgenossenschaft ergebe sich, dass der UBS-Wert 2006 für die Russische Föderation im Vergleich zur Schweiz bei 61,1 läge, während für Deutschland ein Wert von 76,6 festgestellt worden sei. Mit diesem Index würden die Lebenshaltungskosten eines urbanen Lebensstils einer Familie mit westeuropäischem Konsumverhalten abgebildet. Der EDA-Wert für dieses Jahr betrage für die Russische Föderation sogar 111,7 und sei damit gegenüber dem Wert für Deutschland in Höhe von 87,1 sogar signifikant höher. Mit diesem Wert würde der repräsentative Lebensstil in der Hauptstadt eines Landes mit vielen Reisen und einem hohen Anteil von Markenprodukten aus der Schweiz bzw. Westeuropa abgebildet. Bei der Würdigung sei zu berücksichtigen, dass die Mutter der Klägerin in St. Petersburg und damit in einer Großstadt lebe, in der die Lebenshaltungskosten für russische Verhältnisse relativ hoch seien. Insbesondere vor dem Hintergrund der Größe der Russischen Föderation und der Vielschichtigkeit der Lebensstile führe die in der Ländergruppeneinteilung vorgenommene Verallgemeinerung zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen.

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Ergänzend weisen die Kläger auf die durch das Statistische Bundesamt ermittelten Verbrauchergeldparitäten, Devisenkurse und Preisniveaus für Dezember 2006, Dezember 2007 und Dezember 2008 hin. Danach habe das Preisniveau in der Russischen Föderation im Jahr 2006 prozentual etwas über dem in Deutschland gelegen, in den beiden Folgejahren sei es geringfügig unter das in Deutschland gesunken. Ein ähnliches Bild zeige sich bei einem Vergleich der Kaufkraft des Euro in der Russischen Föderation. Auch sei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass Ausgleichzuschläge gemäß der Zusammenstellung der Sätze des Kaufkraftausgleichs, der Stufen des Auslandszuschlags und der Zuschläge nach § 55 Abs. 7 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz durch das Auswärtige Amt seit März 2004 nicht mehr gewährt würden.

11

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 19. November 2009 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 25. November 2009 zu ändern und die festgesetzte Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 a Abs. 1 EStG in Höhe von 4.931 EUR herabzusetzen.

12

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 9. Juli 2009 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 25. November 2009 zu ändern und die festgesetzte Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer außergewöhnlicher Belastungen nach § 33 a Abs. 1 EStG in Höhe von 1.883 EUR herabzusetzen.

13

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

14

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.

15

Auf Nachfrage des Gerichts hat sich das BMF mit Schreiben vom 17. Februar 2010 IV C 4 - S 2285/07/0005 zu den Hintergründen der Umstellung des Maßstabs des Durchschnittslohns auf das Pro-Kopf-Einkommen ab 2004, dem für die Ländereinteilung jeweils maßgebenden Datenmaterial der Weltbank und der Einordnung der Russischen Föderation in die Ländergruppeneinteilung ab 1. Januar 2004 bzw. 1. Januar 2008 geäußert. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben (Bl. 58 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.

16

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 28. Dezember 2009 bzw. 4. Februar 2010 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

17

Die Klagen sind unbegründet.

18

Der Einkommensteuerbescheide 2007 und 2008 vom 19. November 2009 bzw. 9. Juli 2009 und die Einspruchsbescheide vom 25. November 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger bzw. die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die gezahlten Unterhaltsleistungen für die Mutter zu recht unter Anwendung der Ländergruppeneinteilung nach dem BMF-Schreiben vom 17. November 2003 (BStBl. I 637) in der Fassung der BMF-Schreiben vom 9. Februar 2005 (BStBl. I 369) bzw. für 2008 vom 9. September 2008 (BStBl. I 936) gemäß § 33 a Abs. 1 Satz 5 EStG gekürzt.

19

Rechtsgrundlage für den Abzug der als Unterhaltszahlungen geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen ist § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Klägerin war gegenüber ihrer Mutter am Maßstab des inländischen Rechts zum Unterhalt verpflichtet i.S.d. § 33 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 5 2. Halbs. EStG. Ihre Unterhaltspflicht folgt aus § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da sie und ihre Mutter Verwandte in gerader Linie sind (§ 1589 Sätze 1 und 3 BGB). Die weiteren Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs nach den §§ 1602, 1603 und 1606 BGB spielen für die Prüfung der gesetzlichen Unterhaltsberechtigung i.S.d. § 33 a Abs. 1 EStG keine Rolle. Insoweit gehen dessen typisierende Bestimmungen vor (BFH, Urteil vom 18. Mai 2006 III R 26/05, BStBl. II 2007, 108).

20

Der Abzug scheitert nicht an den Voraussetzungen, die sich aus § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG ergeben. Weder die Klägerin oder eine andere Person hatten Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld für die unterhaltene Mutter. Die unterhaltene Mutter hatte - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch kein nennenswertes Vermögen.

21

Bei der Berechnung der als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Unterhaltsleistungen der Klägerin an ihre Mutter in Höhe von unstreitig 6.202 EUR bzw. 4.983 EUR ist aber § 33 a Abs. 1 Satz 5 1. Halbs. EStG zu beachten. Sind nämlich die unterhaltenen Personen - wie hier die Mutter der Klägerin - nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Personen notwendig und angemessen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 22. Februar 2006 I R 60/05, BStBl. II 2007, 106 = [...] Rdnr. 27), der sich der Senat anschließt, bietet die sogenannte Ländergruppeneinteilung (vgl. für das Streitjahr 2007 BMF-Schreiben vom 11. November 2003, BStBl. I 637 in der Fassung des BMF-Schreibens vom 9. Februar 2005, BStBl. I 369 und für das Streitjahr 2008 BMF-Schreiben vom 9. September 2008, BStBl. I 936) einen auch von den Finanzgerichten grundsätzlich zu beachtenden Maßstab. Danach ist für in der Russischen Föderation ansässige Unterhaltsempfänger der Abzugsbetrag für 2007 auf 1/4 und für 2008 auf 1/2 des nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbaren Höchstbetrages, somit für 2007 auf 1.920 EUR (Gruppe 4 der Ländergruppeneinteilung) und für 2008 auf 3.840 EUR zu beschränken (Gruppe 3 der Ländergruppeneinteilung). Unter Anrechnung der Renteneinnahmen der Mutter als eigene Einkünfte und Bezüge nach § 33 a Abs. 1 Sätze 4 und 5 EStG (vgl. FG Köln, Urteil vom 20. Mai 2008 6 K 1156/07, EFG 2009, 1565) ergeben sich danach außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.270 EUR bzw. 3.010 EUR.

22

Gegen die Regelung des § 33 a Abs. 1 Satz 5 1. Halbs. EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch die Berechnungsmethoden des BMF, die zur Einteilung der verschiedenen Länder nach den BMF-Schreiben vom 17. November 2003, vom 9. Februar 2005 und vom 9. September 2008 geführt haben, sind verfassungsrechtlich unbedenklich. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen in den Urteilen des BFH vom 5. Juni 2003 III R 10/02, BStBl. II 2003, 714, 715 und vom 22. Februar 2006 I R 60/05, BStBl. II 2007, 106 = [...] Rdnr. 29, die er sich zueigen macht. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 = [...] Rdnr. 47 ff. ausgeführt, dass die Kürzung der als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähigen Unterhaltsleistungen an im Ausland lebende Angehörige am Maßstab eines Vergleichs der Durchschnittslöhne für Industriearbeiter nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, wenn auch die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten oder - noch genauer - das Existenzminimum den zuverlässigsten und gerechtesten Maßstab darstellen würden. Diese Rechtsprechung muss erst recht nach Einführung des § 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG (heutiger § 33 a Abs. 1 Satz 5 EStG) durch das Steueränderungsgesetz 1979 vom 30. November 1978 (BGBl. I S. 1978) gelten (vgl. dazu BFH, Urteil vom 30. Juli 1982 VI R 257/80, BStBl. II 1982, 779, 781). Dass die Einteilung der Russischen Föderation in die Gruppe 4 bzw. ab 2008 in die Gruppe 3 der Ländergruppeneinteilung unzutreffend sei, haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt. Der Senat ist im Gegenteil unter Würdigung der Ausführungen im BMF-Schreiben vom 17. Februar 2010 (Bl. 53 ff. der Gerichtsakte) davon überzeugt, dass die Einordnungen korrekt erfolgt sind.

23

Entgegen der Auffassung der Kläger führt die Kürzung des Abzugsbetrags in § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG auf 1/4 bzw. 1/2 auch nicht im Fall der Unterstützung der Mutter der Klägerin zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Der BFH hat allerdings in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Ländergruppeneinteilung durch das BMF für die Finanzgerichte nur dann bindend ist, wenn sie im Einzelfall nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (Urteile vom 30. Juli 1982 VI R 257/80, BStBl. II 1982, 779, 781; vom 6. November 1987 III R 164/85, BStBl. II 1988, 423; vom 22. April 1994 III R 22/92, BStBl. II 1994, 887, 890; vom 5. Juni 2003 III R 10/02, BStBl. II 714, 715; vom 22. Februar 2006 I R 60/05, BStBl. II 2007, 106). Ein solcher Einzelfall ist aber von den Klägern nicht vorgetragen worden und auch nach Aktenlage nicht erkennbar.

24

Mit der Ländergruppeneinteilung durch die Finanzverwaltung wird der Regelungsgehalt des § 33 a Abs. 1 Satz 5 EStG im Wege der Schätzung nach § 162 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) konkretisiert. Schätzungen müssen nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände berücksichtigen, die von Bedeutung sind. Die von den Klägern vorgetragenen Umstände der annähernd gleich hohen Lebenshaltungskosten der unterstützten Mutter in St. Petersburg im Vergleich mit den Kosten in Deutschland und der annähernd gleich hohen Kostenindices bei bestimmten Bevölkerungskreisen in der Russischen Föderation sind bei der Schätzung durch den BMF zurecht nicht berücksichtigt worden und rechtfertigen auch keine Abweichung im Einzelfall wegen eines offensichtlich unzutreffenden Ergebnisses.

25

Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 33 a Abs. 1 Satz 5 EStG ist bei der Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Unterhaltsleistungen auf die Verhältnisse des Wohnsitz staates abzustellen. Das Gesetz enthält demzufolge eine typisierende Regelung bezogen auf die Verhältnisse des Landes, in dem die unterstützte Person ihren Wohnsitz hat und verbietet deshalb, bei der Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit auf die konkreten Lebensverhältnisse der unterstützten Person oder einzelner Personenkreise innerhalb der Gesamtbevölkerung abzustellen. Diese Typisierung ist verfassungsrechtlich zulässig. Ebenso wenig wie der Gesetzgeber verpflichtet ist, bei Unterhaltszahlungen an Personen mit Wohnsitz im Inland den individuellen Besonderheiten der Unterhaltsempfänger Rechnung zu tragen, muss er den abziehbaren Höchstbetrag nach den individuellen Lebenshaltungskosten des Wohnorts des Empfängers bemessen oder sonstige konkrete Lebensumstände der unterstützten Personen berücksichtigen (BFH, Urteile vom 30. Mai 2001 III R 10/02, BStBl. II 2003, 714, 715; vom 22. Februar 2006 I R 60/05, BStBl. II 2007, 106 = [...] Rdnr. 32; BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 = [...] Rdnr. 48). Indem das BMF bei der Ländergruppeneinteilung ebenfalls auf die Lebensverhältnisse der Gesamtbevölkerung abstellt und nur statt der durchschnittlichen Lebenshaltungskosten in den einzelnen Ländern auf deren Pro-Kopf-Einkommen als wirklichkeitsferneren Maßstab abstellt, setzt es diese gesetzgeberische Anordnung im Rahmen der Schätzung konsequent um. Unter Hinweis auf die Lebenshaltungskosten bestimmter Bevölkerungskreise kann daher eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung nicht gestützt werden, weil diese Umstände nach dem Wortlaut des Gesetzes außer Betracht bleiben müssen. Ein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis könnte nur dann eintreten, wenn die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten der Gesamtbevölkerung eines Landes zur Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums von dem Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu den Verhältnissen in Deutschland extrem nach oben abweichen würden. Eine solche Abweichung ergibt sich aus den von den Klägern zitierten Erhebungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft aber nicht.

26

Auch der ergänzende Hinweis der Kläger auf die Unterlagen des Statistischen Bundesamtes zu den Verbrauchergeldparitäten, Devisenkursen und Preisniveaus und die Zusammenstellung der Sätze des Kaufkraftausgleichs durch das Auswärtige Amt führt im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis. Das Statistische Bundesamt greift bei der Ermittlung der ausländischen Preise für die Güter des Erhebungskatalogs auf die Ermittlungen der Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes für die Zusammenstellung der Sätze des Kaufkraftausgleichs nach dem Bundesbesoldungsgesetz zurück. Die maßgebenden Preise werden von diesen vor Ort am Sitz der jeweiligen Botschaft oder des Generalkonsulats ermittelt und dann durch das Statistische Bundesamt für die entsprechenden Größen weiterverarbeitet (vgl. zu den Erhebungs- und Berechnungsmethoden Statistisches Bundesamt [Hrsg.], Internationaler Vergleich der Preise für die Lebenshaltung, Fachserie 17 Reihe 10 für 2001, Wiesbaden 2003). Die so ermittelten Vergleichsparameter beziehen sich daher auf die wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Haupt- und Großstädte im Vergleich zur Hauptstadt Berlin und sind aus diesem Grunde ebenfalls nicht zur Begründung eines Einzelfalls einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung geeignet.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

28

Die Revision wurde nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um dem BFH die Gelegenheit zu geben, sich zu den Anforderungen, die an die Bestimmung eines Einzelfalls mit offensichtlich unzutreffender Besteuerung angesichts der Regelung in § 33 a Abs. 1 Satz 5 1. Halbs. EStG zu stellen sind, inhaltlich zu äußern.