Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 15.06.2004, Az.: 71 II 182/04
Beseitigung einer baulichen Veränderung ohne vorherige Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft; Wandverfliesung eines Balkons als Gemeinschaftseigentum
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 15.06.2004
- Aktenzeichen
- 71 II 182/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 35704
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2004:0615.71II182.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 WEG
- § 21 Abs. 3 WEG
- § 21 Abs. 4 WEG
- § 21 Abs. 5 WEG
- § 22 Abs. 1 S. 1 WEG
- § 1004 BGB
Verfahrensgegenstand
Beschlussanfechtung u.a.
Das Amtsgericht Hannover - Abteilung für Wohnungseigentumssachen - hat
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2004
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:
Tenor:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Die Antragssteiler haben gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten als auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.
Der Geschäftswert wird auf 3000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer einer Wohnung im 1. o.g. im Hause Weserweg 16 in Langenhagen. Der darunter befindliche Balkon ist verglast. Die Antragsteller haben die Außenwände im Balkonbereich ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer verfliesen lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Fotos (Bl. 25 d.A.) Bezug genommen. Darauf wurde auf der Eigentümerversammlung vom 22.05.2003 zu TOP 10 f diese Veränderung der Fassade durch die Antragsteller diskutiert, wobei man übereinkam, dass im Hinblick auf mögliche bauphysikalische Nachteile bis zur nächsten Versammlung von den Antragstellern eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vorzulegen sei und die Thematik und die weitere Vorgehensweise auf der nächsten Wohnungseigentümerversammlung als separaten Tagesordnungspunkt zu verhandeln sei (Bl. 49 d.A.). Die Antragsteller legten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Architekten Netter vom 25.02.2004 (Bl. 21 f d.A.) vor.
Auf der Eigentümerversammlung vom 18.03.2004 wurde zu TOP 10 (Bl. 9 d.A.) folgender Beschluss gefasst:
"Von der Wohnungseigentümergemeinschaft wird mehrheitlich (bei 5 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen) beschlossen, dass die Fliesen, die von den Eheleuten Jung ohne Genehmigung der Wohnungseigentümergemeinschaft an der Fassade auf ihrem Balkon angebracht wurden, wieder zu entfernen sind und der ursprüngliche (einwandfreie) Zustand dieser Fassadenfläche bis zum 30. September 2004 wieder herzustellen ist.
Vorsorglich wird weiter einstimmig beschlossen, d.h. für den Fall, dass der vorgegebene Termin verstreichen sollte, ohne dass die Anforderungen erfüllt wurden:
Der Beschluss zum Rückbau ist gerichtlich zu erwirken.
Die Verwaltung wird bevollmächtig, einen Rechtsanwalt für die Wohnungseigentümergemeinschaft zu beauftragen, der für die Wohnungseigentümergemeinschaft tätig wird und alle erforderlichen Schritte einleitet bzw. umsetzt."
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit der Auffassung, auch bei der Wandverfliesung handele es sich um Sondereigentum, zumal gemäß I Ziff. 1. c der Teilungserklärung der Wandputz und die Wandverkleidung sämtlicher zum Sondereigentum gehörender Räume, auch soweit die putztragenden Wände nicht zum Sondereigentum gehören, zum Sondereigentum gehören (BI. 33 d.A.). Sie behaupten, die Fliesen seien weder von außen einsehbar noch würden sie farblich vom übrigen Anstrich abweichen, so dass keine optische Veränderung vorliege. Im Hinblick auf die vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung hätten sie auf TOP 10 f der Eigentümerversammlung vom 22.05.2003 vertraut. Da im Übrigen in absehbarer Zeit beabsichtigt sei, die Wärmedämmung der Fassade zu erneuern und in diesem Zuge die Fliesen sowieso abgenommen werden müssten, widerspricht das augenblickliche Entfernungsverlangen nicht billigem Ermessen. Schließlich berufen sie sich darauf, dass nicht ersichtlich sei, wie viele Personen bei der Beschlussfassung anwesend waren, so dass die Beschlussfähigkeit fraglich sei.
Die Antragsteller beantragen,
den Antrag zu TOP 10: Veränderung der Fassade durch die Eheleute Jung der Wohnungseigentümerversammlung Weserweg 16, Langenhagen vom 18.03.2004 für unwirksam zu erklären, mit dem die Antragsteller verpflichtet werden sollen, die Fliesen im Bereich ihres Balkons zu entfernen und den ursprünglichen Zustand der Fassadenfläche bis zum 30.09.04 wieder herzustellen
hilfsweise beantrage ich die Entfernung der Fliesen nicht bis zum 30.09.2004 auszusprechen, sondern für den Fall, dass die Verfliesung des Balkons bestehen bleiben darf und nicht zu entfernen ist, soweit sie bei einer Fassadenwärmedämmung kein Hinderungsgrund für die Anbringung der Wärmedämmung darstellt bzw. wiederum hilfsweise auszusprechen, dass für den Fall, dass die vorhandene Balkonverfliesung ein Hinderungsgrund bei der Anbringung der Wärmedämmung der Fassade des Hauses Weserweg 16, Langenhagen, darstellt, die Verfliesung erst zeitgerecht zu Beginn der Fassadendämmung abzunehmen ist.
Die Antragsgegner beantragen,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, bei den verfliesten Außenwänden handele es sich um Gemeinschaftseigentum. Die bauliche Veränderung beeinträchtige die Optik des Gebäudes, zumal die Fliesen von außen einsehbar seien. Zu TOP 9 f sei am 22.05.2003 lediglich die Wandverfliesung diskutiert worden und im Übrigen sei zu befürchten, dass durch die Verfliesung das Ausdiffundieren eventueller Feuchtigkeit erschwert würde. Aus der Teilnehmerliste (BI. 50 f d.A.) ergebe sich, dass von 10.000stel Miteigentumsanteilen 8028stel vertreten gewesen seien. Auf der Eigentümerversammlung vom 18.03.2004 sei im Übrigen zu TOP 10 f (BI. 20 d.A.) festgestellt worden, dass auf der nächsten Eigentümerversammlung über eine Fassadensanierung zu beschließen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt sowie das Verhandlungsprotokoll vom 15.06.2004 Bezug genommen.
II.
Der Haupt- und die Hilfsanträge sind unbegründet.
Der Beschluss zu TOP 10 der Eigentümerversammlung vom 18.03.2004 war nicht für ungültig zu erklären, weil er nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 -5 WEG widerspricht. Vielmehr haben die Antragsgegner zu Recht den Antragstellern aufgegeben, die ungenehmigte bauliche Veränderung gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG auf Grund § 1004 BGB zu beseitigen.
Bei der Wandverfliesung handelt es sich nicht um Sondereigentum, sondern um Gemeinschaftseigentum. Hinsichtlich Balkonen bzw. Loggien ist allgemein anerkannt, dass nur der Balkonoberbelag und die Innenseiten der Balkonbrüstungen dem Sondereigentum zugeordnet werden können. Insoweit ist auch anerkannt, dass Anstricharbeiten an den im Bereich von Balkonen zurückspringenden Außenwänden das Gemeinschaftseigentum betreffen (Bärmann-Pick-Merle, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage, § 5, Rn. 35 ff jeweils mit weiteren Nachweisen). Nichts anderes ergibt sich auch aus der Teilungserklärung, da nach dem Vorstehenden der streitgegenständliche Balkon nicht zu den Räumen gehört, die dem Sondereigentum zuzuordnen sind.
Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG liegt damit eine bauliche Veränderung vor, denn das Aufbringen der Fliesen geschah am Gemeinschaftseigentum und diente nicht der Instandhaltung und Instandsetzung sondern ging darüber hinaus. Einer vorherigen Zustimmung der übrigen Eigentümer bedurfte es deshalb, weil auch eine Beeinträchtigung gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG i.V.m. § 14 WEG vorliegt. Denn zwanglos ist aus den von den Antragstellern vorgelegten Fotos zu erkennen, dass im Gegensatz zu den übrigen Baikonen Wandfliesen aufgebracht sind, die im Gegensatz zu den anderen Loggieninnenwänden nicht in weiß, sondern in beige gehalten sind. Es entspricht herrschender Rechtsprechung, dass die Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage zu einer baulichen Veränderung führt, die die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich macht (BGH in: NJW 1992, S. 979 [BGH 19.12.1991 - V ZB 27/90]). Wie bereits erwähnt, ist der einsehbare Balkon nunmehr optisch anders gehalten, so dass eine Veränderung vorliegt. Deshalb kömmt es auf die weitere Frage von Diffusionsproblemen nicht mehr an.
Die Antragsteller können den Antragsgegnern auch nicht entgegenhalten, der Beschluss widerspreche billigem Ermessen, da er treuwidrig sei. Zum einen haben sie zwar die geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt, jedoch durfte sich hierauf nicht ein Vertrauenstatbestand dahingehender in vernünftiger Weise bilden, dass damit die Angelegenheit endgültig erledigt sei. /) Vielmehr ergibt sich gemäß TOP 10 f ausdrücklich, dass es sich bei der Unbedenklichkeitsbescheinigung nur um eine vorläufige Maßnahme handelt und erst darauf basierend in der nächsten Eigentümerversammlung über das weitere Vorgehen beschlossen werden sollte. Auch ergibt sich nicht ein Hindernis für die Beseitigung der Fliesen dadurch, dass auf der Eigentümerversammlung vom 18.03.04 zu TOP 11 f besprochen wurde, auf der nächsten Wohnungseigentümerversammlung über die Fassadensanierung zu beschließen, da sich hieraus zum bisherigen Zeitpunkt nur eine vage Vorstellung der Eigentümer ergibt und noch nicht, dass tatsächlich in absehbarer Zeit die Fliesen zu entfernen sind für eine solche Sanierung. Denn nach der Erfahrung könnte auf der nächsten Eigentümerversammlung allenfalls ein Grundsatzbeschluss gefasst werden, der dann Grundlage für die Einholung von Angeboten sein könnte, über die dann nochmals zu beschließen sei. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass eine Fassadensanierung erst in weiterer Zukunft tatsächlich in Angriff genommen wird. Im Übrigen würde dies nicht dem Begehren der Antragsteller entgegenstehen, weil sie ohne legitimierende Einwilligung der übrigen Eigentümer einfach die Fliesen aufgebracht haben, wobei sie sich nicht darauf berufen können, von der Rechtslage keine Kenntnis gehabt zu haben, da es ihnen jederzeit frei gestanden hätte, sich rechtlichen Rat einzuholen.
Da der Beschluss zu TOP 10 rechtmäßig erging, waren auch die Hilfsanträge zurückzuweisen. Denn zum einem müssen die Antragsteller die Fliesen nunmehr entfernen, zum anderen ist, wie dargelegt, noch kein konkreter Termin für die Fassadensanierung ersichtlich, so dass es den Antragsgegnern nicht zuzumuten ist, weiter auf die Entfernung der Fliesen zu warten und damit die unrechtmäßige bauliche Veränderung zu dulden.
Schließlich bestehen auch keine formellen Bedenken gegen den Beschluss zu TOP 10. Insbesondere ergibt sich ausweislich der Teilnehmerliste, dass Beschlussfähigkeit gem. § 25 Abs. 1 WEG vorgelegen hat, denn gemäß der Liste ergibt sich, dass mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten waren. Im Übrigen ergibt sich aus der Liste, dass auch die Antragsteller an der Versammlung teilgenommen, abgestimmt und sich hierbei nicht auf eine mögliche fehlende Beschlussfähigkeit berufen haben. Ist aber erst einmal die Beschlussfähigkeit wirksam festgestellt und ergeben sich keine weiteren Anhaltspunkte, dass diese nicht mehr gegeben ist, ist es nicht erforderlich, seitens der Versammlungsleitung erneut die Frage der noch bestehenden Beschlussfähigkeit zu ermitteln (a.a.O. § 25 Rn. 80).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Danach haben gemäß der Billigkeit die unterlegenen Antragsteller gesamtschuldnerisch die Gesamtkosten als auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu tragen, da ihr Antrag von vornherein offensichtlich unbegründet war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 48 Abs. 3 WEG i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO (Regelgeschäftswert).
Streitwertbeschluss:
Der Geschäftswert wird auf 3000,00 EUR festgesetzt.