Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 03.02.2004, Az.: 71 II 426/03

Antrag auf Rückbau und Unterlassung der Nutzung zu Wohnzwecken; Einwand der unzulässigen Rechtsausübung

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
03.02.2004
Aktenzeichen
71 II 426/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33424
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2004:0203.71II426.03.0A

Fundstelle

  • ZMR 2005, 234 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Wohnungseigentumssache

Das Amtsgericht Hannover, Abt. f. Wohnungseigentumssachen, hat
auf die mündliche Verhandlung vom 03.02.2004
im schriftlichen Verfahren
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

  3. 3.

    Der Geschäftswert wird auf 75.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten bilden die eingangs erwähnte Wohnungseigentümergemeinschaft, die nunmehr von der Hausverwaltung Turnier verwaltet wird.

2

Die Antragsstellerin hatte das betreffende Mietshaus erworben, in Teil- und Wohnungseigentum aufgeteilt und die so geschaffenen Eigentumseinheiten bis auf den Bodenraum Nr. 16 veräußert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung (Bl. 3 ff. d.A.) verwiesen, nach deren § 3 Ziff. 4 nur die Wohnungen im Erdgeschoss gewerblich genutzt werden dürfen. Die Antragstellerin begann ab September 1995 den Bodenraum zu Wohnzwecken auszubauen. Dies geschah ohne die Zustimmung der Miteigentümerinnen Hehtke und Beese. Gleichwohl setzte die Antragstellerin den Ausbau fort, teilte den Bodenraum in die Miteigentumsanteile 16 und 20 und verkaufte letzteren nach Abschluss der Ausbaumaßnahmen an den Antragsgegner, der die Wohnung seit dem bewohnt und auch zu gewerblichen Zwecken unter der Bezeichnung Schmeel Druckservice nutzt.

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Da im Zuge der Ausbäumaßnahmen des Bodenraums ohne Zustimmung der übrigen betroffenen Eigentümer in das Gemeinschaftseigentum eingegriffen wurde, haben die o. b. Miteigentümerinnen von der hiesigen Antragstellerin in dem Verfahren Amtsgericht Hannover 70 II 91/96 betreffen des Teil-Bodenraums Nr. 16 ATP Rückbau und die Unterlassung der Nutzung zu Wohnzwecken begehrt. Letztlich hat das Oberlandesgericht Celle in seinem Beschluss vom 29.01.1998 zum Az.: 4 W 136/97 (Bl. 24 ff. d.A.) bestätigt, dass sowohl ein Anspruch auf Unterlassung des Ausbaus des Dachgeschosses zu Wohnzwecken als auch zur Nutzung zu Wohnzwecken besteht; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diesen Beschluss sowie den weiteren Inhalt der Akten, die zu Informationszwecken beigezogen worden sind, verwiesen.

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Aufgrund dieser Entscheidung begehrt die Antragstellerin nunmehr von dem Antragsgegner ebenfalls Unterlassung der Nutzung zu Wohnzwecken als auch zu Gewerbezwecken und beantragt,

es dem Antragsgegner unter Androhung eines angemessenen Ordnungsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu unterlassen, das Teileigentum Nr. 20 im 5. o.g. links zu bewohnen, bzw. als Gewerbefläche zu nutzen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

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Er verneint das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin und hält sie auch nicht allein für aktivlegitimiert. Der Anspruch sei auch unbegründet, insbesondere rechtsmissbräuchlich, weil die Antragstellerin selbst den Bodenraum zu 2 Wohnungen ausgebaut und ausweislich des genannten Vorverfahrens versucht habe, ihre Eigentumseinheit zu Wohnzwecken zu nutzen.

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Wegen der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt sowie die Beiakten zu 70 II 91/96 Bezug genommen.

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II.

Der Antrag der Antragstellerin gem. § 43 Abs. 1 Ziff. 1 WEG ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.

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1.

Dem Antrag fehlt weder das Rechtsschutzbedürfnis, noch bedurfte es zunächst einer Beschlussfassung der Mitglieder der Eigentümergemeinschaft. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt grundsätzlich bei objektiven sinnvollen Klagen, d. h. wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann; dies hat jedoch nichts vor dem ebenfalls vom Antragsgegner behaupteten Rechtsmissbrauch zu tun. Im Übrigen handelt es sich bei dem Unterlassungsanspruch gem. § 1004 BGB um einen Individualanspruch, den grundsätzlich jeder Eigentümer ohne die Zustimmung der übrigen Eigentümer geltend machen kann. Deshalb bestehen gegen die Zulässigkeit des Antrages auch keine Bedenken, soweit die übrigen Eigentümer dem Antrag nicht zustimmen bzw. daran kein Interesse haben. Ebenfalls hat damit nichts zu tun, ob die Antragstellerin ihren Verpflichtungen zur Zahlung der Hausgelder nachkommt oder nicht.

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2.

Der Antragsgegner kann jedoch dem grundsätzlich bestehenden Unterlassungsanspruch der Antragstellerin erfolgreich den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen halten.

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Soweit in dem genannten Verfahren 70 II 91/96 ein Unterlassungsanspruch bzgl. des Bodenraums Nr. 16 der Antragstellerin aus § 1004 BGB bejaht wurde, weil eine nicht genügend legitimierte bauliche Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG unter Beeinträchtigung der übrigen Eigentümer vorliegt, muss dieses zunächst grundsätzlich auch hinsichtlich der unstreitig vom Antragsgegner bewohnten Einheit Nr. 20 gelten und zwar auch hinsichtlich der gewerblichen Nutzung, die gem. der Teilungserklärung ausgeschlossen ist, und die ebenfalls einer Beeinträchtigung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG bedeutet. Die besonderen Umstände im Verhältnis der Antragstellerin zum Antragsgegner führen jedoch dazu, dass Unterlassungsverlangen der Antragstellerin als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet für alle Rechte, Rechtslagen und Rechtsnormen eine immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entscheiden. Beim Rechtsmissbrauch geht es typischerweise darum, dass die Ausführung eines individuellen Rechts als treuwidrig und unzulässig beanstandet wird. Eine anerkannte Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung ist die des widersprüchlichen Verhaltens. Danach ist ein Verhalten missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig weil widersprüchlich erscheinen lassen (Palandt, BGB, 62. Aufl.. § 242 RdNrn. 38 ff. und 55 ff. jeweils m. w. Nachweisen). Diese Voraussetzungen liegen hier (ausnahmsweise) vor.

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Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner allein aufgrund ihrer eigenen Verurteilung in dem Verfahren 70 II 91/96 nunmehr ebenfalls, dass diesem die Nutzung zu Wohnzwecken untersagt wird, quasi nach dem Motto "gleiches Recht für alle". Auffallend ist zunächst, dass Beeinträchtigungen im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG nicht geltend . gemacht werden und dass die übrigen Miteigentümer ersichtlich kein Unterlassungsinteresse aufgrund einer solchen Beeinträchtigung haben. Entscheidend ist jedoch, dass die Antragstellerin selbst den gesamten Bodenraum zu Wohnzwecken ausbaute, diesen teilte und sodann zu diesen Wohnzwecken dem Antragsgegner verkaufte. Zudem war sie bestrebt, ihren Anteil Nr. 16 im Ausbau zu Wohnzwecken fertig zu stellen, wobei dem (bislang) die Entscheidung des OLG Celle vom 29.01.1998 entgegengestanden hat. Die Antragstellerin verlangt also vom Antragsgegner etwas, was sie selbst durchaus immer noch realisieren möchte. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls von Bedeutung, dass die Antragstellerin selbst den Bodenraum zu Wohnzwecken ausbaute und dem Antragsgegner als Einheit Nr. 20 ATP zu solchen Zwecken verkaufte. Hierdurch durfte sich jedenfalls seitens des Antragsgegners im

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Hinblick auf die Antragstellerin billigerweise ein Vertrauenstatbestand dahin bilden, dass jedenfalls die Antragstellerin gegen eine entsprechende Nutzung zu Wohnzwecken nichts einzuwenden hat, wobei die weiterhin bestehende Nutzung zu Gewerbezwecken vom Belastungsgrad hinter der Nutzung zu Wohnzwecken zurücktreten dürfte. Die Antragsgegnerin verhält sich also grob widersprüchlich soweit sie etwas verlangt, was sie selbst begehrt. Es geht ihr ersichtlich also nur darum, eine formelle Rechtsposition auszunutzen trotz widersprüchlichen Verhaltens und ohne das von ihr darüber hinaus ein nachvollziehbares substanzielles schutzwürdiges Eigeninteresse geltend gemacht werden kann.

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3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Danach hat gem. der Billigkeit die unterlegene Antragstellerin die Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

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4.

[s. Streitwertbeschluss]

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird auf 75.000,-- EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt gem. § 48 Abs. 3 WEG. Dabei war der Geschäftswert in gleicher Höhe festzusetzen, wie in dem Verfahren 70 II 91/96. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 12.02.1997 (Bl. 536 d.A. = Bd. 2) Bezug genommen.

Dr. Löffler