Amtsgericht Hannover
Urt. v. 14.01.2004, Az.: 550 C 11463/03
Ansprüche aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 14.01.2004
- Aktenzeichen
- 550 C 11463/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 33445
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2004:0114.550C11463.03.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- LG Hannover - 05.08.2004 - AZ: 19 S 13/04
Rechtsgrundlagen
- § 247 BGB
- § 716 Abs. 1 BGB
- § 118 Abs. 1 HGB
- § 166 Abs. 1 HGB
- § 166 Abs. 2 HGB
- § 233 HGB
- § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
- § 21 ARB
- § 24 ARB
- § 25 Abs. 1 S. 3 ARB
- § 29 ARB
Fundstelle
- r+s 2005, 19-21 (Volltext mit amtl. LS)
Das Amtsgericht Hannover - Abt. 550 - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11.12.2003
durch
die Richterin am Amtsgericht Stantien
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung für Gewerbe und freie Berufe nach den §§ 21, 24, 25 und 29 ARB, wobei der gewerbliche Rechtsschutz für die Tätigkeit als Sonnenstudioberater vereinbart wurde. Dem Vertrag liegen allgemeine Bedingungen für Rechtsschutzversicherungen zugrunde. Am 15.05.2001 schloss der Kläger unter Vermittlung der AVB Allgemeine Vermögensberatungs- und vermittlungs- GmbH mit Sitz in Würzburg eine atypisch stille Beteiligung bei der GOJ Immobilienhandel AG ab. Mit Schreiben vom 17.10.2002 begehrte der Kläger aufgrund fehlerhafter Angaben des Vermittlers und der vor Abschluss des Vertrages nicht durchgeführten Aufklärung über die Risiken der Beteiligung von der GOJ AG die Rückabwicklung der Beteiligung. Die Parteien einigten sich daraufhin vergleichsweise unter der Entlassung des Klägers aus der stillen Beteiligung auf Zahlung seitens der GOJ AG an den Kläger von 40 % des investierten Kapitals, also einer Summe von 1.206,40 Euro.
Aufgrund der Auseinandersetzung mit der GOJ AG sind dem Kläger Kosten in Höhe von 2.083,94 Euro entstanden, die er von der Beklagten erstattet bekommen möchte. Die Beklagte verweigert die Erteilung einer Deckungszusage unter Hinweis auf § 25 Abs.1 Satz 2, 3 ARB, der in der dem Vertrag zugrunde liegenden Fassung 12.98 lautet:
"Die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit, durch die eine einmalige Erwerbsmöglichkeit oder fortdauernde Erwerbsquelle geschaffen, genutzt oder aufgegeben wird, sowie im Zusammenhang mit der eigenen Vermögensverwaltung unter Aufnahme von Fremdmitteln ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn die selbstständige Tätigkeit oder die Vermögensverwaltung ohne planmäßigen Geschäftsbetrieb oder nicht berufsmäßig betrieben wird und nach § 24 ARB nicht versicherbar ist".
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.206,56 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
sowie den Kläger gegenüber der Forderung der Prozessbevollmächtigten aus der Kostenrechnung vom 18.08.2003 in Höhe von 877,38 Euro freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Auseinandersetzung des Klägers mit der GOJ AG aufgrund ihrer AGB nicht von der allein in Frage kommenden Familien-Rechtsschutzversicherung nach § 25 ARB gedeckt ist.
Wegen des Weiteren Sach- und Streitgegenstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet dem Kläger Rechtsschutz zu gewähren, da der Rechtsstreit des Klägers gegen die GOJ AG eine Auseinandersetzung aus einer selbständigen Tätigkeit darstellt, die von der Familienrechtsschutzversicherung gemäß § 25 Abs. 1, Satz 2, 3 ARB nicht erfasst wird.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 der hier dem streitgegenständlichen Vertrag zugrunde liegenden Fassung 12.98 der allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ist die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit, durch die eine einmalige Erwerbsmöglichkeit oder fortdauernde Erwerbsquelle geschaffen, genutzt oder aufgegeben wird, sowie im Zusammenhang mit der eigenen Vermögensverwaltung unter Aufnahme von Fremdmitteln ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Dies gilt auch dann laut § 25 Abs. 1 Satz 3 ARB, wenn die selbstständige Tätigkeit oder die Vermögensverwaltung ohne planmäßigen Geschäftsbetrieb oder nicht berufsmäßig betrieben wird und nach § 24 ARB nicht versicherbar ist.
Zwar gehört in der Regel die Verwaltung eigenen Vermögens, soweit es nicht in einen dem Versicherungsnehmer gehörendem Betrieb investiert ist, zum Privatbereich, selbst wenn das Vermögen beträchtlich ist (Harbauer, Rechtsschutzvers. § 24 Rdnr. 11). Die private Tätigkeit bei der Verwaltung eigenen Vermögens kann aber unter Umständen eine selbstständige Tätigkeit darstellen. Nach der Rechtsprechung soll bei der Verwaltung privaten Vermögens eine selbstständige Tätigkeit erst dann angenommen werden können, wenn sie berufsmäßig betrieben wird, d. h. wenn sie einen planmäßigen Geschäftsbetrieb wie die Unteerhaltung eines Büros oder eine eigene Organisation zur Durchführung der Geschäfte erfordert (OLG Köln, r+s 93, 145).
Vorliegend weicht aber der hier ausschlaggebende § 25 ARB von den üblichen Musterbedingungen, die von den deutschen Rechtsschutzversicherern entwickelt wurden, ab. Folglich kann die Rechtsprechung, die für § 25 ARB entwickelt worden ist, nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Hier kommt es nämlich laut § 25 Abs. 1 ARB für die Einordnung der Tätigkeit des Klägers als selbstständige Tätigkeit, nicht darauf an, ob die vorliegende Tätigkeit des Klägers als atypisch stiller Gesellschafter den Umfang eines planmäßigen Geschäftsbetriebes erfordert. Die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit einer Vermögensverwaltung ist nämlich gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 auch dann ausdrücklich von dem Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn der Kläger die Vermögensverwaltung als selbstständige Tätigkeit ohne planmäßigen Geschäftsbetrieb und nicht berufsmäßig betreibt. Demnach kann im vorliegenden Fall nicht dem BGH (BGH VersR 92, 1510) gefolgt werden, der damit argumentiert, dass in § 25 Abs. 1 nur diejenige selbstständige Tätigkeit vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll, die nach § 24 ARB versicherbar ist; dass sei aber nur eine gewerbliche oder freiberufliche, keine sonstige selbstständige Tätigkeit. Der hier zugrunde liegende § 25 Abs.1 Satz 3 ARB sagt nämlich ausdrücklich, dass auch solche selbstständige Tätigkeit ausgeschlossen ist, die nicht nach § 24 versicherbar ist.
Der Kläger ist hier - auch wenn seine Tätigkeit als atypisch stiller Gesellschafter keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert - als Mitunternehmer anzusehen und übt damit eine selbstständige Tätigkeit im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2, 3 ARB aus. Im Gegensatz zur stillen Gesellschaft, die dann vorliegt, wenn sich jemand am Handelsgewerbe eines anderen auf Grund eines Vertrages derart beteiligt, dass er eine Einlage in das Vermögen des Kaufmanns macht und dafür einen Anteil am Gewinn des Geschäftsbetriebes erhält, wobei ihm lediglich gem. § 233 HGB eingeschränkte Kontrollrechte zustehen, kann der atypisch stille Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf das Handelsgeschäft nehmen und somit im Wirtschaftsleben wie ein Unternehmer auftreten. Der atypisch stille Gesellschafter kann -in mehr oder starker Ausprägung- Mitunternehmerinitiative durch eine Möglichkeit der Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen entfalten, die sich darin ausdrückt, dass dem atypisch stillen Gesellschafter die gleichen Stimm-, Kontroll-, und Widerspruchsrechte zustehen wie einem nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Kommanditisten (§ 118 Abs. 1 HGB, § 166 Abs. 1 und 2 HGB) oder einem BGB-Gesellschafter (§ 716 Abs. 1 BGB). Ferner trägt der atypisch stille Gesellschafter das Mitunternehmerrisiko durch eine Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich des Geschäftswertes.
Für die Eigenschaft des Klägers als Selbstständiger spricht auch die steuerliche Regelung, denn auch aus steuerlicher Sicht liegt eine Mitunternehmerschaft vor. In § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist zwar nur der Kommanditist als Mitunternehmer ausdrücklich genannt, dies gilt aber auch für den atypisch stillen Gesellschafter (Blümich, EStG, § 15 EStG Rdnr. 317). Der atypisch stille Gesellschafter kann im Gegensatz zum stillen Gesellschafter Verluste als "Unternehmer" bei der Einkommenssteuererklärung in Anrechnung bringen, weshalb diese Anlageform vom Kläger auch bewusst ausgewählt wurde.
Der atypisch stille Gesellschafter kann aber nicht steuerlich Vorteile als Unternehmer anstreben, gleichzeitig aber als Nichtselbstständiger einer Familien-Rechtsschutzversicherung unterstellt werden.
Dass die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter keine Kapitalanlage, sondern eine unternehmerische Beteiligung darstellt, müsste dem Kläger auch spätestens mit dem Unterzeichnen des Beitrittsantrages bewusst geworden sein, da er darauf ausdrücklich auf dem Formular hingewiesen worden ist.
Auch der Einwand des Klägers, er habe keinerlei Befugnisse gegenüber dem Vorstand gehabt, schadet der Unternehmereigenschaft des Klägers nicht. Für die Anwendung des Risikoausschlusses gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 und 3 ARB kommt es nicht darauf an, ob der atypisch stille Gesellschafter tatsächlich Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen kann. Allein die gewählte Form der Beteiligung schließt den Versicherungsschutz im Rahmen der Familienrechtsschutzversicherung nach § 25 ARB aus.
Nach alledem handelt es sich bei der hier vorliegenden atypisch stillen Beteiligung des Klägers, auch wenn sie von ihm ohne planmäßigen Geschäftsbetrieb und nicht berufsmäßig betrieben wird, um eine selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 ARB und nicht um eine rein private Kapitalanlage.
Letztlich spricht auch der Sinn und Zweck der Ausschlussklausel für den Ausschluss der Beteiligung des Klägers als atypisch stiller Gesellschafter. Die Beteiligung an einem Wirtschaftsunternehmen als atypisch stiller Gesellschafter gehört aufgrund des überdurchschnittlich erhöhten Risikos nicht zu den allgemein üblichen Rechtsgeschäften, die von einer größeren Zahl von Privaten getätigt werden. Dieses Risiko soll von einer Familienrechtsschutzversicherung nicht getragen werden. Die Familienrechtsschutzversicherung soll nur solche Risiken absichern, die im privaten Lebensbereich üblicherweise vorkommen (Harbauer, Rechtsschutzvers. § 25 Rdnr. 14). Deswegen ist das Schaffen einer Erwerbsquelle durch die Beteiligung als Unternehmer aus kalkulatorischen und risikotechnischen Gründen aus dem Deckungsbereich des § 25 ARB ausgeklammert.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO; die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.11, 709 S. 2, 711 ZPO.