Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 20.01.2004, Az.: 905 IK 643/03-0
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 20.01.2004
- Aktenzeichen
- 905 IK 643/03-0
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33548
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2004:0120.905IK643.03.0.0A
Rechtsgrundlagen
- § 295 Abs. 1 Ziff. 1 InsO
- § 287 Abs. 2 S. 1 InsO
- § 4c Ziff. 4 InsO
Fundstelle
- NZI 2004, 391-392 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Vermögen des ...
Tenor:
Der Antrag vom 15.9.2003 auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens wird für den Verfahrensabschnitt "Restschuldbefreiungsverfahren" zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
Der Schuldner hat mit Antrag vom 15.9.2003 die Anträge gestellt, über sein Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen, ihm Restschuldbefreiung zu bewilligen sowie ihm die Kosten des Verfahrens zu stunden. Aus den Antragsunterlagen ergibt sich, dass der Schuldner Strafgefangener ist; er sitzt seit dem 21.1.2000 ein und wird voraussichtlich bis 21.1.2007 inhaftiert bleiben. Für seine in der Haft ausgeübte Tätigkeiten erhält er Nettobezüge von derzeit 479,39 EUR monatlich, die z.T. als Überbrückungsgeld einbehalten werden.
Dem Antragsteller wurde für das Antragsverfahren und das Insolvenzverfahren die Stundung der Verfahrenskosten bewilligt und am 16.12.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antrag auf Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens war dagegen hinsichtlich des Verfahrensabschnitts "Restschuldbefreiungsverfahren" zurückzuweisen, da der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben kann (§ 4c Ziff. 4 InsO).
Nach § 295 Abs. 1 Ziff. 1 InsO obliegt es dem Schuldner, während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben bzw. sich um eine solche zu bemühen. Da nach der derzeitigen Rechtslage die Abtretungserklärung und damit das Restschuldbefreiungsverfahren mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen beginnen (§ 287 Abs. 2 S. 1 InsO), kommt auch eine Aufhebung der Stundung nach § 4c InsO frühestens ab diesem Zeitpunkt in Betracht, weshalb zunächst - ohne dass dies sinnvoll erschiene - die Stundung zu bewilligen und das Verfahren zu eröffnen waren (so auch Münchner Kommentar -Ganter, Insolvenzordnung, Rn. 18 zu §§ 4a bis 4d).
Durch seine Strafhaft, die der Schuldner aufgrund vorsätzlich begangener Straftaten verbüßt, ist es ihm erkennbar nicht möglich, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben bzw. sich um eine solche zu bemühen. Die Frage der Angemessenheit ist dabei nicht an den derzeitigen Möglichkeiten des Schuldners zu messen, der zwangsläufig an anderen Tätigkeiten gehindert ist, sondern an den berechtigten
Interessen seiner Gläubiger. Restschuldbefreiung soll nach der Zielsetzung des Gesetzgebers nur der Schuldner erlangen können, der redlich ist und sich nach Kräften bemüht, die Verbindlichkeiten zu tilgen. Dies setzt nach ständiger Rechtsprechung zwar keine - auch nur teilweise - Tilgung der Schulden während des Verfahrens voraus, da eine Mindestquote vom Gesetzgeber sinnvollerweise nicht gefordert wird, um auch einkommensschwachen Personen (z.B. auch Kranken oder Rentnern) die Erlangung der Restschuldbefreiung zu ermöglich.
Vorliegend hat sich der Schuldner jedoch durch ein eigenes, bewusstes Handeln selbst um die Möglichkeit gebracht, für einen längeren Zeitraum das ihm grundsätzlich mögliche Einkommen zu erzielen. Die Beschränkung der Restschuldbefreiung auf "redliche Schuldner" wäre jedoch inhaltsleer, wenn die vorsätzliche, zurechenbare Einschränkung der eigenen Erwerbsmöglichkeiten zu Lasten der Gläubiger ginge. Weigert sich der Schuldner, seinen Obliegenheiten nachzukommen, oder setzt er sich selbst hierzu außer Stande, so ist ihm die Restschuldbefreiung zu versagen. Entsprechende gilt für die Stundung. Ob dies auch dann gilt, wenn Beeinträchtigung der eigenen Erwerbsmöglichkeiten nur auf einen geringen Teil der Wohlverhaltensperiode zutrifft (etwa bei Beendigung einer Ausbildung, die später ein evtl. höheres Einkommen ermöglicht), muss im Einzelfall entschieden werden. Im vorliegenden Fall dauert die Haft voraussichtlich mehr als die Hälfte der Wohlverhaltensperiode, was es rechtfertigt, wegen eines erheblichen Verstoßes gegen die Obliegenheiten der § 4c Ziff. 4 InsO die Stundung zu versagen.