Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 15.06.2004, Az.: 71 II 218/04

Ungültigkeit eines Eigentümerversammlungsbeschlusses; Erforderlichkeit einer Kündigung von Sondernutzungsrechten; Haftung des Zustandsstörers; Haftung des Voreigentümers als Verhaltensstörer; Pflicht zur Duldung von Rückbaumaßnahmen; Kostenübernahme durch die Eigentümergemeinschaft; Übertragung von Gemeinschaftseigentum

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
15.06.2004
Aktenzeichen
71 II 218/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34525
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2004:0615.71II218.04.0A

Fundstelle

  • ZMR 2005, 583-584 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Beschlussanfechtung

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Bei einer nichtverdinglichen Sondernutzungsrechtsvereinbarung wirkt diese nur zu Gunsten der ehemaligen Eigentümer. Denn in der Regel erlischt ein im Grundbuch nicht eingetragenes Sondernutzungsrecht, wenn ein neuer Wohnungseigentümer in die Gemeinschaft eintritt.

  2. 2.

    Besitzt ein Wohnungseigentümer eine störende Anlage, deren Beseitigung von seinem Willen abhängt, so wird dieser als Zustandsstörer bezeichnet. Er haftet originär und unabhängig davon, ob er selbst oder ein Dritter den störenden Zustand geschaffen hat. Die Maßnahmen, um die Beseitigung des störenden Zustandes zu beseitigen, hat er zu dulden und er trägt gemeinsam mit den anderern Wohnungseigentümer die Kosten dieser Maßnahmen.

In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung für Wohnungseigentumssachen -
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2004
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 06.04.2004 wird für ungültig erklärt.

Die Antragsgegner haben gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 3000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller sind als Eigentümer der Wohnung Nr. 7 ATP Mitglieder der eingangs erwähnten Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 09.05.1987 wurde zu TOP 6 c folgender einstimmiger Beschluss gefasst:

"Die Wohnzimmerdecke (Nordseite/Gartenseite) der Wohnung Nr. 7, Fam. K, wird entfernt, so dass eine Nutzung des Spitzbodens bis zum Dachfirst gegeben ist. Diese Nutzung des Spitzbodens wird ab vorhandenen Lüftungszügen nach Süden um ca. 2-3 m erweitert. Sämtliche Kosten dieser Veränderung sowie Folge- und Unterhaltungskosten gehen zu Lasten des jeweiligen Nutzers der Wohnung Nr. 7."

2

In der Folge wurde dann die Wohnzimmerdecke entfernt. Die Familie K. verkaufte in der Folgezeit die Wohnung an die Antragsteller gemäß notariellem Vertrag vom 21.09.1993 (Bl. 15 d.A.)

3

Mit Schreiben vom 09.03.2004 lud der Beteiligte zu 4. zur Eigentümerversammlung am 06.04.2004 ein (Bl. 11 d.A.). Zu TOP 7 ist als Tagesordnungspunkt vorgesehen eine Beschlussfassung dahingehend, das möglicherweise bestehende Sondernutzungsrecht gegenüber R./L. zu kündigen, R./Li. aufzufordern, binnen angemessener Frist - von 3 Monaten - den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen sowie sogleich, Ermächtigung der Verwaltung, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung des Rückbauanspruchs der WEG zu beauftragen. Dieser Antrag wurde in der Versammlung vom 06.04.04 zu TOP 7 mehrheitlich angenommen (Bl. 10 d.A.).

4

Die Antragsteller wenden sich gegen diesen Beschluss im Hinblick auf die Genehmigung vom 09.05.1987. Hierbei handele es sich um eine Vereinbarung für ein Sondernutzungsrecht, so dass ihrer Meinung nach auch die Aufhebung dieses Rechts einer Vereinbarung bedurft hätte. Sie verweisen darauf, dass mit Ausnahme der Verkäufer die übrigen Eigentümer dieselben sind, wie 1987. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Antragsschrift nebst Anlagen Bezug genommen.

5

Die Antragsteller beantragen, wie erkannt.

6

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag zurückzuweisen.

7

Sie bezweifeln, dass es 1987 zu einer Vereinbarung gekommen sei. Jedenfalls sei diese formnichtig im Falle der Übertragung von Gemeinschaftseigentum. 1987 hätten die Antragsgegner von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 20.09.2002 noch keine Kenntnis gehabt. Im Übrigen hätten sie damals nichts von ihrem Miteigentumsanteil an die Familie K. abgeben wollen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 02.06.2004 (Bl. 31 d.A.) Bezug genommen.

8

Die Akte AG Hannover 70 II 357/03 hat zu Informationszwecken vorgelegen.

9

II.

Der gemäß § 43 Abs. 1 Ziff. 4 WEG zulässige Antrag ist begründet.

10

Der Beschluss zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 06.04.2004 war für ungültig zu erklären, weil er den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gem. § 21 Abs. 3-5 WEG widerspricht. Denn die Antragsteller sind nicht verpflichtet den Deckendurchbruch allein und auf ihre Kosten zurückzubauen.

11

Zunächst ist festzustellen, dass es keiner Kündigung des Sondernutzungsrechts bedurfte, weil dieses nicht zu Gunsten der Antragsteller mehr besteht. Auf Grund des Beschlusses des BGH vom 20.09.2000 (in: NJW, S. 3500 ff) ist ausdrücklich klargestellt, dass die Einräumung eines Sondernutzungsrechts einer Vereinbarung bedarf, also der Zustimmung sämtlicher Eigentümer. Bei den Erklärungen im Rahmen der Versammlung vom 09.05.1987 zu TOP 6 c handelt es sich um eine solche Vereinbarung. Denn alle Eigentümer haben zugestimmt. Für die Abgrenzung eines solchen einstimmigen Beschlusses zu einer Vereinbarung ist im Rahmen der Auslegung im Zweifel darauf abzustellen, was die Eigentümer wollten, um eine rechtswirksame Regelung zu treffen (Riecke/Schmidt, Die erfolgreiche Eigentümerversammlung, 2. Auflage, S. 32). Soweit aus dem Protokoll ersichtlich, ging es den damaligen Eigentümern darum, im Einverständnis sämtlicher Eigentümer der Familie Kemper ein Sondernutzungsrecht samt erforderlicher baulicher Veränderung einzuräumen. In der Sache ist also eine Vereinbarung getroffen worden, die gemäß § 10 WEG keiner besonderen Form grundsätzlich bedarf. Etwas anderes gilt jedoch, soweit es um die Frage geht, ob Rechtsnachfolger rechtliche Folgen einer solchen Vereinbarung treffen. Hierzu ist es erforderlich gemäß § 10 Abs. 2 WEG, dass die Vereinbarungen im Grundbuch eingetragen werden. Dies ist hier unstreitig nicht geschehen. Mithin handelt es sich hier um eine so genannte nichtverdinglichte Sondernutzungsrechts-Vereinbarung. Diese Vereinbarung wirkte nur (noch) zu Gunsten der ehemaligen Eigentümer. Denn ein durch Vereinbarung begründetes, nicht im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht erlischt, wenn ein neuer Wohnungseigentümer in die Gemeinschaft eintritt (OLG Köln in : NZM 2001, S. 1135). Aus dem Vorstehenden ergibt sich also, dass die Kündigung des Sondernutzungsrechts nicht zu beanstanden ist, weil ein solches Sondernutzungsrecht nicht von den Antragstellern in Anspruch genommen werden kann.

12

Jedoch durften die Antragsteller nicht allein zur Beseitigung der mit dem Sondernutzungsrecht verbundenen baulichen Veränderungen belastet werden. Denn bei ihnen handelt es sich nicht um die so genannten Verhaltensstörer, da sie unstreitig nicht den Deckendurchbruch vorgenommen haben, sondern die Voreigentümer, die Familie K. Bei den Antragstellern handelt es sich also nur um Zustandsstörer. Zustandsstörer ist, wer eine störende Anlage besitzt, deren Beseitigung von seinem Willen abhängt. Der Zustandsstörer haftet originär und unabhängig davon, ob er selbst oder ein Dritter den störenden Zustand geschaffen hat. Er haftet aber nur in der Weise, dass er die Rückbaumaßnahme zu dulden hat und er gemeinsam mit den anderen Eigentümern die Kosten der Rückbaumaßnahme trägt (Kammergericht Berlin in: WE 1991, S. 328). Da jedoch der Beschluss zu TOP 7 die alleinige Rückbauverpflichtung der Antragsteller vorsieht, widerspricht er diesen Grundsätzen und war für ungültig zu erklären.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Danach haben die unterlegenen Antragsgegner gemäß der Billigkeit gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen bleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird auf 3000,00 EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO (Regelgeschäftswert).

Dr. Löffler Richter am Amtsgericht