Amtsgericht Hannover
Beschl. v. 25.05.2004, Az.: 71 II 172/04
Beurteilung der Gültigkeit des Beschlusses einer Wohnungseigentümerversammlung; Folge der fehlenden Beschlussfähigkeit einer solchen Versammlung; Inhaltliche Anforderungen bei der Gültigkeit eines Beschlusses; Gebot der Wirtschaftlichkeit als Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 25.05.2004
- Aktenzeichen
- 71 II 172/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33388
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2004:0525.71II172.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs. 2 WEG
- § 25 Abs. 3 WEG
Verfahrensgegenstand
Wohnungseigentumssache
Das Amtsgericht Hannover - Abt. für WEG-Sachen - hat
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
auf die mündliche Verhandlung vom 25.05.2004
im schriftlichen Verfahren
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 11.03.2004 zu TOP 2 wird insoweit für ungültig erklärt, als darin dem Verwalter Entlastung erteilt worden ist, der Beschluss zu TOP 6 wird insoweit für ungültig erklärt, als darin beschlossen worden ist, neben dem neuen straßenseitigen Fassaden- und Giebelanstrichs die Dachrinnen und die Fallrohre zu erneuern sowie die Haustür beidseitig und ggf. die Kellerfenster zu streichen.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben gesamtschuldnerisch die Gerichtskosten zu 1/4 zu tragen, die Antragsgegner gesamtschuldnerisch zu 3/4. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
Antragsteller und Antragsgegner bilden die eingangs erwähnte Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der Beteiligten zu 3.) verwaltet wird. Deren Geschäftsführer persönlich war von der Miteigentümerin Jutta Galle für die Versammlung Vollmacht erteilt worden (Bl. 39 d.A.). Auf dieser Versammlung wurden folgende Beschlüsse einstimmig gefasst: Zu TOP 2 die Genehmigung der Abrechnung 2002 sowie die Verwalterentlastung, zu TOP 3 die Gartenpflege, zu TOP 4 die Erneuerung der Türzylinder, zu TOP 5 die Erneuerung der Sprechanlage sowie zu TOP 6 der straßenseitige Fassadenanstrich sowie die gleichzeitige Erneuerung der Dachrinnen und der Fallrohre sowie der Neuanstrich der Haustür und der Kellerfenster. Wegen der Einzelheiten wird auf die Versammlungsniederschrift (Bl. 10 ff. d.A.) verwiesen.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Beschluss zu TOP 2 und meinen die Versammlung sei nicht beschlussfähig gewesen, weil Herr Rex hinsichtlich der Entlastung vom Stimmrecht und damit auch von einer Vertretung für die Miteigentümerin Galle ausgeschlossen gewesen sei. Hinsichtlich des Beschlusses zu TOP 3 bemängeln sie, dass keine Alternativangebote eingeholt worden seien und der Beschluss unüberschaubar sei. Auch seien die Miteigentümer nicht stimmberechtigt gewesen, da es um Vertragsabschlüsse mit ihnen gegangen sei. Hinsichtlich Beschluss zu TOP 4 meinen sie, es handele sich um eine bauliche Veränderung, weil eine Notwendigkeit zur Erneuerung nicht vorliege. Auch sei eine entsprechende Beschlussfassung in der Einladung nicht erkennbar. Auch bezüglich Beschluss TOP 5 bemängeln sie, dass keine Alternativangebote eingeholt worden seien und verweisen auf eine bauliche Veränderung. Das Gleiche gelte für den Beschluss zu TOP 6. Insoweit verweisen die Antragsteller darauf, dass in der Einladung nur von einem Neuanstrich der Fassade die Rede gewesen sei.
Die Antragsteller beantragen,
die Beschlüsse zu TOP 2 (Entlastung des Verwalters), 3, 4, 5 und 6 der Eigentümerversammlung vom 11.03.2004 für ungültig zu erklären.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, ein Stimmrechtsausschluss für den Verwalter sei nicht gegeben, da er selbst nicht Eigentümer sei. Im Übrigen sei der Einwand der Antragsteller treuwidrig. Hinsichtlich der Gartenpflege tragen sie vor, der Garten sei in diesem Jahr durch die Fa. Jörn neu angelegt worden, so dass es sachgerecht sei, jedenfalls im laufenden Jahr die Gartenpflege noch durch diese Firma durchführen zu lassen. Vergleichsangebote seien wegen des geringen Kostenvolumens nicht erforderlich gewesen. Die Arbeiten würden im Folgejahr durch Rechnungsstellung gemäß Einzelbelegen überprüfbar sein. Hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 4, 5 und 6 verweisen sie darauf, dass diese einstimmig beschlossen worden seien. Im Übrigen sei bereits in der Eigentümerversammlung vom 04.04.2002 die Sanierung der Rückfassade und der rückseitigen Dachrinnen und Fallrohre beschlossen worden (Bl. 40 d. A).Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der gemäß § 43 Abs. 1 WEG zulässige Antrag ist lediglich hinsichtlich der Anfechtung der Beschlüsse zu TOP 2 und 6 der Eigentümerversammlung vom 11.03.2004 begründet, im Übrigen unbegründet.
1.)
Der Beschluss zu TOP 2 war für ungültig zu erklären, weil es insoweit an der erforderlichen Beschlussfähigkeit gemäß § 6 B der Teilungserklärung (Bl. 24 d.A.) bzw. § 25 Abs. 3 WEG fehlte. Denn ausweislich der Anwesenheitsliste (Bl. 13 d.A.) waren nicht 52.451/100.000-tel anwesend, sondern lediglich 41.830/100.000-tel. Zwar führt die fehlende Beschlussfähigkeit nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, jedoch ist der Beschluss anfechtbar (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Auflage, § 25 Rd,-Nr. 139 f.). Die Beschlussfähigkeit ergibt sich, weil der Vertreter Herr Rex im Hinblick auf die Beschlussfassung der Verwalterentlastung vom Stimmrecht ausgeschlossen war, was automatisch auch zu einem Stimmrechtsverbot im Hinblick auf die Vertretung der Miteigentümerin Galle führte.
Nach allgemeiner Meinung ist es dem Verwalter verwehrt, hinsichtlich des Entlastungsbeschlusses abzustimmen, wobei von der Beschlussfassung oder der Entlastung der Verwalter unabhängig davon ausgeschlossen ist, ob er selbst Eigentümer ist oder von Eigentümern zur Stimmrechtsausübung bevollmächtigt wurde (a.a.O., § 28, Rd.-Nr. 115). Bei der Meinung der Antragsgegner handelt es sich um eine nicht überzeugende Mindermeinung die mit dem Grundgedanken des § 25 Abs. 5 WEG, der über seinen Wortlaut hinaus auch die allgemeine Interessenkollision des Verwalters mit einzubeziehen hat, nicht zu vereinbaren. Deshalb kann es auch nicht darauf ankommen, dass nicht der Verwalterin als GmbH, also als juristischer Person die Vollmacht erteilt wurde, sondern ihrem Geschäftsführer, weil juristische Personen als solche überhaupt nicht handlungsfähig sind, sondern im Rechtsverkehr nur handlungsfähig sind durch ihre gesetzlichen Organe. Gesetzliches Organ einer GmbH ist der Geschäftsführer. Da Herr Rex ein solcher Geschäftsführer ist, gibt es keinen faktischen Unterschied zwischen der Bestellung der GmbH und einer persönlichen Bestellung des Herrn Rex, denn in beiden Fällen besteht eine Interessenkollision angesichts des persönlichen Interesses des Herrn Rex an der Beschlussfassung über die Entlastung der Verwalterin.
Gegen den Einwand der fehlenden Beschlussfähigkeit können die Antragsgegner nicht einwenden, dies sei treuwidrig, da keine Ansprüche ersichtlich seien. Denn wie eingangs erwähnt, ist im Falle der fehlenden Beschlussfähigkeit allein schon aufgrund der Erfordernisses der Sanktionierung auf Antrag die Ungültigkeit des Beschlusses auszusprechen. Etwas anderes gilt nur bei der Frage, ob der Entlastungsbeschluss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG entspricht. Dies ist jedoch nicht die Frage dieses Verfahrens.
Ebenfalls war wie im Tenor beschrieben aus bereits formellen Gründen der Beschluss zu TOP 6 für ungültig zu erklären, weil hinsichtlich der beschlossenen Erneuerung der Dachrinnen und Fallrohre sowie des Anstrichs der Haustür und der Kellerfenster den Anforderungen des § 23 Abs. 2 WEG nicht ausreichend Genüge getan wurde.
Gemäß § 23 Abs. 2 WEG ist es zur Gültigkeit eines Beschlusses erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist. Zwar ist es nach allgemeiner Meinung ausreichend, dass schlagwortartig die Beschlussbezeichnungen erfolgten (a.a.O., § 23, Rd.-Nr. 69). Jedoch trifft dies hier nur hinsichtlich des Fassadenanstrichs zu, nicht hinsichtlich der weiteren Nebenarbeiten. Diese hätten in der Einladung zur Erfüllung des berechtigten I Informationsinteresses der Eigentümer mitbezeichnet werden müssen. Dieses Informationsbedürfnis war auch nicht aufgrund der Versammlung vom 04.04.2004 befriedigt, da es dort um die rückseitige Sanierung ging. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich keine Bedenken bestehen, wegen der bereits aufgrund des Neuanstrichs erforderlichen Einrüstung die weiteren Maßnahmen insbesondere aus Kostengründen gleich mit auszuführen.
2.)
Im Übrigen war der Anfechtungsantrag hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 3, 4 und 5 V zurückzuweisen.
Im Gegensatz zu TOP 2 lag hinsichtlich TOP 3 eine ausreichende Beschlussfähigkeit vor, weil die betroffenen Miteigentümer Köchel, Lilienweiß-Mathias und Rohrmann nicht gemäß § 25 Abs. 5 WEG von der Stimmberechtigung ausgeschlossen waren. Denn bei der Beschlussfassung geht es nicht um die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit diesen Eigentümern, sondern um die spezielle Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Verwaltung, die gemäß § 21 Abs. 1 WEG den Eigentümern gemeinschaftlich zusteht. Es liegt kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 25 Abs. 1 1. Fall WEG vor, da hierunter insbesondere nur zu fassen sind Kaufverträge, Wertverträge, Mietverträge oder die sonstige Einräumung von Sonderrechten (a.a.O. § 25 Rd.-Nr. 100). Hier geht es lediglich um eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung, die nach Aufwand abgerechnet wird, ohne ersichtlichen finanziellen Eigennutz der betroffenen Eigentümer.
Der Einholung von Alternativangeboten bedurfte es nicht. Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots es den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, Alternativangebote einzuholen, jedoch gilt dies nur in den Fällen, wo dies sinnvoll ist. Sinnvoll ist das Einholen von alternativen Kostenangeboten, wenn es sich um Aufwendungssummen handelt, die einen nicht mehr unerheblichen Betrag erreichen. Hier geht es nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegner lediglich um wenige 100,00 EUR, so dass noch von einem unerheblichen Betrag ausgegangen werden kann. Im Übrigen entspricht es den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung auch ohne Alternativangebote jedenfalls noch dieses Jahr die Fa. Jörn mit den Arbeiten zu betrauen, da diese in diesem -Jahr die Gartenanlage neu angelegt hat und hierfür noch im Rahmen der Gewährleistung eintrittspflichtig sind und deshalb nach der Erfahrung davon auszugehen ist, dass sie kleinere Arbeiten entweder unentgeltlich oder jedenfalls preisgünstiger als andere Gärtnereibetriebe durchführen wird. Schließlich ist der Beschluss auch nicht unüberschaubar, da ganz klar ist, wer wann welche Arbeiten übernimmt. Der Aufwand wird gemäß Anfall gemäß Belegen abgerechnet, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist.
Auch der Beschluss zu TOP 4 begegnet keinen rechtlichen Bedenken, soweit die Notwendigkeit der Erneuerung der Türzylinder bestritten wird in Hinblick auf das Argument einer baulichen Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 WEG. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die erforderliche einstimmige Beschlussfassung vorliegt, wobei die Einstimmigkeit sich nur auf die bei der Versammlung Erschienenen bezieht und keine Allstimmigkeit im Sinne von § 10 Abs. 1 WEG bedeutet. Im Übrigen entspricht es den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung als Maßnahme modernisierender Instandhaltung dafür zu sorgen, dass Schließzylinder einheitlich sind, so dass es nicht darauf ankommt, dass sämtliche Zylinder nicht mehr funktionsfähig sind.
Schließlich ist auch der Beschluss zu TOP 5 nicht zu beanstanden. Auch insoweit liegt eine einstimmige Beschlussfassung vor. Soweit auch insoweit die Antragsteller monieren, dass keine weiteren Angebote eingeholt wurde, reicht dieser Vortrag für eine Ungültigkeitserklärung nicht aus, da nicht schlüssig dargelegt worden ist, dass das Wirtschaftlichkeitsverbot verletzt wurde. Denn es ist nicht ersichtlich, dass zu erwarten gewesen wäre, dass andere Firmen die fragliche Sprechanlage zu einem deutlich geringeren Preis anbieten und einbauen.
3.)
Die Kostenentscheidung folgt gemäß § 47 WEG. Danach haben gemäß der Billigkeit die Beteiligten gesamtschuldnerisch nach dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens die Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen gilt der allgemeine Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbarkeit, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.