Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 27.01.2004, Az.: 12 A 550/03
Abschiebungshindernis; allgemeine Gefahr; Erkrankung; Kosovo; Mittellosigkeit; Montenegro; Posttraumatische Belastungsstörung; psychische Erkrankung; PTBS; Roma; Serbien; Suizid
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 27.01.2004
- Aktenzeichen
- 12 A 550/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50586
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 53 Abs 6 S 2 AuslG
- § 53 Abs 6 S 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Schwerwiegende psychische Erkrankungen, zu deren Behandlung eine psychotherapeutische Behandlung zwingend erforderlich ist, können im Kosovo im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge nicht hinreichend medizinisch behandelt werden.
Zwar können schwerwiegende psychische Erkrankungen in Serbien und Montenegro (außerhalb des Kosovo) grundsätzlich hinreichend medikamentös und psychotherapeutisch behandelt werden, indes stehen mittellosen Angehörigen ethnischer Minderheiten aus dem Kosovo diese Behandlungsmöglichkeiten in der Regel de facto nicht offen.
Die Gefahren, die psychisch Erkrankten wegen der unzureichenden medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo drohen, stellen keine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG dar.
Zur Abgrenzung zwischen § 53 Abs. 6 S. 1 und S. 2 AuslG bei Gefahren eines Erkrankten wegen unzureichender medizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat infolge fehlender finanzieller Mittel.
Tatbestand:
Die im Februar 1962 in Prizren ( Perzeren ) in der serbischen Provinz Kosovo geborene Klägerin ist serbisch-montenegrinische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben Angehörige der Gruppe der (albanisierten) Roma. Sie reiste zusammen mit ihrem Ehemann und den zwei gemeinsamen minderjährigen Kindern im Mai 1992 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Sie beantragte zusammen mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern am 15. Juni 1992 Asyl. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 22. November 1993 gaben die Klägerin und ihr Ehemann im Wesentlichen an, sie gehörten der Volksgruppe der Albaner aus dem Kosovo an und hätten bis zur Flucht in Prizren ( Perzeren ) gelebt. Die Klägerin gab als Grund für ihre Flucht an: Sie sei von der Polizei beschimpft und geschlagen worden, weil ihr Ehemann sich dem Militärdienst entzogen habe. Sie und ihr Ehemann hätten weder am Bürgerkriegsgeschehen aktiv teilgenommen noch seien sie infolgedessen erheblich verletzt worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes bei der Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge wird auf die Niederschrift (Bl. 22 ff. der Beiakte A, Az.: 1377080) verwiesen. Die gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. Dezember 1993 erhobene Klage blieb erfolglos (Urteil der Kammer vom 28. Mai 1996, Az.: 12 A 2400/94).
Auch der Asylfolgeantrag vom 10. Mai 1999, mit dem die Klägerin im Wesentlichen geltend machte, dass ihr als albanische Volkszugehörige Verfolgung im Kosovo drohe, blieb ohne Erfolg. Die gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 6. Oktober 1999 erhobene Klage wies die Kammer mit Urteil vom 20. März 2001 - Az.: 12 A 3741/99 - ab.
Die Klägerin stellte am 13. März 2002 einen Antrag auf Wiederaufgreifen der Entscheidung zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG. Sie machte geltend, sie sei krank und könne als Angehörige der Gruppe der (albanisierten) Roma mangels ausreichender Versorgung nicht in den Kosovo zurückkehren. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung bestehe die konkrete Gefahr eines erneuten Suizidversuches. Sie sei vom 5. November bis 30. November 2001 im Kreiskrankenhaus Norden (Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie) stationär behandelt worden; insoweit verweise sie auf den Bericht des Kreiskrankenhauses vom 9. Januar 2002. Hiernach liege eine mittelgradige depressive Episode sowie eine posttraumatische Belastungsstörung mit primär nächtlichen Angst- und Unruhezuständen vor. Weiter nahm sie Bezug auf eine ärztliche Bescheinigung des Dr. V. (Facharzt für Innere Medizin, Chirotherapie) vom 12. Februar 2002, der ausführt, die Klägerin habe mehrere Suizidversuche unternommen. Die Ursachen lägen in der schweren Traumatisierung durch die Verfolgung im Kosovo, durch die Sorge um ihre dort lebenden Angehörigen und in der Angst vor einer ungewissen Zukunft. Sie hätte im Kosovo mit ihrer Familie Ausgrenzung ihrer ganzen Volksgruppe erlebt. Familienmitglieder hätten ihre Arbeit verloren und seien grob im Alltag von der Polizei behandelt worden. Ihr Kind wäre geschlagen und ihr Ehemann, der sich politisch betätigt hätte, wäre verfolgt worden. Die Behandlung erfolge medikamentös durch eine hohe Dosis an Psychopharmaka (Stangyl und Atosil ). Eine intensive fachpsychiatrische und hausärztliche Behandlung sei aufgrund des labilen psychischen Zustandes der Klägerin und aufgrund einer latenten Suizidalität bis auf Weiteres unabdingbar. Ferner reichte die Klägerin eine Bescheinigung des Kreiskrankenhauses Norden vom 18. Februar 2002 im Hinblick auf den stationären Aufenthalt vom 28. November 1997 bis 1. Dezember 1997 ein. Dort wird bescheinigt, dass die damalige Einweisung erfolgt sei, weil ein akuter Verdacht eines erneuten Suizids bestanden habe. Im Vordergrund der Problematik hätten „matrimoniale Konflikte“ gestanden. Der psychopathologische Befund habe bei der Aufnahme eine wache, orientierte, in Aufmerksamkeit und Gedächtnis unauffällige, in ihrer Affektivität weinerlich-verstimmte Patientin gezeigt, die bei Thematisierung der häuslichen Verhältnisse einsilbig gewesen sei. Der kurze klinische Aufenthalt sei von Anfang an von einer Ambivalenz zwischen Annahme der Hilfe und deren Zurückweisung geprägt. Es sei wiederholt zu ärztlichen Gesprächen über dieses Thema gekommen. Inhaltlich seien dabei immer wieder matrimoniale Konflikte gestreift worden. Außerdem sei zur Sprache gekommen, dass die Duldung des Aufenthalts jeweils nur um drei Monate verlängert worden sei, so dass hinsichtlich des Endes des Aufenthaltes in Deutschland Ungewissheit bestanden habe. Neben den ärztlichen Gesprächen und denen mit dem Bezugspersonal habe die Klägerin immer wieder Telefonate mit ihrem Ehemann geführt, nach denen sie wiederholt recht unruhig gewesen sei und in zumindest einer Nacht sehr schlecht geschlafen habe. Die Klägerin habe sich, bevor das übliche Therapieprogramm hätte greifen können, entlassen lassen. Diagnostisch sei eine Anpassungsstörung mit im Vordergrund stehenden psychosozialen Ursachen angenommen worden. Weiter reichte die Klägerin eine Bescheinigung der Dipl.-Psychologin V. vom 29. Oktober 2002 ein. Hiernach habe seit März 2002 eine psychotherapeutische Behandlung stattgefunden. Die Klägerin sei 1995, nach einem angedrohten Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim, in dem sie gewohnt habe, erkrankt. Die Symptome, unter denen sie leide, seien Angst, Hilflosigkeitskognitionen mit folgender Lähmung ihrer Handlungsfähigkeit, Bauch-, Kopf-, Brust- und Gliederschmerzen und ein anfallsartiges Kribbeln im Körper. Eine Unterbrechung der Behandlung würde eine Verschlechterung der Symptomatik unmittelbar nach sich ziehen, so dass sie zum Mittel der Tablettenvergiftung greifen würde, wie schon früher geschehen.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 6. Februar 2003 den Antrag auf Änderung des Bescheides vom 20. Dezember 1993 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die geltend gemachte Erkrankung sei seit Längerem bekannt gewesen, so dass die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG bei Weitem überschritten sei. Auch rechtfertige sich eine Änderung der Feststellung zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht nach den §§ 51 Abs. 5 in Verbindung mit §§ 48, 49 VwVfG, weil die Klägerin nicht ausreichend nachgewiesen habe, dass die geltend gemachte Erkrankung einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einer depressiven Episode aufgrund einer Vorverfolgung im Kosovo beruhe. Die eingereichten fachärztlichen Stellungnahmen und Bescheinigungen seien inhaltlich ungeeignet. Sie würden nicht ansatzweise erkennen lassen, dass der gesamte Sachverhalt in irgendeiner Weise gewürdigt oder durchdrungen worden sei.
Die Klägerin hat am 17. Februar 2003 Klage erhoben. Sie macht ergänzend geltend, sie leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Kosovo nicht ausreichend behandelt werden könne. Im Hinblick auf die Erkrankung verweist sie auf den Bericht des Kreiskrankenhauses Norden vom 9. Januar 2002 und des Arztes Dr. V. vom 12. Februar 2002. Sämtliche jüngeren Atteste gingen übereinstimmend von einer posttraumatischen Belastungsstörung aus. Ferner werde auch in den Attesten der Dip.-Psychologin V. vom 15. April 2003 und 23. Januar 2004 bestätigt, dass seit März 2002 regelmäßig eine psychotherapeutische Behandlung erfolge. Zudem habe sie nach einem Suizidversuch mit Psychopharmaka vom 7. September bis 28. Oktober 2003 stationär behandelt werden müssen; insoweit verweist sie auf Bescheinigungen des Kreiskrankenhauses Norden vom 10. und 27. Oktober 2003.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 6. Februar 2003 zu verpflichten festzustellen, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in dem Verfahren unter dem Aktenzeichen 12 A 3741/99, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge sowie der in der Erkenntnismittelliste (Bl. 54 ff. der Gerichtsakte) aufgeführten und der weiteren in das Verfahren eingeführten Unterlagen (Bl. 81 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 6. Februar 2003 ist hinsichtlich der Feststellung zu § 53 Abs. 6 AuslG rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, unter Abänderung der Feststellung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu § 53 AuslG mit Bescheid vom 20. Dezember 1993 festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG in ihrer Person bezogen auf Serbien und Montenegro vorliegen. Dabei ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage wegen der Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylVfG auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen.
Die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG liegen zugunsten der Klägerin bezogen auf Serbien und Montenegro vor.
Diese Vorschrift setzt eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit für den betreffenden Ausländer voraus. Allgemeine Gefahren, die nicht nur dem betreffenden Ausländer, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen (§ 53 Abs. 6 S. 2 AuslG), begründen jedoch auch dann keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG, wenn sie den Ausländer konkret und individualisierbar betreffen
(vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 6.95 -, BVerwGE 99, 324, 328; Urteil vom 18. März 1998 - 9 C 36.97 -, juris; Urteil vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 -, NVwZ 1998, 973; Urteil vom 8. Dezember 1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2/01 -, BVerwGE 114, 379; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115,1).
Das Vorliegen einer individuellen erheblichen konkreten Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG begründet noch kein zwingendes Abschiebungshindernis. Diese Vorschrift ermächtigt die Ausländerbehörde lediglich, von der Abschiebung in den Staat, in dem die Gefahren drohen, nach pflichtgemäßem Ermessen abzusehen. Handelt es sich um allgemeine Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG, so wird dieses Ermessen durch die obersten Landesbehörden gemäß § 54 AuslG mittels der Anordnung eines allgemeinen Abschiebestopps ausgeübt. Solche Abschiebestopp-Erlasse sind wegen ihrer weitreichenden Folgewirkungen als politische Grundsatzentscheidungen allein in das Ermessen der Innenministerien des Bundes und der Länder gestellt, so dass subjektive einklagbare Rechte einzelner Ausländer grundsätzlich ausgeschlossen sein sollen
(vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1995 - 9 C 6.95 -, vom 18. März 1998 - 9 C 36.97 -, vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 -, vom 8. Dezember 1998 - 9 C 4.98 -, vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, a.a.O.).
Damit ist § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG in einem Verfahren eines einzelnen Ausländers dann nicht anzuwenden, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht. Nur dann, wenn dem einzelnen Ausländer keine Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1, 2, 3, 4 oder Abs. 6 S. 1 zustehen, er aber gleichwohl ohne Verletzung höherrangigen Verfassungsrechts nicht abgeschoben werden darf, ist bei verfassungskonformer Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG im Einzelfall Schutz vor der Durchführung der Abschiebung nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zu gewähren. Das ist der Fall, wenn die obersten Landesbehörden trotz einer extremen allgemeinen Gefahrenlage, die jeden einzelnen Ausländer im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausliefern würde, von ihrer Ermessensermächtigung aus § 54 AuslG keinen Gebrauch gemacht haben, einen generellen Abschiebestopp zu verfügen. In einem solchen Fall gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, dem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach § 53 Abs. 6 S. 2, § 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zu gewähren
(vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1995 - 9 C 6.95 -, a.a.O., vom 19. November 1996 - 1 C 6.91 -, BVerwGE 102, 249, 258, vom 2. September 1997 - 9 C 14.96 -, BVerwGE 105, 187, 192, vom 18. März 1998 - 9 C 36.97 -, vom 8. Dezember 1998
- 9 C 4.98 - und vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, - 1 C 5.01 -, a.a.O.).
Diese qualifizierten Anforderungen an die Rechtsgutbeeinträchtigung rechtfertigen sich aus der nur eingeschränkten verfassungsrechtlichen Verantwortung der deutschen öffentlichen Gewalt für Grundsrechtsgefährdungen, die sich für einen Ausländer als Folge einer Abschiebung im Zielstaat ergeben. Die Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG des Ausländers muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 1996 - 1 C 6.91 -, a.a.O. und Beschluss vom 18. Juli 2001 - 1 B 71.01 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46; Nds. OVG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 12 L 748/99 -, V.n.b.).
Des Weiteren kann ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nur festgestellt werden, wenn derartige Gefahren landesweit drohen. Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift kommt daher nicht in Betracht, wenn in einem - für den betroffenen Ausländer erreichbaren - Teil seines Herkunftslandes Gefahren im angeführten Sinne nicht drohen (BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 6,95 -, a.a.O. und Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 1 B 339.02 -, juris).
Festzustellen ist demnach zunächst eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Droht eine derartige Gefahr nicht nur den betreffenden Ausländer, sondern der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe, müssen für den zu gewährenden Abschiebeschutz die weiteren Voraussetzungen vorliegen.
Ein individuelles Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG kann sich aus der Gefahr ergeben, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Da § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG das Vorliegen einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben voraussetzt, müsste bei einer Rückkehr in das Herkunftsland eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten sein. Dies ist zu bejahen, wenn sich der Gesundheitszustand wegen fehlender Behandlungsmöglichkeit wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert. Konkret wäre die Gefahr, wenn diese Verschlechterung der Gesundheit alsbald nach Rückkehr der Ausländers in seinen Herkunftsstaat einträte, weil er auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seines Leidens angewiesen ist und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen kann
(vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, BVerwGE 105, 383; Urteil vom 15. Oktober 1999 - 9 C 7/99 -, Buchholz 402.240, § 53 AuslG, Nr. 24).
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht bereits dann vor, wenn die in Deutschland verfügbaren (ggf. den Patienten schonenderen) medizinischen Behandlungsmaßnahmen und -methoden im Zielland nicht möglich sind bzw. zur Verfügung stehen, die Erkrankung nach den dort üblichen medizinischen Methoden aber angemessen behandelt werden kann. Der in § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG geregelte Abschiebungsschutz gewährleistet nicht, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland geeignet sein müssten, eine bestehende Erkrankung optimal zu versorgen oder gar auszuheilen. Schutz vor Abschiebung nach dieser Norm ist nur dann zu gewähren, wenn infolge der Abschiebung konkrete Gefahren für Leib und Leben erwachsen, d.h. sich der gegenwärtige Gesundheitszustand im Falle einer Rückführung in den Zielstaat wesentlich verschlechtern würde. Dies wäre zu verneinen, wenn der - bereits angegriffene - Gesundheitszustand im Wesentlichen unverändert bliebe. Einen allgemeinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschrift und Standard in der medizinischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gewährt § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG nicht.
Ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG ist für die Fälle zu bejahen, in denen eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Herkunftsstaat - etwa wegen des geringen Versorgungsstandards - generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Steht eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung, ist sie dem betroffenen Ausländer aber individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich, liegt eine unter § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG fallende zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben vor (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, DVBl. 2003, 463 = AuAS 2003, 106; Hess. VGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 9 E 34260/94.A -, V.n.b.).
Die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG tritt nach der angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber dann ein, wenn die Nichterreichbarkeit der medizinischen Versorgung den einzelnen Ausländer betrifft, weil er einer Bevölkerungsgruppe angehört, die den sich aus einer eingeschränkten medizinischen Versorgungslage ergebenden Gefahren ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1998 - 9 C 36/97 -, juris).
Wenn sich also eine individuelle Gefährdung eines Ausländers aus einer allgemeinen, eine Bevölkerungsgruppe betreffenden Gefahr, wie etwa eine eingeschränkte medizinische Versorgungslage, ergibt, kann diese auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber gleichwohl insgesamt nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 9 C 4/98 -,
BVerwGE 108, 77).
Nach Maßgabe dessen liegen bei der Klägerin die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beklagten, Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG festzustellen, vor. Es ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat alsbald wesentlich verschlechtern wird, so dass eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben zu befürchten ist.
Zwar bestehen Zweifel, ob die Klägerin tatsächlich unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet:
Bei einer posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich nämlich um eine komplexe psychische Erkrankung. Nach dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (International Classification of Desease , 10. Fassung - ICD-10 F 43.1) und nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Fassung (DSM IV) handelt es sich hierbei um eine verzögerte akute oder chronische psychische Störung (Reaktion) auf ein außergewöhnlich belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes, das bei fast jedem eine tiefe Verzweifelung hervorrufen würde. Solche Belastungsreaktionen können durch unterschiedliche Situationen oder Ereignisse ausgelöst werden. Typische Merkmale der Erkrankung sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, flashbacks) oder in Träumen, vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubsein und emotionaler Stumpfheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Anhedonie (Verlust der Lebensfreude) sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Selten kommt es zu dramatischen akuten Ausbrüchen von Angst, Panik oder Aggression, ausgelöst durch ein plötzliches Erinnern und intensives Wiedererleben des Traumas oder der ursprünglichen Reaktion darauf. Gewöhnlich tritt ein Zustand vegetativer Übererregtheit mit Steigerung der Vigilanz (Wachsamkeit / Aufmerksamkeit), einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit auf. Angst und Depressionen sind häufig mit den angeführten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Die Störung folgt dem Trauma mit einer Latenz, die Wochen bis Monate dauern kann (doch selten mehr als sechs Monate nach dem Trauma). Der Verlauf der Erkrankung ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. Bei wenigen Patienten nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine dauernde Persönlichkeitsveränderung über (ICD-10 F62.0). Nach den diagnostischen Leitlinien zu ICD-10 F 43.1 soll diese Störung nur dann diagnostiziert werden, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach einem traumatisierenden Ereignis von außergewöhnlicher Schwere aufgetreten ist. Eine „ ‚wahrscheinliche’ Diagnose“ kann auch dann gestellt werden, wenn der Abstand zwischen dem Ereignis und dem Beginn der Störung mehr als sechs Monate beträgt, vorausgesetzt, die klinischen Merkmale sind typisch und eine andere Diagnose scheidet aus (vgl. ICD-10, Kapitel V, F 43.1 nebst Diagnostische Leitlinien und DSM IV; Dr. Herdemarten, Rheinische Kliniken Essen - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Essen vom 25. August 2003 an VG Düsseldorf).
In einer Stellungnahme der Christoph-Dornier-Klinik wird ausgeführt, dass im Verlauf der Erkrankung in den meisten Fällen die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung sofort bis wenige Tage nach dem traumatischen Ereignis aufträten. Ein verzögerter Beginn finde sich bei höchstens jedem 10. Erkrankten. Innerhalb eines Jahres komme es bei etwa der Hälfte der Erkrankten zu einer sogenannten Spontanremission (hierunter sei die langsame Rückbildung der Symptome zu verstehen, ohne dass ärztliche Hilfe in Anspruch genommen worden sei). Bei einem chronifizierten Verlauf werde die Symptomatik zum täglichen Begleiter des Betroffenen (Christoph-Dornier-Klinik für Psychologie, Münster 2001).
Dementsprechend geht es bei einer posttraumatischen Belastungsstörung - anders als bei allein somatisch-medizinischen Erkrankungen, wo äußerlich feststellbare objektive Befundtatsachen im Mittelpunkt stehen - um ein inner-psychisches Erlebnis, dass sich einer bloßen Feststellung äußerlich-objektiver Befundtatsachen weitgehend entzieht. Für eine zutreffende Diagnose ist der Arzt darauf angewiesen, die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Patienten zu prüfen. Dementsprechend kommt es maßgeblich auf die Glaubhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit eines geschilderten inneren Erlebnisses und der zugrunde liegenden faktischen äußeren Erlebnistatsachen an. Hieraus ergeben sich entsprechende Anforderungen an das ärztliche Vorgehen, die ärztliche Diagnostik und die ärztliche Therapie. Dies erfordert regelmäßig einen längeren Zeitraum der Befassung des entsprechend ausgebildeten Arztes mit dem Patienten, um tragfähige Aussagen zur posttraumatischen Belastungsstörung (Ursachen, Auswirkungen und notwendige Behandlung) machen zu können (vgl. Lösel/Bender „Qualitätssicherung psychologisch-psychiatrischer Begutachtung im Asylverfahren", Asylpraxis Bd. 7 S. 175 ff., 198; vgl. auch H. Sona, fachärztliches Gutachten an VG Düsseldorf vom 24. Juli 2003, S. 27 ff. und Dr. Augustin-Reuss, Gutachten an VG Düsseldorf vom 11. August 2003, S. 32; Dr. Gierlichs u.a. (Projektgruppe SBPM), Standards zur Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen; VG München, Urteil vom 4. Dezember 2000 - M 30 K 00.51692 - NVwZ-RR 2002, 230; VG Sigmaringen, Urteil vom 8. Oktober 2003 - A 7 K 12635/02 -, Asylmagazin 1-2/2004, 38; VG Augsburg, Beschluss vom 2. September 2002 - Au 4 E 02.30712 -, AuAS 2002, 251).
Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass Unvollständigkeiten, Widersprüchlichkeiten und Steigerungen im Vorbringen des Betroffenen für das Krankheitsbild einer posttraumatischen Belastungsstörung typisch sind und gerade Folge der Erkrankung sein können
(vgl. Nds. OVG, Urteil vom 26. November 2002 - 2 LB 19/02 -, V.n.b. mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Lösel/Bender, a.a.O., S. 199; Haenel, Zur Begutachtung psychisch reaktiver Traumafolgen, ZAR 2003, 18 ff.).
Der Ausländer, der an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken hat (§ 15 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, § 70 Abs. 1 AuslG, § 86 Abs. 1 Hs. 2 VwGO), trägt die Darlegungs- und Beweislast für die von ihm als Abschiebungshindernis geltend gemachte Erkrankung. Im Asylfolgeverfahren ist es weder Aufgabe des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge noch des Verwaltungsgerichtes, den Sachverhalt zu den Voraussetzungen des Wiederaufgreifens durch Einholung von Sachverständigengutachten weiter zu erforschen. Hinsichtlich der Wiederaufgreifensgründe gilt vielmehr der Beibringungsgrundsatz, nach dem es nicht Aufgabe der zuständigen Behörde oder des Gerichtes ist, einem möglicherweise in Betracht kommenden Wiederaufnahmegrund nachzugehen. Vielmehr ist der Ausländer gehalten, die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen nach § 71 Abs. 3 AsylVfG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG schlüssig und glaubhaft darzulegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. März 2000 - 14 S 2443/98 -, ESVGH 50, 306 = AuAS 2000, 152 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 1989 - 9 B 320.89 -, Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 24 = NVwZ 1990, 359; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. März 2000 - 2 BvR 39/98 -, DVBl. 2000, 1048; Middeke, DVBl. 2004, 150).
Soweit ein Asylbewerber in einem Asylfolgeverfahren ein Abschiebungshindernis im Zusammenhang mit einer posttraumatischen Belastungsstörung geltend macht, hat er eine konkrete erhebliche Gefährdung für Leib und Leben - ggf. infolge einer unzureichender medizinischen Versorgung im Zielland - schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen.
Hierzu hat er eine substantiierte und hinreichend detaillierte fachärztliche Bescheinigung vorzulegen, die sich nicht allein in der bloßen Feststellung der Erkrankung erschöpft, sondern unter anderem nachvollziehbare Aussagen über Ursachen und Auswirkungen der Erkrankung macht und Feststellungen zum bisherigen und weiteren Verlauf der Behandlung enthält. Auch bezogen auf das methodische Vorgehen des Arztes und die Darstellung muss die Bescheinigung nachvollziehbar sein. Ferner muss der Bescheinigung entnommen werden können, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Feststellungen und Diagnosen getroffen hat, d.h. die näheren Befundtatsachen müssen dargelegt werden.
Nach Auffassung der Kammer ist eine ärztliche Stellungnahme zur Glaubhaftmachung einer Gefährdung infolge posttraumatischer Belastungsstörung nicht geeignet, wenn sie allein auf vom Arzt nicht weiter überprüften und möglicherweise nicht überprüfbaren Angaben des Ausländers beruht. Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Betroffene häufig ein Interesse an der Feststellung der Krankheit hat, um die Abschiebung zu verhindern. Für denjenigen, der festzustellen hat, ob die geltend gemachte Krankheit objektiv vorhanden ist, darf es deshalb ein ungeprüftes Vertrauen in die Angaben des Betroffenen bis zur Feststellung des Gegenteils nicht geben (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 4. November 2003 - 15 A 5193/00.A -, V.n.b.).
Ob und unter welchen Voraussetzungen der Betroffene seine bisherigen nach diesen Grundsätzen nicht glaubhaften Darlegungen ergänzen kann oder ob das Gericht von Amts wegen Anlass sieht, den Sachverhalt weiter aufzuklären, bleibt dem jeweiligen Einzelfall überlassen. Auch bei Nichtnachweisbarkeit einer bestimmten Art einer psychischen Erkrankung - beispielsweise einer posttraumatischen Belastungsstörung - kann eine psychische Krankheit gleichwohl nachgewiesen sein. Auch dann ist es eine Frage des Einzelfalles, welche Bedeutung psychische Störungen, die etwa in migrationbedingten Anpassungsstörungen begründet sind oder genetischer Art sind, bei der Frage haben, ob zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vorliegen.
Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin gegenüber ihrem behandelnden Arzt und damit an der Richtigkeit seiner Feststellungen zur posttraumatischen Belastungsstörung bestehen deshalb, weil die Ausführungen zu dem das Trauma auslösenden Ereignis widersprüchlich sind. So wird im Hinblick auf die Behandlung im Kreiskrankenhaus im November 1997 wegen des Verdachtes eines erneuten Suizids als Grund für die Erkrankung „matrimonielle Konflikte“ angeführt; ebenso sei der ungeklärte Aufenthaltsstatus angesprochen worden. Bezogen auf den Krankenhausaufenthalt im November 2001 wird eine posttraumatische Belastungsstörung aufgrund quälender Erinnerungen aus Zeiten der Verfolgung im Kosovo sowie Sorgen um Angehörige angeführt, ohne dies näher auszuführen. In dem Attest des Dr. V. vom 12. Februar 2002 werden die Diagnosen des Kreiskrankenhauses Norden wiederholt und ergänzt, die Traumatisierung sei durch die Verfolgung im Kosovo ausgelöst worden. Sie habe im Kosovo mit ihrer Familie Ausgrenzung ihrer ganzen Volksgruppe erlebt. Familienmitglieder hätten ihre Arbeit verloren und seien von der Polizei grob behandelt, ihr Kind sei geschlagen worden. Auch habe sich ihr Ehemann politisch betätigt und sei deshalb verfolgt worden, so dass man sich zur Flucht entschieden habe. Demgegenüber haben die Klägerin und ihr Ehemann bei der Anhörung am 22. November 1993 als Grund für ihre Flucht die Einberufung zum Militärdienst angeführt; die Klägerin ergänzte, sie sei nach der Flucht ihres Ehemannes von bewaffneten Polizisten beschimpft und geschlagen worden. Die Klägerin und ihr Ehemann verneinten Verhaftungen seitens der Polizei und haben nicht von sonstigen staatlichen Repressalien - insbesondere aufgrund eines politischen Engagements - in der Zeit vor ihrer Ausreise berichtet. Die vom Kreiskrankenhaus Norden und Dr. V. angeführten Ursachen für die Traumatisierung werden von der zuletzt behandelnden Dipl.-Psychologin V. vom 29. Oktober 2002 nicht bestätigt. Sie führt vielmehr an, die Klägerin sei erst 1995 nach einem angedrohten Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Deutschland psychisch erkrankt.
Nach Auffassung des Gerichts ist den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen, dass ein einzelnes außergewöhnlich belastendes Ereignis und eine solche Situation Ursache der psychischen Erkrankung ist. Es sind vielmehr verschiedene Ursachen heranzuziehen. Dabei ist anzunehmen, dass die Klägerin mal die eine und dann die andere Ursache betont und diese - offenbar ohne näheres Nachfragen - den ärztlichen Diagnosen zugrunde gelegt wird.
Aufgrund der in den angeführten ärztlichen Bescheinigungen dokumentierten Symptome, vor allem der über einen längeren Zeitraum wiederholt festgestellten Suizidalität der Klägerin, einschließlich der getroffenen Diagnosen, ist das Gericht aber davon überzeugt, dass unabhängig von den Ursachen und der exakten medizinischen Einordnung der Erkrankung eine erhebliche psychische Erkrankung der Klägerin gegeben ist. So befand sich die Klägerin vom 5. bis 30. November 2002 und zuletzt nach einem weiteren Suizidversuch (Tablettenvergiftung) vom 7. September bis 28. Oktober 2003 in stationärer Behandlung der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kreiskrankenhauses Norden. In einem solchen Einzelfall beruhen die insoweit übereinstimmenden ärztlichen Diagnosen nicht allein auf Angaben der Klägerin. Ihnen liegen auch äußerlich erkennbare objektive Befundtatsachen zugrunde. Unabhängig von den Ursachen liegt somit eine noch andauernde behandlungsbedürftige psychische Erkrankung der Klägerin vor.
Bezogen auf den Kosovo kann die psychische Erkrankung der Klägerin, die das Gericht aufgrund der wiederholt und über einen längeren Zeitraum festgestellten Suizidalität als schwerwiegend erachtet, unter Zugrundelegen der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel nicht ausreichend medizinisch behandelt werden, um erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben der Klägerin abzuwenden.
Zwar ist die allgemeine medizinische Grundversorgung wie auch die Versorgung in akuten Notfällen für jedermann im Kosovo grundsätzlich gewährleistet, wenn auch nach wie vor komplizierte Behandlungen oder operative Eingriffe nur begrenzt möglich sind.
Durch die gewalttätigen Auseinandersetzungen bis 1999 wurde der Gesundheitssektor des Kosovo schwer in Mitleidenschaft gezogen (SFH an VG Schleswig vom 30. März 2000; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27. November 2002).
Die Wiederherstellung der medizinischen Grundversorgung ist vordringlich und deren Umsetzung dauert weiterhin an. Dementsprechend sind zwar die Möglichkeiten, im Kosovo komplizierte Behandlungen oder operative Eingriffe vorzunehmen, noch sehr begrenzt. Indes sind Fortschritte bei der medizinischen Grundausstattung der regionalen Hospitäler zu verzeichnen, wobei aber auch Fälle von Korruption und andere Unregelmäßigkeiten berichtet werden. Auch in ländlichen Gebieten ist die medizinische Infrastruktur in den vergangenen Jahren verbessert und es sind besondere medizinische Einrichtungen für Minderheitenangehörige zur Verfügung gestellt worden. Die medizinische Grundversorgung und die Versorgung in akuten Notfällen ist grundsätzlich gewährleistet (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 4. Juni 2002 und 27. November 2002; vgl. auch UNHCR an VG Würzburg vom 31. Juli 2003 und an VG Bayreuth vom 5. März 2003; BAFL an VG Wiesbaden vom 29. Oktober 2002; Komitee Cap Anamur an VG Wiesbaden vom 12. Februar 2002).
Erhebliche Schwierigkeiten bereitet aber noch die medizinische Versorgung von Angehörigen ethnischer Minderheiten. Auch hier sind zwar leichte Verbesserungen im Bereich der primären Gesundheitsversorgung zu verzeichnen und eine Basisversorgung kann in den meisten Fällen gewährleistet werden. Der Zugang zu den Gesundheitsdiensten ist dabei aber abhängig von der Bewegungsfreiheit der Minderheitenangehörigen, die stark nach Region, Sprachkenntnissen und der jeweiligen Minderheitengruppe variiert. Der Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen hat sich für Minderheitenangehörige in den vergangenen Jahren nicht durchgängig verbessert (SFH vom 2. April 2003; vgl. auch UNHCR an VG Würzburg vom 31. Juli 2003 und an VG Bayreuth vom 5. März 2003; UNHCR vom Januar 2003; UNHCR und OSZE, Zehnte Beurteilung der Situation ethnischer Minderheiten im Kosovo für den Zeitraum Mai bis Dezember 2002; Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie Pristina vom 6. September 2002; GfbV vom Juni 2002).
Auch kommt es nach den Erfahrungen des UNHCR regelmäßig zu gravierenden Benachteiligungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten bei der Gesundheitsversorgung. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Angehörige der Gruppe der Roma einen gleichberechtigten und gesicherten Zugang zu medizinischen Diensten erlangen könnten (UNHCR an VG Würzburg vom 31. Juli 2003 und an VG Bayreuth vom 5. März 2003).
Auch nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist die medizinische Grundversorgung für Minderheitenangehörige weiterhin sehr problematisch. Jedoch würden ethnische Roma von serbischen Ärzten und in serbischen Krankenhäusern kostenlos und auf zufriedenstellendem Niveau medizinisch versorgt, wobei jedoch häufig die Mittel für verordnete Medikamente fehlten. Ashkali und Ägypter nähmen vorwiegend das albanische Gesundheitssystem in Anspruch, dessen Versorgungsniveau niedriger als das serbische und mit Kosten verbunden sei. Dabei ist dem Bericht der GfbV ebenfalls zu entnehmen, dass die Möglichkeiten medizinischer Versorgung regional sehr unterschiedlich sind: So bestünden in Kosovo Polje (Fushekosovë) und Podujevo (Podjevë) keine Behandlungsmöglichkeiten und ethnische Roma würden vom albanischen Arzt abgewiesen werden. In Lipljan (Lipjan) würden demgegenüber alle Bevölkerungsgruppen in serbischen Krankenhäusern behandelt. Ebenso gebe es in Prizren (Perzeren), Vitina (Viti), Suva Reka (Sukarekë), Decani (Deçan) keine Probleme mit den dort tätigen albanischen Ärzten (GfbV vom Oktober 2003 - Recherche Paul Polansky).
Zusammenfassend ist danach die allgemeine medizinische Versorgung weiterhin als problematisch anzusehen, wobei nach den vorstehenden Ausführungen erhebliche Probleme insbesondere bei der Behandlung komplizierter Erkrankungen bzw. bei solchen Behandlungen bestehen, die besondere technische Ausstattungen und entsprechend qualifizierte Fachärzte erfordern. Indes hat die medizinische Ausstattung der fünf größten Spitäler sowie der Ausbau der verschiedenen Abteilungen in den vergangenen Jahren aufgrund internationaler Hilfe weiterhin Fortschritte macht. Auch wurde die medizinische Infrastruktur im ländlichen Raum verbessert.
Dagegen sind psychische Erkrankungen nach den vorliegenden Erkenntnismitteln im Kosovo weiterhin nur eingeschränkt behandelbar, wobei sich die Behandlung im Regelfall auf eine medikamentöse Behandlung beschränkt.
Es wird berichtet, dass in Nachkriegsgebieten wie dem Kosovo mit einer deutlichen erhöhten Rate von ca. 7 bis 10 v.H. der Bevölkerung an psychisch Kranken, die einer Behandlung bedürfen, zu rechnen sei (Schlüter-Müller, Sachverständigengutachten an VG Frankfurt a.M. vom 29. Juli 2003).
Zur Versorgung psychisch Erkrankter führt das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo aus, dass es in den Krankenhäusern in Pristina (Prishtinë), Prizren (Perzeren), Pec (Pejë), Ðjakovica (Gjakovë) und Mitrovica (Mitrovicë) psychiatrische Abteilungen gebe. Die Therapie erfolge regelmäßig medikamentös und sei kostenlos. Eine psychotherapeutische Gesprächstherapie könne im Kosovo nicht durchgeführt werden. Posttraumatische Belastungsstörungen würden mit dem Medikament Haloperidol behandelt werden (Deutsches Verbindungsbüro Kosovo an VG Frankfurt a.M. vom 6. Februar 2002, an VG Freiburg vom 11. Februar 2002, an VG Schwerin vom 11. März 2002, an VG Frankfurt (Oder) vom 6. August 2002, an VG Arnsberg vom 30. August 2002 und an VG Wiesbaden vom 12. September 2002; vgl. auch KIP vom 20. August 2002; Deutsche Botschaft Belgrad an VG Aachen vom 12. August 2003).
Nach dem ausführlichen Gutachten von Dr. Schlüter-Müller gibt es im Kosovo nur eine sehr schwache psychiatrische Grundversorgung. So stünden sieben ambulante neuro-psychiatrische Dienste zur Verfügung. Die Behandlung erfolge ausschließlich medikamentös; der Prävention komme keine Bedeutung zu. Im Kosovo arbeiteten lediglich zwei Psychologen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Der Großteil der Neuro-Psychiater arbeitete ebenfalls mit diesem Störungsbild, ohne dafür jedoch eine Ausbildung zu haben. Die Zustände in der Psychiatrie im Kosovo seien „unbeschreiblich schrecklich“. Daneben stehe nur eine sehr begrenzte Zahl von Medikamenten zur Verfügung, die häufig selbst bezahlt werden müssten. So seien verschiedene Neuroleptika (Largactil, Fluanxol, Haldol Depot und Risperidon) und Antidepressiva (Fluoxetine und Paroxetin) verfügbar. Die Versorgungssituation habe sich im Vergleich zu 1999 einerseits verbessert, weil mehr Ärzte in der psychiatrischen Weiterbildung seien, andererseits verschlechtert, da ausländische Hilfsorganisationen ihre Arbeit mit psychisch Erkrankten eingestellt hätten
(Schlüter-Müller, Sachverständigengutachten an VG Frankfurt a.M. vom 29. Juli 2003; vgl. auch Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina vom 17. Februar 2003 und Monatsbericht Oktober/November 2002).
Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes ist eine (wohl nicht schwerwiegende) reaktive Depression im Kosovo behandelbar. Auch stünden Antidepressiva für Patienten kostenfrei zu Verfügung, während eine Psychotherapie nur sehr eingeschränkt möglich sei (Deutsche Botschaft Belgrad an das VG Cottbus vom 10. Januar 2003; vgl. Deutsche Botschaft Belgrad an VG Frankfurt (Oder) vom 2. Oktober 2002; Deutsches Verbindungsbüro Kosovo vom 11. Dezember 2002; vgl. bezüglich einer Behandelbarkeit posttraumatischer Belastungsstörungen: Deutsches Verbindungsbüro Kosovo vom 30. August 2002, 17. September 2002, 26. Juni 2003 und 2. Juli 2003), während schwerwiegende psychische Krankheiten im Kosovo nicht ausreichend medizinisch behandelbar seien; insbesondere könne im Kosovo eine psychotherapeutische Behandlung nicht durchgeführt werden (vgl. UNHCR vom 22. Juli 2003 und vom 29. September 2003).
Vielmehr werde daher erwartet, dass betreuungsbedürftige Personen durch den Familienverband betreut würden, weil im Kosovo die Großfamilie die wichtigste soziale Institution darstelle, die Schutz und Unterstützung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht gewähre. Auch gebe es im Kosovo keine gesellschaftlichen Institutionen, die sich der Betroffenen annähmen. Dementsprechend gebe es keine Tageskliniken zur Betreuung psychisch Erkrankter (UNHCR an VG Koblenz vom 29. September 2003).
Das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo hat in zahlreichen Auskünften - ohne nähere Ausführungen - festgestellt, dass psychische Erkrankungen, insbesondere posttraumatische Belastungsstörungen im Kosovo durch Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapeuten behandelbar seien und eine medikamentöse Therapie dieser Erkrankungen sichergestellt sei (Deutsches Verbindungsbüro Kosovo an Landeseinwohneramt Berlin vom 2. Juli 2003, an VG Ansbach vom 26. Juni 2003, vom 11. Dezember 2002, vom 17. September 2002, an VG Arnsberg vom 30. August 2002), indes hat es in seinem jüngsten Bericht über die medizinische Versorgung psychisch Erkrankter im Kosovo näher ausgeführt, dass die Universitätsklinik Pristina eine neurologische und psychiatrische Klinik mit 160 Betten habe, jedoch in der psychiatrischen Abteilung das Krankheitsbild der posttraumatischen Belastungsstörung nicht behandelt werde. Patienten mit dieser Erkrankung müssten sich an zwei privat praktizierende Ärzte wenden. Daneben praktizierten drei Fachärzte für Psychiatrie privatärztlich. In der psychiatrischen Betreuungseinrichtung in Shtime (Stimlje) würden ausschließlich Patienten mit Geisteskrankheiten wie Debilität, Idiotie etc. untergebracht (Deutsches Verbindungsbüro Kosovo vom 25. September 2003; vgl. auch Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina, Monatsbericht Oktober/November 2002).
Auch das Auswärtige Amt führt aus, dass die Behandlungsmöglichkeiten in psychiatrischen Einrichtungen äußert begrenzt und die Zustände nach Auskunft von Nichtregierungsorganisationen in der (einzigen) Betreuungseinrichtung in Shtime (Stimlje) prekär seien. Schwerwiegende psychische Krankheiten könnten nur unzulänglich therapiert werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27. November 2002).
Unter Zugrundelegen dieser Auskünfte geht das Gericht davon aus, dass die erhebliche psychische Erkrankung der Klägerin im Kosovo nicht hinreichend behandelt werden kann, so dass eine konkrete und erhebliche Gefährdung für Leib und Leben im Falle einer Rückkehr besteht:
Zwar sind die zuletzt verordneten Medikamente zur Behandlung der psychischen Erkrankung der Klägerin (die Medikamente Atosil - Wirkstoff Promethazin - und Dogmatil - Wirkstoff Sulpirid -) auch im Kosovo grundsätzlich verfügbar (vgl. Auskunft KIP (ICMPD) vom 5. Juni 2002, vom 9. Juli 2002, vom 26. August 2002, vom 27. August 2002 und vom 11. September 2002), jedoch ist nach dem vorläufigen Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses Norden vom 27. Oktober 2003 zur Behandlung der Erkrankung neben der Weiterführung der psychopharmakologischen Therapie auch eine ambulante Psychotherapie dringend notwendig. Der Suizidversuch am 5. September 2003 trotz medikamentöser Behandlung und ambulanter Psychotherapie zeigt, dass eine alleinige medikamentöse Behandlung der Erkrankung nicht ausreichend ist, um die vorhandene Suizidalität sowie die hieraus abzuleitende konkrete Gefährdung für Leib und Leben der Klägerin zu beherrschen. Das Kreiskrankenhaus Norden führte unter dem 10. Oktober 2003 aus, dass im Falle einer Rückkehr in den Kosovo und dem damit verbundenen Abbruch der Behandlung mit einer akuten Suizidalität der Klägerin zu rechnen sei; nach Überzeugung des Gerichtes gilt dies auch für den Abbruch der ambulanten Psychotherapie.
Wie dargelegt, steht der Klägerin im Kosovo die dringend erforderliche ambulante Psychotherapie (Gesprächstherapie) nicht zur Verfügung. Sofern das Deutsche Verbindungsbüro Kosovo ausführt, Patienten müssten sich an drei privatärztlich tätige Fachärzte für Psychiatrie wenden, um eine ambulante Psychotherapie (eine Konsultation von 45 Min. werde mit ca. 30,00 EUR in Rechnung gestellt) zu erlangen (Deutsches Verbindungsbüro Kosovo vom 25. September 2003), so steht der Klägerin diese Möglichkeit - unterstellt, die angeführten Fachärzte könnten die für die Klägerin erforderliche ambulante Psychotherapie erbringen (lt. UNHCR an VG Koblenz vom 29. September 2003 und an Stadt Leipzig vom 22. Juli 2003 hätten die klinischen Psychologen und die wenigen Psychiater keine Ausbildung in Psychotherapie; vgl. auch Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina, Monatsbericht Oktober/November 2002) - infolge fehlender finanzieller Mittel nicht offen. Aufgrund der prekären sozialen und wirtschaftlichen Lage der Angehörigen ethnischer Minderheiten ist das Gericht nach den vorliegenden Erkenntnismitteln davon überzeugt, dass Minderheitenangehörige und damit die Klägerin privatärztlich angebotene Psychotherapie nicht erlangen kann.
Zwar haben sich in den letzten Jahren die wirtschaftliche Lage und der Aufbau der Infrastruktur im Kosovo verbessert. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dies nur aufgrund der internationalen Unterstützung möglich gewesen ist und der Kosovo weiterhin auf internationale Unterstützung angewiesen ist. Angesichts dessen, dass die internationale Hilfe seit 2003 reduziert worden ist, ist zu befürchten, dass die allgemeine wirtschaftliche Lage sich verschlechtern wird. So gibt es im Kosovo bereits eine erhebliche Arbeitslosigkeit (lt. UNHCR ca. 57 % - Stand Oktober 2003 ), von der jüngere Arbeitssuchende und Frauen stärker betroffen sind. Das durchschnittliche Gehalt beträgt ca. 150,00 EUR, während das Preisniveau sich dem anderer europäischer Länder angleicht. Ca. 50 % der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Seit Juni 2002 ist die Nahrungsmittelhilfe eingestellt und an deren Stelle ein Sozialhilfssystem mit sehr strengen Anforderungen sowie in der Höhe (62,00 EUR) begrenzten Leistungen aufgebaut worden. Die Höhe der durchschnittlichen monatlichen Rente beträgt 28,00 EUR (Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina, Monatsbericht März 2003 und Sonderbericht März 2003; SFH vom 2. April 2003; vgl. auch Deutscher Bundestag - Innenausschuss - Bericht vom 14. Juli 2003).
Im Kosovo stellt daher die Großfamilie die wichtigste soziale Institution dar. Sie gewährt Schutz und Unterstützung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht (UNHCR an VG Koblenz vom 29. September 2003).
Die wirtschaftliche und soziale Lage stellt sich für Angehörige der Bevölkerungsgruppen der Roma und Ashkali noch erheblich problematischer als für albanische Volkszugehörige dar. Die Versorgungslage wird teilweise als erbärmlich beschrieben. So sei die Arbeitslosigkeit unter den Minderheitenangehörigen mit ca. 90 % besonders hoch, so dass die Beschäftigungslage auch im Hinblick auf die allgemeine Diskriminierung der Minderheitenangehörigen als katastrophal angesehen werde (UNHCR an VG Würzburg vom 31. Juli 2003; Informationsstelle der Deutschen Caritas und Diakonie in Pristina, Monatsbericht Dezember 2002 und Monatsbericht Januar/Februar 2003; SFH vom 2. April 2003 und 3. April 2003 sowie vom 16. April 2002; GfbV vom Oktober 2003; vgl. auch Sagel, Reisebericht März 2003).
Die Gesellschaft für bedrohte Völker schätzt die humanitäre Lage der Roma, Ashkali und Ägypter als katastrophal ein. Die Mehrheit der Gruppe sei unterernährt und viele müssten hungern. Grund hierfür sei, dass in der Regel Hilfsorganisationen ihre Lebensmittellieferungen eingestellt hätten. Offiziell gebe es zwar den Anspruch auf Sozialhilfe, der aber entfalle, sobald das jüngste Kind fünf Jahre alt werde. Auch reiche die soziale Unterstützung nicht für die Beschaffung von Grundnahrungsmitteln aus. Die Roma im Kosovo seien zu fast 100 % arbeitslos und allenfalls Tagelohnarbeiten in wenigen Familienbetrieben seien zu bekommen. Die Beschäftigungslage der Ashkali und Ägypter sei nur geringfügig besser (GfbV vom Oktober 2003 - Recherche Paul Polansky).
Das Gericht ist aufgrund dieser Erkenntnislage davon überzeugt, dass weder die Klägerin, die vor ihrer Flucht im Mai 1992 als Arbeiterin in einer Bekleidungsfabrik beschäftigt war, noch ihr Ehemann, der bis zur Flucht Textilhändler war, im Falle einer Rückkehr alsbald eine Beschäftigung erlangen werden, um neben dem Lebensunterhalt einer vierköpfigen Familie die erheblichen Kosten der psychotherapeutischen Behandlung der Klägerin aufbringen zu können (bei einer zweimaligen ambulanten Psychotherapie je Monat betragen die Kosten ca. 60,00 EUR je Monat). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kosten anderweitig getragen werden. Die erhebliche psychische Erkrankung der Klägerin kann somit im Kosovo nicht hinreichend behandelt werden.
Der Gesundheitszustand der Klägerin würde sich auch dann wesentlich verschlechtern, so dass eine erhebliche konkrete Gefährdung von Leib und Leben zu befürchten wäre, wenn sie nicht in den Kosovo, sondern in die übrigen Landesteile Serbiens oder Montenegros zurückkehrte. Ihr steht in diesen Landesteilen eine zumutbare Alternative nicht zur Verfügung. Das Gericht ist nach den vorliegenden Erkenntnismitteln davon überzeugt, dass die Klägerin auch in den übrigen Landesteilen Serbiens und in Montenegro eine ausreichende medizinischen Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann:
Zwar kann die erhebliche psychische Erkrankung der Klägerin in Serbien und Montenegro (außerhalb des Kosovo) hinreichend medizinisch behandelt werden. So ist die medizinische Versorgung dort grundsätzlich gewährleistet. Es besteht eine gesetzliche Krankenversicherung. Grundsätzlich kostenfrei und ohne Zahlung von Selbstbeteiligung werden u.a. Flüchtlinge und vertriebene Personen sowie aus dem Kosovo übersiedelte Personen behandelt. Nur sehr wenige Erkrankungen können in Serbien und Montenegro nicht oder nur schlecht behandelt werden. Ausgebildetes Personal ist vorhanden. Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar. Zwar bestehen infolge der schwierigen wirtschaftlichen Lage oft lange Wartelisten, jedoch werden lebensbedrohliche Erkrankungen im Regelfall sofort behandelt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003; Deutsche Botschaft Belgrad an VG Freiburg vom 30. September 2003 und an VG Aachen vom 12. August 2003).
Auch sind psychische Erkrankungen (u.a. Depressionen, Traumata) in Serbien und Montenegro behandelbar (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 16. Oktober 2002 und 28. Juli 2003; Deutsche Botschaft Belgrad an VG Aachen vom 12. August 2003, an VG Freiburg vom 6. August 2003 und 8. Mai 2003; Auswärtiges Amt an VG Köln vom 11. April 2003).
Nach Mitteilung des Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft in Belgrad (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) sind im Rahmen der allgemeinen Polikliniken des öffentlichen Gesundheitswesens Beratungsstellen für Neurologie, Psychiatrie und mentale Gesundheit vorhanden. Ambulanzen für Psychiatrie und Schutz der mentalen Gesundheit bestehen in allen psychiatrischen Krankenhäusern und Instituten. Darüber hinaus bestehen private neuropsychiatrische Praxen. In den genannten Einrichtungen kann eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung u.a. von posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen einschließlich Gesprächstherapie durchgeführt werden. Insbesondere sind verschiedene Antidepressiva erhältlich. In der letzten Zeit haben diese Anstalten beträchtliche Hilfe von internationalen humanitären Organisationen und Ländern der Europäischen Union erhalten. Generell bestehen innerhalb des öffentlichen Gesundheitssystems Engpässe bei Behandlung psychisch Kranker. Notfälle werden aber sofort aufgenommen
(vgl. Auswärtiges Amt an VG Frankfurt a.M. vom 28. August 2002 und vom 16. Oktober 2002; vgl. auch Deutsche Botschaft Belgrad an VG Freiburg vom 6. August 2003, an Stadt Göttingen vom 11. Juni 2003 und an VG Düsseldorf vom 8. Mai 2003).
Auch wenn bei der Behandlung psychischer Erkrankungen in der Praxis primär vom medikamentösen Ansatz ausgegangen wird (vgl. SFH vom 25. Juni 2003), so besteht jedoch auch die Möglichkeit anderer Therapieformen - insbesondere Gesprächstherapie -, wenn auch in begrenztem Umfang (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003; Deutsche Botschaft Belgrad vom 8. Mai 2003; Auswärtiges Amt an VG Köln vom 11. April 2003; Auswärtiges Amt an BAFL vom 11. April 2003).
Auch Volkszugehörige der Roma und Ashkali werden in Serbien und Montenegro medizinisch behandelt; diesbezüglich sind Benachteiligungen im Hinblick auf die Volkszugehörigkeit nicht zu befürchten. So sind zahlreiche der in Serbien und Montenegro tätigen Ärzte nicht serbische Volkszugehörige. Nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Belgrad kämen sogar „viele Albaner" aus dem Kosovo regelmäßig zu Untersuchungen in Krankenhäuser im engeren Serbien (Deutsche Botschaft Belgrad an VG Freiburg vom 30. September 2003, an VG Oldenburg vom 3. Juli 2003, an VG Ansbach vom 23. Mai 2003 und an VG Frankfurt (Oder) vom 20. Februar 2003; Auswärtiges Amt an VG Koblenz vom 25. März 2003 und an VG Cottbus vom 10. Januar 2003).
So genießen auch Bewohner der an den Kosovo angrenzenden Region Presevo, in der überwiegend Angehörige ethnischer Minderheiten Serbiens leben, modernen Gesundheitsschutz
(Deutsche Botschaft Belgrad an VG Bayreuth vom 10. Januar 2003; Auswärtiges Amt an VG Koblenz vom 25. März 2003).
Es besteht dort in Bujanovac eine Poliklinik, in der aus Mitteln des Auswärtigen Amtes ein Therapiezentrum für Patienten mit kriegsbedingten traumatischen Belastungsstörungen gefördert wird (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003).
Dementsprechend können auch erhebliche psychische Erkrankungen in Serbien und Montenegro sowohl im Rahmen der staatlichen Gesundheitsfürsorge als auch in Privatpraxen angemessen medizinisch behandelt werden. Jedoch wäre die psychotherapeutische Behandlung im Rahmen der staatlichen Gesundheitsfürsorge nur dann für den Betroffenen kostenlos, wenn er in der staatlichen Krankenversicherung versichert ist. Andernfalls sind für Medikamente und Psychotherapie die üblichen Marktpreise zu entrichten. Nach Angaben der Deutschen Botschaft in Belgrad müsse ein psychiatrischer Patient durchschnittlich mit Kosten zwischen 50,00 und 60,00 EUR/Monat für die erforderlichen Medikamente rechnen und die Kosten einer Psychotherapie würden ca. 80,00 bis 100,00 EUR monatlich betragen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003; Auswärtiges Amt an BAFL vom 11. April 2003, an VG Köln vom 11. April 2003 und an VG Frankfurt (Main) vom 28. August 2002; Deutsche Botschaft Belgrad an VG Aachen vom 12. August 2003 und an BAFL vom 4. März 2003).
Indes stehen der Klägerin diese medizinischen Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesen in Serbien und Montenegro (außerhalb des Kosovo) im Rahmen des dortigen Krankenversicherungsschutzes tatsächlich nicht offen. Für die Inanspruchnahme von sozialen Diensten einschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung ist in Serbien und Montenegro die Registrierung erforderlich. Aus dem Kosovo übergesiedelte Bürger können in Serbien und Montenegro nur dann im Rahmen der dortigen Krankenversicherung kostenlos behandelt werden, wenn sie den Status eines Ausgesiedelten, Vertriebenen oder Flüchtlings haben; alle anderen Personen aus dem Kosovo müssen ihre medizinische Behandlung in Serbien und Montenegro (außerhalb des Kosovo) bezahlen, so dass de facto Einwohner des Kosovo von der gesetzlichen (quasi kostenlosen) Krankenversorgung in Serbien und Montenegro (außerhalb des Kosovo) ausgeschlossen sind (Deutsche Botschaft Belgrad an VG Aachen vom 12. August 2003, an VG Leipzig vom 3. Juli 2003 und an Hess. VGH vom 22. Mai 2003; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003; UNHCR an VG Koblenz vom 29. September 2003).
Die Registrierung stellt in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis bei der Ausübung grundlegender Rechte wie dem Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum dar. Für die Registrierung sind eine Reihe von Identitätsunterlagen erforderlich, was insbesondere für aus dem Kosovo geflüchtete Roma ein Problem ist, wobei das Minderheitenministerium beabsichtigt, dies zu vereinfachen. Nach amnesty international ist intern Vertriebenen in Serbien und Montenegro seit April 2002 die Registrierung bereits erleichtert worden, dennoch bestehen hierbei weiterhin Schwierigkeiten (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003; ai, Länderinformation vom 15. Oktober 2003; vgl. auch UNHCR an VG Koblenz vom 29. September 2003).
Zwar genießen die Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro de jure Niederlassungsfreiheit auf dem gesamten Territorium der Union. Grundsätzlich besteht am Ort der Niederlassung auch der Anspruch auf Bezug der gesetzlich vorgesehenen Sozialleistungen (beispielsweise Sozialhilfe und Gesundheitsfürsorge). In der Praxis jedoch sind die lokalen Behörden in Serbien und Montenegro nach den Erfahrungen des Auswärtigen Amtes nicht bereit, aus anderen Gemeinden stammende mittellose Personen zu registrieren und ihnen Sozialleistungen zu gewähren. Aus dem Ausland einreisende mittellose Personen lassen sich deshalb nach den Erfahrungen des Auswärtigen Amtes in ihrer Heimatgemeinde nieder, sofern sie nicht (beispielsweise durch familiäre Beziehungen) ohne Inanspruchnahme öffentlicher Sozialleistungen in anderen Gemeinden ein Unterkommen finden. Eine legale Wohnsitznahme aus dem Kosovo stammender mittelloser Personen in anderen Regionen Serbiens und Montenegros ist unter diesen Umständen nur in Ausnahmefällen möglich (vgl. Auswärtiges Amt an VG Koblenz vom 25. März 2003; vgl. auch Auswärtiges Amt an VG Berlin vom 3. Februar 2003; UNHCR an VG Koblenz vom 4. September 2003; UNHCR an VG Koblenz vom 29. September 2003; ai, Länderinformation vom 15. Oktober 2003; a. A. wohl OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15. Dezember 2003 - 3 LB 11/02 -, V.n.b.).
Hiernach mag die erforderliche Registrierung der Klägerin zwar nicht aufgrund fehlender Personenstandsurkunden scheitern (ausweislich Bl. 8 ff. Beiakte A - Az.: 1377080 - verfügen die Klägerin und ihr Ehemann jeweils über einen jugoslawischen Personalausweis sowie einen Auszug aus dem Heiratsregister), jedoch ist aufgrund der Mittellosigkeit der aus dem Kosovo stammenden Familie der Klägerin de facto eine Registrierung und damit eine ordnungsgemäße Wohnsitznahme außerhalb des Kosovo in Serbien und Montenegro nicht möglich. Es findet sich kein Anhalt, dass abweichend vom dargestellten Regelfall die Klägerin oder ihr Ehemann trotz ihrer Mittellosigkeit als aus dem Kosovo stammende intern Vertriebene de facto eine Registrierung und damit öffentliche Sozialleistungen einschließlich Krankenversicherungsschutz erlangen könnten. Mangels Registrierung unterfällt die Klägerin nicht dem dortigen Krankenversicherungsschutz, so dass für sie die o.a. medizinischen Leistungen des staatlichen Gesundheitswesen nicht kostenfrei bzw. gegen geringe Kostenbeteiligungen tatsächlich zugänglich sind. Sie müsste die medizinischen Behandlungen aus eigenen Mitteln bezahlen.
Das Gericht ist aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Situation in Serbien und Montenegro und angesichts dessen, dass die Klägerin der ohnehin gesellschaftlich benachteiligten Gruppe der Roma angehört, davon überzeugt, dass sie die erforderlichen medizinischen Behandlungen mangels finanzieller Mittel nicht anderweitig erlangen kann. Die wirtschaftliche Lage ist in Serbien und Montenegro weiterhin als schlecht zu bezeichnen. Das durchschnittliche Einkommen beträgt 150,00 EUR und die durchschnittliche Rente 115,00 EUR. Die Arbeitslosigkeit ist in Serbien und Montenegro weiterhin sehr hoch. Sie liegt nach offiziellen Angaben bei ca. 30 %, wird jedoch auf real 40 bis 50 % geschätzt. Bei Angehörigen der Roma ist der Zugang zum Arbeitsmarkt wegen sozialer Vorurteile sehr schwer, so dass Roma-Angehörige zu einem großen Teil Schwarzarbeit nachgehen (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 28. Juli 2003; vgl. auch Auswärtiges Amt an VG Sigmaringen vom 21. Mai 2003).
Das Gericht ist aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel davon überzeugt, dass die Klägerin oder ihr Ehemann aufgrund der ohnehin schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Situation in Serbien und Montenegro im Allgemeinen und der wesentlichen schwierigeren Lage für Angehörige der Roma im Falle einer Rückkehr nicht alsbald eine Beschäftigung erlangen oder über andere Einkommensquellen verfügen werden, um neben der Sicherung des Lebensunterhalts der Familie die erheblichen Aufwendungen für die erforderlichen Medikamente und ambulante Psychotherapie aufbringen zu können (nach den o.a. Angaben der Deutschen Botschaft Belgrad sind mit Kosten von ca. 130,00 bis 160,00 EUR je Monat zu rechnen). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die mit der Behandlung der Erkrankung verbundenen Kosten anderweitig gedeckt werden können.
Bei grundsätzlicher Behandelbarkeit ihres Leidens in Serbien und Montenegro fehlt es somit der Klägerin am Zugang zur Behandlung aus finanziellen Gründen, so dass im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Verschlechterung ihrer Gesundheit zu befürchten ist.
Der begehrten Feststellung steht auch § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG nicht entgegen. Die aufgrund der fehlenden finanziellen Möglichkeiten der Klägerin resultierende Gefährdung stellt keine allgemeine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift dar:
Eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG kann nur dann angenommen werden, wenn die Gefahr die Bevölkerung insgesamt oder eine Bevölkerungsgruppe betrifft. Neben dieser quantitativen Voraussetzung muss auch die Art der Gefahr als qualitatives Element berücksichtigt werden.
In Fällen, in denen ein Großteil der Bevölkerung eines Landes aus finanziellen Gründen keinen Zugang zur medizinischen Versorgung hat - insbesondere aufgrund einer hohen Arbeitslosigkeit und verbreiteten Armut - hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG angenommen. Als maßgebliche Bevölkerungsgruppe erachtet er dabei nicht die an einer bestimmten Krankheit leidenden, sondern die Gruppe der Kranken ohne Einkommen und ohne finanzielle Unterstützung durch die Familie (vgl. Bay. VGH, Beschuss vom 10. Oktober 2000 - 25 B 99.32077 -, juris).
Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass eine individuelle Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG anzunehmen ist, wenn eine notwendige medizinische Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, sie dem betroffenen Ausländer aber individuell aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2002 - 1 C 1.02 -, DVBl. 2003, 463 = AuAS 2003, 106 unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 29. April 2002 - 1 B 59.02, 1 PKH 10.02 -, Buchholz 402.240, § 53 AuslG Nr. 60).
Die fehlende Finanzierbarkeit einer medizinischen Behandlung ist aber nicht stets eine individuelle Gefährdung für den Betroffenen, sondern kann grundsätzlich auch eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG darstellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. April 2002 - 1 B 59.02, 1 PKH 10.02 -, a. a. O.).
Eine allgemeine Gefahr und damit die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG tritt aber erst dann ein, wenn neben der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe - als weitere Voraussetzung - die Art der Gefahr eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 54 AuslG erfordert (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, a.a.O.).
Gegen die Annahme des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes einer allgemeinen Gefahr im Hinblick auf die Bevölkerungsgruppe der „mittellosen Kranken“ sprechen Sinn und Zweck von § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG und § 54 AuslG. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer im Abschiebezielstaat lebenden Bevölkerungsgruppe gleichermaßen droht, über deren Aufnahme und Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch eine Entscheidung des Bundesamtes oder eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potenziell Betroffenen einheitlich durch eine ausländerpolitische Leitentscheidung des Innenministeriums befunden wird. Dementsprechend muss für die Annahme einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG nicht nur die Größe der Gruppe, sondern auch die Art der Gefahr eine politische Leitentscheidung erforderlich machen.
Nach Auffassung der Kammer kann nicht auf eine Gruppe der „mittellosen Erkrankten“ abgestellt werden. Den betroffenen „mittellosen Erkrankten“ droht gerade nicht dieselbe Gefahr. Die Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen besteht nicht allein darin, keinen Zugang zum Gesundheitssystem zu haben, sondern in der konkreten Weiterentwicklung ihrer jeweiligen individuellen Krankheit; insoweit kann von einer gleichartigen Gefahr für die Betroffenen nicht ausgegangen werden. Dabei ist offenkundig, dass die verschiedenen Krankheiten und die sich hieraus ergebenden Gefährdungen sich erheblich unterscheiden. Wenn es aber Sinn und Zweck des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG ist, eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle wegen der Art der Gefahr einheitlich zu entscheiden, so können nicht sämtliche in einem Land vorkommenden Krankheiten deshalb rechtlich gleichgestellt werden, weil die Patienten das Schicksal der Mittellosigkeit teilen. Der Gruppe der mittellosen Erkrankten fehlt die erforderliche Homogenität bezogen auf die Art der Gefahr. Die den Betroffenen aufgrund ihrer individuellen Erkrankung drohenden Gefahren sind derart verschieden, dass sich eine generalisierende Betrachtung verbietet (vgl. gegen die Annahme einer allgemeinen Gefahr wegen unzureichender medizinischer Versorgung infolge fehlender finanzieller Mittel: VG Sigmaringen, Urteil vom 13. August 2003 - A 5 K 11176/03 -, Asylmagazin 1-2/2004, 42; ebenso im Ergebnis Hess. VGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 9 E 34260/94.A -, V.n.b.).
Aus diesen Erwägungen kann auch nicht auf eine Gruppe der „mittellosen Erkrankten aus dem Kosovo“, die de facto von der staatlichen Gesundheitsfürsorge in Serbien und Montenegro ausgeschlossen sind, abgestellt werden.
Einige Verwaltungsgerichte haben entschieden, dass die Gefahren, denen psychisch Erkrankte im Kosovo wegen einer unzureichenden medizinischen Versorgung ihrer Erkrankung ausgesetzt sind, als allgemeine Gefahren im Sinne des § 53 Abs.6 S. 2 AuslG anzusehen sind (vgl. VG Braunschweig, Beschluss vom 26. September 2003 - 5 A 349/03 -; VG Berlin, Urteil vom 26. September 2002 - 37 X 56.01 -; VG München v. 9. Januar 2003 - 17 E 02.60647 -;VG Schwerin, Urteil vom 31. Juli 2002 - 5 A 90/00-, zitiert nach Asylis V.n.b.; weitere Nachweise der Rechtsprechung vgl. BAFL Online-Loseblattwerk - Druckversion - Serbien und Montenegro, 14. Asylverfahren vom August 2003, S. 23 f.).
Dem schließt sich die Kammer nicht an. Zunächst ist fraglich, ob die erforderliche Größe der Gruppe für die Annahme einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG vorliegt. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Gutachterin Dr. Schlüter-Müller ist davon auszugehen, dass in Nachkriegsgebieten ca. 7 bis 10 v.H. der Bevölkerung behandlungsbedürftig psychisch erkrankt sind. Ein beachtlicher Teil der Betroffenen kann im Kosovo - wie bereits dargelegt ist eine medikamentöse Therapie psychischer Erkrankungen im Kosovo möglich - ohnehin ausreichend medizinisch behandelt werden. Gegen die Annahme einer allgemeinen Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG spricht jedenfalls der Umstand, dass die Schwere von psychischen Erkrankungen und deren Behandlungsbedürftigkeit sowie im Falle unzureichender medizinischer Versorgung die hieraus resultierenden Gefahren Leib und Leben der Betroffenen derart verschieden sind, dass sich eine für alle Angehörigen der Gruppe der „psychisch Erkrankten“ einheitliche Beurteilung der Gefahr verbietet. So gibt es zahlreiche Betroffene, bei denen eine medikamentöse Behandlung ausreichend ist, so dass im Falle einer Rückkehr in den Kosovo wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten erhebliche Gefahren für Leib und Leben nicht drohen. Demgegenüber gibt es schwer psychisch Erkrankte, die einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung bedürfen, die - wie dargelegt - im Kosovo nicht hinreichend gewährleistet ist. Wegen dieser unterschiedlichen Art der Gefahr kommt eine ausländerpolitische Leitentscheidung nach § 54 AuslG wegen ihrer weitreichenden Folgewirkungen nicht Betracht (vgl. auch VG Göttingen, Urteil vom 5. September 2003 - 3 A 3238/01 -, Asylmagazin 12/2003; weitere Nachweise der Rechtsprechung vgl. BAFL Online-Loseblattwerk - Druckversion - Serbien und Montenegro, 14. Asylverfahren vom August 2003, S. 23 f.).
Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass die unzureichende medizinische Versorgung der psychischen Erkrankung der Klägerin eine allgemeine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG darstellte, so liegt wegen der Suizidalität der Klägerin im Falle eines Behandlungsabbruches und der damit verbundenen existentiellen Gefährdung eine Extremgefahr im o.a. Sinne vor. Die Klägerin hat trotz intensiver psychologischer Betreuung und Medikation im September 2003 erneut einen Suizidversuch unternommen. Ein Abbruch der ambulanten Psychotherapie wird nach Überzeugung des Gerichts die erhebliche Gefahr eines erneuten Suizidversuches begründen. Unter dem 10. Oktober 2003 bestätigt das Kreiskrankenhaus - Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie - eine akute Suizidalität im Falle eines Behandlungsabbruches. Auch in dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses Norden vom 27. Oktober 2003 wird bestätigt, dass die weitere ambulante Psychotherapie dringend notwendig ist.
Schließlich liegt auch die nach § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO erforderliche Spruchreife für eine Verpflichtung der Beklagten vor. Im Hinblick auf die erhebliche konkrete Gefährdung der Klägerin ist das der Beklagten gemäß § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 VwVfG eingeräumte Ermessen dahingehend reduziert, dass sie verpflichtet ist, das Verfahren auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses gemäß § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG wiederaufzugreifen und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG zugunsten der Klägerin bezogen auf Serbien und Montenegro festzustellen. Dem steht - bezogen auf Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - § 71 Abs. 1 und 3 AsylVfG nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77, und Beschluss vom 15. Januar 2001 - 9 B 475.00 -, Buchholz Nr. 402.240 § 53 AuslG, Nr. 42).