Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.1998, Az.: VII 696/97
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.04.1998
- Aktenzeichen
- VII 696/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 34767
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0428.VII696.97.0A
Amtlicher Leitsatz
Keine Berücksichtigung von Stückzinsen als negative Einnahmen, wenn aus der Kapitalanlage kein Gesamtüberschuß erzielbar ist.
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Tatbestand:
Die Kl sind Eheleute. Sie werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Kl sind beide bei der Bank B beschäftigt.
Am 20. Dezember 1996 erwarben die Kl festverzinsliche Bundespapiere zum Nennwert von 155. 000 DM zu einem Kurs von 108,99. Zinsdatum war der 26. Dezember 1996. Die Kl hatten neben dem Kurswert von 168.934,50 DM Stückzinsen von 10.519,55 DM zu zahlen. Außerdem fielen Nebenkosten von 80,40 DM an. Insgesamt wurden die Kl mit 179.534,45 DM belastet. Zur Finanzierung des Wertpapierkaufs nahmen sie bei ihrem Arbeitgeber einen Kredit von 180. 000 DM auf. Am 3. Januar 1997 veräußerten die Kl die o.a. Wertpapiere zum Zinsdatum 6. Januar 1997. Neben dem geltenden Kurswert von 168.593,50 DM erhielten die Kl Zinsen in Höhe von 10.831,70 DM. An Nebenkosten wurde den Kl 80,40 DM in Rechnung gestellt. Im Ergebnis wurde ihnen ein Endbetrag von 179.344,80 DM gutgeschrieben. Die Bank B bescheinigte den Kl, daß für den Wertpapierkredit für die Zeit vom 27. Dezember 1996 bis zum 7. Januar 1997 insgesamt 249,33 DM an Zinsen berechnet worden sei.
In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr machten die Kl bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die in 1996 gezahlten Stückzinsen von 10. 519 DM als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend. Unter Berücksichtigung anderer positiver Einnahmen aus Kapitalvermögen ergab sich ein negativer Einkunftsbetrag von 8. 815 DM. Diesen Betrag berücksichtigt der Beklagtebei der Steuerfestsetzung nicht. Die Kl hätten die Wertpapiere nicht erworben, um einen Überschuß zu erzielen. Es mangele an der Einkünfteerzielungsabsicht.
Die Kl legten Einspruch ein. Sie machten geltend, daß sie aus dem Wertpapiergeschäft insgesamt einen Überschuß von 62,82 DM erwirtschaftet hätten. Dieser Betrag ermittele sich wie folgt:
vereinnahmte Zinsen | 10.831,70 DM |
---|---|
./. gezahlte Stückzinsen | 10.519,55 DM |
./. Finanzierungskosten | 249,33 DM |
verbleibender Überschuß | 62,82 DM. |
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Zinsbescheinigung der Bank könne nicht richtig sein. Da das Wertpapiergeschäft am 20. Dezember 1996 getätigt sei, habe mindestens von diesem Zeitpunkt an der Kredit zur Verfügung gestellt werden müssen. Deshalb betrage der Finanzierungsaufwand nach den Konditionen der abgeschlossenen Darlehensverträge mindestens 358 DM. Dies führe zu einem steuerlichen Verlust von 46,24 DM. Wirtschaftlich gesehen sei der Verlust, den die Kl hingenommen hätten, noch höher. Er betrage 548 DM. Die Nebenkosten bei Anschaffung und Erwerb der Wertpapiere sowie der sich ergebende Kursverlust seien dabei berücksichtigt. Dies alles zeige, daß die Kl das Wertpapiergeschäft nicht mit Einkunftserzielungsabsicht getätigt hätten.
Die hiergegen erhobene Klage begründen die Kl im wesentlichen wie folgt: Die Zinsbescheinigung der Bank sei zutreffend gewesen. Das Finanzamt verkenne, daß der Kredit erst von dem Tage der Wertstellung der Wertpapiere an in Anspruch genommen worden sei. Daher ergebe sich, wie bereits im Einspruchsverfahren dargestellt, ein Überschuß aus dem Geschäft von 62,82 DM. Das Wertpapiergeschäft stelle auch keinen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar. Für den Abschluß des Geschäftes seien wirtschaftliche Gründe maßgebend gewesen. Durch die Ausnutzung der Zinsstrukturkurve habe der Zinsaufwand fürdie notwendige Refinanzierung niedriger gehalten werden können, als die Zinseinnahmen aus den gekauften Wertpapieren. Bei Kauf der Wertpapiere seien sie davon ausgegangen, daß die Zinsen in der nahen Zukunft rückläufig würden. Nicht zu erwartende Turbulenzen an den Rentenmärkten Anfang des Jahres 1997 hättendazu geführt, die Wertpapiere am 3. Januar 1997 zu verkaufen, um größere wirtschaftliche Verluste zu vermeiden. Ursprünglich sei angestrebt gewesen, daß die Wertpapiere mindestens zwei Monate gehalten würden und sich dabei wirtschaftlich ein Erfolg von 1. 210 DM ergeben würde.
Die Kl beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuer 1996 unter Berücksichtigung der gezahlten Stückzinsen von 10. 519 DM herabzuseten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es werde nicht mehr daran festgehalten, daß die Kl nach steuerlichen Regeln keinen Totalüberschuß erzielt hätten. Dennoch könnten die Stückzinsen nicht als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Der von den Kl zum Ende des Streitjahres vollzogene Ankauf der gleich zu Anfang des Folgejahres wiederveräußerten Wertpapiere erfolgte nicht in der Absicht, Überschüsse in ertragsteuerlicher Hinsicht zu erzielen. Die Disposition der Kl erkläre sich allein aus der Gesetzeslage, wonach gezahlte Stückzinsen im Jahr der Anschaffung des Wertpapieres abgezogen werden könnten und die Versteuerung der Zinseinnahmen im Folgejahr durch Ausschöpfung des Sparerfreibetrages zu keiner steuerlichen Belastung führe. Die klägerseits begehrten steuerlichen Folgen ihres Handelns könnten als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO) zu sehen sein. Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe, die außerhalb der Steuerersparnis lägen, seien nicht ersichtlich. Üblicherweise würden Wertpapiere gekauft, um Erträge zu erzielen und (oder) Kursgewinne zu realisieren. Im vorliegenden Fall hätten die Kl bewußteinen wirtschaftlichen Verlust aus der kurzfristigen Kapitalanlage in Kauf genommen. Dieser Verlust betrage unter Einbeziehung des Kursverlustes 501,80 DM. Die bewußte Hinnahme dieses Verlustes durch die Kl zeige, daß die gesamte Kapitalanlage nur im Hinblick auf die für die Kl günstige Regelung zum Stückzinsenabzug erfolgt sei. Der klägerische Vortrag, wonach die Kapitalanlage auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet gewesen sei, sei durch den tatsächlichen Geschehensablauf widerlegt. Im übrigen widerspreche die klägerische Einlassung der Tatsache, daß die Kl bereits zur Jahreswende 1994/1995 eine entsprechend kurzfristige Kapitalanlage gehalten hätten.
Dem Gericht haben die beim Beklagten für die Kläger geführten Steuerakten zu Steuernummer vorgelegen. Aus ihnen ist ersichtlich, daß die Kl zum Jahresende 1994 festverzinsliche Wertpapiere unter Kreditaufnahme im Umfang von 125. 000 DMerwarben, hierfür Stückzinsen in Höhe von 10. 107 DM zahlten und die Wertpapiere am 22. Januar 1995 wiederveräußerten.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG die Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren. Die bei Erwerb derartiger Wertpapiere gezahlten Stückzinsen sind systematisch als negative Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen. Sowohl die positiven als auch die negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen sind steuerlich jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn die Absicht besteht, aus der Kapitalanlage einen positiven Gesamtüberschuß zu erzielen. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG in Verbindung mit § 20 EStG. Danach unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur dann der Einkommensteuer, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, d.h. erwirtschaftet. Einkünfte werden grundsätzlich durch zielgerichtetes Handeln im Sinne einerzielgerichteten Vermögensnutzung erwirtschaftet. Wesentliches Merkmal ist dabei die Absicht, auf Dauer gesehen ein positives Ergebnis zu erzielen (Einkünfteerzielungsabsicht). Die Frage, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt, kann nach Auffassung des Senats nicht rückblickend allein danach entschieden werden, ob sich nach den Regeln des Einkommensteuerrechts mehr oder weniger zufällig aus dem Gesamtgeschäft einÜberschuß oder eine Unterdeckung ergibt. Bei einer kurzfristigen Kapitalanlage, wie sie im Streitfall vorlag, kann die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht allein danach beurteilt werden, ob der Kapitalanleger bei Anlagebeginn damit rechnen konnte, er werde bis zum vorhergesehenen oder absehbaren Ende der Kapitalanlage einen Überschuß erzielen. Dabei sind nach Auffassung des Senats sämtliche feststehenden Aufwendungen und Erträge in die Betrachtung einzubeziehen, und zwar auch solche, die nicht unterdie Begriffsbestimmung der Einkunftsermittlung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG fallen. Es ist deshalb geboten, daß die Nebenkosten, die bei Erwerb und Veräußerung der Wertpapiere anfielen, in die Berechnung einbezogen werden. Diese Kosten, jeweils bestehend aus Courtage, Abwicklungsgebühr und Spesen, machten bei Ankauf und Verkauf jeweils 80,40 DM aus. Hieraus folgt, daß die Kl bereits bei Erwerb der Wertpapiere wußten, daß aus dem Gesamtgeschäft wirtschaftlich ein Verlust von rd. 100 DM hingenommen werden mußte.
Die Klage ist auch deshalb unbegründet, weil die geltend gemachten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen wegen Rechtsmißbrauchs unberücksichtigt bleiben müssen. Nach § 42 Abgabenordnung (AO) kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Rechtsmißbrauch ist gegeben, wenn eine zivilrechtliche Gestaltung gewählt worden ist, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessenist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 IX R 85/93, BStBl II 1997, 52 m.w.N.). Für die Abgrenzung einer zulässigen zu einer zu mißbilligenden rechtlichen Gestaltung ist maßgeblich, ob die Gestaltung von verständigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der Zielsetzung gewählt würde oder nicht.
Im Streitfall sind wirtschaftiche Gründe nicht ersichtlich. Soweit die Kl vortragen, sie hätten eine längerfristige Kapitalanlage angestrebt und seien durch Turbulenzen an den internationalen Rentenmärkten zum alsbaldigen Verkauf der Papiere verleitet worden, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Er hält die Argumente für vorgeschoben. Bereits das Verhalten der Kl zum Jahreswechsel 1994/1995 zeigt, daß die Kl derartige Wertpapiergeschäfte nur kurzfristig tätigen, und zwareinzig zu dem Zweck der Steuerersparnis. Diese ergibt sich dadurch, daß die Stückzinsen zu steuerwirksamen negativen Einnahmen im Jahr der Zahlung führen, während die vereinnahmten Zinsen infolge des bestehenden Sparerfreibetrages zu keiner höherer Einkommensteuerbelastung führen.
Das Verhalten der Kl sowohl zum Jahreswechsel 1994/1995 als auch zum Jahreswechsel 1996/1997 zeigt, daß allein der Gesichtspunkt der Steuerersparnis für das Handeln maßgeblich war. Wie bereits dargestellt, konnten die Kl außersteuerlich nur mit einem Verlust aus dem abgeschlossenen Wertpapiergeschäft rechnen. Ein verständiger Dritter würde deshalb ein derartiges Geschäft nicht tätigen. Die von den Kl praktizierte Gestaltung läßt sich - wie bereits die Vorjahre zeigen - nur unter dem Gesichtspunkt der Steuerersparnis rechtfertigen. Dies aber widerspricht den Wertungen des Gesetzes. Das Einkommensteuergesetz will über § 20 EStG Kapitalerträge als Teil derwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuer unterwerfen, um damit dem Staat Einnahmen zuzuführen. Diese Wertung würde durch die von den Kl praktizierte Gestaltung unterlaufen.
Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.