Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.1998, Az.: III 45/98 V

Aussetzung der Vollziehung eines Gewerbesteuermessbescheides; Voraussetzungen für die Aussetzung einer Vollziehung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.04.1998
Aktenzeichen
III 45/98 V
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 18616
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0416.III45.98V.0A

Verfahrensgegenstand

Gewerbesteuermessbescheid 1996

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
...
am 16. April 1998
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

Gründe

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Gewerbesteuermeßbescheid für 1996, der nach den Angaben ihrer Gewerbesteuererklärung ergangen ist und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abgabenordnung (AO) steht, mit der Begründung, daß die Gewerbesteuer im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des IV. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23. Juli 1997 IV 317/91 (EFG 1997, 1456), der beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az.: 1 Bvl 23/97 anhängig ist, verfassungswidrig sei. Über den von der Antragstellerin gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch hat das Finanzamt, der Antragsgegner, noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheides hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. November 1997 abgelehnt und den dagegen eingelegten Einspruch mit Bescheid vom 12. Januar 1998 als unbegründet zurückgewiesen.

2

Die Antragstellerin verfolgt nunmehr ihr Begehren auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheides 1996 beim Finanzgericht unter Bezugnahme auf den erwähnten Vorlagebeschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts weiter und beantragt,

die Vollziehung des Gewerbesteuermeßbescheides 1996 vom 22. Oktober 1997 bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung auszusetzen.

3

Der Antragsgegner tritt diesem Ansinnen entgegen und beantragt,

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückzuweisen.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Steuerakte verwiesen.

5

Der Antrag ist nicht begründet.

6

Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen, gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182).

7

Solche Umstände liegen im Streitfall nicht vor.

8

Eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Gewerbesteuermeßbetragsbescheids könnte nur dann in Betracht kommen, wenn zu erwarten wäre, daß sich eine die Verfassungswidrigkeit des Gewerbesteuergesetzes bestätigende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf dieses anhängige Besteuerungsverfahren auswirken würde. Das erscheint aber im Hinblick auf ähnliche frühere Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wegen der Einheitsbewertung und der Vermögenssteuer höchst zweifelhaft. Nach der bisherigen Rechtsprechung ist nämlich nicht davon auszugehen, daß das Bundesverfassungsgericht selbst bei Annahme der Verfassungswidrigkeit daraus Schlüsse für die Vergangenheit ziehen wird. So hat der Bundesfinanzhof im Urteil vom 11. November 1997 VIII R 49/95 (Betriebsberater 1998, 571) ausgeführt, daß die Entscheidungüber eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO auch davon abhänge, ob mit einer Aufhebung des verfassungswidrigen Gesetzes für die Vergangenheit zu rechnen oder nur zu erwarten sei, daß das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Herbeiführung eines verfassungsgemäßen Zustandes setzen werde. Der BFH geht davon aus, daß letzteres anzunehmen sei. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Eine rückwirkende Nichtigkeitserklärung des Gewerbesteuergesetzes würde nämlich zu einem derart schwerwiegenden Eingriff in das Wirtschaftsgefüge führen, daß sich der danach ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner stünde als der bestehende und es wäre deshalb selbst für den Fall, daß das Gewerbesteuergesetz gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern lediglich mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen (so der Bundesfinanzhof in der angeführten Entscheidung). Dem folgt der Senat. Das hat zur Folge, daß eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Gewerbesteuermeßbescheids nicht in Betracht kommen kann. Es kann nur eine Maßnahme nach § 165 AO geben.

9

Im übrigen ist auch zu berücksichtigen, daß erhebliche Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen Finanzgerichts an das Bundesverfassungsgericht durch den Berichterstatter als Einzelrichter bestehen (Pahlke, Vorlagebeschlüsse an das BVerfG durch konsentierten Einzelrichter?, DB 1997, 2454). Der Bundesfinanzhof jedenfalls ist in seinem Beschluß vom 14. Januar 1998 IV B 48/97 (Betriebsberater 1998 S. 777) der Meinung, daß eine solche Vorlage unzulässig erscheine und damit offensichtlich aussichtslos sei.

10

Die Aussetzung ist noch nicht geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für die Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihnen dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluß des BFH vom 19. April 1968 IV B 3/66, BStBl II 1968, 538, 540). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich noch hat sie die Antragstellerin vorgetragen.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

12

Dieser Beschluß ist unanfechtbar, da die Beschwerde nicht zugelassen worden ist (§ 128 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO -).