Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.1998, Az.: VII 747/97

Unrechtmäßigkeit der Berücksichtigung von Stückzinsen als negative Einnahmen; Erzielbarkeit eines Gesamtüberschusses aus einer Kapitalanlage; Gemeinsame Veranlagung von Eheleuten zur Einkommensteuer

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.04.1998
Aktenzeichen
VII 747/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 18619
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0428.VII747.97.0A

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1996

Amtlicher Leitsatz

Keine Berücksichtigung von Stückzinsen als negative Einnahmen, wenn aus der Kapitalanlage kein Gesamtüberschuß erzielbar ist.

Der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. April 1998...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kl ist Bankkaufmann. Für das Streitjahr wählte er gemeinsam mit seiner Ehefrau die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer.

2

Am 13. Dezember 1996 erwarb der Kl festverzinsliche Bundesobligationen, die am 20. Januar 1997 endfällig waren, mit Nennwert von 140.000 DM zu einem Kurs von 100,46. Zinsdatum war der 16. Dezember 1996. Der Kl hatte neben dem Kurswert von 140.644 DM Stückzinsen von 10.650,21 DM zu zahlen. Außerdem war eine Provision von 351,61 DM, eine Courtage von 40 DM und weitere Nebenkosten von 13 DM fällig. Insgesamt wurde der Kl mit 151.698,82 DM belastet. Zur Finanzierung des Kaufs nahm der Kläger bei der Bank L einen Kredit von 150.000 DM auf. Die Bank L ist gleichzeitig der Arbeitgeber des Kl. Hierfür hatte der Kl bis zur Rückzahlung des Kredits Zinsen in Höhe von 708,33 DM zu zahlen. Bei Endfälligkeit der Bundesobligationen wurden ihm neben dem Nennbetrag von 140.000 DM der Jahreszinsbetrag von 11.725 DM gutgeschrieben.

3

In seiner Steuererklärung für das Streitjahr machte der Kl bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die in 1996 gezahlten Stückzinsen in Höhe von 10.650 DM als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen geltend. Unter Berücksichtigung anderer positiver Einnahmen aus Kapitalvermögen ergab sich ein negativer Einkunftsbetrag von 10.037 DM. Diesen Betrag berücksichtigte der Beklagte bei der Steuerfestsetzung nicht. Der Kl habe die Obligationen nicht erworben, um Einkünfte zu erzielen. Es werde kein Überschuß erreicht.

4

Im sich anschließenden Einspruchsverfahren machte der Kl geltend, er habe einen Überschuß von 27 DM erzielt. In die Betrachtung dürfe nicht einbezogen werden, daß er Refinanzierungszinsen gezahlt habe.

5

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 2. Dezember 1997 als unbegründet zurück. Aus dem Gesamtgeschäft habe der Kl einen Verlust von 682 DM erzielt. Der Wertpapierkauf sei ausschließlich wegen des steuerlichen Vorteils erfolgt, der sich daraus ergebe, daß im Streitjahr ein Verlust aus Kapitalvermögen in Höhe der Stückzinsen entstehe, während im Folgejahr die Zinsgutschrift durch den Sparerfreibetrag unversteuert bliebe.

6

Die hiergegen erhobene Klage begründet der Kl im wesentlichen wie folgt:

7

Die Ermittlung des Verlustes, wie sie vom Finanzamt vorgenommen worden sei, sei unzutreffend. Für die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen gelte § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Danach sei der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten anzusetzen. Es handele es sich hierbei um klare Begriffsbestimmungen. Wertzuwächse oder Wertverluste gehörten in den nicht relevanten Bereich der Vermögensebene. Die bei Erwerb der Papiere gezahlte Vermittlungsprovision und Courtage gehörten zu den Anschaffungskosten des Wertpapieres. Deshalb müsse die Ermittlung der Einkünfte wie folgt vorgenommen werden:

Zinseinnahmen11.725,00 DM
./. gezahlte Stückzinsen10.650,21 DM
./. Zinsaufwendungen der Refinanzierung708,33 DM
verbleibender Überschuß366,46 DM.
8

Der Kl beantragt,

die Einkommensteuer 1996 unter Berücksichtigung der gezahlten Stückzinsen von 10.650 DM herabzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Es werde nicht mehr daran festgehalten, daß der Kl nach steuerlichen Regeln keinen Totalüberschuß erzielt habe. Der klägerseits im Klageverfahren vorgetragenen Überschußermittlung werde gefolgt. Dennoch könnten die Stückzinsen nicht als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Der vom Kl zum Ende des Streitjahres vollzogene Ankauf der alsbaldendfälligen Wertpapiere erfolgte nicht in der Absicht, Überschüsse in ertragsteuerlicher Hinsicht zu erzielen. Die Disposition des Kl erkläre sich allein aus der Gesetzeslage, wonach gezahlte Stückzinsen im Jahr der Anschaffung des Wertpapieres abgezogen werden könnten und die Versteuerung der Zinseinnahmen im Folgejahr durch Ausschöpfung des Sparerfreibetrages zu keiner steuerlichen Belastung führe. Die klägerseits begehrten steuerlichen Folgen seines Handelns könnten als Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO) zu sehen sein. Wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe, die außerhalb der Steuerersparnis lägen, seien nicht ersichtlich. Üblicherweise würden Wertpapiere gekauft, um Erträge zu erzielen und (oder) Kursgewinne zu realisieren. Im Streitfall habe der Kl aber bewußt einenwirtschaftlichen Verlust aus der kurzfristigen Kapitalanlage in Kauf genommen. Dieser Verlust betrage unter Einbeziehung des Kursverlustes 1.048 DM. Der wirtschaftliche Verlust sei voraussehbar gewesen und vom Kl hingenommen worden, einzig, um die Steuerersparnis im Streitjahr zu erreichen.

11

Dem Gericht haben die beim Beklagten für den Kl geführten Steuerakten zu Steuernummer vorgelegen. Aus ihnen ist ersichtlich, daß der Kl zum Jahresende 1994 festverzinsliche Wertpapiere unter Keditaufnahme erwarb und dabei Stückzinsen von 10.866 DM zahlte. Diese Papiere veräußerte der Kl zum 1. Februar 1995. Die dabei erzielten Zinsen machten 12.000 DM aus.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet.

13

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG die Zinsen aus festverzinslichen Wertpapieren. Die bei Erwerb derartiger Wertpapiere gezahlten Stückzinsen sindsystematisch als negative Einnahmen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen. Sowohl die positiven als auch die negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen sind steuerlich jedochnur dann zu berücksichtigen, wenn die Absicht besteht, aus der Kapitalanlage einen positiven Gesamtüberschuß zu erzielen. Dies folgt aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 EStG in Verbindung mit § 20 EStG. Danach unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen nur dann der Einkommensteuer, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt, d.h. erwirtschaftet. Einkünfte werden grundsätzlich durch zielgerichtetes Handeln im Sinne einer zielgerichteten Vermögensnutzung erwirtschaftet. Wesentliches Merkmal ist dabei die Absicht auf Dauer gesehen ein positives Ergebnis zu erzielen (Einkünfteerzielungsabsicht). Die Frage, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt, kann nach Auffassung des Senats nicht rückblickend allein danachentschieden werden, ob sich nach den Regeln des Einkommensteuerrechts mehr oder weniger zufällig aus dem Gesamtgeschäft ein Überschuß oder eine Unterdeckung ergibt. Bei einer kurzfristigen Kapitalanlage, wie sie im Streitfall vorlag, kann die Frage der Einkünfteerzielungsabsicht allein danach beurteilt werden, ob der Kapitalanleger bei Anlagebeginn damit rechnen konnte, er werde bis zum vorhergesehenen oder absehbaren Ende der Kapitalanlage einen Überschuß erzielen. Dabei sind nach Auffassung des Senats sämtliche feststehenden Aufwendungen und Erträge in die Betrachtung einzubeziehen, und zwar auch solche, die nicht unter die Begriffsbestimmung der Einkunftsermittlung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG fallen. Wenn, wie im Streitfall, die Kapitalanlage wegen der Endfälligkeit der erworbenen Papiere am 20. Januar des Folgejahres, mithin 35 Tage nach Erwerb der Wertpapiere enden mußte, so hält es der Senat für gerechtfertigt,für die Frage, ob Einkünfteerzielungsabsicht vorlag, den bereits feststehenden Kursverlust einzubeziehen. Dieser betrug 644 DM. Hieraus folgt, daß der Kl bei Erwerb der Wertpapiere wußte, daß er aus dem Gesamtgeschäft wirtschaftlich einen Verlust von rd. 700 DM hinnehmen mußte.

14

Die Klage ist auch deshalb unbegründet, weil die geltend gemachten negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen wegen Rechtsmißbrauchs unberücksichtigt bleiben müssen. Nach § 42 Abgabenordnung (AO) kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Rechtsmißbrauch ist gegeben, wenn eine zivilrechtliche Gestaltung gewählt worden ist, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 1995 IX R 85/93, BStBl II 1997, 52 m.w.N.). Für die Abgrenzung einer zulässigenzu einer zu mißbilligenden rechtlichen Gestaltung ist maßgeblich, ob die Gestaltung von verständigen Dritten in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der Zielsetzung gewählt würde oder nicht.

15

Im Streitfall sind wirtschaftliche Gründe nicht ersichtlich. Sie sind auch klägerseits nicht vorgetragen worden. Wie der Kl in der mündlichen Verhandlung selbst dargelegt hat, war ihm das Steuersparmodell des kurzfristigen Erwerbs festverzinslicher Wertpapiere über den Jahreswechsel empfohlen worden. Er habe es im Streitjahr deshalb in die Praxis umgesetzt, weil das Finanzamt den ähnlichen Vorgang für die Jahre 1994/1995 akzeptiert habe. Dies alles sind keine wirtschaftlich beachtlichen Gründe. Vielmehr zeigt das Verhalten des Kl gerade, daß allein der Gesichtspunkt der Steuerersparnis für sein Handeln maßgeblich war. Wie bereits dargestellt, konnte der Kl außersteuerlich nur einen Verlust aus dem abgeschlossenen Wertpapiergeschäft erzielen. Ein verständiger Dritter würde deshalb ein derartiges Geschäft nicht tätigen. Die vom Kl praktizierte Gestaltung läßt sich - wie bereits die Vorjahre zeigen - nur unter dem Gesichtspunkt der Steuerersparnis betrachten. Dies aber widerspricht den Wertungen des Gesetzes. Das Einkommensteuergesetz will über § 20 EStG Kapitalerträge als Teile der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuer unterwerfen, um damit dem Staat Einnahmen zuzuführen. Diese Wertung würde durch die vom Kl praktizierte Gestaltung unterlaufen.

16

Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung abzuweisen.

17

Die Revision ist nicht zugelassen worden.