Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.1998, Az.: XI 23/94
Höhe eines Verlustvortrags ; Voraussetzungen für die Einordnung des Gewinns aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb ; Entstehung eines Verlustes aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften; Notwendigkeit einer Tragung oder Anlegung von nachträglichen Anschaffungskosten vor der Auflösung der Gesellschaft ; Möglichkeit des Anfallens von nachträglichen Anschaffungskosten auf eine Beteiligung noch nach dem Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.04.1998
- Aktenzeichen
- XI 23/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 20367
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0428.XI23.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs.1 EStG
- § 17 Abs.2 EStG
- § 17 Abs. 4 EStG
- § 10d Abs. 2 EStG
Fundstellen
- DStRE 1999, 541-544 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbH-StB 1998, 281 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbHR 1998, 992 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1984
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigende nachträgliche Anschaffungskosten müssen nicht vor der Auflösung der Gesellschaft getragen oder angelegt sein. (gegen FG Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 1989 8 K 141/85 E, EFG 1989, 459)
- 2.
Dem Beschluß des Großen Senats vom 9. Juni 1997 (GrS 1/94, BFH/NV 1997, R 391) ist nicht zu entnehmen, daß nachträgliche Anschaffungskosten nur dann vorliegen, wenn eine bilanzielle Vermögensmehrung bei der Gesellschaft eintritt.
In dem Rechtsstreit
hat der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. April 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1984 vom 10. Dezember 1990 in der Fassung vom 22. Juli 1991 sowie in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 13. Dezember 1993 wird die Einkommensteuer 1984 auf 0,00 DM herabgesetzt. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Verlustvortrags aus dem Jahr 1983. Sie hängt von der Höhe des bei der Auflösung zweier Kapitalgesellschaften, an denen der Kläger wesentlich beteiligt war, entstandenen Verlusts ab.
Der Kläger war zu 50 v.H. an der Unternehmensberatung GmbH (U) und der ... + ... Marketing GmbH (M) beteiligt. Bei einer Außenprüfung Ende der siebziger Jahre wurden Steuerhinterziehungen aufgedeckt, die zur Kürzung der Betriebsausgaben und zum Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen führten. Die daraus folgenden Körperschaft- und Umsatzsteuerschulden lösten die Konkursreife der M aus. U.a. der Kläger gewährte der M Dar lehn, so daß sie ihre Steuerrückstände teilweise begleichen und einen Konkursantrag des Finanzamts vermeiden konnte. Ferner nahm der Kläger 1981 Dar lehn auf, um Kontokorrent- und Fahrzeugfinanzierungskredite der U zu decken. Beide Gesellschaften wurden durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 10. Januar 1983 aufgelöst. Die M veräußerte ihr Anlagevermögen und den Warenbestand am 13. Januar 1983 an die ZES ... GmbH, deren Gesellschafterbestand mit dem der aufgelösten Gesellschaften personenidentisch war.
Nach der Auflösung der Kapitalgesellschaften, vor allem im Jahr 1986, leistete der Kläger weitere Zahlungen auf Steuerschulden der beiden GmbH, die im wesentlichen - über 200.000,00 DM - aus einer Außenprüfung bei der M für die Jahre 1979 bis 1983 herrührten. Er errechnete sich insgesamt einen im Jahr 1983 (Vorjahr) gemäß § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigenden Verlust aus der Auflösung der Kapitalgesellschaften in Höhe von ca. 380.000,00 DM. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 9 der Gerichtsakte (GA) verwiesen.
Der Beklagte berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden 1984 (Streitjahr) vom 20. Januar 1987 und 22. Februar 1988 (Bl. 22, 30 Einkommensteuerakte - EStA) den nach Rücktrag nach 1981 und 1982 verbleibenden Verlustvortrag in der erklärten Höhe.
Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte die Zahlungen des Klägers, die nach dem Auflösungsbeschluß vom 10. Januar 1983 zugunsten der Gesellschaften erfolgt waren (ca. 158.000,00 DM in Sachen M, ca. 2.000,00 DM in Sachen U), nicht mehr als den Verlust nach § 17 EStG erhöhend an (Einkommensteuerbescheid vom 10. Dezember 1990 Bl. 51 EStA). Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde der Einkommensteuerbescheid vom 22. Juli 1991, in dem ein höherer Verlustrücktrag aus den Folgejahren berücksichtigt wurde. In der Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 1993 (Bl. 102 EStA) setzte der Beklagte die Einkommensteuer unter Berücksichtigung erhöhter Kinderfreibeträge niedriger fest. Das Einkommen der Kläger war mit 122.141,00 DM ermittelt (Bl. 116 EStA). Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger sind der Auffassung, auch Aufwendungen, die nach dem Beschluß über die Liquidation von Kapitalgesellschaften getätigt würden, könnten nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Anteile sein. Insbesondere nach einem Liquidationsbeschluß Könnten bei Kapitalgesellschaften Vermögensmehrungen und damit gleichzeitig Werterhöhungen der Gesellschaftsanteile eintreten. Hier seien die Gesellschaften durch Aufwendungen des Klägers von Steuerschulden befreit worden. Die darin liegende Vermögensmehrung müsse konsequenterweise zur Werterhöhung auch der Gesellschaftsanteile führen, im übrigen beträfen die Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaften Veranlagungszeiträume, die vor dem 10. Januar 1983 lägen. Die in 1983 unstreitig gezahlten Steuerschulden in Höhe von 45.749,27 DM seien jedenfalls als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des als Geschäftsführer der Gesellschaften tätigen Klägers zu berücksichtigen mit der Folge, daß sich der Verlustvortrag für das 1984 entsprechend erhöhte.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1984 vom 10. Dezember 1990 in der Fassung vom 22. Juli 1991 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 13. Dezember 1993 die Einkommensteuer 1984 auf 0,00 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Er meint unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 1989 (8 K 1/85 E, EFG 1989, 459), als nachträgliche Anschaffungskosten könnten nach Auflösung einer Kapitalgesellschaft getätigte Aufwendungen nicht anerkannt werden, weil sie nicht mehr der Werterhöhung der Gesellschafteranteile dienen. Dem BFH-Urteil vom 9. September 1986 (VIII R 95/85, BFH/NV 1986, 731) sei zu entnehmen, daß im Rahmen des § 17 EStG nur solche Verpflichtungen berücksichtigt werden könnten, die der Steuerpflichtige bereits vor der Auflösung der Kapitalgesellschaftübernommen habe. Daran fehle es hier aber. Der Kläger sei seine Verpflichtungen zugunsten der Gesellschaften erst nach dem Beschluß der Liquidation eingegangen. Es sei im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des I. Senats des BFH an den Großen Senat (Az. GrS 1/94) zweifelhaft, ob der Verlust eines kapitalersetzenden Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten führe (Blümich/Ebling, Einkommensteuergesetz,§ 17, 223). Bei den Zahlungen könne es sich jedenfalls nicht um eine verdeckte Einlage handeln. Eine Vermögensmehrung bei den Gesellschaften sei nicht eingetreten. Die Steuerverbindlichkeiten seien nur gegen Verbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschafter ausgetauscht worden.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Einkommensteuer 1984 beträgt 0,00 DM. Der 1983 entstandene Verlust aus den Auflösungen der beiden Kapitalgesellschaften ist jedenfalls 122.141,00 DM höher ausgefallen als bisher berücksichtigt, erhöht den bisher im Streitjahr angesetzten Verlustvortrag aus 1983 entsprechend und führt damit gemäß § 10 d Abs. 2 EStG zu einem Einkommen von 0,00 DM.
1.
Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste.
Der Kläger hat diese Voraussetzungen im Jahr 1983 (Vorjahr) erfüllt. Er hielt im Zeitpunkt der Liquidation der Gesellschaften jeweils 50 v.H. der Geschäftsanteile in seinem Privatvermögen. Der Kläger war damit wesentlich - zu mehr als einem Viertel - beteiligt im Sinne des § 17 EStG.
Die Auflösungsverluste sind noch 1983 entstanden. Die Entstehung der Verluste setzt zunächst die zivilrechtliche Auflösung der Gesellschaften voraus. Diese ist mit den Auflösungsbeschlüssen vom 10. Januar 1983 wirksam erfolgt (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Daß die Eintragung im Handelsregister erst am 6. Januar 1984 stattgefunden hat, ändert hieran nichts, da der Eintragung nur deklaratorische Bedeutung zukommt.
Auch die weitere Voraussetzung für die Entstehung eines Verlustes, daß nämlich mit Zuteilungen und Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr zu rechnen ist und feststeht, ob und in weicher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen anfallen werden (vgl. zum ganzen BFH-Urteile vom 4. November 1997 VIII R 18/94, DStR 1998, 73; vom 24. April 1997 VIII R 16/94, BFH/NV 1998, 102), ist schon 1983 erfüllt. Im Streitfall stand 1983 zwar nur fest, daß mit Zuteilungen und Rückzahlungen durch beide Gesellschaften nicht mehr zu rechnen war und daß sonstige im Rahmen des§ 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende wesentliche Aufwendungen nicht mehr anfallen würden. Mit den Kosten für die Handelsregistereintragungen fielen nur noch Kosten in unwesentlicher Höhe an. Auch der Beklagte teilt diese Ansicht, da in dem angefochtenen Bescheid der Verlust des Stammkapitals beider Gesellschaften anerkannt ist.
Allerdings standen die Steuernachforderungen aus der Außenprüfung für die Jahre 1979 bis 1983 nicht fest. Mit diesen Steuerschulden der Gesellschaften und ihrer Zahlung durch die Gesellschafter war im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses indes nicht zu rechnen. Aufwendungen, die unerwartet nach dem für die Entstehung des Auflösungsgewinns oder -verlusts maßgebenden Zeitpunkt anfallen, aber durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, können jedoch nachträgliche Anschaffungskosten sein, die den Gewinn oder Verlust rückwirkend beeinflussen; in diesem Fall sind die Einkommensteuerbescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) zu ändern, weil es sich um ein Ereignis handelt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BStBl II 1985, 48). Auch die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, daß nach§ 17 EStG zu berücksichtigende Auflösungsverluste im Jahr 1983 entstanden sind. Streitig ist lediglich die Höhe dieser Verluste.
2.
Die Anschaffungskosten der beiden Beteiligungen erhöhen sich jedenfalls um 160.206,00 DM (380.099,00 DM ./. 219.893,00 DM).
Zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung gehören auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Unter diesen Umständen zählt zu diesen Aufwendungen z.B. auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehn. Ein Darlehn ist durch das Gesellschaftsverhältnis u.a dann veranlaßt, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Gesellschaft entweder konkursreif ist oder wenn die Konkursreife zwar nicht eingetreten ist, die Rückzahlung des Darlehns aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, daß ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise; vgl. BFH-Urteile vom 4. November 1997 und 24. April 1997, a.a.O. mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Im Streitfall läßt sich zwar nicht feststellen, daß der Kläger den Gesellschaften die hier streitigen Zahlungen als Darlehn gewährt hätte. Vereinbarungen über den Rechtsgrund der Zahlungen haben der Kläger und die Gesellschaften nicht getroffen. In den Liquidationsbilanzen auf den 6. Januar 1984, den Tag der Eintragung der Auflösungsbeschlüsse im Handelsregister, sind jedoch nur Gesellschafter-"Darlehn" als Verbindlichkeiten der Gesellschaften gegenüber dem Kläger ausgewiesen. Haben die Gesellschaften und der Kläger - wie vorgetragen - keinen vertraglichen Rechtsgrund für die Zahlungen des Klägers vereinbart, schulden die Gesellschaften dem Kläger den Ersatz der von ihm getätigten Aufwendungen jedenfalls nach dem Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Für die Beurteilung, ob hier nachträgliche Anschaffungskosten vorliegen, ist der Rechtsgrund der Verbindlichkeiten jedoch ebenso ohne Bedeutung wie die ungenaue Bezeichnung in der Bilanz.
Es kommt vielmehr nur darauf an, ob es sich um Aufwendungen auf die Beteiligung handelt, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind. Das ist hier - unstreitig - der Fall. Auch der Beklagte räumt ein, daß die Gesellschaften konkursreif waren bzw. die Zahlungen zu einem Zeitpunkt geleistet wurden, als mit einem Aufwendungsersatz durch die Gesellschaften nicht mehr zu rechnen war. Dies hat zur Folge, daß die Auflösungsverluste um den Nennwert der bisher nicht berücksichtigten Aufwendungen zu erhöhen sind.
Nachträgliche Anschaffungskosten auf eine Beteiligung können auch noch nach dem Beschluß über die Auflösung der Gesellschaft anfallen (gegen Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Mai 1989 8 K 141/85 E, EFG 1989, 459). Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses für die Frage, ob nachträgliche Anschaffungskosten angefallen sind, von Bedeutung sein sollte.
Wenn die Gesellschafter durch Einsatz frischer Geldmittel eine konkursfreie Abwicklung der Gesellschaft ermöglichen, liegt ein Fall des§ 17 EStG vor. Sie tragen Aufwendungen auf die Beteiligung, um den jetzigen Gesellschaftszweck, die Abwicklung, zu fördern. Durch einen Auflösungsbeschluß der Gesellschafter wird aus der werbenden Gesellschaft eine Liquidationsgesellschaft. Die Aufgabe der Liquidation besteht darin, die Geschäfte der Gesellschaft abzuwickeln (zu beenden), die Vermögenswerte der Gesellschaft zu realisieren, die Schulden zu bezahlen und den Überschuß an die Gesellschafter zu verteilen. Mit der Verteilung der Vermögenswerte erlischt die Gesellschaft. Eine Liquidation unterbleibt ausnahmsweise, wenn z.B. keine Vermögenswerte vorhanden sind, nicht dagegen, wenn - wie hier - die Schulden überwiegen. Normalerweise wird in diesen Fällen allerdings ein Konkursverfahren stattfinden, das an die Stelle der gesellschaftsrechtlichen Liquidation tritt.
Die Gegenansicht des Finanzgerichts Düsseldorf vermag nicht zu überzeugen. Durch die Auflösung ändert sich lediglich der Gesellschaftszweck. Die Identität der Gesellschaft und die Beteiligungen der Gesellschafter bleiben hiervon unberührt, so daß nicht einsichtig ist, warum gesellschaftsbedingte Vermögenseinbußen sich nach der Auflösung nicht im Rahmen des § 17 EStG auswirken sollten. Das vom Finanzgericht Düsseldorf angeführte Argument, mit der Auflösung der Gesellschaft stehe fest, daß Aufwendungen nicht mehr dem Erwerb, der Erhaltung oder der Verbesserung der Beteiligung dienen könnten, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Bis zur Beendigung der Gesellschaft können die Gesellschafter jederzeit beschließen, die werbende Tätigkeit wieder aufzunehmen. Richtig ist zwar, daß im Streitfall keine Mehrung des Gesellschaftsvermögens eingetreten ist. Dies ist nach der hergebrachten Definition der nachträglichen Anschaffungskosten aber auch nicht erforderlich. Wäre eine Vermögensmehrung eingetreten, handelte es sich um eine Einlage. In der Krise der Gesellschaft gewährte oder stehengelassene Gesellschafterdarlehn sind indes keine Einlagen, sondern werden trotz ihres Fremdkapitalcharakters lediglich in der Frage der Anschaffungskosten der Beteiligung Einlagen gleichgestellt (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BStBl M 1985, 320).
Aus dem BFH-Urteil vom 9. September 1986 (VIII R 95/85, BFH/NV 1986, 731), auf das sich das Finanzgericht Düsseldorf und die Oberfinanzdirektion Düsseldorf (Verfügung vom 1. Februar 1989 S 2244 A St 11 H 1, DStR 1989, 291) berufen, ergibt sich nichts anderes. Der vom BFH entschiedene Fall ist nicht vergleichbar. Er betrifft die Veräußerung von GmbH-Anteilen, nicht die Auflösung einer Kapitalgesellschaft. Der BFH hält dort nachträgliche Änderungen der für die Berechnung des Gewinns oder Verlustes maßgeblichen Rechengrößen (Anschaffungskosten, Veräußerungskosten) auch nur "jedenfalls" - nicht etwa: nur - in den Fällen für steuerlich relevant, in denen die spätere Änderung durch einen Umstand begründet war, der dem Veräußerungsvorgang zeitlich vorausging. Eine Aussage des Inhalts, daß Aufwendungen nach dem Veräußerungsvorgang nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten führen können, findet sich in dem Urteil nicht.
Im übrigen ordnet § 17 Abs. 4 EStG nur die "entsprechende Anwendung" der §§ 17 Abs. 1 bis 3 EStG auf den Fall der Auflösung von Kapitalgesellschaften an. Hieraus folgt, daß Veräußerungsvorgang und Auflösungsbeschluß nicht gleichgesetzt werden müssen. Der Zweck des § 17 EStG, wesentlich Beteiligte einkommensteuerlich einem Mitunternehmer gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654), verlangt es, den mit der Beteiligung verbundenen Gewinn oder Verlust - vorbehaltlich weiterer nachträglicher Anschaffungskosten - jedenfalls auf die Dauer der Beteiligung an der Gesellschaft zu ermitteln. Gesellschafter bleiben indes bis zur Veräußerung ihrer Anteile oder der Vollbeendigung der Gesellschaft Beteiligte. Die entsprechende Anwendung der §§ 17 Abs. 1 bis 3 EStG auf Fälle der Auflösung von Kapitalgesellschaften kann daher nur bedeuten, daß gesellschaftsbedingte Aufwendungen vor Vollbeendigung der Gesellschaft in Auflösungsfällen Aufwendungen vor der Veräußerung von Geschäftsanteilen in Veräußerungsfällen gleichzusetzen sind. Nicht nur Vorgänge bis zum Beginn der Liquidation sind zu berücksichtigen, sondern auch solche bis zum Abschluß der Liquidation (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 87/89, BStBl II 1993, 30). Im Streitfall war eine Vollbeendigung der Gesellschaften zum Zeitpunkt der Zahlungen der Steuerschulden auch im Jahre 1986 noch nicht eingetreten.
Für die hier vertretene Auffassung spricht, daß Zufallsergebnisse vermieden werden. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG führt auch die Eröffnung des Konkursverfahrens zur Auflösung der Gesellschaft. Der Eröffnungsbeschluß hat die Stunde der Eröffnung anzugeben (§ 108 Konkursordnung - KO -). Durch die Gesellschaft veranlaßte Aufwendungen des Gesellschafters nach dem Zeitpunkt wären nach der Gegenansicht steuerlich allein wegen der Konkurseröffnung, auf deren Zeitpunkt der Gesellschafter keinen Einfluß hat und von der er keine Kenntnis haben muß, nicht berücksichtigungsfähig.
Der Beschluß des Großen Senats vom 9. Juni 1997 (GrS 1/94, BFH/NV 1997, R 391) hat für die Frage, wann dem Grunde nach nachträgliche Anschaffungskosten auf eine Beteiligung vorliegen, keine Bedeutung. Dem Beschluß ist nicht zu entnehmen, daß nachträgliche Anschaffungskosten nur dann vorliegen können, wenn eine Betriebsvermögensmehrung eintritt. Den Vorlagebeschlüssen liegen Sachverhalte zugrunde, in denen der Gesellschafter auf Forderungen verzichtet hat. Der Beschluß des Großen Senats befaßt sich vor allem mit der Frage, wie diese Einlagen zu bewerten sind. Nachträgliche Anschaffungskosten in Form gesellschaftsbedingter Aufwendungen, denen keine werthaltige Forderung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft gegenübersteht, sind aber gerade keine Einlagen, sondern stehen ihnen nur im Hinblick auf die Beurteilung als Anschaffungskosten gleich. Auch der VIII. Senat des BFH sieht keinen Widerspruch zwischen seiner Rechtsprechung zum Darlehnsausfall als nachträgliche Anschaffungskosten und dem Beschluß des Großen Senats. In dem Urteil vom 4. November 1997 (a.a.O.) hat der VIII. Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten, ohne den von Ihm bereits im Urteil vom 29. Juli 1997 (VIII R 57/94, DStR 1997, 1965) unter B I 1 a der Entscheidungsgründe zitierten Beschluß auch nur zu erwähnen.
Die Aufwendungen des Klägers können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§§ 9 Abs. 1, 20 EStG) oder nichtselbständiger Arbeit (§§ 9 Abs. 1, 19 EStG) berücksichtigt werden. Er hat die Aufwendungen nicht auf sich genommen, um Erträge aus seinen Kapitalanlagen bei den beiden Gesellschaften oder seine Arbeitsplätze zu erhalten zu erzielen, sondern um die konkursfreie Abwicklung zu ermöglichen.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen. Der Senat weicht mit der Entscheidung von dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 9. Mai 1989 (a.a.O.) ab. Zudem wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dem Beschluß des Großen Senats vom 9. Juni 1997 (a.a.O.) sei zu entnehmen, "daß die Annahme nachträglicher Anschaffungskosten auf die Beteiligung auf jeden Fall eine bilanzielle Vermehrung des Gesellschaftsvermögens voraussetze" (Hartmann, Kapitalersetzende Finanzierungsmaßnahmen als Anschaffungskosten eines Gesellschafters auf seine Beteiligung, DStZ 1998, 271), die im Streitfall nicht festgestellt werden konnte. Andere Literaturstimmen teilen zwar die hier vertretene Auffassung, daß in dem Beschluß des Großen Senats eine direkte Aussage zu der Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten nicht enthalten ist. So ist Lempenau (Kommentierte Finanzrechtsprechung, Fach 4, KStG § 8, 297) der Ansicht, der Große Senat habe sich von der Rechtsprechung des VIII. Senats zu kapitalersetzenden Darlehen und ihrem Ausfall nicht distanziert. Neumann (Neue Zuflußfiktion beim Forderungsverzicht durch einen GmbH-Gesellschafter, Finanzrundschau 1997, 925) meint demgegenüber, die Anschaffungskostendiskussion werde nun neu entfacht (ähnlich kk, Kölner Steuerdialog 1997, 11.244).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit§§ 708 Nr. 10, 11 Zivilprozeßordnung.