Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.04.1998, Az.: XIV 521/97

Gewährung der auf den vom ehemaligen Ehegatten erworbenen Miteigentumsanteil entfallenden Abzüge gem.§ 10e EStG (Einkommensteuergesetz); Erforderlichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen einer Ehegatten-Veranlagung im Veranlagungszeitraum der Anteilsübertragung für die Inanspruchnahme des Abzugsbetrages für das gesamte Objekt; Eintritt des erwerbenden Ehegattens in die Rechtsstellung des übertragenden Ehegattens

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.04.1998
Aktenzeichen
XIV 521/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 18618
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1998:0423.XIV521.97.0A

Fundstellen

  • NWB DokSt 1999, 228
  • SteuerBriefe 1998, 1394-1395

Verfahrensgegenstand

Einkommensteur 1996

In dem Rechtsstreit
hat der XIV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 23. April 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
fürRecht erkannt:

Tenor:

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1996 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21.07.1997 wird die Einkommensteuer auf 3.259,00 DM herabgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatberstand

1

Streitig ist die Höhe des Abzugsbetrages gemäß § 10 e Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Im Jahr 1992 errichtete der Kläger zusammen mit seiner damaligen Ehefrau eine Doppelhaushälfte ..., Beide Eheleute waren je zu 1/2 Eigentümer des Gebäudes. Seit dem Veranlagungszeitraum 1992 nahmen die Eheleute die Steuerbegünstigung gemäß § 10 e Abs. 1 EStG in Anspruch. Für das Jahr 1994 wurde der Abzugsbetrag für die eigengenutzte Wohnung i.H.v. 14.226,00 DM nicht ausgeschöpft. Die Ehe wurde am ... 11.1995 geschieden, nachdem die Eheleute seit dem ... 01.1994 getrennt voneinander gelebt hatten. Mit Wirkung zum 31.12.1995 übertrug die geschiedene Ehefrau des Klägers diesem den hälftigen Miteigentumsanteil an dem Objekt

3

In seiner Einkommensteuererklärung 1996 machte der Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG i.H.v. 19.800,00 DM (6 % von 330.000,00 DM) zuzüglich 126,00 DM (Nachholung von Abzugsbeträgen für nachträgliche Anschaffungs-/Herstellungskosten 6 % von 688,00 DM) geltend. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1996 lediglich einen Betrag von 8.312,00 DM, der sich wie folgt zusammensetzt:

5 % von 330.000,00 DM16.500,00 DM
Nachholungsbetrag 6 % von 688.00 × 3 Jahre124,00 DM
16.624,00 DM
davon 1/2 =8.312,00 DM.
4

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs machte der Kläger geltend, das Jahr 1996 stelle das vierte Jahr der Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG dar, da die Steuerbegünstigung im Jahr 1995 nicht in Anspruch genommen worden sei. Deshalb finde der Prozentsatz von 6 v.H. Anwendung. Außerdem könne er gemäß § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG die Steuerbegünstigung für den von seiner Ehefrau übernommenen Miteigentumsanteil in Anspruch nehmen. Zusätzlich beantragte er, den im Jahr 1994 nicht ausgeschöpften Abzugsbetrag i.H.v. 14.226,00 DM zu berücksichtigen. Das Finanzamt setzte im Einspruchsbescheid die Einkommensteuer auf 7.773,00 DM herab und gewährte zusätzlich die hälftige im Jahr 1994 nicht ausgeschöpfte Steuerbegünstigung gemäß § 10 e Abs. 1 EStG i.H.v. 7.113,00 DM, mithin einen Gesamtabzugsbetrag i.H.v. 15.425,00 DM. Im übrigen wies es den Einspruch mit folgender Begründung zurück: Der Abzugszeitraum für die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG beginne im Jahr 1992 und ende im Jahr 1999. Werde die Wohnung während dieses Zeitraumes für volle Jahre nicht genutzt, gehe der Abzugsbetrag für diese Jahre verloren. Da das streitige Gebäude im Jahr 1995 nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sei, gehe der Abzugsbetrag in Höhe von 6 % für dieses Jahr verloren. Für das Streitjahr 1996 könne der Kläger deshalb eine Förderung nur in Höhe von 5 % der Bemessungsgrundlage in Anspruch nehmen. Eine Verlängerung des Abzugszeitraumes sei nicht möglich. Wegen Objektverbrauchs i.S.d.§ 10 e Abs. 4 EStG könne der Kläger für den von seiner geschiedenen Ehefrau hinzuerworbenen Miteigentumsanteil keine Steuerbegünstigung gemäß § 10 e Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen. § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG finde keine Anwendung, da die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht während des Abzugszeitraumes 1996 weggefallen seien.

5

Hiergegen richtet sich die Klage, die der Kläger wie folgt begründet: Zutreffend habe das Finanzamt festgestellt, daß der Abzugszeitraum gemäß § 10 e EStG im Jahr 1992 begonnen habe und im Jahr 1999 ende. Voraussetzung des § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG sei der Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG innerhalb dieses Zeitraums und der Erwerb des Miteigentumsanteil vom anderen Ehegatten. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Der Kläger verweist auf das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Dezember 1994 1 K 2348/94. EFG 1995, 437. Die Rechtsprechung zu § 7 b Abs. 6 EStG sei hier nicht anzuwenden. Eine entsprechende Regelung i.S.d. § 10 e Abs. 5 Satz 3 2. Halbsatz EStG sei in§ 7 b Abs. 6 EStG nicht enthalten.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 1996 in der Gestalt des Einspruchsbescheides vom ... 07.1997 abzuändern und die Einkommensteuer auf 3.259,00 DM festzusetzen,

7

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Er verweist auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu § 7 b Abs. 6 Satz 2 EStG (Urteile vom 07.10.1986. BFH-NV 1987. 236; vom 31.01.1987. BFH-NV 1987, 445; vom 24.01.1989, BFH-NV 1989, 777; vom 27.11.1990. BFH-NV 1991, 305). Danach könne ein Ehegatte bis zu dem Veranlagungszeitraum, in dem er noch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfülle, mit steuerlicher Wirkung den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten erwerben. Da im Streitjahr die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG nicht mehr vorlägen, seien die Anteile der Eheleute als selbständige Objekte zu behandeln und es sei Objektverbrauch eingetreten.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Dem Kläger sind die auf den von seiner ehemaligen Ehefrau erworbenen Miteigentumsanteil entfallenden Abzugsbeträge gemäß § 10 e Abs. 1 und Abs. 3 EStG zu gewähren. Objektverbrauch ist nicht eingetreten.

11

1.

Gemäß § 10 e Abs. 5 Satz 3 1. Halbsatz EStG kann ein Ehegatte im Fall des Hinzuerwerbs eines Miteigentumsanteils seines Ehegatten infolge Erbfalls den auf diesen Anteil entfallenden Abzugsbetrag weiter in der bisherigen (Gesamt-)Höhe abziehen. Entsprechendes gilt nach Halbsatz 2 des § 10 Abs. 5 Satz 3 EStG, wenn im Fall des § 10 e Abs. 5 Satz 2 EStG während des Abzugszeitraums die Voraussetzungen des§ 26 Abs. 1 EStG wegfallen und ein Ehegatte den Anteil des anderen Ehegatten an der Wohnung erwirbt.

12

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Der Kläger lebte seit Ende Januar 1994 von seiner Ehefrau getrennt. Die Ehe wurde im Jahr 1995 geschieden, so daß die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG im Jahr 1995. mithin während des Abzugszeitraumes (1992 bis 1999) weggefallen sind. Der Kläger hat zum 31.12.1995 den Miteigentumsanteil seiner geschiedenen Ehefrau an dem Objekt ... erworben.

13

a)

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist es für die Inanspruchnahme des Abzugsbetrages für das gesamte Objekt nicht erforderlich, daß im Veranlagungszeitraum der Anteilsübertragung die Voraussetzungen einer Ehegatten-Veranlagung vorgelegen haben (vgl. Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. § 10 e EStG Rdz. 462; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 e EStG Rdz. 67; Kirchhoff/Söhn. Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 e F 4; Meyer. Deutsche Steuerzeitung 1987, 170; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.12.1994 1 K 2348/84, EFG 1995, 437). Das Gesetz fordert keine bestimmte Reihenfolge von Anteilserwerb und Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG. Es genügt, daß die Übertragung des Miteigentumsanteils und der Wegfall der Voraussetzungen für die Ehegattenveranlagung irgendwann während des Abzugszeitraums erfolgen, unabhängig voneinander und in beliebiger Reihenfolge. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, insbesondere im Vergleich zu § 10 e Abs. 5 Satz 31. Halbsatz, wo der Gesetzgeber (Erwerb "infolge" Erbfalls) ersichtlich enger formuliert hat (vgl. Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 e EStG. Rdz. 462).

14

b)

Die vom Finanzamt herangezogene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu § 7 b Abs. 6 EStG ist auf den Streitfall nicht übertragbar (vgl. Kirchhoff/Söhn, Kommentar zur Einkommensteuer, § 10 e F 4. Fußnote 13). Denn abweichend von der früheren Rechtslage im Anwendungsbereich des § 7 b Abs. 6 EStG besteht in § 10 e Abs. 5 Satz 1 und 2 die gesetzliche Fiktion, daß der Miteigentumsanteil des Ehegatten kein eigenständiges Begünstigungsobjekt ist. Sind Ehegatten, die nach§ 26 Abs. 1 EStG zusammenveranlagt werden können, Miteigentümer einer Wohnung, so ist diese nach § 10 e Abs. 5 Satz 2 als ein einziges Objekt anzusehen. Diese gesetzliche Fiktion besteht für den in § 10 e Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten Fall fort. Damit hat der Kläger nach Wegfall der Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG durch den Erwerb des Miteigentumsanteils seiner geschiedenen Ehefrau kein zweites selbständiges Objekt erworben. Objektverbrauch ist damit nicht eingetreten.

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2.

Die auf den hinzuerworbenen Anteil entfallenden Abzugsbeträge i.S.d. § 10 e Abs. 1 und 2 EStG können vom Erwerber weiter "in der bisherigen Höhe" abgezogen werden. Das bedeutet, daß der erwerbende Ehegatte sowohl hinsichtlich des laufenden Abzugszeitraumes als auch der Bemessungsgrundlage des Abzugsbetrages in die Rechtsstellung des übertragenden Ehegatten eintritt. Da der erwerbende Ehegatte hinsichtlich des weiteren Sonderausgabenabzugs die bisherige auf Abs. 5 Satz 3 beruhende Rechtsposition des Ehegatten,ähnlich der Regelung des § 11 d Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, fortsetzt, ist ihm auch das Recht zur Nachholung von Abzugsbeträgen gemäß § 10 e Abs. 3 Satz 1 EStG einzuräumen, die auf den erworbenen Anteil entfallen (vgl. Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 e Rdz. 67; Hermann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 e EStG Rdz. 467).

16

3.

Die Einkommensteuer ist damit antragsgemäß wie folgt neu festzusetzen:

zu versteuerndes Einkommen bisher39.564,00 DM
abzüglich weiterer Steuerbegünstigung nach § 10 e Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 3 EstG15.425,00 DM
zu versteuerndes Einkommen neu24.139,00 DM
Einkommensteuer neu lt. Grundtabelle3.259,00 DM.
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4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

18

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151. 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10. 711 Zivilprozeßordnung.

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5.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

20

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.