Landgericht Hannover
Urt. v. 08.12.2021, Az.: 7 O 190/20

Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückzahlung von Mietzins für bestellte, aber nicht in Benutzung genommene Hotelzimmer

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
08.12.2021
Aktenzeichen
7 O 190/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 73420
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2021:1208.7O190.20.00

In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ...
gegen
...
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ...
hat das Landgericht Hannover - 7. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ... im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO auf Grund der bis zum 17.11.2021 eingereichten Schriftsätze für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.522,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 7.7.2020 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Im Übrigen bleibt ihm nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... (im folgenden Schuldnerin) von der Beklagten die Rückzahlung von Mietzins für bestellte, aber nicht in Benutzung genommene Hotelzimmer.

Die Gläubigerin schloss mit der Beklagten am 11.7.2019 einen Hotelaufnahmevertrag über 8 Einzelzimmer der Standardkategorie inklusive Frühstück für den Zeitraum vom 19.4.2020 bis 24.4.2020 zu einem Preis von insgesamt 15.440,00 €. In dem Zeitraum vom 20.4.2020 bis 24.4.2020 sollte die sog. ...-Messe stattfinden.

Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

"...

5. Stornierungsbedingungen

5.1 nach Bestätigung der Reservierung ist eine kostenfreie Stornierung nicht mehr möglich.

...

9. Sonderregelung

9.1 sollten sich die öffentlich bekannt gegebenen Messezeiten ändern oder neue hinzugefügt werden, behalten wir uns das Recht vor, die vertraglich vereinbarte Rate an die veränderten Messedaten entsprechend angemessen anzupassen. Der Kunde ist innerhalb einer Frist von 2 Wochen ab Kenntnisnahme der Preisveränderung zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Der Kunde muss den Rücktritt schriftlich erklären. Maßgeblich für die Rechtzeitigkeit der Rücktrittserklärung ist deren Zugang beim Hotel.

..."

Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten zu der vertraglichen Vereinbarung wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Mit E-Mail vom 10.3.2020 unterbreitete die Beklagte der Schuldnerin ein Umbuchungsangebot für den Zeitraum vom 12.7.2020 bis 17.7.2020 (Anlage K 2), welches die Schuldnerin nicht annahm. Bereits zuvor (u. a. mit E-Mail vom 16.10.2019) hatte die Schuldnerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie die Zimmer nicht mehr benötige und sich über Möglichkeiten betreffend die Weitergabe/Weitervermietung an Dritte erkundigt.

Die in dem Zeitraum vom 20.4.2020 bis 24.4.2020 ursprünglich anberaumte ...-Messe wurde wegen der sich ausbreitenden Corona-Pandemie abgesagt. Mit E-Mail vom 16.4.2020 erklärte die Schuldnerin den Rücktritt vom vorgenannten Beherbergungsvertrag und forderte die Erstattung der bereits gezahlten 15.440,00 € (Anlage K 3). Die Beklagte verwies mit E-Mail vom 17.4.2020 auf ihre vertraglichen Stornierungsregelungen und stellte die Geltendmachung von Stornierungsgebühren in Höhe von 90 % des Zimmerpreises in Aussicht (Anlage B 6).

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Rückzahlung der Anzahlung in Höhe von 15.440,00 € verpflichtet sei. Die Mitarbeiter der Schuldnerin hätten sich nach Absage der ...-Messe lediglich zu touristischen Zwecken in dem Hotel aufhalten können, was § 1 Abs. 4 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17.4.2020 entgegengestanden habe. Außerdem ergebe sich ein vertragliches Rücktrittsrecht aus Nummer 6.1 des Hotelaufnahmevertrags, da es sich bei der weltweiten Corona-Pandemie um "höhere Gewalt" handele. Dies ergebe sich auch aus Ziffer IV der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Es bestehe zudem ein gesetzliches Rücktrittsrecht, da der Beklagten ihre Leistung unmöglich geworden sei. Jedenfalls aber bestünde ein Anspruch auf Herausgabe der 15.440,00 € aus dem allgemeinen Bereicherungsrecht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 15.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Schuldnerin weder ein gesetzliches noch ein vertragliches Rücktrittsrecht zur Seite stehe. Für die Schuldnerin habe es sich um eine Geschäftsreise und nicht um einen Aufenthalt zu touristischen Zwecken gehandelt. Unmöglichkeit oder höhere Gewalt liege nach alledem nicht vor. Die Mitarbeiter der Schuldnerin hätten die Zimmer nutzen können. Die Möglichkeit der Messeteilnahme war weder Vertragsinhalt noch Geschäftsgrundlage oder ein Zweck im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 2 BGB, auf den sich die Parteien verständigt hätten. Es habe sich um ein reines Motiv der Schuldnerin für die Anmietung der Räume gehandelt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten die Rückzahlung von Beherbergungskosten in Höhe von 7.720,00 € gemäß §§ 346, 313 BGB beanspruchen. Dies entspricht einer hälftigen Teilung der Buchungskosten, die auf einer Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) beruht. Weitergehende Rückzahlungsansprüche des Klägers bestehen nicht.

1.

Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann nach § 313 BGB die Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut (BGH, Urt. v. 27.9.1991 - V ZR 191/90 -, ZIP 1991, 1600; v. 15.11.2000 - VIII ZR 324/99 -, NJW 2001, 1204; v. 1.2.2012 - VIII ZR 307/10 -, NJW 2012, 1718).

Gemessen hieran ist mit der Corona-Pandemie im Vertragsverhältnis der Beklagten und Schuldnerin eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten. Zur Geschäftsgrundlage der Beklagten und Schuldnerin als Anbieter und Nachfrager von Beherbergungsleistungen gehörte danach die Vorstellung, dass es nicht zu einer weltweiten Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens kommen würde, so dass das Auftreten der Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragsabwicklung vorgestellten Umstände bedeutet und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirklicht (vgl. auch OLG Dresden, Beschl. v. 15.2.2021 - 5 U 1782/20 -, NZM 2021, 231; LG Mönchengladbach, Urt. v. 2.11.2020 - 12 O 154/20 -, zitiert nach juris Rn. 48; LG Heidelberg, Urt. v. 30.7.2020 - 5 O 66/20 -, ZMR 2021, 44). Es liegt insoweit eine Systemkrise vor, weil durch sie das allgemeine soziale und wirtschaftliche Gefüge nachhaltig erschüttert wird (OLG Dresden, Urt. v. 24.2.2021, a. a. O.; Häublein/Müller NZM 2020, 481, 486 f.; jeweils m. w. N.). Für eine solche Annahme spricht auch der Inhalt des mit Wirkung vom 31.12.2020 neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB für gewerbliche Miet- und Pachtverhältnisse (vgl. OLG Dresden, a. a. O.).

Diese Krise hat sich auch bei der Schuldnerin verwirklicht und damit die vorgenannte Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss schwerwiegend zu Lasten der Schuldnerin verändert. Ein unverändertes Festhalten am Vertrag ist ihr nicht zumutbar. Die Auflösung (oder Anpassung) eines Vertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage muss zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweislich erscheinen (BGH, Urt. v. 26.9.1996 - I ZR 265/95 -, BGHZ 133, 321; v. 1.2.2012 - VIII ZR 307/10 -, NJW 2012, 1718; Palandt/Grüneberg, BGB, § 313 Rn. 24; jeweils mwN).

Dabei kommt der vertraglichen Risikoverteilung besondere Bedeutung zu. § 313 BGB ist nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, das eine Partei zu tragen hat. Durch Umstände, die in den Risikobereich einer Vertragspartei fallen, wird die Geschäftsgrundlage des Vertrages grundsätzlich nicht berührt (BGH, Urt. v. 6.4.1995 - IX ZR 61/94 -, BGHZ 129, 253). Nicht zur Geschäftsgrundlage gehören daher Störungsereignisse, in denen sich Risiken verwirklichen, die eine Partei übernommen hat oder die zu ihrem allgemeinen Vertragsrisiko gehören (BGH, Urt. v. 14.10.1992 - VIII ZR 91/91 -, NJW 91, 1478 [BGH 31.05.1990 - I ZR 233/88]).

Zwar fällt das Risiko, dass der Anlass der Reise, also die ...-Messe, für die die Schuldnerin die Hotelzimmer gebucht hat, wegfällt und sie deshalb keine Verwendung mehr für die Hotelzimmer hat, als bloße Störung des Verwendungszwecks grundsätzlich in ihren Risikobereich. Zu beruflichen Zwecken durfte die Beklagte seinerzeit Beherbergungsmöglichkeiten anbieten, wobei sich der berufliche Zweck durch den Wegfall der Messe nicht automatisch in einen touristischen umwandelt. Dies berücksichtigt aber nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend, dass sich im Streitfall mit einer weltweiten Pandemie ein außergewöhnliches Risiko verwirklicht hat, das nicht mehr eindeutig in den Risikobereich einer Partei fällt (so für den Bereich der Gewerberaummiete etwa OLG Frankfurt, Urt. v. 19.3.2021 - 2 U 143/20 -, zitiert nach juris Rn. 43 ff.; OLG Dresden, Urt. v. 24.2.2021, 5 U 1782/20, zitiert nach juris Rn. 35 ff.; LG Mönchengladbach, Urt. v. 2.11.2020 - 12 O 154/20 -, zitiert nach juris; LG München I, Urt. v. 12.2.2021 - 31 O 11516/20 -, zitiert nach juris; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 313 Rn. 37a; Zehelein, NZM 20, 390 ff.; Häublein/Müller, NZM 20, 481 ff.). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Durchführung der Messe ihrerseits in ihre Preisgestaltung aufgenommen hat. Zwar ist die Vermietbarkeit der Zimmer nicht von der Durchführung der Messe abhängig, diese bestimmt jedoch -unstreitig- den Preis als wertbildenden Faktor. Insoweit hat sich die Beklagte unter Nr. 9 des Vertrags (Sonderregelung) auch ihrerseits ein Vertragsanpassungsrecht für den Fall geänderter Messedaten vorbehalten. Die mit der Schuldnerin vereinbarten Preise konnte die Beklagte offensichtlich und unstreitig am Markt nur verlangen, weil die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Hannover-Messe eine entsprechende Nachfrage mit sich brachte. Schon nach Absage der Messe hätte die Beklagte die messebedingten Zimmerpreise nicht mehr erzielen können, wobei sie diese Behauptung auch nicht aufstellt. Damit hatte sich der Markt grundlegend verändert, ohne dass dies für eine Partei vorhersehbar oder beherrschbar gewesen wäre. Diese Situation ist nicht mehr dem Risikobereich einer Partei zuzuordnen. Vielmehr spricht dies für eine Risikoteilung (vgl. hierzu Häublein/Müller NZM 2020, 481, 490 ff. für die Gewerberaummiete). Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich der Inhalt des Vertrags den veränderten Umständen anzupassen. Da keine Partei eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt hat und für die Kammer auch keine Gründe für eine anderweitige Aufteilung ersichtlich sind, ist es angemessen, das von keiner Partei zu tragende Pandemierisiko auf beide Parteien je zur Hälfte zu verteilen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23.11.1989 - VII ZR 60/89 -, NJW 90, 572).

Insbesondere wird die im Rückgewährschuldverhältnis vereinbarte Stornierungsgebühr von 100 % des Zimmerpreises unter Anrechnung ersparter Aufwendungen dem nicht gerecht. Sie verfolgt im ungestörten Vertragsverhältnis das Ziel, dem Hotelier einen möglichen Ausfall zu ersetzen, den er dadurch erleidet, dass ihm nach einer kurzfristigen Stornierung eine Neuvermietung nicht oder nur zu schlechteren Konditionen möglich ist. Im Streitfall hat die Corona-Pandemie aber die gesamte Marktsituation gestört. Da -wie oben dargelegt- auch die Schuldnerin das Pandemierisiko nicht alleine trägt, ist das Rückgewährschuldverhältnis einschließlich der Stornierungsgebühren anzupassen (so auch OLG Köln, Urt. v. 14.5.2021 - 1 U 9/21 -, zitiert nach juris). Insbesondere hat die Schuldnerin zuvor keine Vertragsbeendigungserklärungen gegenüber der Beklagten abgegeben. Die Schuldnerin hat sich vor ihrem erklärten Rücktritt, den sie mit E-Mail vom 16.4.2020 auf die Corona-Pandemie gestützt hat, zwar bei der Beklagten über (kostengünstige) Möglichkeiten zur Weitervergabe/Stornierung der Zimmer erkundigt. Hierüber haben die Parteien unstreitig Korrespondenz geführt. Eine vorherige Erklärung auf Vertragsbeendigung hat die Schuldnerin jedoch unstreitig nicht abgegeben, so dass ein Rückgewährschuldverhältnis vor der E-Mail vom 16.4.2020 nicht entstanden war (vgl. OLG Köln, Urt. v. 14.5.2021 - 1 U 9/21 -, juris m. w. N., nach dessen Auffassung die vertraglich vereinbarte Stornierungsregelung nicht anzuwenden und auch das Rückgewährschuldverhältnis aufgrund einer vorangegangenen Stornierung wegen der (späteren) Pandemielage gemäß § 313 BGB anzupassen ist).

Der Zinsanspruch folgt aus § 280 Abs. 1, 2, 286, 288 Abs. 2 ZPO. Ausweislich der Anlage K 6 hat die Schuldnerin die Beklagte mit E-Mail vom 22.6.2020 zur Rückzahlung der Buchungskosten unter Fristsetzung bis zum 6.7.2020 aufgefordert, so dass sie sich erst ab dem 7.7.2020 in Verzug befunden hat. Entgegen der Auffassung des Klägers befindet sich der Anspruchsgegner mit der Rücktrittserklärung des Anspruchstellers nicht automatisch in Verzug. Neben der Fälligkeit der Forderung ist grundsätzlich eine Mahnung bzw. Zahlungsaufforderung Verzugsvoraussetzung, die die Kammer erst mit der obigen E-Mail als erfüllt ansieht.

2.

Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung weiterer 7.720,00 € ergibt sich nicht aus einem vertraglichen Stornierungsrecht i. V. m. § 346 BGB. Die Parteien haben zwar vertraglich ein Stornierungsrecht vereinbart, das der Schuldnerin ermöglichte, von dem Beherbergungsvertrag ganz oder teilweise zurückzutreten. Dieses Stornierungsrecht war zeitlich unbeschränkt, aber mit einer Stornierungsgebühr von 100 % unter Anrechnung ersparter Aufwendungen verknüpft. Auf dieser Grundlage hätte sich die Schuldnerin zwar vom Vertrag lösen können. Dem Anspruch auf vollständige Rückzahlung der Vorauszahlung stünde aber die vertraglich vereinbarte Stornierungsgebühr entgegen.

Auch, wenn man der Auffassung des Klägers folgt, also die Stornierungsregel als Allgemeine Geschäftsbedingung einstuft und die Stornierungsgebühr für eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB der Schuldnerin hält, bestünde der Anspruch nicht. In diesem Fall wäre nämlich nicht nur die Stornierungsgebühr unwirksam, sondern die gesamte Klausel, mit der der Schuldnerin eine Stornierungsmöglichkeit eingeräumt wird. Die Unwirksamkeit einer AGB-Regelung betrifft grundsätzlich die Klausel im Ganzen und nicht lediglich den gegen das Klauselverbot verstoßenden Teil (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., § 306 Rn. 5, m. w. N.). Eine Aufteilung der Klausel in ein wirksames Stornierungsrecht und eine unwirksame Gebührenklausel kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Die Beklagte hat der Schuldnerin eine gesetzlich nicht vorgesehene Lösungsmöglichkeit eingeräumt, die unter bestimmten Bedingungen mit der Zahlung einer Gebühr verknüpft ist. Die Zahlung der Gebühr ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Stornierungsmöglichkeit. Die Klausel ist insoweit unteilbar und wäre deshalb im Ganzen unwirksam. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Schuldnerin - vorbehaltlich gesetzlicher Lösungstatbestände - am 16.4.2020 nicht von dem Vertrag hätte zurücktreten können und der Beklagten folglich zur Zahlung des gesamten Buchungspreises verpflichtet geblieben wäre.

3.

Ebenfalls ohne Erfolg stützt der Kläger einen Rückzahlungsanspruch auf §§ 346, 326 Abs. 1, Abs. 4 BGB. Weder die Absage der Hannover-Messe noch der Erlass von behördlichen Beherbergungsverboten begründeten für die Beklagte eine Unmöglichkeit (§ 275 BGB) ihrer Leistungserbringung, aufgrund derer die Schuldnerin ihrerseits gemäß § 326 Abs. 1 BGB von der Gegenleistungspflicht befreit worden wäre und der Kläger als Insolvenzverwalter die geleistete Anzahlung in Gänze gemäß § 326 Abs. 4 BGB zurückverlangen könnte.

Durch die Absage der Hannover-Messe ist der Beklagten die Erbringung ihrer Leistung nicht objektiv oder subjektiv unmöglich geworden. Die Beklagte hat die vertragliche Pflicht zur Überlassung der angemieteten Hotelzimmer sowie der Bereitstellung eines Frühstücks übernommen. Die Möglichkeit zur Erbringung dieser Leistungen ist durch die Absage der Messe nicht berührt worden. Dies wäre nur dann abweichend zu beurteilen, wenn die Durchführung der Messe zum Vertragsinhalt geworden wäre und die Buchung gleichsam nur unter der Voraussetzung der Durchführung der Messe Wirksamkeit erlangen sollte. Eine Überlassung der Hotelzimmer zum Besuch der Messe wäre der Beklagten in diesem Fall nach deren Absage unmöglich. Dass die Beklagte in diesem Sinne das Risiko der Durchführung der Messe übernommen hätte, ist indes nicht ersichtlich. Im auf den Beherbergungsvertrag im Wesentlichen anwendbaren Mietrecht (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., vor § 535 Rn. 36) schuldet der Vermieter lediglich die Gebrauchsgewährung; der Mieter trägt, wenn ihm der Gebrauch gewährt wird, demgegenüber nach § 537 Abs. 1 S. 1 BGB im Grundsatz uneingeschränkt das Verwendungsrisiko (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.1996 - XII ZR 55/95 -, NJW 1997, 193; vom 21.9.2005 - XII ZR 66/03 -, NJW 2006, 899; vom 17.3.2010 - XII ZR 108/08 -, NJW-RR 2010, 1016; Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl., § 537 Rn. 1; jeweils m. w. N.). Hier bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte als Vermieterin abweichend davon das Verwendungsrisiko in Form der Durchführung der Hannover-Messe übernommen hätte. Dass die Klägerin der Beklagten vor der Buchung mitgeteilt hat, die Zimmer aus Anlass der Messe anzumieten, macht die Durchführung der Messe noch nicht zum Vertragsinhalt. Damit hat die Schuldnerin lediglich einseitig ihr Motiv für die Anmietung kundgetan. Eine Einstandspflicht der Beklagten für die Durchführung der Messe folgt hieraus nicht, auf die sie auch keinerlei Einfluss hätte. Eine solche ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte für Buchungen während der Messezeiten höhere Preise und eine 100%ige Vorauszahlung verlangt. Diese Vertrags- und Preisgestaltung folgt den Gesetzmäßigkeiten des Marktes, nach denen Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Zu Messezeiten herrscht üblicherweise eine höhere Nachfrage geschäftlich reisender Personen, die sich in höheren Preisen niederschlägt.

Die Unmöglichkeit der Leistungserbringung folgt auch nicht aus dem von der Regierung verhängten Beherbergungsverbot. Zu beruflichen Zwecken war eine Unterbringung weiterhin möglich, die die Schuldnerin hier ursprünglich und unstreitig verfolgte. Die Absage der Hannover-Messe macht aus dem beabsichtigten Aufenthalt keinen touristischen. Die Durchführung der Messe als solche ist zudem nicht Vertragsinhalt geworden (s. o.).

4.

Ansprüche aus Bereicherungsrecht gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen ebenfalls nicht. Die Zahlung des Buchungspreises erfolgte auf Grund des Beherbergungsvertrags und somit nicht ohne rechtlichen Grund. Auch unter Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergibt sich kein Anspruch, da das sich aus § 346 BGB ergebende Rückgewährschuldverhältnis einen Rechtsgrund im Sinne der obigen Vorschrift darstellt. Auch eine Zweckverfehlung im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB liegt nicht vor. Die Durchführung der Messe ist gerade nicht Vertrags- bzw. Leistungsinhalt geworden (s. o.).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1, 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.