Landgericht Hannover
Urt. v. 15.12.2021, Az.: 7 O 251/18

Erstattung der Mehrkosten wegen nicht erbrachter Leistung trotz Fälligkeit i.R.e. Vertrages über die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
15.12.2021
Aktenzeichen
7 O 251/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70051
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2021:1215.7O251.18.00

In dem Rechtsstreit
XXX
XXX
XXX
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
XXX
XXX
gegen
1. XXX
XXX
2. XXX
3. XXX
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte zu 2. und 3.:
XXX
XXX
hat das Landgericht Hannover - 7. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX, die Richterin am Landgericht XXX und die Richterin am Landgericht XXX im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO aufgrund der bis zum 17.11. 2021 eingereichten Schriftsätze für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen ehemaligen Beklagten zu 1) verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 488.672,29 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz ab dem 01.09.2018 auf 389.087,17 € und auf weitere 99.585,12 € ab dem 05.01.2021 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagten tragen die Kosten als Gesamtschuldner.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

I

Das XXX begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages über die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen XXX für die Zeit vom 01.04.2015 bis 31.03.2019.

Das XXX führte Anfang 2015 eine Ausschreibung durch für die Beauftragung von Sicherheitskontrollen gemäß § 5 Abs. 1 bis 4 Luftsicherheitsgesetz. Für das XXX handelte die XXX. An der Ausschreibung beteiligte sich die aus den Beklagten zu 2) und 3) bestehende Bietergemeinschaft, die ehemalige Beklagte zu 1). Sie gab ein Angebot ab mit Schreiben vom 09.02.2015 mit der Verpflichtung, mit Auftragsvergabe eine Arbeitsgemeinschaft in Form einer GbR zu bilden (ARGE). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Die Beklage zu 1) erhielt mit Schreiben vom 17.03.2015 den Zuschlag. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 3 verwiesen. Dem Schreiben war u. a. ein Vertrag beigefügt, der unterzeichnet zurückgesandt werden sollte. Die Beklagten wurden zur Vertragsdurchführung ab dem 01.04.2015 aufgefordert. Die Beklagten erwiderten mit E-Mail vom 27.03.2015, dass ein Vertrag nicht zustande gekommen sei ( Anlage K 5). Daraufhin wurde den Beklagten mit Schreiben vom 2.4.2015 mitgeteilt, dass eine andere Firma beauftragt werden müsse ( Anlage K 6). Auch wurden Mehrkosten angedroht und eine Frist zur Vertragserfüllung bis zum 8.5. 2015 gesetzt ( Anlage K 7).

Die Beklagten antworteten mit Schreiben vom 29.04.2015 und stellten einen Vertragsschluss in Abrede. Ein neuer Vertragsschluss komme nur in Betracht, wenn bestimmte, im einzelnen genannte Haftungsbeschränkungen zugunsten der Beklagten vereinbart würden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 8 verwiesen.

Mit Schreiben vom 21.05.2015 kündigte die klagende Partei das Vertragsverhältnis mit den Beklagten ( Anlage K 9).

Das XXX beauftragte mit der Durchführung der Sicherheitskontrollen auf dem Verkehrsflughafen XXX die Firma XXX. Das XXX nahm parallel eine erneute Ausschreibung vor, die sich verzögerte. Den Zuschlag erhielt die Firma XXX am 12.08.2016, jedoch zu höheren Stundenlohnpreisen als im Angebot der Beklagtenseite enthalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K 15 und K 16 sowie K 19 verwiesen.

Der Flugbetrieb auf dem Flughafen fand statt bis März 2020.

Die Klägerin behauptet, durch die höheren Stundenlöhne des Deckungsgeschäftes seien Mehrkosten in Höhe von 140.881,03 € brutto entstanden für die Zeit bis zum 1.9.2016 und ab Zuschlag bis zum 30.06.2018 weitere 248.206,14 €. Das XXX macht mit der Klage diese Beträge sowie Verzugszinsen ab dem 01.09.2018 geltend.

Das XXX meint, der Vertrag sei durch den Zuschlag wirksam zustande gekommen. Das XXX habe kein neues Vertragsangebot gemacht. Bei dem beigefügten Vertragsentwurf handele es sich um eine textliche Zusammenfassung der durch den Zuschlag zustande gekommenen Vereinbarungen ohne neuen Regelungsgehalt. Entsprechend sei die Unterzeichnung auch keine Bedingung für die Durchführung des Vertrages gewesen, das XXX habe sogleich zur Auftragsdurchführung aufgefordert. Selbst die Rechtsabteilung der Beklagten sei zu der Auffassung gelangt, der Vertrag sei wirksam (Anlage K 11). Die Beklagten hätten den Vertrag nicht ausführen wollen, weil ihnen an einer Haftungsbeschränkung gelegen gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus diversen vorgerichtlichen Telefonaten, später vorgelegten Unterlagen und Schreiben. Das XXX habe die Aufgaben zunächst mit eigenen Mitarbeitern durchgeführt; da sich eine andere Firma als die XXX sich nicht habe finden lassen, obwohl bei sämtlichen Mitbewerbern des vorangegangenen Ausschreibungsverfahrens angefragt worden sei, habe man die XXX beauftragt.

Hinsichtlich der Schadensberechnung wird auf die Anlagen K 17, K 18 verwiesen. Die Firma XXX habe monatlich abgerechnet unter Beifügung der Stundenzettel der Mitarbeiter, aufgeschlüsselt nach Kennzeichen der Maschinen und der Anzahl der kontrollierten Passagiere ( Anlagen K 21 bis K 24, K 28 - 29, K 30- K 31). Das XXX habe sämtliche Rechnungen bezahlt gemäß den Ausdrucken der Vorgangskonten des XXX. Diese sind vorgelegt als Anlagenkonvolute K 25 bis K 27.

Das Verfahren gegen die Beklagte zu 1) wurde abgetrennt gemäß Beschluss vom 15.06.2020 ( Bl. 124 d.A.) und das abgetrennte Verfahren wurde verwiesen an das Landgericht Braunschweig ( 6 O 2298/20).

Ursprünglich hat das XXX angekündigt, zu beantragen, die Beklagten zu 1-3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 389.087,17 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 1.9.2018 zu zahlen, sie hat mit dem den Beklagten am 5.1.2021 zugestellten Schriftsatz vom 28.12.2020 angekündigt, die Klage um 99.585,12 € zu erweitern und macht zusätzlich Mehrkosten für die Zeit vom 1.7.2018 bis zum 31.03.2019 geltend.

Das XXX beantragt nunmehr,

die Beklagten 2) und 3) als Gesamtschuldner neben der gesondert in Anspruch genommenen ehemaligen Beklagten zu 1) zu verurteilen, an den Kläger 488.672,29 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinnsatz gemäß § 247 BGB ab dem 01.09.2018 auf 389.087,17 € und auf weitere 99.585,12 € ab Rechtshängigkeit der Klagerweiterung zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, das Landgericht Hannover sei örtlich nicht zuständig. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit über die Gültigkeit des Vertrages, weil ein Vertrag eben nicht zustande gekommen sei.

Die Klage sei auch unbegründet. Dazu behaupten sie, nur die Beklagte zu 1) habe ein Angebot abgegeben, das Angebot der Beklagten zu 1) sei am 10.02.2015 bei der Klägerin eingegangen. Ein Vertragsentwurf sei den Ausschreibungsunterlagen nicht beigefügt gewesen und sei mithin auch nicht Bestandteil des Angebots der Beklagten zu 1) gewesen. Das Zuschlagsschreiben der Klägerin bestehe aus zwei Seiten (Anlage B 2) und nehme Bezug auf zwei beigefügte Vertragsentwürfe und ein Papier "HVA LStB-Leitung". Die Beklagte meint, die Zuschlagserklärung decke sich deshalb nicht mit dem Angebot der Beklagten. Es sei wegen der Einbeziehung des Vertragsentwurfs als neues Angebot zu deuten. Auch habe sich die Annahmeerklärung an die Beklagten zu 1-3) gerichtet, obwohl nur die Beklagte zu 1) ein Angebot abgegeben habe.

Die Beklagten hätten dieses neue Angebot des XXX nie angenommen. Bei späteren Ausschreibungen hätte das XXX jeweils einen Vertragsentwurf beigefügt. Die Kündigung des XXX sei verfristet.

Die Beklagten bestreiten, dass die Firma XXX als einzige in der Lage gewesen sei, die Aufgabenwahrnehmung zu gewährleisten. Das XXX hätte freihändig vergeben können. Leistungen der Luftsicherheit seien von der öffentlichen Vergabe ausgenommen (§ 106 Abs. 7 GWB a. F. bzw. § 100 Abs. 8 Nr. 3 GWB a. F.), da die Durchführung der Luftsicherheitskontrolle nach dem Luftsicherheitsgesetz sicherheitsrelevant sei und die Umsetzung von Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung diene. Gleichwohl habe das XXX eine Ausschreibung durchgeführt, diese sei aus formalen Gründen wirkungslos gewesen. Dies habe die Vergabekammer Lüneburg mit Beschluss vom 09.10.2015 festgestellt (Anlage B 8).

Die Mehrkosten werden mit Nichtwissen bestritten. Sie meint, ihr Bestreiten mit Nichtwissen sei zulässig, weil sich sämtliche Vorgänge außerhalb ihres Wahrnehmungsbereiches befänden. Sie bestreitet, dass es sich bei den Rechnungen der XXX um Leistungen handelt, die den streitgegenständlichen Vertrag betreffen. Insbesondere müsse kein Schadensersatz für den Zeitraum gezahlt werden, für den keine Vergütungsabrede aufgrund rechtmäßiger Ausschreibung vorliegt. Sie bestreitet, dass die seitens der XXX in Rechnung gestellten Leistungen erbracht und auch gezahlt worden sind. Wegen der Einzelheiten wird insbesondere auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.11.2021 verwiesen. Auch sei die Mehrwertsteuer herauszurechnen. Der Flugbetrieb sei seit März 2020 zum Erliegen gekommen. Das XXX habe den Flughafen bezuschusst, der behauptete Verlust sei ausgeglichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I

Das Landgericht Hannover ist örtlich zuständig. Nach § 19 VOB/L richtet sich der Gerichtsstand für alle Streitigkeiten über die Gültigkeit des Vertrages und aus dem Vertragsverhältnis ausschließlich nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, soweit die Voraussetzungen des § 38 ZPO gegeben sind. Bei den Beklagten zu 2) und 3 handelt es sich um Kaufleute gemäß § 38 I ZPO. Eine GmbH gilt kraft Rechtsform stets als Handelsgesellschaft und damit als Kaufmann gemäß § 6 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GmbHG. Die Parteien haben sich auch nicht auf einen anderen Gerichtsstand verständigt, sodass das Landgericht über die Streitigkeit der Parteien über die Gültigkeit des Vertrages und über die Streitigkeiten aus dem Vertrag zuständig ist. Es kann auch nicht der Auffassung der Beklagten beigetreten werden, dass ein Streit über die Gültigkeit eines Vertrages nur dann vorliegt, wenn ein gültiger Vertrag unstreitig gegeben ist. Es genügt, wenn der Kläger wie hier mit Angebot und unveränderter Annahme durch Zuschlag Tatsachen vorträgt, aus denen sich ein Vertragsverhältnis ergibt (sog. doppelrelevante Tatsachen). Auch die übrigen Prozessvoraussetzungen sind erfüllt.

II

Das XXX hat einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten wegen nicht erbrachter Leistung trotz Fälligkeit gemäß §§ 280 IIII, 281 BGB und für die Zeit ab dem 21.05.2015 aus §§ 314, 280 IIII, 281 BGB.

1

Die Beklagten schuldeten aufgrund vertraglicher Verpflichtung gemäß ihrem Angebot vom 9.2.2015 und Annahme dieses Angebots aufgrund der Zuschlagerteilung durch das XXX vom 17.03.2015 ( K 3 ) ab dem 1.4.2015 die Durchführung von Sicherheitskontrollen auf dem Flughafen XXX.

Die Beklagten zu 2) und 3) haben als Bietergemeinschaft ein Angebot abgegeben (Anlage K 1), das das XXX angenommen hat durch die Zuschlagserklärung vom 17.03.2015. Das XXX hat das Angebot der Bietergemeinschaft unverändert angenommen. Es liegt kein modifizierter Zuschlag gemäß § 150 Abs. 2 BGB vor, weil das XXX nicht zum Ausdruck gebracht hat, einen vom Vertragsangebot der Beklagten abweichenden Vertrag zu schließen, sondern klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dass der Vertrag gemäß dem Angebot der Beklagten zur Durchführung gelangen soll. Es heißt im Zuschlagsschreiben: "aufgrund Ihres vorbezeichneten Angebots vom 09.02.2015 erhalten Sie im Namen und für Rechnung des XXX".... "den Zuschlag..." ( Anlage K 3). Auch enthält das Zuschlagsschreiben vom 17.03.2015 im übrigen keine inhaltlichen Änderungen.

Soweit es heißt: "Sie werden aufgefordert, umgehend die anliegenden Schriftstücke unterzeichnet zurückzusenden" und damit ein Vertragsentwurf und eine Mitteilung über die Projektleitung in Bezug genommen worden ist, ist damit keine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen i.S.d § 150 II BGB erfolgt.

Die Beklagten berufen sich u.a. auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Annahmeerklärungen in öffentlichen Vergabeverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 22.09.2005, Az.: VII Zr 23/05). Hierbei handelt es sich um einen Beschluss mit dem eine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen wurde gegen ein Urteil des Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23. 12. 2004 - 4 U 162/04 -, juris. Das Oberlandesgericht hatte mit diesem Urteil nicht die Rechtsauffassung der Beklagten vertreten. Es führt - im Gegenteil- aus: "Nach § 28 Nr. 2 VOB/A gilt der Werkvertrag mit dem Zugang der Mitteilung über die Zuschlagserteilung als geschlossen, wenn der Zuschlag innerhalb der Bindefrist nach § 19 Nr. 3 VOB/A und ohne Abänderungen erteilt wurde. Spätere urkundliche Festlegungen sind im Hinblick auf §§ 28 Nr. 2 Abs. 1 und 29 VOB/A für die Rechtswirksamkeit des bereits geschlossenen Vertrages ohne Belang" sowie "Problematisch ist es bereits, ob die Zusendung der als Werkvertrag überschriebenen Urkunde von den Klägerinnen von ihren jeweiligen Empfängerhorizonten ausgehend als eine Willenserklärung (auf Abschluss eines Werkvertrages) angesehen werden durfte", wobei diese Frage offen gelassen wurde.

Der Bundesgerichtshof hat mehrfach zu § 150 II BGB in Vergabeverfahren entschieden, insbesondere zu Veränderungen der Bauzeiten. Dabei stellt er jedoch zu Recht darauf ab, dass § 150 II BGB erfordert, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, will er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen, dies in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Fehlt es daran, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande (vgl. nur: BGH, Urteil vom 11.05. 2009 - VII ZR 11/08 Rn. 34 f).

Vorliegend wird die Durchführung des Vertrages nach dem klaren Wortlaut des Zuschlagsschreibens nicht von der Unterzeichnung der Dokumente abhängig gemacht. Dies ergibt sich daraus, dass der Bitte um Unterzeichnung der vorgenannten Dokumente ein Passus vorangestellt ist: "Ich fordere Sie auf, mit der Ausführung der Leistung ab dem 01.04.2015 zu beginnen".

Ferner enthält der Vertragsentwurf keine inhaltlichen Änderungen des Angebots der Bietergemeinschaft, sondern stellt eine Zusammenfassung von Angebot und Annahme in ein Vertragsdokument dar. Insbesondere enthält der Vertragsentwurf auch keine abweichenden Preise. Das Angebot enthält als Einzelpreise 25,01 € und 25,87 € sowie 6,02 €. Die ersten beiden Preise sind im Hauptangebot enthalten, der Preis für die Rufbereitschaft beruht auf einem Aufklärungsverfahren und einer schriftlichen Erklärung vom 27.02.2015 ( vgl. Zuschlagsschreiben K 3 ). Diese Preise der Beklagten sind somit unverändert in den Vertragsentwurf übernommen. Dass die textliche Zusammenfassung in eine Vertragsurkunde eine andere als deklaratorische Bedeutung haben sollte, lässt sich mangels einer inhaltlichen Abweichung und mangels entsprechender Äußerungen des XXX nicht annehmen.

Soweit das XXX um die Unterzeichnung eines Schreibens HVA L StB bittet, betrifft dies Angaben zur Projektleitung (Benennung des Namens und der Stellvertretung mit Kontaktdaten) und stellt keine - auch nur unwesentliche- Erweiterung, Einschränkung oder sonstige Änderung des Angebotes der Beklagten i.S.d § 150 II BGB dar.

Auch das zitierte Urteil des Oberlandesgericht München betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt (OLG München, Urteil vom 6.7.1993 Az 13 U 6930/92 ( Bauzeiten fehlen im Angebot, sind aber im Zuschlagsschreiben vorgegeben )).

(2)

Das XXX hat den Vertrag am 21.05.2015 wegen Vertragsaufsage gekündigt. Die Kündigung war schon deshalb nicht verfristet, weil die Beklagten an ihrer Rechtsauffassung festhalten, dass ein Vertrag nicht zustande gekommen sei. Die Beklagten haben die Vertragsdurchführung erstmals durch E-mail vom 27.03.2015 und später durch die o.g. weiteren Schreiben verweigert unter Berufung auf einen nicht wirksam abgeschlossenen Vertrag. Damit haben die Beklagten die Leistungserbringung endgültig verweigert.

Das XXX hat einen Schadensersatz wegen der Leistungsverweigerung der Beklagten nach § 280 I BGB bis zur Kündigung und nach Kündigung gemäß § 314 BGB.

(3)

Dem XXX ist durch die Vertragsaufsage der Beklagten ein Schaden entstanden. Die Durchführung von Kontrollen ist eine hoheitliche Aufgabe nach § 5 LuftSiG, die unter bestimmten Voraussetzungen auf Privatpersonen als Beliehene übertragen werden kann ( vgl. § 16 a LuftSiG). Es handelt sich um eine Pflichtaufgabe, sodass das XXX nach Vertragsaufsage seitens der Beklagten für die beauftragten Leistungen ein Deckungsgeschäft abschließen musste. Die Beklagten vertreten diese Meinung selbst im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Ausschreibung erfolgen musste.

Die Beklagte zu 2) hatte sich auch an der Neuausschreibung beteiligt mit Angeboten aus Juni 2016 und Juni 2015 ( vgl. Übersicht Anlage K 13).

Dass der Flugbetrieb zum Erliegen gekommen ist, behaupten die Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum, der bis März 2019 reicht, auch nicht, sondern dieser Umstand soll erst im März 2020 eingetreten sein, wobei hier wohl die Auswirkungen der Pandemie auf den Flugbetrieb gemeint sein dürften.

Prozessual ist es somit als unstreitig zu werten, dass ein Flugbetrieb bis 2020 stattgefunden hat. Ausgehend von der Prämisse einer Pflichtaufgabe muss auch die Flugsicherung durchgeführt worden sein.

Das XXX hat die Firma XXX beauftragt zu Preisen, die über denen der Beklagtenseite lagen, nämlich 32,40 € bzw. 32,90 € pro Stunde und in der Zeit vom 1.9.2016 bis zum 31.08.2020 zu Stundensätzen in Höhe von 33,44 € und 33,94 € ( § 10 des Vertrages vom 28.09.2016, Anlage K 19). Schon im Hinblick auf die Preisdifferenz steht das "Ob" eines Schadens fest. Selbst das eigene neue Angebot der Beklagten zu 2) lag deutlich über dem Angebot vom 9.2.2015 ( Anlage K 16, Seite 9, z.B. 31,47 € (neu) statt 25,01 € (alt).

Das Deckungsgeschäft muss ferner im Schutzbereich der vertraglichen Haftung liegen. Das ist nicht der Fall, wenn das Deckungsgeschäft auf eine andere, mit der geschuldeten Leistung nicht kongruente Leistung zielt ( vgl. BGH 9.12.2020 - VIII ZR 371/18, NJW-RR 2021, 201). Das Deckungsgeschäft entspricht inhaltlich dem Geschäft, das das XXX XXX mit den Beklagten durchführen wollte. Die beklagten monieren keine Änderungen zur vorherigen Ausschreibung.

(4)

Der geltend gemachte Schadensersatz ist auch in Höhe von 140.881,03 € brutto bis zum 1.9.2016, in Höhe von 248.206,14 € brutto bis zum 30.06.2018 und in Höhe von 99.585,12 € bis zum 31.03.2019 begründet.

(a)

Die Schadenshöhe ist nach § 287 ZPO zu schätzen. Das XXX hat Deckungsgeschäfte vorgenommen und ab dem 01.09.2016 eine Vergütungsabrede geschlossen, die auf einer Ausschreibung beruht. Das XXX war nicht gehalten, das Deckungsgeschäft ohne Ausschreibung abzuschließen. Die Beklagten tragen weder vor, dass eine freihändige Vergabe zu günstigeren Konditionen geführt hätte, noch dass eine freihändige Vergabe zwingend erforderlich ist. Es liegt grundsätzlich in der Dispositionsfreiheit des Geschädigten, sich für eine Ausschreibung oder eine freihändige Vergabe zu entscheiden. Ob das XXX öffentlich - rechtlich zur Ausschreibung verpflichtet war, kann deshalb dahinstehen. Die Dispositionsfreiheit des Geschädigten findet seine Grenze in der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB. Ausreichend substantiierter Vortrag der Beklagten hinsichtlich der Verletzung der Schadensminderungspflicht, für den die Beklagten darlegungspflichtig wäre, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht.

(b)

Das XXX kann die für die Deckungsgeschäfte erforderlichen Kosten geltend machen.

Gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.09.2015 ( VI ZR 475/14) gilt: "Der Geschädigte genügt dabei regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der - von ihm beglichenen- Rechnung des von ihm mit der Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens. Ist dies der Fall, reicht ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Denn der in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden Preisvereinbarung vom Geschädigten tatsächlich erbrachte Aufwand bildet (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Indes ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch, denn entscheidend sind die im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten".

(c)

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anwendbar, auch wenn es vorliegend nicht um den Wiederherstellungsaufwand geht für die Beschädigung einer Sache, sondern um Schadensersatz für einen nicht durchgeführten Vertrag. Die Argumente des Bundesgerichtshofs beziehen sich nicht auf Besonderheiten nach Art des verletzten Rechtsguts, sondern auf normative Überlegungen zur "Erforderlichkeit".

(d)

Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die o.g. Grundsätze anwendbar sind, sind gegeben.

Den Rechnungen der XXX lag ab dem 01.09.2016 eine Vergütungsvereinbarung zugrunde, welche inhaltlich den Preisen entsprach, die aufgrund einer Ausschreibung zustande gekommen waren. Die Rechnungen stimmen überein mit den Preisen gemäß Vertrag gemäß Anlage K 19.

Der Bundesgerichtshof führt in der o.g. Entscheidung zu Recht aus: "Denn es ist grundsätzlich nicht Aufgabe der Zivilgerichte, bei entsprechenden Marktkonstellationen im Rahmen der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Kontrolle der wirtschaftlichen Angemessenheit der Preise vorzunehmen". Die Kammer hat deshalb Abstand davon genommen, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Die für die davor liegenden Zeiträume vom 1.4.2015 bis 1.9.2016 veranschlagten Preise sind sogar geringer, sodass auch für die davorliegenden Zeiträume die Angemessenheit nicht in Frage zu stellen ist. Zwar fehlt es für diesen Zeitraum daran, dass zuvor eine Vergütungsvereinbarung aufgrund einer Ausschreibung zustande gekommen ist. Zu berücksichtigen ist aber, dass dieser Umstand darauf zurückzuführen ist, dass sich das Ausschreibungsverfahren verzögerte, letztlich aber zu dem Zuschlag vom 12.08.2016 führte.

(e)

Die Beklagten haben nicht mit Substanz bestritten, dass das XXX die Rechnungen der XXX XXX auch gezahlt hat. Nachdem das XXX die Rechnungen der XXX ( Anlage K 28) mit korrespondierenden Stundenzetteln ( 3 Leitzordner) vorgelegt hat sowie korrespondierende Ausdrucke aus der Vorgangskontenübersicht ist mit ausreichender Substanz vorgetragen, dass das XXX XXX die Rechnungen bezahlt hat.

Kassen-Ist und Sollausgleich entsprechen dem Zahlungsabfluss. Die Zuordnung von Rechnung und Belegnummer ergibt sich jedenfalls aus Rechnungsnummer und dem Rechnungsbetrag. Wie bei einem Kontoauszug kann mit ausreichender Sicherheit von einer Überweisung an dem genannten Kalendertag auf ein Konto der Firma XXX ausgegangen werden.

Da in einer Vorgangskontenübersicht auch Rückbuchungen ausgewiesen werden, lässt sich auch ausschließen, dass die gezahlten Gelder oder ein Teil des Geldes zurückgeflossen ist. Anhaltspunkte, dass die vorgelegten Auszüge verfälscht wurden, sind nicht ersichtlich und werden durch die Beklagten auch nicht geltend gemacht.

Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob es für einen Schadensersatzanspruch überhaupt erforderlich ist, nachzuweisen, dass die Rechnungen gezahlt sind. Nach § 281 BGB dürften nämlich auch die Kosten eines hypothetischen Deckungskaufs erstattungsfähig sein.

(f)

Das XXX kann auch die gezahlte Umsatzsteuer ersetzt verlangen. Das XXX hat neben dem Entgelt für die Stundenlohnarbeiten auch Umsatzsteuer entrichtet. Es kann dahinstehen, ob das XXX vorsteuerabzugsberechtigt ist. Nach § 251 Abs. 1 BGB kommt es nicht in Betracht, ihm bei Berechnung der Entschädigung für die ausfallende Gegenleistung nach § 251 Abs. 1 BGB die angefallene Umsatzsteuer vorzuenthalten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Schadensersatz bei Mängel an Bauwerken ( BGH Z 186,30), die bei fiktiver Abrechnung die Umsatzsteuer für nicht erstattungsfähig erachtet, betrifft allein § 249 II S. 2 BGB.

(g)

Die erforderlichen Mehrkosten der Deckungsgeschäfte errechnen sich aus der Differenz zwischen den nach den Stundenlöhnen der Beklagten zu zahlenden Vergütung und der tatsächlich gezahlten Vergütung an die XXX.

Für den Zeitraum April 2015 bis August 2016 bedeutet das: 411.850,95 € + 219.627,71 € - 317.931,34 e - 172.684,29 € = 140.881,03€ ( Anlagen K 17); für den Zeitraum September 16 bis Juni 2018 711.514,73 € + 289.512,00 € - 532.146,64 € - 220.673,95 € = 248.206,14 € ( Anlagen K 18) und für den Zeitraum Juli 2018 bis März 2019 281.884,73 € + 119.264,30 € - 210.823,49 € - 90.906, 53 € = 99.585, 12 € ( Anlage K 20).

(h)

Entgegen der Auffassung der Beklagten reichte es nicht, die Höhe des Schadens mit Nichtwissen zu bestreiten. Abgesehen von der Substanzarmut hätten die Beklagten für § 287 ZPO darlegen müssen, warum die geltend gemachten Kosten nicht erforderlich gewesen sein sollen. Soweit dem die Annahme zu Grunde liegt, das XXX habe gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, läge darin ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des XXX. Insoweit tragen die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast gemäß § 254 BGB, der sie - mit einfachem Bestreiten- nicht nachgekommen sind.

Die Beklagten sind mit Beschluss vom 2.11.2021 ( Bl. 302 d.A. ) darauf hingewiesen worden, dass ihr einfaches Bestreiten nicht ausreicht. Auch auf diesen Hinweis haben sie nicht ergänzend vorgetragen oder haben eine Abstandnahme vom schriftlichen Verfahren beantragt.

(i)

Die Entscheidung über den Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB. Hinsichtlich der Mehrkosten in Höhe von 140.881,03€ und in Höhe von 248.206,14 € befinden sich die Beklagten im Zahlungsverzug seit dem 1.09.2018, da mit Schreiben vom 7.8.2018 eine Zahlungsfrist bis zum 31.08.2018 gesetzt worden ist ( Anlage K 10) und hinsichtlich der Zinsen auf den klagerweiternd geltend gemachten Betrag in Höhe von 99.585,12 € seit Rechtshängigkeit gemäß § 291 BGB.

(5)

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

(6)

Der Schriftsatz vom 14.12.2021 des XXX gab keinen Anlass erneut in die mündliche Verhandlung einzureichen.