Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.10.1999, Az.: 6 K 4/97
Fördermittel; Gehaltszahlungen sind keine vGA trotz fehlender Befreiung von § 181 BGB, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter von der Wirksamkeit der Verträge aufgrund notarieller Beratung ausgehen konnte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.10.1999
- Aktenzeichen
- 6 K 4/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 34569
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1999:1019.6K4.97.0A
Rechtsgrundlagen
- KStG § 8 Abs. 3 S. 2
- BGB § 181
Fundstellen
- DStRE 2000, 700-702 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbH-StB 2000, 204-205
- GmbHR 2000, 782-783 (amtl. Leitsatz)
- SteuerBriefe 2000, 1412-1413
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob in den Jahren 1988 und 1989 Gehaltszahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund eines zivilrechtlich wirksamen schuldrechtlich Vertrages geleistet wurden oder verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen.
Die Klägerin wurde durch notariellen Vertrag vom 30.12.1980 in der Rechtsform einer GmbH gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb einer Zimmerei, die Palettenherstellung, die Herstellung von Fertighäusern, der Holzhandel und verwandte Geschäfte. Am Stammkapital von 20. 000 DM waren zunächst G... (G) und W... zu 75 und 25 vH beteiligt. Der Mehrheitsgesellschafter G wurde zugleich zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Vom Verbot des Selbstkontrahierens ist der Geschäftsführer nicht befreit worden. In der Folgezeit übertrug der Minderheitsgesellschafter seine Anteile auf die Ehefrau (B) des G. Nach Übernahme weiterer Anteile und Erhöhung des Stammkapitals durch notariellen Vertrag vom 21. 11. 1985 waren G mit 39. 500 DM und B mit 10. 500 DM beteiligt.
Am 26. April 1994 fassten die Gesellschafter auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung den folgenden notariell beurkundeten Beschluss:
Die Gesellschafter können Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien. Der Beschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit der Einstimmigkeit. Der Geschäftsführer G ist immer einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit; letzteres gilt im Innenverhältnis auch für alle von ihm in der Vergangenheit vorgenommenen Rechtshandlungen.
Die Befreiung wurde am 02. 06. 1994 ins Handelsregister eingetragen.
Im Rahmen einer bei der Klägerin 1994 durchgeführten Außenprüfung stellt der Beklagte fest, dass die Klägerin an ihren Geschäftsführer monatliche Gehaltszahlungen leistete, die sie gewinnmindernd verbuchte. Da ein schriftlicher Anstellungsvertrag nicht vorhanden war, verneinte der Beklagte den Abschluss eines zivilrechtlich wirksamen Dienstvertrages und behandelte die Leistungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) in folgender Höhe:
1988 | 1989 | |
---|---|---|
BRUTTOARBEITSLOHN | 39.326, 40 DM | 39.326, 40 DM |
Direktversicherung | 2.712,00 DM | 2.712,00 DM |
geldwerter Vorteil Telefon | 360,00 DM | 360,00 DM |
VERDECKTE GEWINNAUSSCHÜTTUNG | 43.398,40 DM | 43.398,40 DM |
Der Beklagte änderte die bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheide für 1988 und 1989 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.1988 und 1989 jeweils vom 11.07.1994 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO unter Berücksichtigung der ermittelten vGA und stellte die Ausschüttungsbelastung her. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheide vom 11.07.1994 Bezug genommen.
Die Einsprüche gegen die Körperschaftsteuerbescheide wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 06.12.1996 als unbegründet zurück.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin vom Ansatz der streitigen Gewinnausschüttung abzusehen. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, eine vGA liege nicht vor, da ein mündlicher Anstellungsvertrag wirksam geschlossen worden sei. § 181 BGB komme im Streitfall nicht zum Tragen. Jedenfalls liege kein Verstoß gegen § 181 BGB vor und ein etwaiger Verstoß wäre zudem geheilt. Da der Anstellungsvertrag durch die Gesellschafterversammlung mit dem Geschäftsführer abzuschließen sei, könne § 181 BGB bereits nach Sinn und Zweck nicht eingreifen. Demgemäß hätten die Gesellschafter G und B gemeinsam die Klägerin vertreten können. Jedenfalls wäre eine Vertretung durch die Gesellschafterin B wirksam gewesen.
Sollte eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot erforderlich gewesen sein, sei der Geschäftsführer durch den Abschluss des Anstellungsvertrages konkludent befreit worden. Eine Befreiung könne bei satzungsmäßiger Grundlage grds. durch einfachen Gesellschafterbeschluss erfolgen. Selbst bei fehlender Satzungsbestimmung könne eine Befreiung für das einzelne Rechtsgeschäft erfolgen (BGH, WM 1991, 1082 [LG Hamburg 29.01.1991 - 402 O 121/90]). Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin durch notariell beurkundeten Beschluss alle Rechtsgeschäfte rückwirkend genehmigt habe.
Die Schriftform sei entgegen der Auffassung des Beklagten zur steuerrechtlichen Anerkennung nicht erforderlich.
Für den tatsächlichen Abschluss des Anstellungsvertrages sei davon auszugehen, dass dieser zugleich mit dem Beschluss der beiden Gesellschafter G und B erfolgt sei. Hervorzuheben sei, dass die Vergütung über nahezu ein Jahrzehnt laufend und regelmäßig geleistet worden sei. Dies gelte auch für die Zusatzvergütung. Die Leistungen seien der Lohnversteuerung unterworfen und in der Bilanz ordnungsgemäß ausgewiesen worden. Auch aus diesem Grund müsse von einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen den Beteiligten ausgegangen werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 06.12.1996 die Körperschaftsteuerbescheide für 1988 und 1989 jeweils vom 11. Juli 1994 zu ändern und die Körperschaftsteuer für 1988 und 1989 auf den Betrag festzusetzen, der sich ohne Hinzurechnung von verdeckten Gewinnausschüttungen von jeweils 43.398, 40 DM ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, zwischen dem Geschäftsführer und der Klägerin sei kein Anstellungsvertrag wirksam zustandegekommen. Zunächst sei bereits unklar, wer den Anstellungsvertrag überhaupt abgeschlossen haben soll. Sollte die B die Klägerin allein vertreten haben, bestünden erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit, weil diese lediglich Minderheitsgesellschafterin gewesen sei. Zudem gehöre sie nicht zu den Gründungsgesellschaftern, so dass sie nicht im Zeitpunkt der Bestellung des G an dem Abschluss eines Anstellungsvertrages habe mitwirken können.
Sollte der Gesellschafter-Geschäftsführer mitgewirkt haben, wäre für diesen ein Dispens von den Beschränkungen des § 181 BGB erforderlich gewesen. Diese Befreiung habe nicht vorgelegen. Daran ändere auch die Satzungsänderung vom 26.04.1994 mit der die Befreiung nach § 181 BGB ermöglicht worden sei und die gleichzeitig beschlossene Befreiung des Geschäftsführers und rückwirkende Genehmigung der Rechtsgeschäfte nichts. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 16. Juli 1997 (Bl. 21 ff. FG-Akte) und vom 23.04.1999 (Bl. 28 ff. FG-Akte) verwiesen.
Gründe
Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat das Einkommen der Klägerin zu Unrecht durch den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung erhöht. Die Zahlung der Geschäftsführervergütung an den Gesellschafter-Geschäftsführer ist in den Streitjahren nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.
Unter einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körpersteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479 [BFH 02.02.1994 - I R 78/92]). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795 [BFH 14.03.1990 - I R 6/89]).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer war aufgrund seiner Beteiligung von 79 v. H. beherrschender Gesellschafter, so dass grds. vor der an ihn zu erbringenden Leistung ein zivilrechtlich wirksamer Vertrag abgeschlossen werden mußte. Ob die mündliche Vereinbarung, die wegen der dauernden Übung von mehreren Jahren, sich als klar und eindeutig erweist, aufgrund der fehlenden Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot zivilrechtlich unwirksam war, kann letztlich dahingestellt bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 17. 10. 1990 I R 47/87, BFH/NV 1991, 773; Niedersächsisches Finanzgericht, VI 687/96, EFG 1999, 187). Gegen die Auffassung des Beklagten spricht zwar insbesondere die von den Gesellschaftern im Jahr 1994 beschlossene Satzungsänderung, die die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot aufnahm und der weitere Beschluss, durch den die bisherigen Geschäfte des Geschäftsführers genehmigt wurden (vgl. hierzu BFH- Urteil vom 15.10.1997 I R 19/97, BFH/NV 1998, 746).
Die zivilrechtliche Unwirksamkeit ist jedoch auch dann unschädlich, wenn sich die Ernsthaftigkeit der schuldrechtlichen Leistungsbeziehungen aus den Gesamtumständen erschließen läßt. Die Forderung nach rechtswirksamen Verträgen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter dient dazu, Gewinnausschüttungen und Leistungen aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtungen klar voneinander unterscheiden zu können, um auf diese Weise steuerliche Manipulationen des beherrschenden Gesellschafters zu vermeiden. Rechtsgeschäfte, die den an sie gestellten zivilrechtlichen Anforderungen entsprechen, verdeutlichen, dass den Leistungen der Kapitalgesellschaft ein schuldrechtlicher und nicht ein verdeckter gesellschaftsrechtlicher Anlass zugrunde liegt. Die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertrages, insbesondere zwischen Nahestehenden (Eheleuten, Angehörigen, beherrschenden Gesellschaftern) indiziert deshalb im allgemeinen eine mangelnde Ernsthaftigkeit schuldrechtlicher Leistungsverpflichtungen.
Das Indiz mangelnder Ernsthaftigkeit entfällt jedoch, wenn die Beteiligten alles getan haben, um die zivilrechtliche Wirksamkeit der Verträge herbeizuführen, zumindest davon ausgehen konnten, dass entsprechende Vereinbarungen wirksam sein würden (BFH-Urteil vom 22.11.1995 I R 168/94, BFH/NV 1996, 644).
Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Bis Anfang der neunziger Jahre war in der Rechtsprechung der Zivilgerichte nicht abschließend geklärt, wer für den Abschluss des Anstellungsvertrages mit dem Geschäftsführer zuständig war (vgl. BGH, NJW 1991, 1680; siehe auch Hessisches Finanzgericht, EFG 1995, 386). Ebenso war streitig, ob eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot durch einfachen Beschluss der Gesellschafter ohne entsprechende Satzungsbestimmung möglich oder eine vorherige Aufnahme in die Satzung erforderlich war. Zudem bestand erhebliche Rechtsunsicherheit dahingehend, ob die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot zu ihrer Wirksamkeit in das Handelsregister einzutragen war (vgl. BFH-Urteil vom 31.05.1995 I R 64/94, BFHE 178, 321, BStBl. II 1996, 246). In dieser Rechtssituation ist es zur Vermeidung des Verdachts von Gewinnmanipulationen im allgemeinen ausreichend, wenn der Steuerpflichtige im zeitlichen Zusammenhang mit der Vornahme eines Rechtsgeschäftes sich entsprechend dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Rat einer zur Rechtsberatung berufenen Person einholt, sich auf den erteilten Rechtsrat verläßt und die getroffenen (klaren, eindeutigen und rechtzeitigen) Vereinbarungen vertragsgemäß durchführt.
Im Streitfall ist bereits im Zusammenhang mit dem Gründungsvertrag der Klägerin die Bestellung des beherrschenden Gesellschafters zum Geschäftsführer beschlossen worden. Die Gesellschafter durften aufgrund der fachkundigen Beratung des Notars davon ausgehen, dass für wirksame zivilrechtliche Geschäfte des bestellten Geschäftsführers keine weiteren Erfordernisse erforderlich waren, insbesondere ein Abschluss eines Anstellungsvertrages auch ohne Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot zivilrechtlich wirksam erfolgen konnte. Dies wird dadurch bestärkt, dass auch die im Jahr 1985 nachfolgende notarielle Satzungsänderung vor einer anderen Notarin nicht zu einer entsprechenden Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot führte. Als der Klägerin im Jahr 1994 bewußt wurde, dass es für die zivilrechtliche Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte des Geschäftsführers mit sich selbst ankommen könnte, hat sie die Änderung des Gesellschaftsvertrages unmittelbar veranlaßt und sämtliche Rechtsgeschäfte genehmigt. Dies spricht letztlich für die Ernsthaftigkeit des mündlich vereinbarten Anstellungsvertrages. Ein Verdacht von Gewinnmanipulationen wird ferner durch die relativ geringe Höhe der ausgezahlten Gehälter, den regelmäßigen und gleichbleibenden Vollzug der Vereinbarung über mehrere Jahre, die Lohnversteuerung und ordnungsgemäße Dokumentation der Leistungen in der Buchführung ausgeräumt. Die indizielle Wirkung einer möglicherweise zivilrechtlich Unwirksamkeit fällt bei Gesamtabwägung der vorgenannten Beweisanzeichen nicht mehr entscheidend ins Gewicht, so dass der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass eine ernsthaft gewollte Vereinbarung zwischen dem Geschäftsführer und der Klägerin vorlag. Die dem Einkommen hinzugerechneten verdeckten Gewinnausschüttungen waren folglich entsprechend zu mindern.
Die Berechnung der Körperschaftsteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.