Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.10.1999, Az.: 5 K 328/95

Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Teilleistungen im Straßenbau

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.10.1999
Aktenzeichen
5 K 328/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 17995
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:1014.5K328.95.0A

Fundstelle

  • EFG 2001, 935-936 (Volltext mit red. LS)

Tatbestand

1

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind u.a. Materialprüfungen und Begutachtungen für den Straßenbau, Lagerstättenuntersuchungen, allgemeine Ingenieurleistungen sowie fachbezogene Beratungen.

2

Die Klägerin ist von der obersten Straßenbaubehörde des Landes als Prüfstelle für die Güteüberwachung von Mineralstoffen im Straßenbau anerkannt. Umfang und Gegenstand ihrer Tätigkeiten als Prüfstelle richten sich nach den "Richtlinien für die Güteüberwachung von Mineralstoffen im Straßenbau - RGMin - StB 83 -", auf die Bezug genommen wird. Zweck der Richtlinie ist die Sicherstellung bestimmter Güteanforderungen für die Verwendung von Mineralstoffen im Straßenbau. Die Güteanforderungen an diese Mineralstoffe ergeben sich aus den einschlägigen DIN-Normen, technischen Lieferbedingungen, technischen Vorschriften sowie Richtlinien und Merkblättern, die der Richtlinie als Anlage 1 beigefügt sind. Um die Einhaltung der Güteanforderungen sicherzustellen, sind Eignungsnachweise und Güteüberwachungen erforderlich. Der Eignungsnachweis besteht aus einer Eignungsprüfung mit einer Betriebsbeurteilung. Die Güteüberwachung umfasst die Eigen- und die Fremdüberwachung. Die beim Eignungsnachweis und bei der Güteüberwachung anzuwendenden Prüfverfahren und die Häufigkeit der Prüfungen ergeben sich aus der Anlage 2 der Richtlinie. Die Eigenüberwachung besteht darin, dass die gemäß Anlage 2 der Richtlinie hierfür vorgesehenen Prüfungen an Proben aus der laufenden Produktion durchgeführt werden. Sie sollen im Betriebslaboratorium vor-genommen werden. Die Fremdüberwachung umfasst die in der Anlage 2 zur Richtlinie angegebenen Prüfungen. Für die Fremdüberwachung entnimmt die Prüfstelle Proben im Werk. Für die Güteüberwachung ausländischer Mineralstoffe gilt darüber hinaus, dass der Eignungsnachweis nur von einer anerkannten Prüfstelle geführt werden kann und die alle zwei Jahre zu wiederholende Fremdüberwachung von der in der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Prüfstelle durchgeführt werden muss. Über die Durchführung der Fremdüberwachung ist von der Prüfstelle mit dem Auftraggeber ein nach Anlage 3 der Richtlinie formularmäßig vorgesehener Überwachungsvertrag abzuschließen.

3

Bei Einhaltung der nach den Richtlinien vorgegebenen Anforderungen erteilt die Prüfstelle dem Auftragnehmer ein entsprechendes Prüfzeugnis. Mit dem allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 17/1983 vom 20. Dezember 1983 hat der Bundesminister für Verkehr (StB 26/70.66.21 - 10/5F83) die Richtlinien für den Bundesfernstraßenbau "eingeführt" und die obersten Straßenbaubehörden der Länder gebeten, in den Bauverträgen zu vereinbaren, dass im Straßenoberbau nur Mineralstoffe verwendet werden dürfen, die einer Güteüberwachung nach dem RGMin-StB 83 unterliegen und die Dienststellen der Straßenbauverwaltungen ermächtigt, vom Auftragnehmer als Nachweis der Güteüberwachung die Vorlage des letzten Prüfzeugnisses zu verlangen. Faktisch können danach nur Unternehmer mit einem entsprechenden Prüfzeugnis Mineralstoffe für den öffentlichen Straßenbau in Deutschland liefern. Die Klägerin hat mit ausländischen Kunden Verträge über Eignungsprüfungen und Überwachungsverträge nach den vorgeschriebenen Mustern geschlossen.

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Im Rahmen ihrer Eignungs- und Überwachungstätigkeit für ausländische Auftraggeber hat die Klägerin teilweise Arbeiten vor Ort im Ausland vorgenommen, und zwar die Beschreibung der Lagerstätte, die Begutachtung der Aufbereitungsanlage, die Überwachung der Eigenüberwachung und Probeentnahmen vor Ort. Die vor Ort entnommenen Proben hat die Klägerin anschließend in ihren inländischen Labors auf ihre Güte hin untersucht. Ferner hat die Klägerin die ausländischen Auftragnehmer umfassend über die geforderten deutschen Qualitätsanforderungen und damit zusammenhängenden Prüfverfahren informiert. Ihre Leistungen hat die Klägerin insgesamt auf der Grundlage und im Rahmen der Überwachungsverträge abgerechnet. Über ihre Beratungsleistungen hat sie keine gesonderte Rechnung erteilt.

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Die Klägerin ging davon aus, dass die auf der Grundlage der Eignungsprüfungen und der Überwachungsverträge mit ausländischen Auftraggebern erzielten Umsätze nicht steuerbar seien und unterwarf sie in ihrer Umsatzsteuererklärung nicht der Umsatzsteuer. Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte davon aus, dass es sich um steuerpflichtige Umsätze handele und setzte die Umsatzsteuer entsprechend höher fest. Der dagegen eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

6

Die Klägerin meint, ihre Umsätze aufgrund der Überwachungsverträge mit ausländischen Auftraggebern seien nicht steuerbar, da der Ort der von ihr erbrachten Leistungen im Ausland liege. Hierzu gehöre die Beschreibung der Lagerstätte, die Begutachtung der Aufbereitungsanlage, die Beurteilung der Eigenüberwachung und die Probeentnahme vor Ort. Prüfungsleistungen in Deutschland würden nur ausnahmsweise erbracht und umfassten die Bestimmung des Schlagzertrümmungswertes, die Bestimmung organischer Bestandteile und Rostversuche. Der wesentliche Teil ihrer Leistungen bestehe aber in der technischen und wirtschaftlichen Beratung der ausländischen Auftraggeber im Ausland. Ohne die Erbringung dieser Leistungen wäre sie gegenüber anderen Unternehmen nicht wettbewerbsfähig. Im Rahmen dieser Gesamtbeurteilung stelle die Überprüfung der Proben im inländischen Labor nur einen untergeordneten Teil der Tätigkeit für den ausländischen Kunden dar.

7

Die Klägerin beantragt,

1989 ......... DM Umsätze steuerfrei zu belassen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte behauptet, die für die Erstellung der Prüfzeugnisse erforderlichen Laboruntersuchungen machten die Hauptleistung der Klägerin aus. Die Probeentnahmen stellten eine unverzichtbare Voraussetzung für die Erstellung der Laboruntersuchungen dar. Ferner hingen die im Ausland erfolgten Probeentnahmen und Beschreibungen der Lagerstätten wirtschaftlich eng mit den Laboruntersuchungen zusammen. Es handele sich daher um Nebenleistungen, die das Schicksal der Hauptleistung teilten. Die von der Klägerin erbrachten Beratungsleistungen seien nicht Gegenstand der von ihr im Rahmen der Überwachungsverträge abgerechneten Leistungen gewesen.

10

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte und die Steuerakten zu Steuernummer ............ verwiesen.

Gründe

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Die Klage ist unbegründet. Die Umsätze der Klägerin sind umsatzsteuerbar und umsatz-steuerpflichtig, weil die Klägerin ihre Leistungen im Inland erbracht hat.

12

Die Leistungen, die die Klägerin gegenüber den ausländischen Auftraggebern erbracht hat, ergeben sie aus den Richtlinien für die Güteüberwachung von Mineralstoffen im Straßenbau, Ausgabe 1983 - RGMin - StB 83 - und den von der Klägerin mit den ausländischen Auftraggebern abgeschlossenen Überwachungsverträgen. Bei diesen Verträgen handelt es sich um gleichlautende Formularverträge entsprechend der Anlage 3 der Richtlinien. Zweck der Leistungen der Klägerin ist die Erteilung und Aufrechterhaltung eines Prüfzeugnisses, das die Gütebestimmung und Güteüberwachung bestimmter Baustoffe bescheinigt. Hierbei handelt es sich um eine einheitliche sonstige Leistung gemäß § 3 Abs. 9 Umsatzsteuergesetz (UStG), die alle Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit er Eignungsprüfung und Überwachungstätigkeit beinhaltet. Eine einheitliche Leistung liegt vor, weil alle Teilleistungen der Klägerin nur der Prüfung dienten, ob die Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Aufrechterhaltung des Prüfzeugnisses vorliegen. Die einheitlichen Leistungen der Klägerin können daher mit umsatzsteuerlicher Wirkung nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden (vgl. Giesberts, in: Rau/Dürrwächter, § 3 Anm. 78, § 3a Anm. 106).

13

Der Ort der sonstigen Leistung richtet sich nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG. Danach wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Da die Klägerin ihr Unternehmen in Hannover betreibt, erbringt sie die sonstigen Leistungen im Inland. Ihre Umsätze sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG umsatzsteuerbar und - mangels einer Befreiungsvorschrift - umsatzsteuerpflichtig.

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Die Voraussetzungen für eine abweichende Bestimmung des Ortes der von der Klägerin erbrachten sonstigen Leistungen liegen nicht vor.

15

Die Klägerin hat keine sonstigen Leistungen gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG "im Zusammenhang" mit einem Grundstück erbracht. Grundsätzlich genügt für einen solchen Bezug zwar jeder sachliche Zusammenhang. Aus den in § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG und den in Art. 9 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie genannten Beispielen folgt jedoch, dass nur bei solchen sonstigen Leistungen ein sachlicher Zusammenhang vorliegt, die auf die Nutzung, Verwertung, Bebauung und Unterhaltung eines Grundstücks gerichtet sind, einschließlich der diesen Vorgängen unmittelbar dienenden Dienstleistungen. Ein anderer wirtschaftlicher Vorgang darf nicht im Vordergrund stehen (vgl. Schöll in: Sölch-Ringleb-List, UStG, § 3a Anm. 17). Demgegenüber war bei den Leistungen der Klägerin ein solcher anderer im Vordergrund stehender wirtschaftlicher Vorgang gegeben. Denn die Leistungen der Klägerin waren auf die Güteprüfung der vom Grund und Boden getrennten Mineralien bezogen, die unabhängig vom Grund und Boden wirtschaftlich selbständig genutzt und für den deutschen Straßenbau verwertet werden sollten. Damit liegt eine im Zusammenhang mit einem Grundstück erbrachte Leistung nicht mehr vor. Diese wäre nur dann gegeben gewesen, wenn die Leistung der Klägerin z. B. ausschließlich in einem geologischen Gutachten des Bodens gelegen hätte. Dies war angesichts der festgestellten einheitlichen, auf die Erteilung des Prüfzeugnisses gerichteten Leistung der Klägerin jedoch nicht der Fall.

16

Eine abweichende Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung ist auch nicht nach § 3a Abs. 2 Nr. 3c UStG gegeben. Denn die Leistungen der Klägerin hatten weder Werkleistungen an noch die Begutachtung von beweglichen körperlichen Gegenständen zum Inhalt.

17

Eine Werkleistung liegt bereits deshalb nicht vor, weil die Klägerin an den Mineralien keine Veränderungen vorgenommen hat. Eine Begutachtung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3c UStG liegt nicht vor, weil die Klägerin zwar auch Gutachtentätigkeiten erbracht hat, diese aber keine eigenständigen sonstigen Leistungen, sondern nur Teilleistungen einer einheitlichen Leistung mit verschiedenen Leistungsaspekten waren. Selbst wenn man als Leistung der Klägerin eine "Begutachtung" annehmen würde, ergäbe sich kein anderer Leistungsort, da die Klägerin den wesentlichen Teil ihrer Leistungen in ihren Labors und damit im Inland erbrachte. Denn die Hauptleistung der Klägerin lag sowohl im Falle der Eignungsprüfung wie im Falle der Fremdüberwachung in der Untersuchung der jeweils hierfür genommenen Proben. Nur anhand der Qualitätsbestimmung der Proben war es der Klägerin möglich festzustellen, ob die Stoffe den vorgegebenen DIN-Vorschriften und damit den Güteanforderungen entsprachen. Von dieser Untersuchung hing es ab, ob die Güteanforderung nach den Richtlinien im Falle der Eignungsprüfung überhaupt und im Falle der Überwachung weiterhin vorliegen und damit die Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Aufrechterhaltung des Prüfzeugnisses gegeben sind. Denn bei einem entsprechenden Qualitätsmangel entfielen für den ausländischen Auftragnehmer die Voraussetzungen für die Verwendung der Mineralstoffe für den inländischen Straßenbau nach den Richtlinien (vgl. Ziffer 3.1 der Richtlinien). Diese wesentliche Tätigkeit hat die Klägerin in ihren Labors und damit im Inland erbracht.

18

Der Ort der sonstigen Leistungen der Klägerin bestimmt sich auch nicht nach § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 UStG. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistungen abweichend von § 3a Abs. 1 UStG nach dem Empfängerort - hier: des ausländischen Abnehmers - im Falle von sonstigen Leistungen u. a. aus der Tätigkeit von Sachverständigen und Ingenieuren, sowie im Falle der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Beratung durch andere Unternehmer (§ 3a Abs. 3 i.V.m. § 3a Abs. 4 Ziffer 3 UStG). Die Klägerin hat keine sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Sachverständiger, Ingenieur oder hinsichtlich einer wirtschaftlichen und technischen Beratung erbracht. Die Leistung eines Sachverständigen besteht darin, auf einem bestimmten Gebiet unter anderem der Naturwissenschaften, der Wirtschaft oder der Technik seine überdurchschnittlichen Kenntnisse und Erfahrungen und seine besondere Sachkunde durch Erstellung von Gutachten zur Verfügung zu stellen. Demgegenüber bestand die Leistung der Klägerin in einer Vielzahl von Teilleistungen, die neben einer Begutachtung auch eine Überwachungstätigkeit beinhaltete. Diese umfassende einheitliche Leistung ist weder eine Sachverständigen- noch eine Ingenieurleistung, sondern eine Leistung eigener Art.

19

Soweit die Klägerin beratende Tätigkeiten gegenüber den ausländischen Kunden ausgeübt hat, war diese nicht Gegenstand der abgerechneten Leistung.

20

Eine beratende Tätigkeit ist weder Gegenstand des Überwachungsvertrages gewesen noch als Leistung von der Klägerin in ihren Rechnungen gegenüber den ausländischen Auftraggebern abgerechnet worden. Im Übrigen handelt es sich bei der Erläuterung des Gegenstandes der Güteüberwachung und der einzelnen Positionen um eine selbst-verständliche Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teilt.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.