Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.10.1999, Az.: VI 156/99 V

Verdeckte Gewinnausschüttung aus der Verrechnung von Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
01.10.1999
Aktenzeichen
VI 156/99 V
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 32864
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:1001.VI156.99V.0A

Fundstelle

  • GmbHR 2000, 191-192 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Vermögensminderung bei Verrechnung von Forderung mit Verbindlichkeit.

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

Körperschaftsteuer 1995 und 1996

Umsatzsteuer 1995 und 1996

Gewerbesteuermeßbetrag 1995 und 1996

Erklärung gem. § 27 KStG 1995 und 1996

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung

Körperschaftsteuer 1993 und 1994

Gewerbesteuermeßbetrag 1993 und 1994

Hinweis

Hinweis: Verbundetes Verfahren

Verbundverfahren:
FG Niedersachsen - 01.10.1999 - AZ: VI 387/99 V

In den Verfahren
...
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
durch
den Präsidenten des Finanzgerichts ... und
die Richter am Finanzgericht ...
am 1. Oktober 1999
beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren VI 156/99 V und VI 387/99 V werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Körperschaftsteuer-Bescheide und Gewerbesteuer-Meßbescheide 1993-1996 werden von der Vollziehung ausgesetzt, soweit die Steuer (Meßbetrag) auf dem Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von 215.683 DM beruht einschließlich der Folgewirkungen für den Verlustvortrag. Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Berechnung der auszusetzenden Steuer und der Meßbeträge wird dem Antragsgegner übertragen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu 90 v.H. und die Antragstellerin zu 10 v.H. zu tragen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten wegen des Ansatzes einer verdeckten Gewinnausschüttung aus der Verrechnung von Verbindlichkeiten um die Aussetzung der Vollziehung, der sich im Einspruchsverfahren befindlichen Steuerbescheide.

2

Die Antragstellerin ist eine GmbH, die in der Vergangenheit die Zeitschrift R herausgegeben hat. Die Gesellschaftsanteile in Höhe von 50.000 DM erwarb mit notariellem Vertrag vom 28. Januar 1988 Herr D, der zugleich zumalleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt wurde. Durch Gesellschafterbeschluß vom 30.11.1988 wurde das Stammkapital auf 100.000 DM erhöht.

3

Bis 1992 nahm die Antragstellerin zur Deckung ihres Finanzbedarfs bei der Firm E GmbH und deren Gesellschafter W, dem Bruder des Alleingesellschafters der Antragstellerin, verschiedene Darlehen in einer Gesamtsumme von ca. 314.000 DM auf. Da die Antragstellerin weitere benötigte Finanzmittel nicht erlangen konnte, veräußerte der Gesellschafter D noch im Jahr 1992 seine gesamten Anteile an der Antragstellerin an seinen Bruder W. Der ehemalige Gesellschafter wurde als Geschäftsführer abberufen und zugleich der jetzige Gesellschafter zum Geschäftsführer bestellt.

4

Zum 31.12.1992 wies die Bilanz der Antragstellerin u.a. auf dem Verrechnungskonto des ehemaligen Gesellschafters einen Schuldsaldo von 214.716 DM auf. Im Jahresabschluß 1993 buchte die Antragstellerin diese Forderung auf das Konto Verbindlichkeiten gegenüber der Fa. E um, so daß sich die Verbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber der Fa. E entsprechend verringerten.

5

Nach einer bei der Antragstellerin durchgeführten Außenprüfung ging der Antragsgegner davon aus, dass in der Umbuchung der Forderung ein Verzicht der Antragstellerin auf die Realisierung ihres Anspruchs gegen den alleinigen Gesellschafter zu sehen sei und es sich damit um eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 215.683 DM handele. Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Fa. E haben sich die Beteiligten im Wege einer tatsächlichen Verständigung darauf geeinigt, dass die Forderung der Fa. dem Gesellschafter W zusteht und lediglich die formelle Abwicklung über die Gesellschaft erfolgt war.

6

Der Antragsgegner änderte den KSt-Bescheid 1993 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte u.a. eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 215.683 DM einkommenserhöhend. Hierdurch wurde zugleich der Verlustabzug in Höhe von 228.824 DM aufgebraucht, so dass er nicht mehr in die Streitjahre 1994 bis 1996 vorgetragen werden konnte. Dementsprechend änderte der Antragsgegner auch den Körperschaftsteuer-Bescheid 1994, die Gewerbesteuer-Meßbescheide 1993 und 1994. Ferner schätzte er die Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 1995 und 1996.

7

Über die Einsprüche gegen die streitigen Bescheide hat der Antragsgegner bisher nicht entschieden. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung wies der Antragsgegner zurück. Mit ihren beim Gericht gestellten Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung begehrt die Antragstellerin die Aussetzung der angefochtenen Verwaltungsakte, soweit darin eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 215.683 DM angesetzt wurde bzw. sich infolge dessen ein Verlustvortrag nicht erfolgte. Zur Begründung trägt sie imwesentlichen vor, die Annahme des Antragsgegners, dass die Verrechnung der Darlehnskonten eine vGA bei Herrn D sei, treffe nicht zu. Die Antragstellerin habe nicht auf ein Darlehen verzichtet. Vielmehr sei die Forderung mit einer Schuld gegenüber einem Dritten verrechnet worden. Der Verrechnung liege eine Erbauseinandersetzung zwischen den Brüdern zugrunde.

8

Die Antragstellerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide von der Vollziehung auszusetzen, soweit eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 215.683 DM berücksichtigt wurde.

9

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge abzulehnen.

10

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid über die Einsprüche gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung (Bl. 10 ff. FG-Akte) Bezug genommen.

11

II.

Die Anträge sind weitgehend begründet.

12

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise gemäß § 69 Abs. 2 bis 6 FGO aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerbescheidesneben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Es ist indes nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFH/NV 1997, R 462, R 463, m.umf.N.).

13

So liegt es im Streitfall. Es bestehen erhebliche Zweifel, obdie durch den Antragsgegner vorgenommene rechtliche Aufspaltung des einheitlichen Verrechnungsvorganges zum Eintritt einer verdeckten Gewinnausschüttung geführt hat.

14

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479 [BFH 02.02.1994 - I R 78/92]). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626).Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795 [BFH 14.03.1990 - I R 6/89]). Die Vermögensminderung ist als Tatbestandsvoraussetzung einer verdeckten Gewinnausschüttung mit Hilfe der Steuerbilanz zu ermitteln, wie sie ohne Berücksichtigung der Rechtsfolge des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG unter Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) aufzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1994 I R 6/94, BFHE 175, 412, BStBl II 1997, 89 [BFH 14.09.1994 - I R 6/94]).

15

Bei summarischer Prüfung der im Streitfall vorliegenden Umstände fehlt es bereits an einer für eine verdeckte Gewinnausschüttung erforderliche Vermögensminderung. Entgegen der im Außenprüfungsbericht geäußerten Auffassung des Antragsgegners kann auf die Feststellung einer Vermögensminderung auch nicht in den Fällen verzichtet werden, in denen eine von vornherein abgeschlossene klare und eindeutige Vereinbarung mit dem beherrschenden Gesellschafter fehlt. Das Erfordernis der klaren und eindeutigen Vereinbarung dient lediglich zur Abgrenzung des Veranlassungsgrundes, kann aber nicht das weitere Definitionsteilstück einer vGA, der Vermögensminderung, ersetzen.

16

Eine Vermögensminderung ist durch die Verrechnung nicht eingetreten. Die Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten erfolgte vermögensneutral. Beide Seiten der Bilanz vermindern sich um denselben Betrag, so dass das Eigenkapital der Gesellschaft unberührt blieb. Dem Verlust einer Forderung stand in gleicher Höhe die Befreiung von einer Verbindlichkeit entgegen. Zu einer Vermögensminderung hätte es lediglich dann kommen können, wenn man - wie der Antragsgegner - den einheitlichen Verrechnungsvorgang aufspaltet und jede Vermögensbewegung für sich betrachtet. Der Antragsgegner hat Gründe hierfür nicht dargetan. Einen zwingenden Grund für diese Vorgehensweise vermag der Senat auch nicht zu erkennen. Zwar fehlt es an einer Aufrechnungsmöglichkeit des Alleingesellschafters, da die Forderungen und Verbindlichkeiten sich nicht gegenseitig gegenüber standen. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass die Beteiligten auf das Gegenseitigkeitserfordernis im Rahmen eines Aufrechnungsvertrages verzichteten und der Gesellschafter aus privaten Gründen für seinen Bruder eine Leistung gem. § 267 BGB als Dritter erbrachte. Hierfür spricht zugleich die im Klageverfahren vorgetragene Regelung einer Erbauseinandersetzung. Letztlich ist die Motivation des Alleingesellschafters jedoch unerheblich, da es ihm jederzeitfrei steht, aus seinem Vermögen die Schulden dritter Personen zu begleichen. Genau hierum handelt es sich im Streitfall.

17

Die Körperschaftsteuer-Bescheide 1993 und 1994 jeweils vom 12.10.1998 sowie 1995 und 1996 jeweils vom 11.11.1998 und die Gewerbesteuer-Meßbescheide 1993 bis 1996 jeweils ohne Datum sind daher von der Vollziehung auszusetzen, soweit eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 215.683 DM einkommens- und gewerbeertragerhöhend einschließlich der Folgewirkungen auf den Verlustvortrag angesetzt wurde.

18

Soweit die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1995 und 1996 sowie der Erklärung gem. § 27 KStG 1995 und 1996 begehrt, war der Antrag abzulehnen. Aus dem Vortrag der Antragstellerin läßt sich ihr Begehren in bezug auf diese Bescheide nicht hinreichend konkretisieren.

19

Die Berechnung der auszusetzenden Steuer (bzw. des Meßbetrages) wird dem Antragsgegner gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1 FGOübertragen.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.

21

Rechtsmittelbelehrung

22

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 Finanz gerichtsordnung - FGO-).