Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 24.08.2000, Az.: 6 A 151/99

Alkohol; Fahreignung; Fahrerlaubnis; med.-psychologisches Gutachten; Neuerteilung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
24.08.2000
Aktenzeichen
6 A 151/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41860
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei einem im gerichtlichen Verfahren eingeholten negativen Gutachten, in dem eine unzureichende Auseinandersetzung mit dem früheren Trinkverhalten ermittelt wurde.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

1

Der Kläger erhielt im Jahre 1962 eine Fahrerlaubnis der Klasse 5, die im Jahre 1963 auf die Klasse 3 erweitert wurde. In der Folgezeit wurde er in folgenden Fällen im Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs verkehrsauffällig:

2

1. Durch Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 27. Februar 1995 erhielt der Kläger wegen des Führens eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss von Alkohol (Blutalkoholgehalt: 1,02 g o/oo) eine Geldbuße von 500,-- DM sowie ein dreimonatiges Fahrverbot (Tatzeit: 25. September 1994).

3

2. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 12. Dezember 1995 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung (Blutalkoholgehalt: 1,73 g o/oo) mit Verursachung eines Verkehrsunfalls zu einer Geldstrafe von 3.500,-- DM verurteilt; außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen und für die Wiedererteilung eine Sperrfrist von zehn Monaten verhängt (Tatzeit: 13. August 1995).

4

3. Mit Bußgeldbescheid des Landkreises Helmstedt vom 18. November 1996 wurde der Kläger wegen Überholens im Bereich eines durch Verkehrszeichen angeordneten

5

Überholverbots mit einer Geldbuße von 100,-- DM belegt (Tatzeit: 31. Oktober 1996).

6

4. Durch Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 22. Dezember 1996 erhielt der Kläger wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 800,-- DM (Tatzeit: 31. Oktober 1996).

7

Am 11. November 1996 beantragte der Kläger bei dem Beklagten eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3. Als das im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erstellte medizinisch-psychologische Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt vom 17. Februar 1997 die hinsichtlich der Fahreignung des Klägers bestehenden Zweifel der Behörde nicht auszuräumen vermochte, nahm der Kläger unter dem 21. Februar 1997 den Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zurück.

8

Ein weiterer Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis vom 03. Juni 1997 wurde vom Kläger am 27. September 1997 ebenfalls zurückgenommen, nachdem in einem erneuten medizinisch-psychologischen Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt vom 26. August 1997 die Eignungsvoraussetzungen für das Führen eines Kraftfahrzeugs weiterhin als nicht gegeben angesehen wurden.

9

Schließlich stellte der Kläger am 16. September 1998 erneut einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis. In dem auf Veranlassung des Beklagten eingeholten medizinisch-psychologischen Gutachten des TÜV Nord vom 07. Dezember 1998 kamen die Sachverständigen aufgrund einer Untersuchung vom 04. November 1998 zu dem Ergebnis, dass auch zukünftig mit einer Teilnahme des Untersuchten am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol gerechnet werden müsse. Der Schwerpunkt der Beurteilung der Fahreignung habe bei der Frage eines kritischen Umgangs mit Alkohol und einer vorausschauenden Steuerung des Verhaltens zur Vermeidung von Trunkenheitsfahrten gelegen. Auch wenn die konstant erhöhten Leberwerte auf die ausgeprägte Fettleber zurückzuführen seien, sei nach den erhobenen Befunden die behauptete Alkoholabstinenz nicht glaubhaft. Die Untersuchung habe gezeigt, dass der Kläger sich mit den früheren Alkoholauffälligkeiten nicht angemessen auseinandergesetzt habe und zu einer gefestigten Verhaltensänderung gelangt sei. Der bei ihm festgestellte Kenntnisstand über den Umgang mit Alkohol und die sich daraus ergebenden Gefahren beim Führen von Kraftfahrzeugen sei nur lückenhaft gewesen. Die bagatellisierenden und sehr vage gehaltenen Angaben zu dem eigenen Trinkverhalten und der Trinkmotivation hätten deutlich gemacht, dass der Kläger seine Einstellung, die zu den aktenkundigen Fehlverhaltensweisen beigetragen hätte, noch nicht nachhaltig geändert habe. Eine Änderung der Eignungsvoraussetzungen sei nicht kurzfristig zu erwarten, so dass vor Ablauf eines Jahres eine erneute Überprüfung der Eignungsvoraussetzungen nicht zweckmäßig sei.

10

Mit Bescheid vom 01. Februar 1999 lehnte der Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 31. Mai 1999 als unbegründet zurückgewiesen.

11

Am 30. Juni 1999 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen:

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Die bisher eingeholten medizinisch-psychologischen Gutachten stützten sich auf bloße Vermutungen und statistische Wahrscheinlichkeiten hinsichtlich einer erneuten Trunkenheitsfahrt. Die schlechten Leberwerte seien ausschließlich auf eine Fettleber zurückzuführen. Bis zur zweiten Trunkenheitsfahrt habe sich sein Alkoholgenuss im Bereich des "Normalen" bewegt. Inzwischen habe er sich absolut vom Alkohol abgewandt. Es müsse deshalb ein erneutes Gutachten mit eingehenden Untersuchungen eingeholt werden.

13

Der Beklagte hat entgegnet:

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Auf der Grundlage der am 04. November 1998 erfolgten medizinisch-psychologischen Untersuchung habe der Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt werden müssen. Die zwischenzeitlich diagnostizierte Fettleber und die darauf zurückzuführenden erhöhten Leberwerte seien nicht allein maßgeblich für das Untersuchungsergebnis gewesen. Es fehle dem Kläger vielmehr an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem Trinkverhalten und an einer gefestigten Verhaltensänderung. Die behauptete Abstinenz sei stark auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ausgerichtet und könne wieder aufgegeben werden, wenn dieses Ziel erreicht sei.

15

Mit Beschluss vom 30. September 1999 hat das Gericht den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, nach dessen Inhalt der Kläger sich u.a. einer erneuten medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen und das Ergebnis dieser Begutachtung für den Ausgang des Verfahrens maßgeblich sein solle. Als der Kläger die Annahme des Vergleichsvorschlags ablehnte, hat das Gericht am 03. März 2000 beschlossen, Beweis zu erheben über die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse B durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens der DEKRA Magdeburg - Begutachtungsstelle für Fahreignung -. Hinsichtlich der Einzelheiten des Beschlusses und des Gutachtens vom 18. Mai 2000, nach dessen Ergebnis auch künftig mit einer erneuten Verkehrsteilnahme des Klägers unter Alkoholeinfluss gerechnet werden müsse, wird auf diese Unterlagen Bezug genommen.

16

Der Kläger, der an seinem Klagebegehren weiterhin festgehalten hat, hat mit Schriftsatz vom 26. Juli 2000 den Befundbericht des Städtischen Klinikums Braunschweig vom 03. September 1998 über eine diagnostizierte ausgeprägte Fettleber sowie die ärztliche Stellungnahme seines Hausarztes Dr. C. vom 11. Juli 2000 vorgelegt, nach dessen Inhalt eine alkoholtoxisch bedingte Leberveränderung medizinisch weder schlüssig bewiesen noch schlüssig ausgeschlossen werden könne.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 01. Februar 1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 31. Mai 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm antragsgemäß eine Fahrerlaubnis der Klasse B zu erteilen.

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Der Beklagte hält unter Hinweis auf das Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung an seinem Klageabweisungsantrag fest und hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist nicht begründet.

23

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 1 StVG i.V.m. den §§ 11 f. FeV darf die Straßenverkehrsbehörde eine beantragte Fahrerlaubnis nicht erteilen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Der Nachweis über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fahrerlaubniserteilung ist vom Fahrerlaubnisbewerber zu erbringen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 FeV). Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beurteilt sich auf der Grundlage einer Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers nach dem Maßstab seiner Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr (BVerwG, Urt. vom 20.02.1987 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 6 m.w.N.). Ein Fahrerlaubnisbewerber ist danach ungeeignet, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sich an die Verkehrsbestimmungen halten wird. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn bei ihm nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass er im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit am Straßenverkehr teilnehmen wird. In Anbetracht des ordnungsbehördlichen Charakters der Vorschriften über die Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Höhe der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Kraftfahrer erstmals oder erneut gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen wird, von wesentlichem Gewicht. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit der unter Alkoholeinfluß begangenen Verkehrsdelikte ist insoweit in besonderem Maße das Rückfallrisiko bei einem wegen eines Trunkenheitsdeliktes bereits vorbestraften Kraftfahrer bedeutsam (BVerwG, Urt. vom 20.02.1987, aaO.). Nach Nr. 8.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV kann deshalb nach einem Alkoholmissbrauch die Fahreignung grundsätzlich erst dann wieder angenommen werden, wenn die missbräuchlichen Alkoholtrinkgewohnheiten beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Ein Fall des Alkoholmissbrauchs liegt schon dann vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Konsum alkoholischer Getränke nicht sicher getrennt werden können.

24

Für die Frage, ob einem Kraftfahrer, der in der Vergangenheit bereits wegen eines alkoholbedingten Verkehrsdeliktes aufgefallen ist, eine Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann, ist die Prognose wesentlich, ob auch zukünftig mit der Begehung ähnlicher Straftaten gerechnet werden muss. Angesichts der Gefährlichkeit der Teilnahme alkoholbedingt fahruntüchtiger Kraftfahrer ist jedenfalls dann von einer fehlenden Fahreignung auszugehen, wenn die individuelle Rückfallwahrscheinlichkeit des Betreffenden deutlich höher liegt als die eines Kraftfahrers, der bisher noch nicht mit einer Trunkenheitsfahrt in Erscheinung getreten ist. Hiernach ist die Fahreignung des Klägers nicht gegeben.

25

Der Kläger hat bereits wiederholt unter dem Einfluß von Alkohol ein Kraftfahrzeug geführt, wobei in einem Fall ein Blutalkoholgehalt von 1,73 g o/oo festgestellt worden war. Wer mit einer so hohen Blutalkoholkonzentration ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, gibt in besonderem Maß Anlass zu Eignungszweifeln. Denn ein Kraftfahrer, der Alkohol in diesen Mengen konsumieren kann, ist in aller Regel in hohem Maße an Alkohol gewöhnt und steht in dem Verdacht des Alkoholmissbrauchs. Bereits Blutalkoholkonzentrationen mit Werten ab 0,3 o/oo können zu einer Herabsetzung der Konzentrationsfähigkeit und zur Veränderung der Stimmungslage mit Kritikminderung führen, so dass ein erhöhtes Verkehrsrisiko von derart beeinflussten Kraftfahrern ausgeht. Bei 0,8 o/oo liegt das Risiko in der Regel um das Vierfache höher als bei nüchternen Verkehrsteilnehmern. Mit Werten, die höher als 1 o/oo sind, liegt in jedem Fall eine Fahruntüchtigkeit vor. Werden Werte um oder über 1,5 o/oo bei Kraftfahrern im Straßenverkehr ermittelt, so ist die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos anzunehmen. Bei solchen Personen liegt in der Regel ein Alkoholproblem vor, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeiten im Straßenverkehr in sich birgt. Wiederholte Auffälligkeiten unter Alkohol im Straßenverkehr innerhalb weniger Jahre begründen ebenfalls einen solchen Verdacht, selbst wenn die Blutalkoholkonzentrationen wesentlich geringer sind.

26

Wegen der allgemeinen Verfügbarkeit des Alkohols besteht bei Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit generell eine hohe Rückfallgefahr, so dass ein strenger Maßstab bei der Einzelfallprüfung anzulegen ist, bevor eine positive Prognose zum Führen von Kraftfahrzeugen gestellt werden kann (vgl. hierzu: Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft M 115, Februar 2000, Nr. 3.11). Zwar lässt sich weder für Erst- noch für Wiederholungstäter im Straßenverkehrsrecht eine feste Grenze zwischen Eignung und Nichteignung in Form einer durch Prozentzahlen quantifizierten individuellen Wahrscheinlichkeit des Rückfalls in ein erneutes Trunkenheitsdelikt ausdrücken (vgl. hierzu: Maukisch - NZV 1992, 264 m.w.N.). Andererseits ist nicht zu übersehen, dass jedenfalls bei einem wegen Trunkenheitsdelikten bereits vorbestraften Kraftfahrer in besonderem Maße ein Rückfallrisiko besteht (BVerwG, Urt. vom 20.02.1987, aaO.). Untersuchungen zur Einschätzung der Rückfallwahrscheinlichkeit bei Trunkenheitstätern im Straßenverkehr (Stephan - DAR 1992, 1 m.w.N.) haben ergeben, dass von Fahrern, die einmal wegen Trunkenheit am Steuer bestraft worden sind und danach wieder einschlägig auffällig wurden, statistisch 60 v.H. innerhalb von zehn Jahren rückfällig wurden; bei Fahrergruppen mit drei- und mehrmaliger Auffälligkeit lag der Prozentsatz des Rückfälligwerdens innerhalb des Zeitraumes von 10 Jahren noch höher. Bestimmte Verurteiltengruppen (z.B. junge Ersttäter mit hoher Blutalkoholkonzentration) weisen sogar ein Rückfallrisiko von mehr als 90 v.H. auf. Auch weitere Untersuchungen zur Rückfallwahrscheinlichkeit von Trunkenheitstätern im Straßenverkehr (vgl. hier: OVG Lüneburg, Beschl. vom 18.03.1986 - 12 B 153/85 - m.w.N.; Maukisch, aaO., Seite 268 f. m.w.N.) haben ergeben, dass jedenfalls bei der Gruppe der einschlägig vorbestraften Kraftfahrer eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für eine zukünftige Trunkenheitsfahrt besteht. Diese statistisch ermittelte Rückfallwahrscheinlichkeit gilt nur dann nicht, wenn das Persönlichkeitsbild des jeweiligen Fahrerlaubnisinhabers Merkmale aufweist, die es rechtfertigen, diese Prognose im Einzelfall nicht zugrunde zu legen.

27

Hierzu bedarf es einer überzeugenden Darlegung des Fahrerlaubnisbewerbers, dass er tragfähige Strategien für die Kontrolle über den Alkoholkonsum als Voraussetzung dafür entwickelt hat, dass der Konsum von Alkohol und die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr getrennt werden kann. Dies bedarf regelmäßig einer sorgfältigen Auseinandersetzung mit den Ursachen und der Entwicklung des früheren Alkoholmissbrauchs. Im Falle einer Alkoholabhängigkeit ist Voraussetzung einer positiven Prognose außerdem eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung mit einer entsprechenden Nachsorge bei völliger Alkoholabstinenz.

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Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann wieder angenommen werden, wenn sich bei dem Fahrerlaubnisbewerber ein grundlegender Wandel in der Einstellung zum Alkohol überhaupt und nicht nur zu dem Komplex Alkohol und Straßenverkehr vollzieht. Für Kraftfahrer, die mit einem Blutalkoholgehalt von mehr als 1,5 g o/oo am Straßenverkehr teilgenommen haben, bedeutet dies, dass nur eine nicht ausschließlich mit der Erlangung der Fahrerlaubnis im Zusammenhang stehende Motivation zu einer Verhaltensänderung im Umgang mit dem Alkohol das künftige Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss mit einiger Wahrscheinlichkeit ausschließt. Denn dieser Personenkreis unterliegt häufig dem Irrtum, weiter Alkohol trinken zu können, sofern es nur gelinge, die Bereiche Trinken und Fahren voneinander zu trennen. In aller Regel führt dieser Irrtum allerdings zu einem erneuten gewohnheitsmäßigen, unkontrollierten und übermäßigen Alkoholgenuss. Ein Kraftfahrer, der in der Vergangenheit wiederholt oder mit einem beträchtlichen Blutalkoholgehalt am Straßenverkehr teilgenommen hat, muss deshalb auf der Grundlage eines realistischen Problembewusstseins hinsichtlich seines früheren Alkoholmissbrauchs zu einer selbstkritischen Analyse und glaubhaft zu einem Entschluss gekommen sein, sein Trinkverhalten zu verändern und diese Entscheidung auch dauerhaft zu realisieren.

29

Im Falle des Klägers kann eine solchermaßen günstige Prognose nicht gestellt werden. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung vom 18. Mai 2000. Darin kommen die Sachverständigen aufgrund einer hinreichend sorgfältigen, umfassenden und nachvollziehbaren Untersuchung des Klägers ohne erkennbare Mängel zu dem widerspruchsfrei dargelegten Ergebnis, dass seine Eignung für den Kraftverkehr nicht angenommen werden kann. Nach der Verkehrsvorgeschichte des Klägers, in Anbetracht seines aktenkundigen und des von ihm - allerdings widersprüchlich und bagatellisierend - eingeräumten früheren Alkoholkonsums sowie vor allem im Hinblick auf die im Persönlichkeitsbereich begründet liegenden Zweifel an einer stabilen und nachhaltigen Änderung der in der Vergangenheit gezeigten Verhaltensweisen muss damit gerechnet werden, dass der Kläger erneut auf einen missbräuchlichen Alkoholkonsum mit den entsprechenden Auswirkungen bei der Verkehrsteilnahme verfallen könnte. Den Gutachtern ist darin beizutreten, dass es dem Kläger in Anbetracht der auch gegenwärtig bei ihm noch vorhandenen Bagatellisierungs- und Verdrängungstendenzen bisher nicht gelungen ist, sein früheres Trinkverhalten und den damit verbundenen exzessiven Alkoholmissbrauch realistisch zu erkennen und eine dauerhafte Änderung dieses Verhaltens überzeugend darzulegen. Der von ihm behauptete absolute Verzicht auf Alkohol seit dem Jahre 1995 ist schon im Hinblick auf seine diesbezüglich anderslautenden Angaben bei den vorangegangenen medizinisch-psychologischen Untersuchungen sowie außerdem aufgrund seiner unrealistischen Schilderung der (ausgebliebenen) Auswirkungen nach dem von ihm behaupteten völligen Verzicht auf jeglichen Alkoholkonsum unglaubhaft. Die Sachverständigen haben außerdem in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass der Kläger sich nur unzureichend mit dem Suchtpotential des bei ihm in der Vergangenheit festgestellten Alkoholmissbrauchs und der bei ihm vorliegenden Rückfallgefährdung auseinander gesetzt hat. Der Umstand, dass der Kläger auch nach den mehrfach durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchungen nicht zu einem der Realität entsprechenden Problembewusstsein gelangt ist, legt die Annahme nahe, dass er ohne die fachkundige Betreuung durch eine verkehrspsychologische Beratungsstelle oder eine ähnliche Einrichtung eine nachhaltige Einstellungsänderung nicht wird erreichen können. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt der Frage, ob die bei den mehrfachen Blutuntersuchungen ermittelten und unterschiedlich hohen Gamma-GT-Werte im Wesentlichen auf die bei ihm festgestellte Fettleber zurückzuführen sind, keine maßgebliche Bedeutung zu. Diese Werte haben allenfalls indizielle Bedeutung; der Schwerpunkt der Fahreignungbeurteilung liegt hier im verkehrspsychologischen Bereich. Es bedarf daher keiner weiteren Beweiserhebung.

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Die Klage ist deshalb nach dem derzeitigen Sachstand mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 GKG und beläuft sich auf den festgesetzten Wert, wenn eine Fahrerlaubnis der Klasse B (frühere Klasse 3) im Streit ist.