Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.08.2000, Az.: 6 A 1/00

Asylrelevanz; Beleidigung; Belästigung; Gruppenverfolgung; Syrien; unsittliche Berührung; Yeziden

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
09.08.2000
Aktenzeichen
6 A 1/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 41205
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Keine Asylerheblichkeit von Belästigungen und unsittlichen Berührungen. Keine Gruppenverfolgung der Yeziden in Syrien.

Tenor:

Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Juli 1998 wird hinsichtlich der unter Nr. 2 getroffenen Feststellung aufgehoben.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte sowie ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festgesetzten Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

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Die im Jahre 1976 geborene Beigeladene ist Kurdin ungeklärter Staatsangehörigkeit aus Syrien. Sie stammt aus dem Ort T. und gehört der yezidischen Glaubensgemeinschaft an. Am 30. Juni 1998 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

2

Zur Begründung dieses Begehrens trug sie vor: Sie sei am 30. Juni 1998 von Istanbul nach Hannover geflogen. Ihre in Verden lebende Schwester habe sie abgeholt. Aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit habe sie mit Übergriffen der moslemischen Bevölkerung zu rechnen. Nach einer Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 05. Februar 1997 seien die Yeziden des genannten Distrikts einer mittelbaren Gruppenverfolgung ausgesetzt.

3

Bei ihrer Anhörung vom 27. Juli 1998 führte die Beigeladene ergänzend aus: Zusammen mit ihrem Bruder und der Schwester habe sie am 05. Juni 1998 Syrien zu Fuß verlassen. Der Schlepper habe sie nach dem Überqueren der türkischen Grenze zunächst nach Nuseybin und später nach Viransehir gefahren. Mit einem Bus seien sie nach Istanbul gebracht worden und von dort nach Hannover geflogen. Den gefälschten Pass und die übrigen Unterlagen habe ihnen der Schlepper abgenommen. In Syrien seien sie als Ausländer registriert. Sie habe keine Schule besucht und in der Landwirtschaft gearbeitet. Ihre Nachbarn hätten sie und ihre Schwester ständig belästigt und sie islamisieren wollen. Der letzte Vorfall sei etwa Anfang Mai 1998 gewesen. Sie und ihre Schwester seien von zwei Araberbrüdern unsittlich angefasst worden. Einer von ihnen habe sie an der Brust angefasst und ihr Hemd zerrissen. Ihr Bruder sei ihnen zu Hilfe gekommen. Die beiden Männer sowie andere Männer des arabischen Familienclans hätten ihren Bruder brutal zusammengeschlagen, bis er bewusstlos geworden sei. Er habe an Mund und Nase geblutet. Sie habe ihren Vater geholt, der den Bruder nach Al Hassake zum Arzt gefahren habe. Zwei Nachbarn seien mitgekommen. Ihr Vater und ihr Bruder hätten dann bei der Polizei eine Anzeige erstattet, die dazu geführt habe, dass die beiden Täter beschuldigt worden seien. Danach habe die Familie der Täter geschworen, dass man ihren Bruder umbringen und sie oder auch ihre Schwester entführen werde. Sie sei Yezidin und bete morgens und abends. Ihr Sheik sei Sheik Ramadan. Ihr Berat habe sie von ihrer Mutter erhalten, die es von dem Sheik bekommen habe. Es stamme von der heiligen Quelle bei Lalesh. Heiraten könne sie nur einen Yeziden ihrer Kaste. Ihr Berat dürfe sie dem Ehemann nicht überreichen. Wenn sie nach Syrien zurückkehre, werde man sie irgendwann islamisieren. Sie wolle aber Yezidin bleiben. Außerdem habe sie sich wegen der unerlaubten Ausreise strafbar gemacht.

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Mit Bescheid vom 28. Juli 1998 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben seien.

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Gegen den am 30. Juli 1998 zugestellten Bescheid hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten am 10. August 1998 Klage erhoben. Zur Begründung der Klage trägt er vor:

6

Es seien keine Gründe für eine individuelle Verfolgung der Beigeladenen erkennbar. Eine Gruppenverfolgung der yezidischen Kurden finde in Syrien ebenso wenig statt wie eine regional oder örtlich begrenzte Verfolgung der Kurden.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Bundesamtes vom 28. Juli 1998 aufzuheben, soweit darin die Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG getroffen worden sei.

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Die Beklagte hat weder Ausführungen zur Sache gemacht noch einen Klageantrag gestellt.

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Die Beigeladene beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie entgegnet:

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In dem Distrikt Hassake seien Yeziden einer Gruppenverfolgung ausgesetzt. Wie sich aus einer von ihr vorgelegten Auflistung von Übergriffen moslemisch-arabischer Nachbarn auf Yeziden ergebe, träten solche Vorfälle gehäuft auf, so dass in Anbetracht der Relation von asylerheblichen Übergriffen zu der Anzahl von in Syrien lebenden Yeziden von einer mittelbaren Gruppenverfolgung der Yeziden im Distrikt Hassake auszugehen sei. Die Entscheidungen des OVG Münster vom 21. April 1998 (9 A 6597/95.A), des Nds. OVG Lüneburg vom 14. Juli 1999 (2 L 4943/97) wie auch des Bundesverwaltungsgerichts vom 05. Juli 1994 (9 C 158.94) trügen den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Ermittlung der Verfolgungsintensität nicht angemessen Rechnung. Insbesondere sei eine quantitative Betrachtungsweise bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung verfassungsrechtlich bedenklich. Sie habe außerdem ein eigenes Verfolgungsschicksal erlitten. Man habe Anfang Mai 1998 versucht, sie zu vergewaltigen und sie zu entführen. Ihr Bruder, der ihr habe zu Hilfe kommen wollen, sei bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen worden. Sie habe keinen Schutz vor derartigen Übergriffen durch die Polizei erfahren. Anzeigen ihres Vaters und des Bruders seien nicht entgegengenommen und stattdessen sie eines Vergehens gegen die arabischen Nachbarn beschuldigt worden. Auch nach dem Vorfall von Anfang Mai 1998 sei eine Anzeige ihres Vaters und des Bruders nicht aufgenommen worden. Die Polizei habe die Auseinandersetzung als Streit um Wasser dargestellt und ihren Bruder als Verursacher bezichtigt. Bei einer Rückkehr wäre sie wegen ihrer Religion erneut schutzlos den Übergriffen der Nachbarn ausgesetzt.

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Die Beigeladene ist in der mündlichen Verhandlung zu ihren Asylgründen informatorisch angehört worden. Hinsichtlich ihres Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09. August 2000 Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf die den Beteiligten bekannte Liste der Erkenntnismittel zu Asylverfahren von Ausländern aus Syrien verwiesen. Diese Unterlagen waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Beigeladene hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Juli 1998 ist deshalb hinsichtlich der unter Nr. 2 getroffenen Feststellung aufzuheben.

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Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind denen des Art. 16a Abs. 1 GG gleich, soweit es die Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale betrifft; insoweit kann auf die entsprechende Rechtsprechung Bezug genommen werden. Das Individualgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG begründet einen Anspruch auf Anerkennung als politisch Verfolgter für den, der selbst politische Verfolgung erlitten oder zu befürchten hat. Voraussetzung ist, dass dem Asylbewerber in seinem Heimatland gezielt Rechtsverletzungen von beachtlicher Intensität in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale zugefügt wurden oder solche ihm drohten, d.h. aus Gründen, die in seiner politischen oder religiösen Grundüberzeugung, seiner Volkszugehörigkeit oder in anderen Merkmalen liegen, welche sein Anderssein prägen (BVerfG, Beschl. vom 10.07.89, BVerfGE 80, 315, 335). Ergibt sich die Gefahr eigener politischer Verfolgung des Asylbewerbers nicht aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen des Verfolgerstaates, so kann sie sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, oder wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Gefahr einer Gruppenverfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Hierfür muss eine so große Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter festgestellt sein, dass sich daraus für jeden Gruppenangehörigen ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten lässt (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. vom 24.09.92 - NVwZ 1993, 192; Urt. vom 05.07.94 - BVerwGE 96, 200; Urt. vom 30.04.96 - 9 C 171.95 -, BVerwGE 101, 134; vom 09.09.97 - 9 C 43.96 -, DVBl. 1998, 274; Nds. OVG, Urt. vom 29.06.98 - 11 L 5510/97 -; Urt. vom 18.01.2000 - 11 L 3404/99 -). Asyl steht darüber hinaus grundsätzlich auch demjenigen zu, der sein Heimatland unverfolgt verlassen hat, wenn er sich auf einen Nachfluchtgrund berufen kann. Ein Anspruch auf Asyl scheidet allerdings aus, soweit dem Betreffenden in seinem Heimatland eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 10.07.89, aaO, 343 u. vom 10.11.89, BVerfGE 81, 58; BVerwG, Urt. vom 10.05.94, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.170).

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Das Gericht hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Beigeladene in Syrien einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war oder ihr eine solche droht. Insbesondere wegen der Zugehörigkeit zur yezidischen Glaubensgemeinschaft ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sie bei einer Rückkehr nach Syrien mit politischer Verfolgung zu rechnen hätte.

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Den Angaben der Beigeladenen bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt ist zu entnehmen, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zum yezidischen Glauben Nachteile von asylrechtlicher Relevanz nicht erlitten hat. Die geschilderten Streitigkeiten zwischen der muslimischen und yezidischen Bevölkerung und die von den muslimischen Dorfbewohnern ausgehenden Belästigungen und Versuche, die Yeziden zu der Aufgabe ihrer Glaubenshaltung zu bewegen, stellen - jedenfalls in Bezug auf die Beigeladene - nach der Intensität und Schwere keine Eingriffe in die vom Asylrecht umfassten Freiheitsgüter und Schutzrechte dar. Dies gilt auch für das von der Beigeladenen geschilderte unsittliche Angefasstwerden bei einem Zusammentreffen mit muslimischen Nachbarn auf dem Feld. Die Äußerung, man habe sie entführen wollen oder werde sie oder ihre Schwester entführen, ist - sofern eine solche Drohung überhaupt gefallen sein sollte - lediglich als nicht ernst zu nehmender Einschüchterungsversuch zu begreifen. Im Hinblick auf die eigenen widersprüchlichen Angaben, die zudem auch teilweise von den Schilderungen ihrer Schwester abweichen, geht das Gericht jedoch davon aus, dass sich der Vorfall nicht in der von der Beigeladenen geschilderten Weise zugetragen hat. Während die Beigeladene noch bei dem Bundesamt geschildert hatte, dass der ihr und ihrer Schwester zu Hilfe gekommene Bruder nicht nur von zwei Arabern, sondern auch noch von anderen Männern des arabischen Familienclans zusammengeschlagen worden sei, hat sie hiervon - auch nach einem nochmaligen Wiederholen ihrer Schilderung - in der mündlichen Verhandlung nichts mehr erwähnt. Stattdessen hat sie erstmals von yezidischen Nachbarn berichtet, die angelaufen gekommen seien, worauf die beiden Araber "abgehauen" seien. Ihre Darstellung weicht auch insoweit von der Schilderung ihrer Schwester ab, als diese angegeben hatte, man habe sie beide auf den Boden geworfen, während die Beigeladene lediglich angegeben hatte, an die Brust gefasst und festgehalten worden zu sein, wobei das Kleid zerrissen sei. Die von der Beigeladenen und ihrer Schwester in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszüge aus dem syrischen Personenstandsregister, die von ihnen für die beabsichtigte Eheschließung mit türkischstämmigen Yeziden benötigt werden, wurden bereits auf entsprechende Anträge zu Beginn des Monats ausgestellt, in dem sich der von ihnen geschilderte Vorfall zugetragen haben soll. Dies legt die Annahme nahe, dass die Ausreise der Beigeladenen und ihrer Schwester schon vorher geplant war und einen asylrechtlich relevanten Grund nicht hatte. Dass die Beigeladene als Yezidin in Syrien Belästigungen ihrer arabischen Nachbarn ausgesetzt war, nimmt das Gericht ihr ab. Solchen Belästigungen und auch Versuchen, sie unsittlich zu berühren, kann die Beigeladenen jedoch dadurch entgehen, dass sie sich in Begleitung ihres Vaters oder yezidischer Nachbarn und nicht mehr allein oder nur mit ihrer Schwester auf das Feld begibt.

20

Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung der Yeziden sind nicht gegeben. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in den Urteilen vom 22. Juni 1999 (2 L 666/98 - bestätigt durch: BVerwG, Beschl. vom 11.11.1999, 9 B 564.99 -  und 2 L 670/98), vom 14. Juli 1999 (2 L 4943/97 - bestätigt durch: BVerwG, Beschl. vom 08.02.2000, 9 B 4.00) und vom 03.05 2000 - 2 L 972/00 -. In den Urteilen vom 22. Juni 1999 hat das Nds. Oberverwaltungsgericht dargelegt, dass für den gegenwärtigen Zeitpunkt für den Nordwesten Syriens noch von einer Bevölkerungszahl von mehr als 5.000 Yeziden ausgegangen werden kann (Urt. vom 22.06.1999 - 2 L 666/98 - Seite 33). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nach den Gutachten zur Lage der Yeziden in Syrien das Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden im Nordosten Syriens im Bereich Hassake liegt, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die Anzahl der dort lebenden Yeziden noch höher ist als die Anzahl der im Nordwesten angesiedelten Yeziden. Gemessen an einer Bevölkerungsgruppe von 5.000 Personen bedeutet die Zahl der ab dem Jahr 1993 ermittelten Entführungen, Tötungen und Landwegnahmen eine derart geringe Verfolgungsdichte, die es nicht rechtfertigt anzunehmen, dass alle Yeziden in Syrien als Gruppe verfolgt werden (vgl. hierzu auch: OVG Saarlouis, Urt. vom 28.05.1999, 3 R 74/98; OVG Bremen, Urt. vom 04.11.1998 - OVG 2 BA 4/97 -;OVG Münster, Urt. vom 21.04.1998, 9 A 6597/95.A m.w.N.)

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Soweit die Beigeladenen unter Bezugnahme auf die von ihr eingereichte Auflistung von Übergriffen auf Yeziden geltend macht, dass die Zahl asylrelevanter Übergriffe deutlich höher als bisher angenommen anzusetzen sei, kann dieser Auffassung schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Zuverlässigkeit dieser Angaben in Frage steht. Es handelt sich um Angaben von Asylsuchenden, deren Wahrheitsgehalt nicht feststeht. Dies zeigt sich beispielsweise an den in die Liste aufgenommenen Anmerkungen zu dem Fall der Beigeladenen und ihrer Schwester; die Behauptung einer versuchten Vergewaltigung oder massiver sexueller Übergriffe hat sich nicht bestätigt. In einer Reihe von weiteren Fällen werden die Übergriffe als Beschimpfungen und Belästigungen bezeichnet; solchen Vorfällen fehlt es an der asylrechtlichen Relevanz.

22

Schließlich begegnet die Rechtsprechung des Nds. OVG Lüneburg, soweit die Kammer ihr folgt, auch unter dem von der Beigeladenen geltend gemachten Gesichtspunkt einer unzutreffend ermittelten Verfolgungsintensität durch eine nur quantifizierende Betrachtung bei der Prüfung einer mittelbaren Gruppenverfolgung keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend ist insoweit, dass sich das Vorliegen einer Gruppenverfolgung nicht allein rechnerisch ermitteln lässt und es letztlich auch einer wertenden Betrachtung bedarf (BVerwG, Beschl. vom 11.11.1999, aaO.); das Nds. OVG Lüneburg ist im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Anwendung der gebotenen wertenden Betrachtungsweise zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Gruppenverfolgung der Yeziden in Syrien nicht vorliegt (BVerwG, Beschl. vom 11.11.1999, aaO. m.w.N.).

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Die Beigeladene hat zudem nicht glaubhaft machen können, dass sie als Kurdin bei einer Rückkehr nach Syrien mit politischer Verfolgung zu rechnen hat.

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Bezüglich der Kurden liegen ebenfalls in Syrien nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung vor. Dieses bestätigt auch das Nds. Oberverwaltungsgericht (z.B. durch Beschluss vom 19.03.1997 - 2 L 4960/95 -). Nach den der Kammer vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln (z.B. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.07.1996; Auskunft des Orient-Institutes vom 20.07.1996 und Auskunft des Seminars für Orientkunde der Universität Mainz vom Juli 1996, - jeweils an das VG Braunschweig) werden Kurden in Syrien allenfalls dann vom Staat verfolgt, wenn sie regimekritisch politisch agieren, nicht aber als solche oder wenn sie sich lediglich kulturell betätigen. Fälle politischer Verfolgung allein wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sind nicht bekannt. Die in den 60-iger Jahren von der damals regierenden syrischen Führung begonnene und vom früheren Präsidenten Assad bis 1976 zunächst noch fortgeführte Politik der "Arabisierung" der kurdischen Siedlungsgebiete Syriens ist noch im Jahre 1976 von der Assad-Regierung eingestellt worden (vgl. etwa die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 10.01.1990). Zwar betont die Ideologie der Baath-Partei den arabischen Charakter Syriens. Seit Ende der 70-iger Jahre sind jedoch Bestrebungen zur Zwangsarabisierung ethnischer Minderheiten oder staatliche Repressionen gegen nichtarabische Minderheiten allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht mehr feststellbar. Eine politisch-oppositionelle Betätigung als Kurdin hat die Beigeladene nicht glaubhaft gemacht.

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Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Beigeladene bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politischer Verfolgung zu rechnen hätte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts, dass weder allein der Auslandsaufenthalt noch die Asylantragstellung zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien führen, sofern die Betroffenen - wie hier - sich nicht politisch betätigt haben. Aus den Lageberichten des Auswärtigen Amtes (z. B. vom 24.01.2000) ergibt sich, dass die Einreise abgeschobener Antragsteller ohne Anhaltspunkte für eine politische Betätigung weitgehend unbehelligt verläuft und die Asylantragstellung als solche oder längerer Auslandsaufenthalt für sich in der Regel keine Anknüpfungspunkte für ein erhöhtes Interesse der Geheimdienste sind. Aus den der Kammer vorliegenden Auskünften von amnesty international (z.B. vom 20.06.1996 an das VG Koblenz) ergibt sich im Ergebnis nichts anderes. Darin wird nämlich insoweit übereinstimmend mit den Angaben des Auswärtigen Amtes ausgeführt, dass mit zielgerichteter politischer Verfolgung in der Regel dann gerechnet werden muss, wenn sich jemand aktiv politisch oppositionell oder anderweitig regimekritisch verhält. Darüber hinaus wird zwar auch angeführt, dass syrische Asylantragsteller bei der Abschiebung gefährdet seien, von staatlichen Stellen verfolgt zu werden, da sie einem eingehenden Verhör durch die Einwanderungs- und Sicherheitsbehörden unterzogen werden. Andererseits wird dargelegt, dass die abgeschobenen Asylantragsteller dann in ein Haft- und Verhörzentrum in Damaskus gebracht werden, wo sie spätestens gefährdet sind, gefoltert zu werden, wenn sich bei der Überprüfung der Verdacht auf eine regimekritische Haltung oder frühere oppositionelle Betätigung ergibt. Bei der Befragung am Flughafen sei es hingegen lediglich nicht ausgeschlossen, dass es zu Misshandlungen durch Schläge oder zu anderen Maßnahmen komme. Aus dieser Stellungnahme kann daher nicht die erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politisch motivierte Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien für diejenigen Personen entnommen werden, die nicht in dem Verdacht einer regimekritischen Haltung stehen. Übereinstimmend hiermit gibt das Deutsche Orient Institut (z. B. Auskunft an das Verwaltungsgerichts Ansbach vom 08.05.1995) an, dass selbst staatenlose Kurden aus Syrien allein wegen ihrer Asylantragstellung keine Bestrafung zu erwarten hätten, da die staatlichen Organe Syriens die Bedeutung eines Asylverfahrens durchaus realistisch einschätzen könnten und das Asylverfahren in den Augen der syrischen Staatsorgane für nicht bereits in ihrem Heimatland politisch Verfolgte eben dieselbe Bedeutung habe wie in den Augen der Asylbewerber, nämlich die einer Formalie.

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Der Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist deshalb mit der Kostenfolge aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO und § 83 b Abs. 1 AsylVfG zu entsprechen. Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.