Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.08.2000, Az.: 6 B 364/00

Asylfolgeverfahren; Bundesamt; Rechtsschutzinteresse; Untertauchen; Verfahrenstrennung; vorläufiger Rechtsschutz; Zuständigkeit

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
08.08.2000
Aktenzeichen
6 B 364/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41248
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Unzulässigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzbegehrens bei Untertauchen des Ausländers. Vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO bei Asylfolgeverfahren ohne erneute Abschiebungsandrohung.

Tenor:

Das Verfahren wird abgetrennt, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtet ist, und unter dem Aktenzeichen 6 B 397/00 weitergeführt.

Der gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichtete Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben

Gründe

I.

1

Die Antragsteller reisten im Jahre 1996 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Das Begehren blieb sowohl vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bescheid vom 24. Januar 1997) als auch vor dem Verwaltungsgericht Hannover (Urt. vom 03. November 1999, 1 A 713/97) ohne Erfolg. Ein Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Nds. OVG Lüneburg mit Beschluss vom 09. Februar 2000 abgelehnt (11 L 4871/99). Seit dem 09. März 2000 sind die Antragsteller ausreisepflichtig.

2

Am 26. Juni 2000 stellten sie einen weiteren Asylantrag, mit dem sie unter Bezugnahme auf die in einer Entscheidung des OVG Münster zitierten Erkenntnismittel sowie unter Hinweis auf ein psychologisches Gutachten vom 08. Juni 2000 eine neue Tatsachen- und Beweislage geltend machten. Mit Bescheid vom 28. Juni 2000 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als auch den Antrag auf die Abänderung des Bescheides vom 24. Januar 1997 hinsichtlich der darin getroffenen Feststellung zu § 53 AuslG ab.

3

Am 11. Juli 2000 haben die Antragsteller entsprechend der ihnen erteilten Rechtsmittelbelehrung beim Verwaltungsgericht Göttingen Klage erhoben sowie außerdem um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Mit Beschluss vom 06. Juli 2000 hat das Verwaltungsgericht Göttingen die Verfahren an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen.

4

Die Antragsteller beantragen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes,

5

die Antragsgegnerin zu 1) zu verpflichten, die zuständige Ausländerbehörde zu veranlassen, vorläufig keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu ergreifen,

6

sowie

7

dem Antragsgegner zu 2) im Hinblick auf die beantragte Duldung aufzugeben, bis zur Entscheidung über den Eilantrag keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen einzuleiten.

8

Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Der Antragsgegner zu 2) hat weder einen Antrag gestellt noch sich zu dem Verfahren geäußert.

11

Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin zu 1) im Asylfolgeverfahren wie auch ausweislich eines Aktenvermerks des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 08. Juli 2000 sind die Antragsteller seit März 2000 untergetaucht und mit Haftbefehl zur Festnahme ausgeschrieben. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 12. Juli 2000 sind deshalb die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller aufgefordert worden, den tatsächlichen Aufenthaltsort ihrer Mandanten mitzuteilen. Die von den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angegebene Wohnanschrift erwies sich nach einer von der Polizei Bremen erteilten Auskunft als unzutreffend. Die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller machten daraufhin geltend, dass die Antragsteller nach wie vor ihre Wohnung unter der ihnen zugewiesenen Adresse hätten, die Antragsteller sich lediglich vorübergehend dort nicht aufhielten. Im Übrigen hätten sie ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse daran, ihren tatsächlichen Aufenthaltsort nicht anzugeben.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin zu 1) (2 Bände) verwiesen.

II.

13

1. Soweit das Verfahren wegen der von den Antragstellern beantragten Duldung gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtet ist, ist der Rechtsstreit als ausländerrechtliches Verfahren (BVerwG, Urt. vom 25.09.1997, NVwZ 1998, 299 [BVerwG 25.09.1997 - BVerwG 1 C 6/97]) von dem asylrechtlichen Verfahren abzutrennen, über das nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG der Einzelrichter zu befinden hat. Das ausländerrechtliche Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird unter dem Aktenzeichen 6 B 397/00 weitergeführt.

14

2. Der gegen die Antragsgegnerin zu 1) gerichtete Antrag hat keinen Erfolg.

15

Das Begehren, das darauf gerichtet ist, dem Bundesamt aufzugeben, gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass auf die ursprüngliche Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG hin zunächst keine Vollzugsmaßnahmen ergehen dürfen (vgl. hierzu: BVerfG, Beschl. vom 16.03.1999, NVwZ 1999, Beilage Nr. 6, 49 m.w.N.), ist nach § 123 VwGO statthaft; der Antrag ist jedoch nicht zulässig. Ein um Abschiebungsschutz nachsuchender Ausländer, der untergetaucht ist und sich verborgen hält, hat wegen missbräuchlichen Verhaltens kein Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Entscheidung, da er damit zu erkennen gibt, dass er sich einem gerichtlichen Verfahren nicht zu stellen beabsichtigt (OVG Koblenz, Beschl. vom 13.04.2000, 10 A 11740/98.OVG; Nds. OVG Lüneburg, Beschl. vom 20.12.1999, 12 M 4779/99; OVG Weimar, Beschl. vom 02.07.1999, AuAS 1999, 266). Außerdem ist dem Begehren der Antragsteller - worauf sie mit gerichtlichen Verfügungen vom 12. und 24. Juli 2000 hingewiesen worden sind - auch deshalb der Erfolg zu versagen, weil die Antragsteller, die nach den Angaben ihrer Prozessbevollmächtigten und nach dem Akteninhalt untergetaucht sind, eine ladungsfähige Anschrift nicht angegeben haben (vgl. hierzu: BVerwG, Urt. vom 13.04.1999, DVBl. 1999, 989 m.w.N.). Das Interesse der Antragsteller, im Hinblick auf die gegen sie eingeleiteten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung ihren tatsächlichen Aufenthalt nicht anzugeben, ist nicht schutzwürdig. Derjenige, der sich als politisch Verfolgter dem Schutz der Bundesrepublik Deutschland unterstellen will, kann die hierfür maßgeblichen gesetzlichen Regelungen und Verfahrensordnungen nicht unterlaufen und erwarten, unter anderen als den gesetzlich vorgegebenen Verfahrensvoraussetzungen in einer Weise Schutz vor drohender Abschiebung zu erlangen, die die Möglichkeit offen lässt, im Falle des Unterliegens den damit verbundenen Nachteilen einer zwangsweisen Rückführung zu entgehen.

16

Der Antrag ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b Abs. 2 AsylVfG abzulehnen.