Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 21.08.2000, Az.: 1 A 61/99

Voraussetzungen für die Geltung des Gewerberechts; Anforderungen an die Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens; Voraussetzungen für die Anmeldung eines Gewerbes

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
21.08.2000
Aktenzeichen
1 A 61/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 31608
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2000:0821.1A61.99.0A

Fundstellen

  • GewArch 2000, 485-486
  • NVwZ-RR 2001, 439-440 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Aufforderung zur Anmeldung eines Gewerbes

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2000
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Harms als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

I.

Mit Schreiben vom 22.6.1998 teilte das Hauptzollamt Braunschweig der Beklagten mit, anlässlich einer Kontrolle am 4.2.1998 seien fünf Arbeitnehmer des Klägers bei Bauarbeiten auf einer Baustelle in Magdeburg, Langer Weg 54, angetroffen worden; der Kläger habe dazu erklärt, er verwalte einen größeren Immobilienbesitz, der ihm, seiner Frau oder seinen Kindern gehöre; die Arbeitnehmer beschäftige er dabei mit den anfallenden Sanierungs-, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten; wenn er Grundbesitz ankaufe, saniere er die Häuser und vermiete sie danach an Privatleute. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 2.9. und 15.10.1998 auf, sein Gewerbe gemäß § 14 GewO anzumelden. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, bei der Vermietung der insgesamt 90 Wohneinheiten handele es sich um die Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens, für die das Gewerberecht nicht gelte. Die Widersprüche wies der Landkreis Helmstedt durch Widerspruchsbescheid vom 4.3.1999, zugestellt am 10.3.1999, zurück und führte zur Begründung an, der Kläger beschränke sich bei seiner Tätigkeit nicht auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens; mit dem Ankauf und der Sanierung von Gebäuden und der anschließenden Vermietung der darin eingerichteten Wohnungen übe er vielmehr ein stehendes Gewerbe aus; das ergebe sich auch daraus, dass er regelmäßig fünf Arbeitnehmer beschäftige.

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Am 7.4.1999 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung macht er über sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren hinaus geltend, er habe schon seit einigen Jahren keine Gebäude mehr angekauft, um diese zu sanieren; er habe das auch künftig nicht mehr vor; im Übrigen beschäftige er nunmehr nur noch zwei Hausmeister.

3

Der Kläger beantragt

Aufhebung der Bescheide vom 2.9. und 15.10.1998 sowie vom 4.3.1999.

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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und beantragt Klagabweisung.

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Mit Verfügung vom 21.7.2000 hat das Gericht den Kläger zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts gebeten. Die ihm gestellten Fragen zum Umfang des Grundbesitzes, der von ihm verwaltet wird, zu den Eigentumsverhältnissen und zur Organisation der Verwaltung hat er mit Schreiben Blatt 59 der Gerichtsakte beantwortet. Darauf wird Bezug genommen.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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II.

Die Klage, über die gemäß § 6 VwGO der Einzelrichter entscheidet, hat keinen Erfolg; denn die Aufforderung der Beklagten an den Kläger, eine Gewerbeanmeldung vorzunehmen, ist rechtmäßig.

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Rechtsgrundlage dieser Aufforderung ist § 14 Abs. 1 GewO. Nach dieser Vorschrift muss, wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, dies der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde anzeigen. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die zuständige Behörde im Einzelfall durch Verwaltungsakt zur Erfüllung der Anzeigepflicht auffordern kann, wenn der Anzeigepflichtige dieser Verpflichtung nicht von sich aus nachkommt (BVerwG NVwZ 1993, 775).

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Der Kläger betreibt ein Gewerbe im Sinne des § 14 Abs. 1 GewO. Dieser Beurteilung legt das Gericht die Sachlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zugrunde; denn der Regelungsgehalt der Aufforderungen, eine Gewerbeanmeldung vorzunehmen, geht nicht dahin, dass der Kläger auch dann noch die Anmeldung vorzunehmen hat, wenn er die meldepflichtige Tätigkeit in der Zeit zwischen Erlass der behördlichen Verfügungen und der gerichtlichen Entscheidung aufgegeben hätte (vgl. hierzu BVerwG NVwZ 1993, 775). Maßgeblich sind danach die Verhältnisse, wie sie sich jetzt darstellen.

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Nach der Aufstellung des Klägers Blatt 59 Gerichtsakte ("Aufstellung der von mir verwalteten Grundstücke") verwaltet er einen Bestand von insgesamt 111 Wohnungen. Davon gehören ihm allein lediglich 33 Wohnungen. 11 Wohnungen gehören seiner Frau und 10 Wohnungen seinen bereits volljährigen Kindern. Die restlichen 57 Wohnungen gehören dem Kläger nur zusammen mit anderen Personen. Nach seiner weiteren Erklärung in dieser Aufstellung läuft die Verwaltung zum größeren Teil über professionelle Hausverwaltungen, zum kleinen Teil durch ihn; Durchführung und Überwachung von Reparatur- und Verschönerungsarbeiten werden von ihm organisiert oder durch seine beiden Hausmeister durchgeführt.

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Bereits dieser Sachverhalt ergibt, dass der Kläger ein Gewerbe betreibt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 1993, 775) ist Gewerbe jede nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene), auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe (freie wissenschaftliche, künstlerische und schriftstellerische Tätigkeit höherer Art sowie persönliche Dienstleistungen höherer Art, die eine höhere Bildung erfordern) und bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung; er kann sich insbesondere nicht darauf berufen, seine Tätigkeit erschöpfe sich in der Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens. Zu diesem Abgrenzungsmerkmal hat das Bundesverwaltungsgericht (NVwZ 1993, 775 f.) ausgeführt:

"Mit diesem Merkmal soll erreicht werden, solche (auch) auf Erwerb gerichteten Tätigkeiten von dem gewerberechtlichen Instrumentarium freizustellen, für die es nach den Intentionen des Gesetzes namentlich deswegen nicht geschaffen ist, weil sie keiner Überwachung bedürfen. Die gewerberechtliche Einbindung, insbesondere die gewerberechtliche Überwachung, verfolgt zwei Hauptzwecke, nämlich den Schutz der Allgemeinheit, insbesondere der Verbraucher, und denjenigen der gewerblichen Arbeitnehmer vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden sowie störenden und belästigenden Betrieben. Der erkennende Senat hat dazu in seinem Urteil vom 24.6.1976 (BVerwG, Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 2, S. 6 = NJW 1977, 772 [BVerwG 24.06.1976 - I C 56/74] = GewArch 1976, 293 (295)) ausgeführt: "Die Gewerbeordnung ist besonderes Ordnungsrecht und daher zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bestimmt. Sie soll die Allgemeinheit und einzelne gegen Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen schützen, die erfahrungsgemäß durch bestimmte wirtschaftliche Betätigungen herbeigeführt werden können".

Durch das Abgrenzungsmerkmal "Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens" werden solche Betätigungen ausgenommen, die nicht oder nur geringfügig die Schutzzwecke der Gewerbeordnung berühren, so dass ihre Einbindung in den gewerberechtlichen Ordnungsrahmen nicht erforderlich ist. Die Notwendigkeit, die Allgemeinheit und Beschäftigte in dieser Weise zu schützen, ist zwar grundsätzlich gegeben, wenn sich jemand im Rahmen einer auf Erwerb gerichteten selbständigen Tätigkeit an Verbraucher wendet und/oder Beschäftigte heranzieht. Sie ist aber um so geringer, je mehr sich die Betätigung im Bereich des "Privaten" abspielt, hingegen um so größer, je mehr sie sich "nach außen" entfaltet. Sie hängt auch von dem Gefahrenpotential ab, das objektiv durch den Betrieb und seine Anlagen in Bezug auf die angeführten Schutzgüter entsteht. Je stärker und häufiger Dritte mit der auf Erwerb gerichteten Tätigkeit des Betreibers in Berührung kommen, desto mehr stellt sich das Erfordernis der persönlichen Zuverlässigkeit; je mehr Anlagen zum Betrieb eingesetzt werden, desto stärker rückt das Erfordernis ihrer Geeignetheit in den Vordergrund. "Bloße" Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens und damit die Unanwendbarkeit der Gewerbeordnung kann mit Blick darauf nur angenommen werden, wenn die Auswirkungen der Betätigung Dritte nicht oder doch nur in geringer, eine "Bagatellschwelle" nicht überschreitender Weise berühren. Der Umstand allein, dass ein Eigentümer zahlreiche Wohnungen vermietet, stellt allerdings noch keine Überschreitung dieser Grenze dar, wenn diese Tätigkeit im Rahmen der üblichen langfristigen Wohnungsvermietung bleibt. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob die Tätigkeit nach ihrem Gesamtbild den allgemeinen Vorstellungen von einem Gewerbe im Wesentlichen gleichkommt oder nicht."

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Legt man diese Maßstäbe der Beurteilung zugrunde, ergibt sich hier ein Gesamtbild, das der Tätigkeit des Klägers ein gewerbliches Gepräge gibt:

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Einmal gibt der Vortrag des Klägers, es handele sich um die bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens, schon im Tatsächlichen den wahren Sachverhalt nicht zutreffend wieder. Von den von ihm verwalteten Bestand von 111 Wohnungen gehören ihm allein lediglich 33 Wohnungen. Die restlichen Wohnungen gehören entweder gänzlich anderen Personen (nämlich seiner Ehefrau und seinen Kindern insgesamt 21 Wohnungen) oder ihm zusammen mit mehreren anderen Personen (insgesamt 57 Wohnungen). Insoweit handelt es sich bei seiner Verwaltungstätigkeit der Sache nach zum großen Teil um Fremdverwaltung, die sich nicht mehr allein im Privaten abspielt, sondern Wirkungen nach außen entfaltet. Wegen dieser Wirkungen hat sich der Gesetzgeber beispielsweise veranlasst gesehen, auch die Tätigkeit eines selbständigen Hausverwalters, der von ihm verwaltete Wohnungen an Wohnungssuchende vermittelt, für erlaubnispflichtig zu erklären (§ 34 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a GewO; vgl. Friauf/Höfling/Breustedt, § 34 c GewO Rdn. 17).

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Zum anderen umfasst die Verwaltungstätigkeit des Klägers immer noch ein Ausmaß, das den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Allein schon wegen der Beschäftigung von früher fünf "Hausmeistern" und jetzt immerhin noch zwei Arbeitnehmern ist die Betätigung des Klägers als Gewerbebetrieb einzustufen; denn insoweit erfordert es bereits der Arbeitnehmerschutz, die Tätigkeit des Klägers in den gewerblichen Ordnungsrahmen einzubinden (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, GewArch 1995, 339).

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Deshalb bedarf es keiner weiteren Prüfung mehr, ob die Tätigkeit auch noch deshalb als gewerblich einzustufen ist, weil sie den Umfang eines sog. Einmannbetriebes übersteigt (vgl. dazu von Ebner GewArch 1977, 289, und Mauer WiVerw 1981 S. 41 f.) oder wegen der großen Zahl der Wohnungen zu einer Art Berufstätigkeit mit unterhaltssicherndem Charakter geworden ist (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz GewArch 1981, 373; Sieg/Leifermann/Tettinger, GewO, 5. Aufl. 1988, § 1 Rdn. 11; Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts S. 1050).

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Danach war die Klage mit den kostenrechtlichen Nebenentscheidungen aus § 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG abzuweisen.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 8.000,00 DM festgesetzt.

Harms