Finanzgericht Niedersachsen
v. 26.01.1996, Az.: IX 138/92

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.01.1996
Aktenzeichen
IX 138/92
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 1996, 26871
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0126.IX138.92.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 1172-1173 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten zu tragen.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist Malermeister und erzielte im Jahre 1984 durch den Betrieb einer Autolackierwerkstatt und aufgrund der Beteiligung an der (einen Autohandel und eine Kfz-Werkstatt betreibenden) Firma ... in gewerbliche Einkünfte.

2

Durch Bescheid vom 7. Juni 1990 über den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag 1984 änderter der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den Gewerbesteuer-Meßbetragsbescheid 1984 vom 11.01.1990 gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und setzte den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 160. 405 DM an.

3

Dagegen legte der Kläger durch Schreiben vom 04.07.1990 Einspruch ein. Trotz wiederholter Erinnerung des FA wurde der Einspruch nicht begründet.

4

Das FA wies daraufhin durch Bescheid vom 11. Februar 1992 den Einspruch als unbegründet zurück. Der Einspruchsbescheid wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am Mittwoch, dem 12. Februar 1992, gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

5

Hiergegen wurde am Freitag, dem 13. März 1992, Klage erhoben. Darin wird ausgeführt, daß in dem Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 160. 405 DM der durch Feststellungsbescheid 1984 vom 28.06.1989 festgestellte Gewinnanteil des Klägers (an der Firma) von 172. 417 DM enthalten sei. Gemäß § 9 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) sei dieser Gewinnanteil an der Personengesellschaft bei der Berechnung des Gewerbeertrages für das Einzelunternehmen des Klägers zu kürzen. Im späteren Klageverfahren bezieht sich der Kläger noch auf ein nicht näher bezeichnetes Schreiben vom 22.02.1990 an das FA, "mit welchem angeboten worden sei, die fehlerhafte Bearbeitung der Gewerbesteuer-Veranlagung (Gewerbesteuer-Meßbescheid) gemeinsam zu korrigieren. Ausschließlich das FA, so der Kläger, habe die Richtigstellung des Verwaltungsaktes herbeizuführen, da die Fehlerberichtigung der Beseitigung der Diskrepanz zwischen dem erklärten und dem gewollten Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes diene. Der Hinweis des Beklagten im Schriftsatz vom 06.04.1992, daß die Klagefrist nicht gewahrt worden sei, sei nicht nachvollziehbar und könne dem Grunde nach nicht bewertet werden. Ggf. möge das Gericht das FA anweisen, die Fehlerbeseitigung vorzunehmen. Der Kläger beziehe sich dieserhalb auf § 129 AO".

6

Der Kläger beantragt,

"den Einspruchsbescheid vom 11. Februar 1992 aufzuheben und einen neuen Bescheid für 1984 über den einheitlichen Gewerbesteuer-Meßbetrag nach dem Gewerbeertrag mit 0 DM zu erteilen".

7

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Die Klage sei verfristet und deshalb unzulässig. Die Klage hätte gemäß § 47 FGO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB bis zum Donnerstag, den 12. März 1992, erhoben werden müssen, sei aber bei Gericht erst am 13. März 1992 eingegangen.

9

Obwohl das Vorbringen des Klägers, daß sein Gewinnanteil an der Personengesellschaft ... in Höhe von 172. 417 DM bei der Berechnung des Gewerbeertrages für sein Einzelunternehmen gemäß § 9 Nr. 2 GewStG zu kürzen sei, zutreffe, könne aber auch nach § 129 AO 1977 keine Berichtigung mehr erfolgen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist sei nicht gemäß § 171 AO 1977 gehemmt worden und deshalb sei nunmehr die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen.

10

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf die Steuerakten (St.-Nrn.: ... und ...) und die Gerichtsakte verwiesen.

Gründe

11

Die Klage ist unzulässig.

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1. Die Klagefrist ist versäumt.

13

Gemäß § 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage einen Monat. Der Lauf dieser gesetzlichen Frist beginnt mit Ablauf des Tages, an dem die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung als bewirkt gilt (§ 54 Abs. 1 FGO). Nach § 366 Satz 2 AO 1977 i.V. mit § 122 Abs. 5 AO 1977 und den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ist für den Fristbeginn der Zeitpunkt der tatsächlichen Zustellung und nicht erst der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post (§ 122 Abs. 2 AO 1977) maßgebend; die Vorschriften über die förmlichen Zustellungen gemäß § 122 Abs. 5 AO 1977 i.V. mit den Bestimmungen des VwZG sind gegenüber der Regelung in § 122 Abs. 2 Halbsatz 1 AO 1977 leges speciales (Urteil des BFH vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BStBl II, 826, 828).

14

Im Streitfall wurde der Einspruchsbescheid ausweislich des Empfangsbekenntnisses dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 12. Februar 1992 zugestellt. Die Klagefrist begann dementsprechend mit Ablauf des 12. Februar 1992 zu laufen (§ 54 Abs. 2 FGO i.V. mit § 222 Abs. 1 Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) und lief bis Donnerstag, den 12. März 1992 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V. mit § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB). Spätestens an diesem Tage hätte die Klage bei Gericht erhoben oder beim FA angebracht werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Der unmittelbar an das Gericht gesandte Klageschriftsatz ging dort erst verspätet am 13. März 1992 ein.

15

2. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO wegen Versäumung der Klagefrist wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

16

3. Auch der Hinweis des Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 27.04.1995 auf § 129 AO kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die dadurch möglicherweise bezweckte Verurteilung des FA zur Berichtigung gemäß § 129 AO wäre nur im Wege der Verpflichtungsklage erreichbar. Bis zum Schriftsatz vom 27.04.1995 wurde aber das Verfahren als Anfechtungsklage betrieben. Um erfolgreich zu sein bedurfte daher das Verpflichtungsbegehren des Klägers einer zulässigen Klageänderung gemäß § 67 FGO. Die Klageänderung ist aber nur so lange zulässig, wie der zuvor angefochtene Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig geworden ist; durch die Klageänderung kann also nicht die Bestandskraft eines Bescheides aufgehoben werden (vgl. Tipke/Kruse, § 67 FGO Tz. 2; Urteil des BFH vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BStBl II, 331). Selbst wenn also der Hinweis des Prozeßbevollmächtigten am 27.04.1990 als Antrag auf Klageänderung aufzufassen wäre, wäre dieser, da unzulässig, unbeachtlich, weil zu diesem Zeitpunkt (aus den Gründen zu 1.) bereits die ursprüngliche (zu ändernde) Klage verfristet und deshalb der angefochtene Gewerbesteuer-Meßbescheid 1984 vom 7. Juni 1990 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 11. Februar 1992 bestandskräftig gewesen ist.

17

Da bereits aus den vorstehenden Gründen in diesem Klageverfahren das FA nicht (mehr) zur Berichtigung gemäß § 129 AO verpflichtet werden kann, braucht auf andere mögliche Hinderungsgründe wie das für § 129 AO fehlende Vorverfahren oder den vom FA angenommenen Ablauf der Festsetzungsfrist nicht weiter eingegangen zu werden.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.