Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.01.1996, Az.: VII 384/95

Pflicht zur Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns; Voraussetzungen für die Ermittlung nach Durchschnittsätzen; Teils in den Niederlanden, teils im Inland betriebene Landwirtschaft

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.01.1996
Aktenzeichen
VII 384/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 19106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0116.VII384.95.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 366-367 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Gewinnermittlung nach § 13 a EStG

Mitteilung über den Wegfall der Voraussetzungen zur Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen

Redaktioneller Leitsatz

Ein niederländischer Staatsbürger, der eine Landwirtschaft mit Viehhaltung teils in den Niederlanden, teils im Inland betreibt und nach Art. 4 Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (DBA NL) i.V.m. §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 1 Nr. 1, 13, 49 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) seine mit den im Inland belegenen Flächen erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Inland zu versteuern hat, hat den Gewinn für die inländischen Flächen nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln, eine Ermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG kommt nicht in Betracht.

In dem Rechtsstreit hat
der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. Januar 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ... Zeitungsverleger
ehrenamtliche Richterin ... Innenarchitektin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger verpflichtet ist, ab dem Wirtschaftsjahr 1995/1996 den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn zu ermitteln.

2

Der Kläger ist niederländischer Staatsbürger. Er betreibt eine Landwirtschaft mit Viehhaltung in einer Größe von 46,11 ha. Davon sind ca. 31 ha in den Niederlanden, ca. 15 ha im Inland belegen. Eine Viehhaltung erfolgt auf dem im Inland gelegenen Betriebsteil nicht.

3

Für die Veranlagungszeiträume bis 1992 hatte der Beklagte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen gemäß § 13 a Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Der "Ausgangswert" nach § 13 a Abs. 4 Nr. 1 bis 5 EStG, den der Beklagte für den Gesamtbetrieb angesetzt hatte, betrug für jedes Wirtschaftsjahr 45.072 DM, der auf die inländischen Flächen entfallende Gesamtgewinn betrug 6.206 DM (s. Berechnung 19 A 7/Eingabebogen 1990 S. 4).

4

Mit Bescheid vom 20. April 1995 forderte der Beklagte den Kläger auf, ab Beginn des auf den 1. Juli 1995 folgenden Wirtschaftsjahres den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn zu ermitteln, da der Ausgangswert nach § 13 a Abs. 1 Nr. 2 EStG mehr als 32.000 DM betrage.

5

Der Kläger legte Beschwerde ein. Zur Begründung trug er vor, daß bei beschränkt Steuerpflichtigen nur die Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft zu erfassen seien (§ 49 Abs. 1 EStG). Dieser Teilbereich bilde die Grundlage für die Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13 a EStG könne daher beibehalten werden, denn der Ausgangswert für die inländischen 15 ha Fläche betrage weniger als 32.000 DM. Er sei nicht zur Buchführung verpflichtet und betreibe die Viehhaltung nur im Ausland.

6

Mit Beschwerdebescheid vom 6. Juni 1995 wies die Oberfinanzdirektion (OFD) ... die Beschwerde als unbegründet zurück. Die OFD führte aus, daß eine Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nur in Betracht komme, wenn der gesamte landwirtschaftliche Betrieb die Voraussetzungen hierfür erfülle. Zweck und sachliche Rechtfertigung der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen liege in der Entlastung kleinerer Betriebe. Eine zustreffende steuerliche Beurteilung des landwirtschaftlichen Betriebes lasse es daher geboten erscheinen, für die Frage der Gewinnermittlung nach § 13 a EStG auf dem gesamten Betrieb abzustellen. Da der Ausgangswert für den Gesamtbetrieb unstreitig mehr als 32.000 DM betrage, müsse der Kläger ab dem 1. Juli 1995 den tatsächlichen Gewinn ermitteln.

7

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung trägt der Kläger vor, daß nach §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 EStG seine Einkünfte nur insoweit zu erfassen seien, als die Landwirtschaft im Inland betrieben werde. Doppelbesteuerungsabkommen und Einkommensteuergesetz teilten einheitliche Betriebe dieser Art für Besteuerungszwecke in zwei Bereiche auf. Der Teilbereich "Inland" bilde die maßgebliche Einkunftsquelle zur Berechnung der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Nur für diesen Teilbereich sei die Gewinnermittlung durchzuführen. Nach § 49 Abs. 2 EStG blieben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale grundsätzlich außer betracht. Die Gewinnberechnung für einen inländischen Betriebsteil müsse daher nach der sog. direkten Methode gewählt werden, d.h., die Betriebsstätte sei wie ein selbständiges Unternehmen zu behandeln. Da nach § 50 EStG die Anwendung des § 13 a EStG nicht ausgeschlossen sei, verstoße die Einbeziehung der in den Niederlanden betriebenen Landwirtschaft gegen die ausdrückliche Regelung im § 49 Abs. 2 EStG. Es widerspreche dem Prinzip der isolierenden Betrachtungsweise, zunächst den Gewinn des Gesamtbetriebes zu ermitteln und sodann den Gewinn auf den inländischen und den ausländischen Betriebsteil aufzuteilen. Im übrigen müsse berücksichtigt werden, daß die von dem Finanzamt geforderte Gewinnermittlung für den Gesamtbetrieb auf praktische Schwierigkeiten stoße. Nach § 4 a Abs. 1 Nr. 1 EStG sei in der Bundesrepublik das Wirtschaftsjahr bei Landwirten der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni. In den Niederlanden könne dagegen ein Wirtschaftsjahr mit diesem Zeitraum nicht gebildet werden.

8

Der Kläger beantragt,

den angefochtenen Bescheid vom 20. April 1994 und dem Beschwerdebescheid vom 6. Juni 1995 aufzuheben,

9

hilfsweise,

den Bescheid in der Weise zu ändern, daß die Verpflichtung zur Buchführung sich nur auf die im Inland belegenen Flächen beziehe.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte trägt vor, daß der Hinweis auf § 49 Abs. 2 EStG fehl gehe. Die sog. isolierte Betrachtungsweise besage, daß der Bestimmung der Einkunftsart bei der beschränkten Steuerpflicht die inländischen Verhältnisse zugrunde zu legen seien. Es widerspreche dem Zweck des § 49 Abs. 1 EStG, Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger nur deshalb nicht als inländische anzusehen, weil sie unter Berücksichtigung der ausländischen Verhältnisse zu einer anderen Einkunftsart gehörten. Sie beruhe auf dem Gedanken, daß der das Steuerobjekt qualifizierende Gesamtsachverhalt sich auf die zu besteuernden Quellen beschränke und nicht lediglich die Bemessungsgrundlage quantifizierend einenge. Von der isolierenden Betrachtungsweise zu unterscheiden sei aber die Gewinnermittlungsmethode. Die Gewinnermittlung nach § 13 a EStG stelle auf den ganzen Betrieb ab und könne für den einzelnen Betrieb nur einheitlich angewendet werden. Daher sei bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nur die indirekte Methode anwendbar, die von dem Vermögen und der Ergebnisrechnung des Gesamtbetriebes ausgehe. Der so ermittelte Gewinn könne nach dem Verhältnis der Flächen aufgeteilt werden.

12

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Steuerakten (St.-Nr.: 55/244/01420).

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist nicht begründet.

14

Zu Recht hat der Beklagte den Kläger gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 141 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) aufgefordert, ab 1. Juli 1995 den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG oder § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln, denn die Voraussetzungen für die Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittsätzen gemäß § 13 a EStG sind nicht gegeben.

15

Der Kläger hat - wie er selbst einräumt - nach Art. 4 DBA in Verbindung mit §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 1 Nr. 1, 13, 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG seine mit den im Inland belegenen Flächen erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Inland zu versteuern. Nach welchen Vorschriften dieser Gewinn zu ermitteln ist, ergibt sich weder aus § 49 Abs. 1 EStG noch aus § 49 Abs. 2 EStG. Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung folgt aus dem Grundsatz der isolierenden Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG nicht, daß die Auslandsverhältnisse völlig außer Betracht zu bleiben haben. Ausländische Besteuerungsmerkmale sind nur insoweit unbeachtlich, als ihre Berücksichtigung eine nach den Verhältnissen im Inland gegründete Steuerpflicht ausschließen würde (Schmidt/Heinicke, Anm. 10/11 zu § 49 EStG; Fischer in Littmann/Bitz/Hellmann, Rdnr 104 zu § 49 EStG; vgl. auch Urteil des BFH vom 14. September 1994 I R 116/93, BStBl II 1995, 238). Diese Voraussetzung ist aber vorliegend nicht gegeben. Danach richtet sich die Frage, wie der Gewinn zu ermitteln ist, nach den inländischen Vorschriften.

16

Nach § 13 a Abs. 1 Nr. 2 EStG ist der Gewinn für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen zu ermitteln, wenn der Ausgangswert mehr als 0 DM, jedoch nicht mehr als 32.000 DM beträgt. Nach § 13 a Abs. 4 EStG ist Ausgangswert der im maßgebenden Einheitswert des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft ausgewiesene Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung einschließlich der dazugehörigen Abschläge und Zuschläge nach § 41 des Bewertungsgesetzes, jedoch ohne Sonderkulturen. Voraussetzung für die Anwendung des § 13 a EStG ist danach, daß ein Einheitswert für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft festgestellt werden kann. Da ein Einheitswert nur für inländisches landwirtschaftliches Vermögen aufgestellt wird, scheidet nach der gesetzlichen Regelung die Anwendung des § 13 a EStG aus. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG oder gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln (Debatin, DB 1988, 1285; Fischer in Blümich Rdnr 5 zu § 13 a EStG und Krabbe Rdnr 236 zu § 49 EStG; vgl. auch Wartens in Littmann/Bitz/Hellwig, Rdnr. 21 zu § 13 a; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Aufl., Rdnr. 13 a S. 32). Nach der gesetzlichen Regelung ist der Kläger daher verpflichtet seinen tatsächlichen auf die im Inland belegenen Flächen entfallenden Gewinn zu ermitteln. Auch wenn die Steuerpflicht nach Artikel 4 Abs. 1 DBA Niederlande § 49 Abs. 1 EStG nur für die inländischen Flächen besteht, scheidet kraft Gesetzes eine Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13 a EStG danach aus. Im Ergebnis geht damit der Antrag des Klägers, dem angefochtenen Bescheid aufzuheben, ins Leere.

17

Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung der von der Finanzverwaltung erlassenen Billigkeitsregelungen geboten. Entsprechend dem Zweck der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13 a EStG, kleinere Betriebe zu entlasten, läßt die Finanzverwaltung die Gewinnermittlung nach § 13 a EStG auch in den Fällen zu, in denen bei Bewirtschaftung in- und ausländischer Flächen der "Ausgangswert" nach § 13 a Abs. 1 Nr. 2 EStG weniger als 32.000 DM beträgt. Für die Ermittlung des Grundbetrages sind danach die ausländischen Flächen in entsprechender Anwendung des § 13 a Abs. 4 Ziff. 2 Satz 2 EStG (früher § 13 a Abs. 3 Ziff. 2 Satz 2 EStG) mit einem aus dem inländischen Betrieb abgeleiteten Hektarwert anzusetzen (vgl. Verfügung der OFD Hannover vom 5. August 1977 S 2230-74-StO 221). Für die sog. Traktat-Ländereien (Betrieb im Inland mit auch im Ausland bewirtschafteten Flächen) ist allgemein anerkannt, daß auch die ausländischen Flächen in die Gewinnermittlung einzubeziehen und anschließend der Gewinn nach der Belegenheit der Nutzflächen aufzuteilen ist (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Mai 1986 IV 237/82 AO, EFG 1986, 534; Herrmann/Heuer, Anmerkung 7 zu § 13 a EStG; Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Rdnr. A 9 zu § 13 a EStG; Felsmann Bd. 2 B Rdnr. 38 u.a. Rdnr 209; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 19 S. 8). Für Landwirte, die im Inland belegene Flächen vom Ausland aus bewirtschaften ist keine grundlegend andere Ausgangssituation gegeben. Es ergäbe sich ein verzerrtes Bild über die landwirtschaftliche Betriebsgröße und damit die Ertragskraft, die Grundlage für die Besteuerung sind, wenn die Betriebsteile außer acht gelassen würden, die auf ausländischem Hoheitsgebiet liegen. Das Beibehalten der Schätzmethode nach § 13 a EStG würde für diese Gruppe zu ungerechtfertigten Besteuerungsvorteilen führen (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. Mai 1986 IV 237/82 AO, EFG 1986, 532). Im übrigen wäre das Gericht auch nicht befugt, die von der OFD Hannover getroffene Billigkeitsregelung vom 7. September 1994 S 2230-295-StO 222, nach der für die Frage der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen auf den gesamten Betrieb abzustellen ist, auf andere Sachverhalte auszudehnen (Urteil des BFH vom 28. Oktober 1977 VI R 194/74, BStBl II 1978, 151).

18

Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen. Der Kläger ist verpflichtet, ab 1. Juli 1995 seinen tatsächlichen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 4 Abs. 3 EStG für die inländischen Flächen zu ermitteln. Da die Steuerpflicht nur für die inländischen Flächen besteht (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG, Art. 4 DBA Niederlande), bezieht sich die angefochtene Verfügung des Beklagten auch nur auf die inländischen Flächen. Einen besonderen Ausspruch insoweit bedurfte es nicht.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

20

Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

21

Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.