Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.01.1996, Az.: V 26/92
Gewährung eines Vorsteuerabzugs aus der Installation von Versorgungseinrichtungen für Mobilheimplätze; Definition des Begriffs "Betriebsvorrichtung"; Anerkennung von Versorgungseinrichtungen für die Mobilheime als Betriebsvorrichtungen; Voraussetzungen einer unselbständigen Nebenleistung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 04.01.1996
- Aktenzeichen
- V 26/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 18708
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1996:0104.V26.92.0A
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs. 1 UStG
- § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a UStG
Fundstellen
- EFG 1996, 347-348 (Volltext mit amtl. LS)
- UR 1997, 71 (Volltext mit amtl. LS)
- UR 1997, 32-33 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Betriebsvorr. i.S.d. § 4 Nr. 12 S. 2 UStG
Umsatzsteuer 1984 und 1985
In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 4. Januar 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1984 vom 31. August 1987 und 1985 vom 7. Oktober 1987 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 26. November 1991 wird die Umsatzsteuer für 1984 auf minus 16.181,74 DM und für 1985 auf minus 57.541,60 DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 39.326,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt auf einem ca. 60 ha großen Gelände einen Freizeitpark mit einem Campingplatz, einem Naturfreibad und einem Mobilheimplatz. Mit der Errichtung des Freizeitparks begann die Klägerin im Jahr 1984. Zu diesem Zweck pachtete sie einen ca. 40 ha großen See samt Uferflächen. Außerdem erwarb sie das Erbbaurecht an einem ca. 20 ha großen Gelände. In den Streitjahren 1984 und 1985 ließ die Klägerin auf dem Erbbaugrundstück zur Schaffung des Campingplatzes, des Naturfreibades und der Mobilheimstellplätze umfangreiche Baumaßnahmen durchführen. In deren Rahmen ließ sie die ca. 200-250 qm großen Mobilheimstellplätze mit separaten Anschlüssen für Strom, Gas, Wasser und Abwasser sowie mit einer Vorrichtung für den Anschluß an eine Gemeinschaftsantennenanlage ausrüsten. Die Klägerin verpachtete die Grundstücksparzellen an Mobilheimeigentümer, die die Mobilheime in der Regel zuvor bei ihr bestellt hatten. Bei den Mobilheimen handelte es sich um selbsttragende Stahl-/Holzkonstruktionen mit einer oder zwei Achsen, die mit Tiefladern zu den Stellplätzen transportiert wurden, nach ihrer Installation aber noch transportabel blieben. Die Mobilheime waren dabei bereits werkseitig mit Anschlüssen für Versorgungseinrichtungen ausgestattet. Die Verträge zwischen der Klägerin und den Mobilheimeigentümern sahen neben dem jährlichen Pachtzins von 6,00 DM pro qm eine sog. Vorauszahlung für die Überlassung der Versorgungseinrichtungen in Höhe von 6.100,00 DM vor, die deren Nutzung für die gesamte Dauer des Pachtverhältnisses abgelten sollte.
Mit ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre machte die Klägerin die auf die Installation der Versorgungseinrichtungen entfallenden Vorsteuern geltend. Der Beklagte folgte dem nicht und ließ die Vorsteuern nicht zum Abzug zu.
Hiergegen richtet sich nach insoweit erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr stehe der Vorsteuerabzug aus der Installation der Versorgungseinrichtungen zu. Insbesondere greife der Ausschluß der Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) nicht ein, weil sie die Versorgungseinrichtungen nicht zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet habe. Zwar sei die Verpachtung der Grundstücksparzellen als solche gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Bei den Versorgungseinrichtungen aber habe es sich um Betriebsvorrichtungen gehandelt, auf die sich die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG gerade nicht erstrecke.
Die Klägerin beantragt,
für 1984 weitere Vorsteuern in Höhe von 12.443,74 DM und für 1985 weitere Vorsteuern in Höhe von 26.882,60 DM zum Abzug zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, die nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreie Verpachtung der Mobilheimparzellen erstrecke sich auch auf die Überlassung der Versorgungseinrichtungen. Hierbei handele es sich um bloße unselbständige Nebenleistungen zur Grundstücksverpachtung. Die Mobilheimeigentümer seien vorrangig an einem Stellplatz für ihr Mobilheim interessiert. Die Versorgungseinrichtungen erhöhten lediglich die Attraktivität der Grundstücke. Auch sei das Bereithalten von Versorgungseinrichtungen bei der Verpachtung von Mobilheimen üblich und stehe in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dieser. Der Charakter der Überlassung von Versorgungseinrichtungen als Nebenleistungen ergebe sich insbesondere auch aus Abschn. 78 Abs. 4 Satz 6 Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) 1992.
Der Beklagte vertritt ferner die Auffassung, bei den Versorgungseinrichtungen habe es sich nicht um Betriebsvorrichtungen gehandelt, weil sie keinem Gewerbebetrieb gedient hätten. Die Mobilheimeigentümer hätten die Parzellen vielmehr zu Wohnzwecken, nicht aber zur Ausübung eines Gewerbes genutzt. Außerdem scheitere die Annahme einer Vermietung oder Verpachtung von Betriebsvorrichtungen schon deshalb, weil die Klägerin den Mobilheimeigentümern nicht den zivilrechtlichen Besitz an den Versorgungseinrichtungen eingeräumt habe.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu St.-Nr. sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht der Vorsteuerabzug aus der Installation der Versorgungseinrichtungen zu, weil es sich hierbei um Leistungen gehandelt hat, die die Klägerin i.S.v. § 15 Abs. 1 UStG von anderen Unternehmern für ihr Unternehmen bezogen hat. Der Berechtigung zum Vorsteuerabzug steht auch nicht die Regelung des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG entgegen. Danach ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen u.a. die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Die Klägerin hat die Versorgungseinrichtungen aber nicht zur Ausführung steuerfreier Leistungen verwendet.
Zwar ist gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. Bei den Versorgungseinrichtungen hat es sich aber um Betriebsvorrichtungen gehandelt, deren Überlassung gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG selbst dann nicht unter die Steuerbefreiung fällt, wenn sie wesentliche Bestandteile eines verpachteten Grundstücks darstellen. Betriebsvorrichtungen sind Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören. Darunter fallen alle Anlagen, die in besonderer und unmittelbarer Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen, d.h. Anlagen, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird (Urteil des BFH vom 5. März 1971 III R 90/69, BStBl II 1971, 455). Die Versorgungseinrichtungen für die Mobilheime erfüllen diese Voraussetzungen. Dabei ist es umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung, ob die Mobilheimeigentümer die Versorgungseinrichtungen zu gewerblichen Zwecken genutzt haben. Entscheidend ist vielmehr, daß sie unmittelbar dem Gewerbebetrieb der Klägerin gedient und für diesen eine herausgehobene Bedeutung gehabt haben. Die Verpachtung eines zum Aufstellen von Mobilheimen vorgesehenen Grundstücks setzt nach den bereits in den Streitjahren von Mobilheimeigentümern gestellten Komforterwartungen auch die Überlassung von Versorgungseinrichtungen der genannten Art voraus. Ohne solche Einrichtungen mag ein Campingplatz, nicht jedoch ein Grundstück für ein Mobilheim zu verpachten gewesen sein. Der Umstand, daß die Mobilheimeigentümer nicht den Besitz an den gesamten Leitungsanlagen, sondern nur an den Anschlüssen auf dem jeweiligen Grundstück übertragen bekommen haben, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil für die Nutzung der Versorgungseinrichtungen allein der Besitz an den jeweiligen Anschlüssen von Bedeutung ist.
Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 8. Oktober 1991 V R 46/88, BStBl II 1992, 368, 371) die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen dann steuerfrei, wenn es sich bei der Überlassung um eine bloße Nebenleistung zur Grundstücksverpachtung handelt. Der Senat kann es dahingestellt bleiben lassen, ob dieser Rechtsauffassung zu folgen ist (zweifelnd mit beachtlichen Gründen Klenk in Sölch/Ringleb/List, UStG, § 4 Nr. 12 Anm. 11). Die Überlassung der Versorgungseinrichtung hat im vorliegenden Fall keine bloße Nebenleistung zur Grundstücksüberlassung dargestellt. Eine das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilende unselbständige Nebenleistung liegt vor, wenn eine Leistung in engem Zusammenhang mit einer anderen steht, im Verhältnis zu dieser nebensächlich ist und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommt (Urteile des BFH vom 14. Juli 1977 V R 20/74, BStBl II 1977, 881; vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BStBl II 1981, 197). Die Überlassung von Versorgungseinrichtungen auf einem Freizeitgelände ist im Verhältnis zur Grundstücksverpachtung nicht nebensächlich. Die große wirtschaftliche Bedeutung der Versorgungseinrichtungen erklärt sich daraus, daß die Parzellen ungeachtet ihres landschaftlichen Reizes ohne den Anschluß an Strom, Gas, Wasser, Abwasser sowie die Gemeinschaftsantenne für die Verpachtung als Mobilheimstellplätze nicht in Betracht kämen, weil die Kundschaft diese Anschlußmöglichkeiten erwartet. Die Bedeutung der Versorgungseinrichtungen erschließt sich darüber hinaus aus dem eigenständigen wirtschaftlichen Wert, den die Beteiligten ihr zugemessen haben. Bei einem Pachtzins von jährlich ca. 1.500,00 DM (6,00 DM pro qm bei einer durchschnittlichen Grundstücksgröße von 250 qm) dokumentiert die Verpflichtung zur Vorauszahlung von 6.100,00 DM einen erheblichen eigenständigen Wert auch dann, wenn sich die Vorauszahlung auf die gesamte Pachtdauer erstreckt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 153 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (ZPO).
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 13 Abs. 2, 25 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Der Streitwert wird auf 39.326,00 DM festgesetzt.