Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.01.1996, Az.: III 261/94

Anspruch auf Abänderung eines Grunderwerbsteuerbescheides; Voraussetzung für eine Änderung des Steuerbescheids zu Ungunsten des Steuerpflichtigen; Umfang der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.01.1996
Aktenzeichen
III 261/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 16445
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1996:0117.III261.94.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 724-725 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Grunderwerbsteuer

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 17. Januar 1996,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Änderungsbescheide vom 13. Dezember 1985 und die Einspruchsbescheide vom 10. Mai 1994 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit Leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das beklagte Finanzamt - FA - an die Kläger ergangene Grunderwerbsteuerbescheide zu Recht gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - geändert hat.

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Die Kläger erwarben, vertreten durch die ... - im folgenden: BGA -, durch notariellen Vertrag vom 23. Dezember 1981 je zur ideellen Hälfte von der Firma I. AG & Co. KG die Wohnung Nr. 42 aus der Wohnungseigentumsanlage in H.-H. (Grundbuch von H. Band 76 Blatt 2416). Gemäß § 4 des Vertrags betrug der Kaufpreis 183.393,75 DM. Der Abschluß des Vertrags vom 23. Dezember 1981 wurde dem FA durch den beurkundenden Notar angezeigt. Durch Bescheide vom 4. Juni 1982 setzte das FA gegen die Kläger Grunderwerbsteuer von jeweils 6.418,75 DM nach einer Bemessungsgrundlage von je 91.696,87 DM fest.

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Aufgrund einer vom FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung H. durchgeführten Prüfung wurde dem FA bekannt, daß die Kläger bereits am 22. Dezember 1980 mit der BGA einen Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen hatten. Rufgrund dieses dem FA nicht angezeigten Vertrags waren die Kläger verpflichtet, an die BGA im Zusammenhang mit dem Erwerb der fraglichen Eigentumswohnung weitere Zahlungen (u.a. für die Geldbeschaffung, Verwaltung der Finanzierungsmittel, Besorgung der Finanzierung, steuerliche Betreuung und Beratung sowie die kaufmännische Geschäftsbesorgung) zu Leisten. Daraus ergab sich für die Kläger nach den Feststellungen des FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung H. ein Gesamtaufwand für den Erwerb der fraglichen Eigentumswohnung von 261.155 DM. Das beklagte FA setzte daraufhin durch gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Bescheide vom 13. Dezember 1985 gegen die Kläger Grunderwerbsteuer von je 9.140,40 DM nach einer Bemessungsgrundlage von jeweils 130.577,50 DM fest. Ruf die hiergegen erhobenen Einsprüche setzte das FA durch Einspruchsbescheide vom 10. Mai 1994 die Grunderwerbsteuer unter Ansatz einer Bemessungsgrundlage von jeweils 106.332,83 DM auf jeweils 7.443,24 DM herab und wies die Einsprüche im übrigen als unbegründet zurück.

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Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger ausschließlich die Änderungsbefugnis des FA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bestreiten und ausdrücklich gegen die Einzelberechnung der Bemessungsgrundlage in den angegriffenen Einspruchsbescheiden keine Einwände erheben. Zur Begründung tragen die Kläger vor: Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien nicht gegeben, weil das FA zu Unrecht den Inhalt des ihm nachträglich bekanntgewordenen Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrags als eine neue rechtserhebliche Tatsache qualifiziere. Das FA habe insoweit nicht den Nachweis geführt, daß es die hier fraglichen Kostenpositionen aus dem Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag - sofern dem FA dieser Vertrag zur Kenntnis gegeben worden wäre - im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer eingestellt hätte. Die Rechtserheblichkeit der in diesem Vertrag vom 22. Dezember 1980 getroffenen Abreden dürfe aufgrund des Beschlusses des Großen Senats des BFH (Beschluß vom 23. November 1987 GrS 1/86, BStBl II 1988, 180) nicht allein deshalb bejaht werden, weil das FA im Fall rechtzeitiger Kenntnis bereits bei der erstmaligen Veranlagung möglicherweise zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Vielmehr müsse das FA den Nachweis erbringen, daß es im Fall der Kenntnis der in dem Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag getroffenen Vereinbarungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Einbeziehung der dort vereinbarten Entgelte in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gekommen wäre. Diesen Nachweis habe das FA jedoch nicht geführt.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Änderungsbescheide vom 13. Dezember 1985 in der Gestalt der Einspruchsbescheide vom 10. Mai 1994 aufzuheben.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Es ist der Auffassung, daß die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt seien. Soweit die in dem Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag vereinbarten Leistungen erstmalig durch die angegriffenen Änderungsbescheide berücksichtigt worden seien, Läge kein verstoß gegen Treu und Glauben vor. Denn insoweit seien die Kläger ihrer gesetzlichen Anzeigepflicht nicht in zumutbarem Umfang nachgekommen, so daß die Änderungsbefugnis selbst im Fall einer etwaigen Verletzung der finanzbehördlichen Ermittlungspflicht zu bejahen sei. Die Unkenntnis der in dem Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag getroffenen Vereinbarungen sei auch für die ursprüngliche Veranlagung der Kläger ursächlich gewesen. Zwar sei nicht davon auszugehen, daß es im Fall der Kenntnis des Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrags mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Einbeziehung der fraglichen Funktionsträgergebühren in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage gekommen wäre. Im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung durch Bescheide vom 4. Juni 1982 hätten keine Verwaltungsanweisunqen betreffend die grunderwerbsteuerliche Behandlung der hier fraglichen Funktionsträgergebühren vorgelegen. Auch eine Verwaltungspraxis habe insoweit nicht bestanden. Da auch keine ältere spezielle BFH-Rechtsprechung zu diesem grunderwerbsteuerrechtlichen Fragenkreis vorgelegen habe, müsse bezüglich der Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geprüft werden, ob das FA bei zutreffender Anwendung des seinerzeit geltenden Rechts zu einer Besteuerung der nachträglich bekanntgewordenen Gegenleistungen gelangt wäre oder jedenfalls hätte gelangen können oder müssen. Diese Frage sei aufgrund des allein nach objektiven Maßstäben auszulegenden grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistungsbegriffs (§ 10 Abs. 1 GrEStG 1940) zu bejahen. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stünden diesem Entscheidungsmaßstab nicht entgegen.

8

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die beigezogenen Grunderwerbsteuerakten Bezug genommen.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Die angegriffenen Bescheide verletzen § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.

11

Nach der vorgenannten Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Im Streitfall ist dem FA die Tatsache, daß die Kläger neben dem Kaufvertrag über die fragliche Eigentumswohnung einen Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag mit der BGA abgeschlossen hatten, im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung durch die Grunderwerbsteuerbescheide vom 4. Juni 1982 nicht bekannt gewesen. Insoweit sind mithin die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erfüllt. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der über den Wortlaut der vorgenannten Vorschrift hinausgehenden weiteren Voraussetzung für eine Änderung des Steuerbescheids zu Ungunsten des Steuerpflichtigen, daß die spätere Kenntnis der Tatsache nicht auf einer Verletzung der der Finanzbehörde obliegenden Ermittlungspflicht (§ 88 AO) beruhen darf, sofern der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht genügt hat (BFH-Urteile vom 13. Juli 1990 VI R 109/86, BStBl II 1990, 1047; vom 11. November 1987 I R 108/85, BStBl II 1988, 115). Nach der gegebenen Sachlage steht dieser Gesichtspunkt der Änderung im Streitfall nicht entgegen, weil die Kläger ihre Anzeigepflicht aufgrund § 3 Durchführungsverordnung zum GrEStG vom 30. März 1940 (RGBl I S. 595) verletzt haben.

12

Der Senat verneint jedoch mehrheitlich in Fortführung seines Urteils vom 16. September 1992 III 568/89, EFG 1993, 342 die Entscheidungserheblichkeit der dem Fa nachträglich bekanntgewordenen Verpflichtungen der Kläger in dem mit der BGA geschlossenen Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag. Nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 23. November 1987, a.a.O.; ebenso BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BStBl II 1995, 293) muß die Unkenntnis der später bekanntgewordenen Tatsachen oder Beweismittel für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen sein. Dies ist im Hinblick auf die Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nur dann der Fall, wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 1991 IX R 238/87, BStBl II 1991, 741). Wie das FA den Sachverhalt bei der ursprünglichen Besteuerung gewürdigt hätte, ist grundsätzlich entsprechend der damaligen BFH-Rechtsprechung und der die Finanzämter bindenden früheren Verwaltungsanweisungen zu beurteilen. Soweit zu der Rechtsfrage keine frühere Rechtsprechung oder Verwaltungsübung festzustellen ist, darf nicht auf neuere BFH-Entscheidungen oder Verwaltungsanweisungen zu Lasten des Steuerpflichtigen zurückgegriffen werden (BFH-Urteil vom 15. Januar 1991, a.a.O.). Diese Grundsätze finden auch auf die Änderung von Grunderwerbsteuerbescheiden Anwendung (vgl. auch Senatsurteil vom 16. September 1992 III 568/89, a.a.O.). Der Senat folgt dem FA - und ebenso dem Finanzgericht Münster in dessen Urteil vom 24. März 1992 (8 K 1141/90 GrE) - nicht darin, daß für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bereits die Möglichkeit ausreichte daß das FA bei der ursprünglichen Veranlagung unter Berücksichtigung der nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen oder Beweismittel zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Zwar Läßt sich für diese Rechtsansicht ausführen, daß der BFH u.a. in seinem Urteil vom 14. Dezember 1994 (a.a.O., m.w.N.) die Rechtserheblichkeit nur dann verneint, "wenn das FA auch bei Kenntnis der Tatsache schon im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Entscheidung gekommen wäre". Der Senat sieht in dieser Formel einen Widerspruch zu dem BFH-Urteil vom 15. Januar 1991 (a.a.O.; ebenso BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 1992 I B 49/92, BFH/NV 1993, 83; vom 5. Februar 1992 I B 97/91, BFH/NV 1992, 645), das die Rechtserheblichkeit nur dann bejaht, "wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre". Den Letztgenannten Entscheidungen folgt der Senate weil sie am besten dem rechtlichen Gehalt des § 173 AO Rechnung tragen. Denn diese Vorschrift ist ihrer Rechtsnatur nach keine Fehlerberichtigungsvorschrift. Vielmehr entspricht es - wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 23. November 1987 (a.a.O.) ausgeführt hat - der Systematik der Steuerfestsetzung, daß ein bestandskräftiger Bescheid grundsätzlich später nicht mehr aufgehoben oder geändert werden darf. Diese systematische Stellung des § 173 AO sowie der Sinn und Zweck dieser Vorschrift müssen auch zur Geltung gebracht werden, soweit es um die Feststellung der Ursächlichkeit einer Unkenntnis von Tatsachen oder Beweismitteln geht: Zwar muß im Grundsatz davon ausgegangen werden, daß das FA die dem Sachverhalt entsprechende richtige Entscheidung getroffen hätte (BFH-Beschluß vom 23. November 1987, a.a.O.). Soweit allerdings Zweifel daran verbleiben, wie das FA mutmaßlich entschieden hätte, Liegen die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht vor (ebenso für § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO: BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 1992, a.a.O. und 5. Februar 1992, a.a.O.). Das gilt auch und gerade für den Fall, daß die Rechtslage in bezug auf die erstmalige Veranlagung als unsicher zu qualifizieren war (BFH-Urteil vom 6. November 1973 VIII R 12/71, BStBl II 1974, 67).

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Im Streitfall ist davon auszugehen, daß unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung durch die Bescheide vom 4. Juni 1982 ergangenen BFH-Rechtsprechung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Einbeziehung der hier fraglichen Gebühren und Entgelte in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ausgegangen werden kann. Hinsichtlich der vom FA durch die hier angegriffenen Bescheide in die Bemessungsgrundlage einbezogenen Gebühren für die Vermietungsvermittlung hatte der BFH noch in seinem Beschluß vom 18. Dezember 1985 (II B 24-29/85, BStBl II 1985, 627) eine Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer als ernstlich zweifelhaft betrachtet, von derartigen rechtlichen Zweifeln muß erst recht für den hier noch weiter zurückliegenden Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung im Jahre 1982 ausgegangen werden, überdies war im Jahre 1982 nach der seinerzeit ergangenen BFH-Rechtsprechung zu den hier fraglichen "sonstigen Gegenleistungen" i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 davon auszugehen, daß eine Einbeziehung von an Dritte zu entrichtenden Entgelten in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nur "in besonderen Fällen" in Betracht kam und eine Prüfung der Angemessenheit der vom Erwerber gegenüber dem Dritten - im Streitfall, der BGA - erbrachten Leistungen voraussetzte (BFH-Urteil vom 23. Februar 1977 II R 159/72, BStBl II 1977, 486). Erst im verlauf der späteren Rechtsentwicklung hat der BFH klargestellt, daß es bei einheitlichen Vertragswerken bzw. dem Erwerb bebauter Grundstücke als einheitlicher Leistungsgegenstand für die Einbeziehung von Leistungen aus von dem Erwerber mit Dritten eingegangenen Verpflichtungen aus gegenseitigen vertragen keiner Ausgewogenheitsprüfung im vorgenannten Sinne bedarf (vgl. etwa BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 II R 115/86, BStBl II 1990, 440; vom 5. Februar 1992 II R 20/91, BStBl II 1992, 422). Demnach kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß das FA die hier fraglichen Entgelte nach Maßgabe der seinerzeit ergangenen BFH-Rechtsprechung in die Bemessungsgrundlage einbezogen hätte. Auch die Finanzverwaltung im Zeitpunkt der hier fraglichen erstmaligen Veranlagung bindende Verwaltungsanweisungen sind nicht ersichtlich; dies hat das FA ausdrücklich bestätigt.

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Gegen die Rechtserheblichkeit des dem FA nachträglich bekanntgewordenen Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrags spricht überdies die von der Oberfinanzdirektion - OFD - Hannover mit Rundverfügung vom 1. Dezember 1982 entsprechend dem Erlaß des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 23. November 1982 - S 4509-22-32 3 - getroffene Anordnung. Mit dieser wurden die Finanzämter angewiesen, für bis zum 31. Dezember 1982 verwirklichte Erwerbe im Bauherrenmodell keine den Steuerpflichtigen nachteiligen Schlußfolgerungen aus dem BFH-Urteil vom 23. Juni 1982 II R 155/80 (BStBl II 1982, 741) zu ziehen. Diese Verwaltungsanweisung stand zwar mit der im Jahre 1982 maßgeblichen Rechtsprechung des BFH nicht im Einklang (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 1986 II R 141/83, BStBl II 1986, 418). In dem Letztgenannten Urteil hat sich der BFH allerdings lediglich auf die Feststellung beschränkte daß es - bezogen auf die Verhältnisse des Jahres 1976 - "nicht auszuschließen" gewesen sei, von einem einheitlichen Leistungsgegenstand auch für den Fall auszugehen, daß als Grundstücksanteilskäufer und als Baubetreuer oder Lieferant einer Eigentumswohnung verschiedene Personen auftraten. Der Senat sieht auch in dem Letztgenannten Urteil ein Indiz für eine im Zeitpunkt der im Streitfall erstmaligen Veranlagung unklare Rechtslage.

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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte hat das FA nicht den erforderlichen Beweis erbracht, daß es im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung im Fall des Bekanntseins der in dem Besorgungs- und Geschäftsbetreuungsvertrag getroffenen Vereinbarungen die dort vereinbarten Gebühren und Leistungsentgelte in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen hätte. Das FA hat insoweit keine konkreten Nachweise erbracht und - da nach seinem eigenen vorbringen eine Verwaltungspraxis insoweit nicht vorlag - keine Beweisangebote betreffend der hier in Rede stehenden Verwaltungsübung im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung unterbreitet. Dies geht zu Lasten des FA, weil es bezüglich der Voraussetzungen der Rechtserheblichkeit der neuen Tatsachen und Beweismittel i.S.d. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO darlegungs- und beweispflichtig ist. Demgemäß war der Klage stattzugeben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

17

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten ergibt sich aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

18

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Anwendungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO unter Berücksichtigung der von anderen Grundsätzen ausgehenden Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 24. März 1992, a.a.O.) grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).