Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.01.2002, Az.: 2 K 380/98
Kein neuer Fristlauf bei Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung um einen Monat
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.01.2002
- Aktenzeichen
- 2 K 380/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36227
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0116.2K380.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.02.2004 - AZ: VI R 22/02
Rechtsgrundlagen
- EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3
Fundstellen
- DB 2002, 1916-1917 (Kurzinformation)
- DStRE 2002, 1052-1054 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 1028-1029
- PP 2002, 40-41
- SteuerBriefe 2002, 1380
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die 2-Jahresfrist für die Abzugsfähigkeit der Mehraufwendungen anlässlich doppelter Haushaltsführung gilt auch für vor dem Jahr 1996 begonnene doppelte Haushaltsführungen.
- 2.
Eine kurzfristige Unterbrechung von nur einem Monat begründet nicht den erneuten Lauf der 2-Jahresfrist für doppelte Haushaltsführung.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist die Anerkennung der Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung im Jahr 1996 im Streit.
Der Kläger bezieht als kaufmännischer Angestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin ist Lehrerin. Der Kläger war vom 01.07.1991 bis einschließlich 31.10.1995 als leitender Angestellter bei der A AG tätig. Er unterhielt in dieser Zeit einen doppelten Haushalt in der B-Straße in C. Die Wohnung hatte er von seinem Arbeitgeber angemietet.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis bei der A AG sowie folgend den Mietvertrag zum 31.10.1995 und trat zum 01.11.1995 in D bei der Firma E eine neue Stelle an. Bei Beginn der Tätigkeit im November 1995 stellte der Kläger nach eigenem Vorbringen bereits am ersten Tag fest, dass die Firma E überschuldet gewesen sei und Konkursantrag hätte stellen müssen. Aus diesem Grund habe er das Beschäftigungsverhältnis dann sofort sehr kurzfristig zum 31.11.1995 gekündigt (Bestätigungsschreiben der Firma E). Aufgrund noch bestehender Verbindungen zu seinem ehemaligen Arbeitgeber, A AG, schloss der Kläger erneut zum 01.12.1995 einen Dienstvertrag mit der A AG ab. Er trat in seine alte Position ein und mietete zudem ab 01.12.1995 erneut die Wohnung in der B-Straße in C an.
In der Einkommensteuererklärung 1996 machte der Kläger Mietaufwendungen für die Wohnung in Potsdam (12 Monate x 749,00 DM) sowie die Mehraufwendungen für Verpflegung (210 Arbeitstage a 16,00 DM), insgesamt einen Betrag in Höhe von 12.348,00 DM als Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung geltend.
Das Finanzamt versagte die Anerkennung dieser Aufwendungen als Kosten der doppelten Haushaltsführung, da am 01.01.1996 die doppelte Haushaltsführung bereits mehr als zwei Jahre bestanden habe.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger sind der Rechtsansicht, die Beschränkung der doppelte Haushaltsführung auf zwei Jahre treffe auf sie nicht zu, da der Kläger erst am 01.12.1995 bei Wiederaufnahme des Arbeitsverhältnisses bei der A AG einen neuen doppelten Haushalt begründet habe. Es liege nicht nur eine vorübergehende Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung in C vor, da das Beschäftigungsverhältnis bei der A AG zum 31.10.1995 gekündigt worden sei und eine Rückkehr in den ursprünglichen Betrieb und den ursprünglichen Beschäftigungsort nicht geplant gewesen sei. Entgegen der Regelungen in Abschnitt 43 Abs. 10 der Lohnsteuerrichtlinien 1996 liege deshalb nicht eine bloße unbeachtliche Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung vor.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 vom 04.06.1997 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 28. April 1998 mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 12.348,00 DM steuermindernd zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gemäß § 9 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 5 Satz 3 EStG sei der Abzug der notwendigen Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei einer Beschäftigung am selben Ort insgesamt auf zwei Jahre begrenzt. Diese Frist beginne mit dem Ablauf der ersten Dienstreise an den auswärtigen Beschäftigungsort und ende grundsätzlich nach zwei Jahren mit der Folge, dass danach keine Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung mehr abgezogen werden dürften. Eine steuerlich zu beachtende - Unterbrechung der Beschäftigung am selben Ort, die den Neubeginn der Zweijahresfrist und damit die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen zur Folge habe, liege hingegen nur vor, wenn die Unterbrechung weder auf Urlaub noch auf Krankheit zurückzuführen sei und mindestens zwölf Monate gedauert habe, wobei allein auf das Tatbestandsmerkmal der Unterbrechung der Beschäftigung am selben Ort abzustellen sei. Im Streitfall allerdings sei die Beschäftigung in C bei der A AG nicht mindestens für zwölf Monate unterbrochen gewesen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen in Folge einer doppelten Haushaltsführung dann als Werbungskosten abziehbar, wenn die Entstehung und Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung beruflich veranlasst sind (B FH-Urteil vom 05.12.1997, VI R 94/96 , BStBl. II 1998, 211). Dabei hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 1996 in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG 1996 die Abzugsfähigkeit der Mehraufwendungen auf einen Zeitraum von zwei Jahren befristet. Der BFH hat hierzu entschieden, dass der Gesetzgeber sich mit dieser typisierenden Regelung innerhalb der Grenzen seines Beurteilungs- und Gestaltungsermessens bewegt habe und die Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (B FH-Urteil vom 05.12.1997, VI R 94/96 , BStBl. II 1998, 211). Der BFH hat diese zeitliche Befristung weiter bestätigt durch Beschluss vom 16. Februar 1998 (VI B 89/97, NV). Die Verfassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss des BFH hat das Bundesverfassungsgericht gemäß §§ 93 a, 93 b Bundesverfassungsgerichtsgesetz nicht zur Entscheidung angenommen (Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 18.10.2001, 2 BvR 592/98, NV).
Die Zweijahresfrist des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG gilt dabei auch für vor dem Jahr 1996 begonnene doppelte Haushaltsführungen gemäß § 52 Abs. 11 a EStG . Auch diese zeitliche Rückwirkung wurde ausdrücklich vom Bundesfinanzhof als verfassungsgemäß bestätigt (B FH-Urteil vom 05.12.1997, a.a.O.), die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.02.1998 (2 BvR 592/98) umfasst insbesondere auch die Frage des Beginns der doppelten Haushaltsführung vor dem Jahr 1996.
2. Damit ist im Streitfall die Zweijahresfrist des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG gemäß § 52 Abs. 11 a EStG auch auf die bereits vom Kläger zum 01.07.1991 begonnene doppelte Haushaltsführung anzuwenden.
Danach war im Jahr 1996 die Zweijahresfrist bereits abgelaufen, da der Kläger bereits in der Zeit vom 01.07.1991 bis 31.10.1995 in C, in der B-Straße einen doppelten Haushalt unterhalten hatte. Die einmonatige Tätigkeit in D ist dabei als bloße Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung in C anzusehen, die jedoch nicht den Neubeginn einer Zweijahresfrist begründet.
Die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 stellt bei der Befristung auf zwei Jahre insbesondere ab auf eine Beschäftigung am selben Ort. Dieses deckt sich insbesondere auch mit Sinn und Zweck der Regelung zur doppelten Haushaltsführung. Der Regelung zur doppelten Haushaltsführung liegt insbesondere ein arbeitsmarktpolitischer Subventionszwecke zu Grunde. Deutlich kommt dies in den Materialien zu der Gesetzesänderung von 1998 zum Ausdruck, wo auf das erklärte Ziel hingewiesen wird, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern (Bundestagsdrucksache (8/2501, S. 15, 18). Mittels steuerlicher Entlastung durch die Berücksichtigung der Kosten des Wohnens am Arbeitsort sollte das Beibehalten des bisherigen Lebensmittelpunktes erleichtert werden. Die dabei begründeten Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung sind - auch nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 26. September 1988, 1 BvR 849/88, StRK, Einkommensteuergesetz 1975 , § 9 Abs. 1 Nr. 5, Rechtspruch 30) ihrem Wesen nach gemischte Aufwendungen, die sowohl die berufliche als auch die private Sphäre des Steuerpflichtigen berühren. Durch die Berücksichtigung der Mehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit soll dabei insbesondere dem Steuerpflichtigen die Angewöhnung in die neue berufliche Umgebung erleichtert werden, seine finanziellen Lasten sollen gemindert werden. Nach der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG geht der Gesetzgeber allerdings typisierend nunmehr davon aus, dass der bei Begründung der doppelten Haushaltsführung vorhandene berufliche Anlass nach Ablauf von zwei Jahren entfallen ist oder zumindest so stark durch private Gründe überlagert wird, dass die Aufwendungen nicht mehr im Bereich der Einkommenserzielung zugeordnet werden können (B FH-Urteil vom 05.12.1997, VI R 94/96 , a.a.O.).
3. Danach stehen im Streitfall dem Kläger für 1996 keine weiteren Aufwendungen für seinen doppelten Haushalt in C zu.
Der Kläger hatte bereits vom 01.07.1991 bis einschließlich 31.10.1995 einen doppelten Haushalt in C unterhalten. Nach einer nur einmonatigen Unterbrechung durch seine Arbeitsaufnahme bei der Firma E D ist er sodann ab 01.12.1995 erneut bei seinem alten Arbeitgeber, der A AG tätig gewesen und hat erneut die Wohnung in C bezogen. Die Rückkehr von D nach C war dem Kläger unmittelbar nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses bei der Firma E Anfang November 1995 klar geworden. Er stellte unmittelbar nach Arbeitsantritt fest, dass die Firma konkursreif war. Er hat dann sogleich einen neuen Arbeitsvertrag mit der A AG abgeschlossen.
Die ursprüngliche Tätigkeit in C war deshalb lediglich für einen Zeitraum von einem Monat unterbrochen gewesen. Jedenfalls bei einer nur einmonatigen Unterbrechung wird dadurch nicht eine neue doppelte Haushaltsführung begründet. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut ist der Abzug der Aufwendungen auf insgesamt zwei Jahre bei einer Beschäftigung am selben Ort begrenzt. Ob dabei auch jedweder längerfristige Unterbrechung unschädlich ist, oder dann eine neue doppelte Haushaltsführung beginnt, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Finanzverwaltung geht in den Lohnsteuerrichtlinien davon aus, dass Unterbrechungen, wie z.B. eine vorübergehende Tätigkeit an einem anderen Beschäftigungsort nur dann zu einem Neubeginn der Zweijahresfrist führen, wenn die Unterbrechung mindestens acht Monate (bis 1998 12 Monate) gedauert hat. Diese Regelung wird von weiten Teilen der Literatur mitgetragen (so insbesondere Hartmann, INF 1999, 5; Seifert, FR 1998, 646; Kirchhof/Söhn, § 9 EStG Anm. G 112 E; Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz § 9 EStG , Rdz. 386 E; Littmann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz § 9 Rdz. 347 f.; Hartmann/Böttcher/Nissen, Kommentar zum Einkommensteuergesetz , § 9 EStG Rdz. 216; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz , § 9 Rdz. 154). Aufgrund der deutlichen Formulierung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG sowie dem Regelungsgedanken der doppelten Haushaltsführung jedenfalls führt eine nur einmonatige Unterbrechung der doppelten Haushaltsführung am selben Ort nicht zu einem Neubeginn der Zweijahresfrist.
Die Klage war mit der Kostenfrage des § 135 FGO abzuweisen.
Der Senat hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Bislang ist höchstrichterlich nicht geklärt, wie im Fall der Rückkehr an den ursprünglichen Arbeitsort der Begriff Beschäftigung am selben Ort auszulegen ist, insbesondere ob auch in diesem Falle die Befristung auf zwei Jahre anzuwenden ist.