Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.01.2002, Az.: 7 K 599/98

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.01.2002
Aktenzeichen
7 K 599/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 36236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2002:0123.7K599.98.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 20.04.2004 - AZ: VIII R 13/03

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Überlassung eines Grundstücks der Kläger an die R. U. Heizungsbau GmbH eine Betriebsaufspaltung darstellt und ob deshalb die Ablehnung des Beklagten, für die Streitjahre 1992 und 1993 einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide zu erlassen, rechtens ist.

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Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger ist Installateurmeister. Neben seinem Heizungsbaubetrieb in O. (Niedersachsen) betrieb er seit 1991 in G. (Raum Dresden) einen weiteren Heizungsbaubetrieb. Seit Anfang April 1992 wurde dieser Betrieb von der neu gegründeten R. U. Heizungsbau GmbH (im folgenden GmbH) fortgeführt, deren Gesellschafter zu 90 % der Kläger und zu 10 % die Klägerin sind. Die Buchführung und andere Verwaltungsarbeiten wurden in den Büroräumen des Betriebes in O. durchgeführt.

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Der Betrieb in G. wurde in einem Gebäude eines Angestellten geführt. Nachdem es im März 1992 zu Streitigkeiten mit dem Angestellten gekommen war, benötigte der Kläger neue Räume für seinen Betrieb. Mit Vertrag vom 4. Mai 1992 erwarben die Kläger ein Zweifamilienhaus in R., ca. 2 bis 3 km entfernt vom bisherigen Firmenstandort. Auf dem dortigen Grundstück befindet sich - neben dem Wohnhaus - ein Nebengebäude mit einer Garage, einem Lagerraum und Abstellräumen. Weiterhin befindet sich auf dem Grundstück ein Gebäude mit zwei Garagen und einem Abstellraum. In dem Nebengebäude wurde eine Werkstatt von 36 m2 für den klägerischen Betrieb eingerichtet. Die weiteren Lagerräume dienten dazu, angelieferte Heizungsanlagen unterzustellen, bevor sie auf die jeweiligen Baustellen gebracht wurden.

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Die Übergabe des Grundstücks sollte am 1. Dezember 1992 erfolgen, wobei jedoch drei Räume und eine Garage schon seit Vertragsschluss genutzt werden konnten. Die Kläger vermieteten die Werkstatt und das Lager (zusammen 131 m2) sowie Büro - und Sanitärräume von 60 m2, ohne weitere Umbauten durchzuführen, vom 1. April 1992 an die GmbH. Der Mietvertrag ist nicht datiert. In der Fußzeile des Formularmietvertrages findet sich der Aufdruck "7.93".

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Mitte 1994 wurde die GmbH umbenannt und verlegte ihren Sitz nach Ober-G. Der entsprechende Gesellschafterbeschluss datiert vom 4. Mai 1995. Dort wurde der Gesellschaft von einem Angestellten ein Bauerngut mit einem Wohnhaus und einem Stall überlassen. Die Wohnungen des Zweifamilienhauses in R. dagegen wurden ab Mitte 1994 an Dritte vermietet; Umbaumaßnahmen erfolgten dafür nicht. In dem Gebäude in R. waren vom 14. Januar 1993 bis 1. Juli 1994 keine Personen gemeldet.

6

Die Kläger erklärten die Einkünfte aus dem Grundstück in R. als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Gegen die nach einer Außenprüfung im Jahre 1996 erlassenen Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 legten die Kläger Einspruch ein und beantragten erstmals die Sonderabschreibung nach § 3 FördG für das Objekt in R., dessen Anschaffungskosten lt. Außenprüfung 348. 714 DM betragen hatten.

7

Der Beklagte lehnte es durch den angefochtenen Bescheid vom 24. September 1997 ab, einen Gewinnfeststellungsbescheid nach §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 AO zu erteilen.

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Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, mit der die Kläger vortragen, die Sonderabschreibung sei zulässig, da es sich um eine Betriebsaufspaltung handele. Das Grundstück sei für die Gesellschaft unentbehrlich, da die Heizungsanlagen dort untergestellt werden müssten. Die Stadtwerke Dresden verlangten für die Zulassung als Vertragsinstallationsunternehmen für Arbeiten an Gasanlagen u.a. eine Werkstatt. Die in dem Wohnhaus angemieteten Büroräume und Personalräume seien zur Besprechung mit Bauherren und Architekten sowie für Mitarbeiterbesprechungen erforderlich.

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Die Kläger beantragen,

den negativen Feststellungsbescheid vom 24. September 1997 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 28. September 1998 für die Jahre 1992 und 1993 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung weiterer Abschreibungsbeträge nach dem Fördergebietsgesetz in Höhe von 110. 000 DM (1992) bzw.  357 DM (1993) hinsichtlich der Immobilie in R. eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung über Einkünfte aus Gewerbebetrieb durchzuführen und die Einkünfte den Klägern je zur Hälfte zuzurechnen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er ist der Ansicht, es handele sich nicht um eine Betriebsaufspaltung. Das vermietete Gebäude in R. sei nicht auf den Betrieb zugeschnitten, sondern sei als Zweifamilienhaus erworben. Die Möglichkeit, die Heizungsanlagen unterzubringen, sei für den Betrieb nützlich, jedoch nicht erforderlich. Auch die Bescheinigung der Stadtwerke Dresden führe zu keinem anderen Ergebnis, da sie nicht erkennen lasse, wie groß die Werkstatt sein müsse.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

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Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung - sachliche und persönliche Verflechtung (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, [BFH 08.11.1971 - GrS - 2/71] und ständige Rechtsprechung) und damit eines gewerblichen Unternehmens i.S. von § 15 EStG - liegen im Streitfall nicht vor. Das vermietete Grundstück stellt nach den für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen keine wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH dar.

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Der BFH hat in seinem Urteil vom 2. April 1997 X R 21/93 (BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565 [BFH 02.04.1997 - X R 21/93]) die Rechtsprechung des BFH zur wesentlichen Betriebsgrundlage bei Grundstücksverpachtungen bzw. -vermietungen zusammenfassend dargestellt. Danach liegt eine wesentliche Betriebsgrundlage vor, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist. Von dieser Rechtsprechung gehen auch die übrigen Ertragsteuersenate des BFH aus (BFH-Beschluss vom 13. Juli 1998 X B 70/98, BFH/NV 1999, 39, und BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 96/96, BFH/NV 1999, 758).

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Eine hinreichende wirtschaftliche Bedeutung ist danach anzunehmen, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte (BFH-Urteile vom 26. Mai 1993 X R 78/91, BFHE 171, 476, BStBl II 1993, 718 [BFH 26.05.1993 - X R 78/91]; vom 2. April 1997 X R 21/93 in BFHE 183, 100, BStBl II 1997, 565 [BFH 02.04.1997 - X R 21/93]; in BFH/NV 1999, 758). Ob dies auch für "reine" Büro- und Verwaltungsgebäude gilt, ist strittig geblieben (zum Streitstand vgl. u.a. BFH-Urteil X R 21/93, a.a.O.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 15 Rz. 813; offen gelassen im BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 20/98, BFHE 187, 260, BStBl II 1999, 445 [BFH 15.10.1998 - IV R 20/98]). Übereinstimmung besteht jedoch in der Rechtsprechung des BFH insoweit, dass solche Gebäude - sowohl bei Fabrikations- als auch bei Dienstleistungsunternehmen - eine wesentliche Betriebsgrundlage sein können und dass dies jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn ein neu errichtetes Gebäude zum Zwecke der büro- und verwaltungsmäßigen Nutzung an die Betriebsgesellschaft vermietet wird, für deren Zwecke es hergerichtet oder gestaltet worden ist. Denn auch Bürogebäude können eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für das Betriebsunternehmen haben (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1997 III R 231/94, BFH/NV 1998, 1001, m.w.N.). Ob das der Fall ist, ist nach dem Gesamtbild der Eingliederung des Grundstücks in die innere Struktur des jeweiligen Betriebsunternehmens zu beurteilen (BFH-Urteile X R 21/93, a.a.O.; sowie BFH/NV 1999, 758).

16

Keine wesentliche Betriebsgrundlage ist demgemäß ein Betriebsgrundstück, das für das Betriebsunternehmen keine oder nur geringe wirtschaftliche Bedeutung hat (BFH-Urteile vom 4. November 1992 XI R 1/92, BFHE 169, 452, BStBl II 1993, 245 [BFH 04.11.1992 - XI R 1/92]; vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1992, 233, jeweils mit Nachweisen). Eine wirtschaftliche Bedeutung ist nach dem Urteil in BFHE 171, 476, [BFH 26.05.1993 - X R 78/91] BStBl II 1993, 718 [BFH 26.05.1993 - X R 78/91] insbesondere anzunehmen, wenn das Betriebsunternehmen in seiner Betriebsführung auf das ihm zur Nutzung überlassene Grundstück angewiesen ist, weil

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- die Betriebsführung durch die Lage des Grundstücks bestimmt wird oder

18

- das Grundstück auf die Bedürfnisse des Betriebs zugeschnitten ist, vor allem, wenn die aufstehenden Baulichkeiten für die Zwecke des Betriebsunternehmens hergerichtet oder gestaltet worden sind oder

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- das Betriebsunternehmen aus anderen innerbetrieblichen Gründen ohne ein Grundstück dieser Art den Betrieb nicht fortführen könnte.

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Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das Gebäude in R. für den Betrieb der GmbH nicht von wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Dieses ergibt sich daraus, dass die GmbH an dem Gebäude, um es für die betriebliche Nutzung herzurichten, keinerlei Umbaumaßnahmen durchgeführt hat. Dies ist umso bemerkenswerter, als es sich bei dem erworbenen Gebäude um ein Zweifamilienhaus handelt, das nach Beendigung der Nutzung durch die GmbH ohne weiteres zu Wohnzwecken vermietet werden konnte. Auch die Nebenräume (Lagerräume, Garagen) waren nach den Erläuterungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung in keiner Weise für den Betrieb eines Installationsunternehmens hergerichtet. Deren Nutzen erschöpfte sich darin, daß das Installationsmaterial und die Werkzeuge vor Witterungseinflüssen geschützt und vor Diebstahl gesichert untergebracht werden konnten. Dass in den Räumlichkeiten maßgebliche Arbeiten durchgeführt worden sind, für die die Räume unabdingbar gewesen wären, kann das Gericht nicht feststellen. Dies gilt auch deshalb, weil gerichtsbekannt ist, dass die wesentlichen Arbeiten eines Installateurbetriebes (Anpassarbeiten, Schweißarbeiten, Einstellungen) auf der Baustelle durchgeführt werden.

21

Zwar hat der BFH ein "besonderes Gewicht für die Betriebsführung" unabhängig vom baulichen Zuschnitt und der örtlichen Lage bei der gebotenen funktionalen Betrachtung auch dann angenommen, wenn das Unternehmen der Betriebsgesellschaft ohne das Gebäude nur bei einer einschneidenden Änderung seiner Organisation fortgeführt werden könnte (vgl. -für Lagerhalle- Urteil in BFH/NV 1995, 597). Die Nutzung des Grundstücks in R. für betriebliche Zwecke erscheint dem Senat dagegen von untergeordneter Bedeutung.

22

Im Streitfall kommt hinzu, dass die Gestaltung des Mietverhältnisses zwischen den Klägern und der GmbH nicht frei von Widersprüchen ist: Fällt zunächst auf, dass der Mietvertrag offenbar zurückdatiert ist (Mietvertrag ab 1. April 1992 - Formular von "7/93"), fehlen auch entsprechende Mieteinnahmen der Kläger aus dem Grundstück in R. für das Jahr 1992. Die entsprechende Anlage V enthält die Eintragung "Einnahmen 0,-- DM".

23

Nach allem erweckt die Gestaltung den Eindruck, hier sei nachträglich versucht worden, die steuerlichen Verhältnisse zu optimieren.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Revision eingelegt - BFH-Az. VIII R 13/03