Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.01.2002, Az.: 2 K 249/01
Ansparabschreibung setzt eine vom Stpfl. zu beweisende Investitionsabsicht zum Bilanzstichtag voraus
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.01.2002
- Aktenzeichen
- 2 K 249/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 36226
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2002:0116.2K249.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 13.05.2004 - AZ: IV R 11/02
Rechtsgrundlagen
- EStG § 7g Abs. 3
Fundstelle
- DStRE 2003, 784-785
Redaktioneller Leitsatz
1. Die Rücklage gem. § 7g Abs. 3 EStG kann nur bilden, wer auch eine Investitionsabsicht hat. Dieses - ungeschriebene - Merkmal des Steuertatbestandes folgt aus § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG .
2. Da die Investitionsabsicht Voraussetzung für die Bildung der Rücklage überhaupt ist, muss sie am Bilanzstichtag vorgelegen haben. Die Investitionsabsicht ist keine bloße sog. werterhellende Tatsache.
3. Die Beweislast für das Vorliegen der Investitionsabsicht trägt der Stpfl.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Kläger für das Streitjahr 1997 eine Rücklage gemäß § 7 g Abs. 3 EStG (sog. "Ansparabschreibung") bilden kann.
Der Kläger war bis zum Jahre 1995 nicht selbstständig beschäftigt. Im Anschluss war er arbeitslos. Im Jahre 1996 (Vorjahr) war der Kläger dann als Ingenieur selbstständig tätig, ebenso im Streitjahr und bis zum Herbst des Folgejahres. Seit 1. Oktober 1998 (Folgejahr) war der Kläger wieder nicht selbstständig bei seinem ehemaligen Arbeitgeber beschäftigt. Den Anstellungsvertrag hierfür hatte er schon im Sommer 1998 geschlossen. Der Kläger erklärte daraufhin zum 30. November 1998 (Folgejahr) seine Betriebsaufgabe.
Für das Streitjahr gab der Kläger, wie auch für das Vorjahr, eine Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ab, und zwar erstellt unter dem Datum 23. November 1998, beim FA eingegangen Mitte Dezember 1998. In der Gewinnermittlung stellte der Kläger den Einnahmen in Höhe von rund 104.000,00 DM unter anderem als "neutrale Aufwendungen" einen "Sonderposten" mit Rücklageanteil von 23.000,00 DM gegenüber. Dieser Posten sollte eine Ansparabschreibung gemäß § 7 g Abs. 3 EStG sein, und zwar für den Kauf eines Computers, ferner von Messgeräten, Schreibtisch und Stühlen (Gesamtbetrag ......, Einzelheiten siehe Bilanzakte). Der Kläger nahm diese Investitionen im Folgejahr, vor der Betriebsaufgabe, nicht mehr vor.
Das Finanzamt veranlagte den Kläger erklärungsgemäß, also unter Berücksichtigung der Ansparabschreibung. Es änderte den Bescheid wegen neuer Tatsachen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO , nachdem es, nach Abgabe der Gewinnermittlung für das Folgejahr, von der Betriebsaufgabe im Folgejahr erfahren hatte und ließ nunmehr die Ansparabschreibung nicht mehr zu. Nach Auffassung des Finanzamtes könne die Rücklage nicht mehr gebildet werden, wenn im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage die Investitionsabsicht schon wegen Betriebsaufgabe entfallen sei (Urteil des Finanzgerichtes Schleswig-Holstein vom 10.04.2000, V 358/99, abgedruckt in EFG 2000, S. 1061 ). Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Der Kläger meint, er könne die Ansparrücklage bilden, denn er habe bis zum Schluss des Streitjahres die Absicht gehabt, wie erklärt zu investieren. Erst später, im Folgejahr, habe sich seine erneute Einstellung bei der...AG herausgestellt, danach habe er den Entschluss gefasst, seinen Betrieb aufzugeben. Lediglich am Bilanzstichtag, also hier am 31.12.1997, müsse aber eine Investitionsabsicht bestanden haben, um in den Genuss der Rücklage gemäß § 7 g Abs. 3 EStG zu gelangen, nicht auch noch später. Diese Absicht sei eine wertbegründende Tatsache, deren Wegfall deshalb nach dem Bilanzstichtag auf die Gewinnermittlung keinen Einfluss mehr haben dürfe.
Der Kläger beantragt,
den Berichtigungsbescheid aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und beruft sich auf sein vorprozessuales Vorbringen im Einspruchsbescheid, auf den wegen weitere Einzelheiten verwiesen wird (Gerichtsakte Bl. 11).
Ergänzend trägt das Finanzamt vor, die spätere Betriebsaufgabe sei lediglich eine "wertaufhellende Tatsache" und müsse deshalb rückwirkend berücksichtigt werden.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger kann eine Ansparabschreibung nicht bilden.
Gemäß § 7 g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige eine sogenannte Ansparabschreibung i.H.v. 50 v.H. der beabsichtigten Investition bilden. Gemäß § 7 g Abs. 6 EStG steht eine solche Rücklage auch Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlung durch Einnahmeüberschussrechnung im gleichen Umfange wie bilanzierenden Steuerpflichtigen zu, also auch dem Kläger. Allerdings müssen im Übrigen die Voraussetzungen für die Bildung einer solchen Rücklage vorhanden gewesen sein. Entgegen der Auffassung des Klägers lagen die Voraussetzungen für eine solche Rücklage zum danach - fiktiven - Bilanzsticht ag 31.12.1967 in seinem Falle jedoch nicht vor.
Die Rücklage kann nämlich nur bilden, wer auch eine Investitionsabsicht hat. Dieses - ungeschriebene - Merkmal des Steuertatbestandes ergibt sich aus § 7 Abs. 3 Satz 2 EStG . Danach darf die Rücklage nämlich lediglich für Wirtschaftsgüter gebildet werden, die der Steuerpflichtige "voraussichtlich" anschaffen und herstellen wird. Das Erfordernis der Investitionsabsicht entspricht dem Zweck des Gesetzes, die Liquidität und Eigenkapitalausstattung kleiner und mittlerer Betriebe zu fördern und ihre Investitionsbereitschaft zu unterstützen (vgl. FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.04.2000 , V 358/99, EFG 2000 Seite 1001 ). Mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung bejaht auch der erkennende Senat das Erfordernis der Investitionsabsicht (FG Schleswig-Holstein a.a.O.; Pinkos, der Betrieb 1993, 1690; Brandis in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 g Anmerkung 84; anderer Auffassung FG Köln, Urteil vom 21.10.1999 , XIII K 2596/99 EFG 2000, 359 ).
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist jedoch die Investitionsabsicht keine bloße sogenannte werterhellende Tatsache, die also auch noch nach dem Bilanzstichtag bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung zu berücksichtigen ist. Da vielmehr die Investitionsabsicht Voraussetzung für die Bildung der Rücklage überhaupt ist, muss sie lediglich am Bilanzstichtag, hier also am 31.12.1997 vorgelegen haben.
Indes hat sich das Vorliegen dieser Absicht auch am 31.12.1997 nicht erweisen lassen. Während im Regelfall der Umstand, dass der Steuerpflichtige später tatsächlich investiert hat, selber ausreichend ist, um die vorhergehende Investitionsabsicht zu belegen, fehlt es im vorliegenden Fall hieran, weil der Kläger den Betrieb zuvor schon aufgegeben hat. Die Absicht indes ist eine bloße innere Tatsache, die nicht nachprüfbar ist, sondern lediglich anhand objektiver Merkmale, Indizien, belegt werden kann. Solche Merkmale fehlen hier jedoch. Nichts spricht dafür, dass der Kläger tatsächlich am Bilanzstichtag selbst noch die Absicht hatte, die behaupteten Investitionen vorzunehmen. Die Betriebsaufgabe im Folgejahr indiziert hier das Fehlen der Investitionsabsicht. Für die Vorlage der Investitionsabsicht trägt der Kläger jedoch die Beweislast, denn die Bildung der Rücklage würde ihn begünstigen. Damit folgt der Senat im Ergebnis dem Urteil des FG Schleswig-Holstein (a.a.O.) und anderen Finanzgerichten, die die Ansparabschreibung versagen, wenn der Betrieb bei Bildung der Rücklage schon aufgelöst ist oder die Fristen für die Investition verstrichen sind (siehe auch FG München, Urteil vom 06.02.2001 , 13 K 3283/98EFG 2001, 735[FG München 06.02.2001 - 13 K 3283/98] ; FG Hamburg DStRE 2001, 175).
Nach Auffassung des Senats kann auch aus einem Vergleich mit der Rücklage für Ersatzbeschaffung zur Lösung des vorliegenden Falle nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Allerdings setzt die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ebenfalls die Absicht der Reinvestition voraus ( BFH-Urteil vom 19.12.1972, VIII R 29/70 , BStBl. II 1973, 297 ). Lediglich am Schluss des Wirtschaftjahres, zu dem die Rücklage gebildet werden soll, muss der Steuerpflichtige ernsthaft beabsichtigen zu reinvestieren (Herrmann/Heuer § 5 Anmerkung 599). Gibt der Steuerpflichtige später diese Absicht auf, muss er die Rücklage am Schluss dieses Wirtschaftsjahres auflösen (BFH a.a.O., ferner BFH-Urteil vom 17.10.1991, IV R 97/89 BStBl II 1992, 392 ). Folglich kann jedoch eine Rücklage für Ersatzbeschaffung von Anfang an nicht gebildet werden, wenn eine Reinvestitionsabsicht von vornherein nicht bestand. Bei einer Rücklage für Ersatzbeschaffung kann diese Absicht im Übrigen eher vermutet werden, weil sie ja dem Ersatz von gegen den Willen der Steuerpflichtigen untergegangenen Wirtschaftsgütern dient. Im vorliegenden Fall scheidet schon diese Vermutung aus. Im Übrigen zeigt die Parallelbeurteilung jedoch an, dass die Reinvestitionsabsicht als wertbegründender Umstand am Bilanzstichtag jedenfalls auch für die Rücklage für Ersatzbeschaffung vorliegen muss.
Da die Klage danach abzuweisen ist, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen ( § 135 Abs. 1 FGO ).
Der Senat lässt die Revision zu, weil die Frage, unter welchen Umständen die Bildung einer Ansparabschreibung zulässig ist, höchstrichterlicher Klärung bedarf.