Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.12.1997, Az.: 5 U 75/97

Schmerzensgeld wegen einer Salmonelleninfektion; Abgrenzung der Sorgfaltspflichten bei horizontaler medizinischer Arbeitsteilung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
23.12.1997
Aktenzeichen
5 U 75/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21688
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:1223.5U75.97.0A

Fundstellen

  • MedR 1999, 36
  • OLGReport Gerichtsort 1998, 108-109
  • VersR 1999, 452-453 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Die Ärzte der Neurochirurgie dürfen darauf vertrauen, dass vor einer Überweisung die Neurologie eine Fortdauer der bei ihr aufgetretenen Salmonelleninfektion ausgeschlossen hat.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug von dem Berufungskläger, weiteren Ärzten und der ... -Klinik in ... u.a. Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,- DM wegen einer Salmonelleninfektion während ihrer stationären Behandlung vom 18.8. bis 22.9.1992 sowie wegen Behandlungsfehlern im Zusammenhang mit einer Biopsie am 20.8.1992 geltend gemacht.

2

Das Landgericht hat den Berufungskläger mit Urteil vom 10.6.1997 unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 20.000,- DM verurteilt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Berufungskläger sei der Klägerin (lediglich) deshalb zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet, weil er die Biopsie trotz einer bereits während der vorangegangenen stationären Behandlung vom 13.7.1992 bis 21.7.1992 in der neurologischen Abteilung der ...-Klinik festgestellten und am 20.8.1992 noch andauernden Salmolleninfektion durchgeführt habe. Das Fehlverhalten des Beklagten liege darin, dass er sich vor dem Eingriff am 20.8.1992 nicht vergewissert habe, dass die Klägerin inzwischen salmonellenfrei war.

Entscheidungsgründe

3

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

4

Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt ein die Haftung nach §§ 823, 847 BGB auslösendes Fehlverhalten des Berufungsklägers selbst dann nicht vor, wenn er die Biopsie am 20.8.1992 durchgeführt haben sollte, ohne zuvor - wie von ihm behauptet - in der Neurologie Rückfrage wegen der Salmonelleninfektion gehalten zu haben. Anknüpfungspunkt für den Umfang und die Abgrenzung der Sorgfaltspflichten bei horizontaler medizinischer Arbeitsteilung ist grundsätzlich die dem jeweiligen Fachbereich zugewiesene Aufgabe, und zwar nach Maßgabe von Gebietsbezeichnungen, etwa bestehender berufsständischer Vereinbarungen und der konkreten Rollenverteilung (BGH VersR 1990, 1242 f. [OLG Köln 20.09.1989 - 27 U 158/88]; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rdn. 234). Darüberhinaus kann der Arzt, der einen Patienten von einem Facharzt derselben oder einer anderen Fachrichtung zur Spezialuntersuchung übernimmt, im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der überweisende Arzt den Patienten in seinem Verantwortungsbereich sorgfältig und ordnungsgemäß untersucht und behandelt sowie eine zutreffende Indikation zu der erbetenen Leistung gestellt hat. Hat der hinzugezogene Arzt jedoch auf Grund bestimmter Anhaltspunkte Zweifel hieran, so muss er diesen nachgehen (BGH VersR 1994, 102; OLG Düsseldorf, VersR 1984, 643 f.; Steffen/Dressler, a.a.O., Rdn. 236).

5

Ausgehend hiervon durfte der Berufungskläger auf Grund der in diesem Fall bestehenden Besonderheiten auch ohne ausdrückliche Nachfrage darauf vertrauen, dass seitens der Neurologie vor der stationären Aufnahme am 18.8.1992 das Fortbestehen der Salmonelleninfektion ausgeschlossen worden war. Denn die Klägerin war zunächst am 13.7.1992 von der Neurologie aufgenommen worden und sollte am 22.7.1992 zur Durchführung der Biopsie durch den Berufungskläger in die Neurochirurgie verlegt werden. Diese Verlegung war jedoch auf Veranlassung der Neurologie unterblieben, weil die präoperative Diagnostik dort eine Salmonelleninfektion, also eine nach dem Bundesseuchengesetz meldepflichtige Erkrankung, ergeben hatte. Die Klägerin wurde dann auf Grund des Arztbriefes der Neurologie vom 12.8.1992, der an den Hausarzt gerichtet war und von dem die Neurochirurgie eine Durchschrift erhalten hatte, am 18.8.1992 zur Gewebeentnahme auf der Neurochirurgie aufgenommen. Aufgrund dieser Vorgeschichte und der daraus ersichtlichen Arbeitsteilung zwischen Neurologie und Neurochirurgie musste und konnte der Berufungskläger davon ausgehen, dass eine Fortdauer der Salmonelleninfektion vor der erneuten stationären Aufnahme ausgeschlossen worden war. Denn deren Ziel war es, nunmehr die bereits früher geplante und wegen der Salmonelleninfektion zunächst unterbliebene Biopsie durchzuführen.

6

Ob ein Fehlverhalten von Bediensteten der Neurologie ursächlich dafür war, dass - wie von der Klägerin behauptet - am 20.8.1992 eine Salmonelleninfektion bestand, bedarf keiner Erörterung. Denn einen etwaigen Behandlungsfehler auf der neurologischen Abteilung muss sich der Berufungskläger nicht nach § 831 BGB zurechnen lassen.