Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.12.1997, Az.: 5 W 245/97
Testierwille nach der Reihenfolge des Todes bei gemeinschaftlichen Testamenten; Auslegung von letztwilligen Verfügungen durch den Tatrichter; Separate Betrachtungsweise der jeweiligen Vermögensmassen durch die Erblasser in ihrem gemeinschaftlichen Testament
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 15.12.1997
- Aktenzeichen
- 5 W 245/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 21765
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:1215.5W245.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 12 FGG
- § 27 FGG
- § 550 ZPO
Fundstellen
- FamRZ 1998, 1390-1391 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGReport Gerichtsort 1998, 99-100
Amtlicher Leitsatz
Testamentsauslegung ist Sache des Tatrichters. Seine Schlussfolgerungen müssen nur möglich und nicht zwingend sein. Zum Testierwillen nach der Reihenfolge des Todes bei gemeinschaftlichen Testamenten.
Gründe
1.
Am 3.3.1997 verstarb die am 2.5.1925 geborene Erblasserin. Ihr am 5.5.1924 geborener Ehemann war bereits am 23.12.1986 verstorben. Der Beteiligte zu 1) ist der gemeinsame Sohn der Eheleute. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Söhne des Ehemannes aus erster Ehe.
Die Eheleute haben am 15.2.1976 gemeinschaftlich ein Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt und ferner bestimmt haben:
"Nach dem Tode des Längstlebenden von uns sollen unsere Kinder nach den gültigen rechtlichen Bestimmungen erben."
Die Eheleute, die in Zugewinngemeinschaft gelebt haben, erwarben im Jahre 1974 jeweils zur Hälfte für insgesamt 50.000,- DM ein Einfamilienhaus, das damals und auch in der Folgezeit der wesentliche Teil ihres Vermögens war. Die Beteiligten zu 2) und 3) machten nach dem Tode des Ehemannes Pflichtteilsansprüche geltend und erhielten jeweils 7.352,27 DM.
Das Amtsgericht Jever hat mit Beschluss vom 5.6.1997 angekündigt, einen Erbschein zu erlassen, nach dem die Erblasserin von dem Beteiligten zu 1) allein beerbt worden ist. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hiergegen hat das Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 22.9.1997 zurückgewiesen. Mit der hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde erstrebt der Beteiligte zu 2) die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass die Beteiligten jeweils Erben zu 1/ 3 sind.
2.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist zulässig (§§ 27, 29 FGG), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Entscheidung hält der vom Gericht der weiteren Beschwerde vorzunehmenden rechtlichen Prüfung (§ 27 FGG, § 550 ZPO) im Ergebnis stand.
Die Auslegung von letztwilligen Verfügungen obliegt grundsätzlich dem Tatrichter. Dessen Auslegung bindet das Rechtsbeschwerdegericht solange, als sie nach hinreichender Erforschung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 12 FGG), nach den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung möglich ist, mit den gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, dem klaren Sinn und Wortlaut des Testaments nicht widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt. Dabei müssen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein; es genügt, wenn sie nur möglich sind, mag auch eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen haben. Es darf aber durch die Auslegung nicht ein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht irgendwie, sei es auch nur andeutungsweise ausgedrückt ist. In diesem Rahmen können zur Ermittlung des Willens der Erblasserin auch außerhalb des Testaments liegende Umstände herangezogen werden und ggf. zu einem vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Verständnis führen. Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist darüberhinaus stets zu prüfen, ob eine nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliche Auslegung auch dem Willen des anderen Ehegatten entspricht (BayOblGZ 1981, 79; BayOblG FamRZ 1996, 1037; Beschluss des Senats vom 15.12.1992 FamRZ 1993, 854).
Ausgehend hiervon muss der weiteren Beschwerde vom Ansatz her beigepflichtet werden, wenn sie geltend macht, aus Wortlaut und Sinnzusammenhang des gemeinschaftlichen Testaments vom 15.2.1976 lasse sich nicht entnehmen, dass je nachdem, welcher Ehegatte länger lebt, eine - auch wirtschaftlich - andere Zuweisung des dann nach beiden Ehegatten insgesamt verbliebenen Vermögens erfolgen sollte, dass also bei einem Vorversterben des Ehemannes lediglich der Beteiligte zu 1) als Sohn der Erblasserin, bei einem Vorversterben der Erblasserin aber alle drei Beteiligte Erben nach dem jeweils Längstlebenden sein sollten. Auch aus dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen, insbesondere aus den von dem Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen, lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte für einen solchen, an die Reihenfolge ihres Todes anknüpfenden, unterschiedlichen Testierwillen der Eheleute herleiten.
Darüber hinaus fehlen aber auch konkrete Anhaltspunkte für die Auffassung des Beteiligten zu 1), die Eheleute, deren Altersunterschied lediglich ein Jahr betrug, hätten bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments entgegen dessen Wortlaut lediglich den Fall des Vorversterbens des Ehemannes in den Blick genommen. Schließlich steht auch die Auffassung, die Beteiligten zu 2) und 3) hätten auf jeden Fall nur ihren Pflichtteil nach dem Ehemann erhalten sollen, ausgehend von dem allgemeinen Sprachverständnis mit Wortlaut sowie Sinnzusammenhang des Testaments nicht im Einklang. Sie findet selbst in den von dem Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen keine zureichende Stütze. Denn darin wird konkret lediglich bestätigt, dass die Erblasserin nach Auszahlung des Pflichtteils an die Beteiligten zu 2) und 3) der Ansicht war, diese hätten keine weiteren Ansprüche mehr. Zu dem - insoweit maßgeblichen - gemeinsamen Willen beider Ehegatten im Hinblick auf den Erbanteil der drei Beteiligten wird unter Hinweis auf gelegentliche Gespräche über das gestörte Verhältnis zu den Beteiligten zu 2) und 3) demgegenüber lediglich schlussfolgernd ("Klang klar heraus", ,unser Eindruck war", "konnte ich nie entnehmen") und mit unterschiedlicher Akzentuierung abgeleitet, diese hätten nur das bekommen sollen, "was ihnen nach dem Gesetz zusteht", die Beteiligten zu 2) und 3) hätten "nach dem Tode von Franz ... den Pflichtteil bekommen sollen bzw. es sei nicht der Wille geäußert worden, die drei Beteiligten ,alle in gleicher Weise testamentarisch zu begünstigen".
Diese vom Ansatz her berechtigten Hinweise des Beschwerdeführers führen im Ergebnis aber nicht dazu, dass ein anderer als der angekündigte Erbschein zu erteilen ist. Zu entscheiden ist in diesem Verfahren nämlich nur über die Erbfolge in Bezug auf das Vermögen der Ehefrau, nicht aber darüber, ob und ggf. zu welchen Anteilen das bis dahin der Ehefrau zugewandte Vermögen des Ehemannes nach deren Tode den drei Beteiligten zusteht. Denn Wortlaut und Systematik des gemeinschaftlichen Testaments, die von dem Beteiligten zu 1) vorgelegten Unterlagen sowie die Lebenserfahrung sprechen übereinstimmend dafür, dass die Eheleute ihre jeweiligen Vermögensmassen insbesondere im Hinblick darauf, dass nur der Beteiligte zu 1) gesetzlicher Erbe nach beiden war, separat betrachtet haben und dass das Vermögen der Erblasserin nach dem Tode des Längstlebenden allein ihrem leiblichen Sohn, dem Beteiligten zu 1), zufallen sollte. Gegenteiliges ließe sich auch nicht aus dem - erstmals mit der weiteren Beschwerde vorgetragenen und im Verfahren der Rechtsbeschwerde unbeachtlichen - Umstand entnehmen, dass die Eheleute den Beteiligten zu 2) im Anschluss an die Geburt des ersten Kindes besucht haben sollen.